Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2002 - 1 StR 62/02

bei uns veröffentlicht am03.04.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 62/02
vom
3. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2002 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 2. November 2001 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Der Angeklagte wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Geiselnahme zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, nachdem er in dieser Sache bereits durch Urteil des Landgerichts vom 15. Januar 2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden war. Seine Revision gegen dieses Urteil war auf die Verurteilung wegen Geiselnahme beschränkt. Der Senat hat diese Revision durch Beschluß vom 31. Mai 2001 (1 StR 182/01) hinsichtlich des Schuldspruchs verworfen, jedoch den Ausspruch über die wegen Geiselnahme verhängte Einzelstrafe und über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben (NJW 2001, 2895). Die erneute Revision des Angeklagten bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Auf Grund des Senatsbeschlusses vom 31. Mai 2001 sind die den Schuldspruch wegen Geiselnahme tragenden Feststellungen für das weitere Verfahren bindend geworden. Sie bilden zusammen mit dem neuen Urteil die
einheitliche instanzabschließende Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Revision mußte die Strafkammer diese Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH, Beschluß vom 19. September 2001 - 3 StR 339/01 m. w. N.). Gleiches gilt auch für die Feststellungen zu der durch das Urteil vom 15. Januar 2001 bereits rechtskräftig abgeurteilten vorsätzlichen Körperverletzung. 2. Die Strafkammer hat von der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 4, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht, die nicht ausgeschlossen ist, wenn der Täter die Geisel zwar freigelassen, aber dabei nicht freiwillig gehandelt hat (Senat NJW 2001, 2895, 2896 m. w. N.). Sie hat in diesem Zusammenhang auf Grund der glaubwürdigen Angaben des Angeklagten festgestellt, dieser habe von der Geisel abgelassen, "weil er glaubte, der Vater von Simone F. habe einen Herzanfall erlitten, was ihn in Panik versetzte". Andererseits habe er die Geisel aber erst freigelassen, "als er feststellte , daß die Polizei bereits eingetroffen war" und deshalb unfreiwillig gehandelt. Diese Unklarheit, auf die die Revision zutreffend hinweist, gefährdet den Bestand des Urteils jedoch nicht. Zwar kann es (unbeschadet der auf jeden Fall möglichen Strafrahmenmilderung) im Rahmen der konkreten Strafzumessung bedeutsam sein, ob der Täter letztlich freiwillig gehandelt hat oder nicht. Die Gesamtumstände ergeben jedoch, daß die Strafkammer den Begriff der "Panik" im Sinne einer alles überwältigenden Angst verstanden hat. Ein hierauf zurückzuführendes Verhalten ist jedoch ebensowenig als freiwillig zu werten (vgl. BGH StV 1992, 10, 11) wie ein durch das Erscheinen der Polizei ausgelöstes Verhalten.
3. Auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2002 - 1 StR 62/02 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 239b Geiselnahme


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu ein

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.