Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2005 - 2 ARs 143/05

bei uns veröffentlicht am25.05.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 143/05
2 AR 65/05
vom
25. Mai 2005
in der Strafvollstreckungssache
gegen
Az.: 5 VRs 102 Js 4427/00 Staatsanwaltschaft Aschaffenburg
Az.: 4 Ls 102 Js 4427/00 Amtsgericht Aschaffenburg
Az.: 3774 Js 2336/02 Staatsanwaltschaft Hannover
Az.: 86 StVK 36/04 Landgericht Hannover
Az.: StVK M 2526/04 821 b) Bew - StVK M 2444/04 (21 b) - StVK M 4055/04
(21 b) Landgericht Bielefeld
Az.: 5 AR 18/2005 Generalstaatsanwaltschaft Bamberg
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 25. Mai 2005 gemäß § 14 StPO beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der mit Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 6. Juni 2000 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover.

Gründe:

Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts Aschaffe nburg vom 6. Juni 2000 zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Dezember 2002, rechtskräftig seit dem 23. Mai 2003, ist der Verurteilte zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt worden. Die Unterbringung nach § 64 StGB wurde seit dem 22. August 2003 in der W. Klinik vollzogen. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld, die die Bewährungsüberwachung für die Bewährung aus dem Urteil des Amtsgericht Aschaffenburg übernommen hatte, hat den Verurteilten durch Beschluß vom 8. Dezember 2004 aus der Unterbringung entlassen. Eine Entscheidung über den von der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg beantragten Widerruf der Bewährung, den sie zuvor zurückgestellt hatte, hat sie nicht getroffen, sondern das Verfahren insoweit an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover abgegeben. Die Strafvoll-
streckungskammer des Landgerichts Hannover hat sich durch Beschluß vom 17. Januar 2005 für unzuständig erklärt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld ha t die Akten über die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg vorgelegt zur Herbeiführung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Zuständigkeit für den Bewährungswiderruf.
Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover.
Mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Hannover am 23. Mai 2003 ging die Untersuchungshaft des in der Justizvollzugsanstalt Hannover einsitzenden Verurteilten ohne weiteres in Strafhaft über. Damit wurde die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover für die Entscheidung der Widerrufsfrage zuständig. Daran ändert es nichts, daß der Verurteilte im August 2003 zur Vollstreckung der Maßregel nach § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht wurde, die in dem Bezirk des Landgerichts Bielefeld liegt. Damit ging zwar die allgemeine Zuständigkeit für Nachtragsentscheidungen auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld über, nicht aber die Zuständigkeit für die Widerrufsfrage. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover war mit dieser Frage vorher befaßt und hatte darüber nicht abschließend befunden. Ein Befaßtsein im Rechtssinne liegt vor, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung rechtfertigen können. Dies war hier jedenfalls im Juli 2003 der Fall, weil zu diesem Zeitpunkt das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Hannover zum Bewährungsheft gegeben wurde. Dabei ist es unerheblich, daß das Bewäh-
rungsheft nicht der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover vorlag. Für das Befaßtsein der Strafvollstreckungskammer genügt es, daß die Unterlagen bei einem Gericht eingehen, das für die Entscheidung zuständig sein kann (BGHR StPO § 462 a Befaßtsein 8). Unerheblich ist auch, daß die Staatsanwaltschaft erst den Widerrufsantrag gestellt hat, als sich der Verurteilte in der W. Klinik befand, da die Widerrufsfrage von Amts wegen zu prüfen ist.
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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2005 - 2 ARs 143/05 zitiert 4 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Referenzen

Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.