Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 2 StR 109/11

bei uns veröffentlicht am24.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 109/11
vom
24. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. August 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. November 2010 aufgehoben.
a) in den Fällen 1 - 114 (Komplex I "c. ") mit den Feststellungen ,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,
c) im Ausspruch über den Verfall. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 68 Fällen und wegen versuchten Betruges in 109 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. April 2011 genannten Gründen nicht durch. Die Sachrüge hat zum Teil Erfolg.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts zum ersten Tatkomplex vertrieb der Angeklagte unter seiner Firma Q. über die Webseite c. die Vermittlung von Zugängen zu dem Internetprovider U. gegen Entgelt. Die Kunden konnten dort Videofilme, Musik oder Computerprogramme herunterladen. Der Angeklagte bot zunächst ein Probeabonnement an und ging von einer Verlängerung des Vertrages bei Ausbleiben einer Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt aus. In diesem Fall berechnete er 93,60 Euro pro Abonnement für ein weiteres Jahr. Er hatte zahlreiche Kunden, versandte im Tatzeitraum von Juli 2005 bis Juli 2007 Rechnungen aber auch an solche Personen, die entweder keinen Vertrag mit ihm abgeschlossen oder diesen rechtzeitig widerrufen hatten. Er nahm den Widerruf von Abonnements "bewusst nicht zur Kenntnis" und forderte in 114 Fällen den Betrag von 93,60 Euro pro Abonnement. Darin sieht das Landgericht jeweils einen Fall des Betruges.
4
Die rechtliche Würdigung trägt nicht. Das Landgericht hat nicht ausgeführt , worin in den Einzelfällen jeweils der Schaden für die Kunden bestanden hat oder aus der Sicht des Angeklagten bestehen sollte. Ein Schaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB liegt vor im Fall einer Vermögensminderung ohne ausreichende Kompensation. Insoweit ist die tatsächlich gegebene Möglichkeit des Zugangs zu dem Internetprovider für die Kunden des Angeklagten vom Landgericht nicht bewertet worden. Es ist nicht festgestellt worden, dass dieser Zugang für die Kunden wertlos war. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen , dass der Wert der Leistung nicht dem Preis entsprach oder die Kunden die erbrachte Leistung nach dem vertraglich vorausgesetzten Zweck individuell nicht nutzen konnten. Soweit das Landgericht von vollendetem Betrug ausgegangen ist, ist deshalb schon der objektive Tatbestand nicht hinreichend belegt; soweit nur versuchter Betrug angenommen wurde, ist zumindest der Betrugsvorsatz des Angeklagten nicht ausreichend begründet worden.
5
Die Verurteilung des Angeklagten im zweiten Tatkomplex ("M. ") ist dagegen rechtsfehlerfrei erfolgt.
6
Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 1 - 114 zwingt zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
7
Auch die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 73a StGB kann keinen Bestand haben. Die Ausführungen des Tatgerichts zur Verfallsanordnung müssen erkennen lassen, wie es den Verfallsbetrag ermittelt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 9. August 2006 - 2 StR 282/06, NStZ-RR 2006, 376). Erforderlich ist zugleich, dass erkennbar wird, in welchem Umfang das Gericht von der Härteregelung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB Gebrauch gemacht hat. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte allein im Tatkomplex "M. " insgesamt "knapp 580.000 Euro vereinnahmt" habe, deren Zuordnung zu einzelnen Geschädigten jedoch nicht mehr möglich sei. Im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist der Betrag nicht mehr, da er nur noch über "ein Firmenkonto in Belgien" verfügt, auf dem sich ein Betrag von über 30.000 Euro befindet. In jüngerer Zeit hat der Angeklagte mit dem Betrieb verschiedener Firmen "stark schwankende Einnahmen" erzielt. Aus der durch die Straftaten vereinnahmten Summe hat das Landgericht "unter Vornahme eines Härteausgleichs" den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 81.000 Euro für angemessen erachtet, worauf die vom Angeklagten freigegebenen oder sichergestellten Beträge anzurechnen seien, deren Umfang und Anrechnungsgrund nicht mitgeteilt ist. Danach kann das Revisionsgericht nicht nachprüfen, ob das Landgericht den Verfallsbetrag in rechtlich fehlerfreier Weise ermittelt hat. Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafgesetzbuch - StGB | § 73a Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.