Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2007 - 1 StR 576/07

bei uns veröffentlicht am20.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 576/07
vom
20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2007 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ellwangen vom 18. Juli 2007 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift vom 15. November 2007 merkt der Senat hinsichtlich des gegen
die Verurteilung nach §§ 223, 227 StGB gerichteten Revisionsvorbringens an:
Generalbundesanwalt Der hat bereits zutreffend darauf hingewiesen,
dass der ärztliche Heileingriff des Angeklagten jedenfalls dann eine Körperverletzungshandlung
darstellt, wenn es an einer wirksamen Einwilligung des Patienten
bzw. bei minderjährigen Patienten von deren Eltern fehlt. Liegt eine Einwilligung
vor, ist diese nur dann wirksam erteilt, sofern der Patient vor dem Eingriff
in der gebotenen Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten
, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt
worden ist (vgl. BGHSt 16, 309; BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 4 m.w.N.;
Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht 3. Aufl. Rdn. 871). Nach den eindeutigen
Feststellungen des Urteils war dies sowohl im Fall N. als auch
im Fall H. nicht der Fall. Der Angeklagte wusste, dass die von
ihm regelmäßig und auch in den vorliegenden Fällen praktizierte Wiederverwendung
angebrochener Flaschen mit dem Narkosemittel Propofol den Warnhinweisen
des Herstellers widersprach, nach der einschlägigen Fachliteratur
sogar zum Tode des Patienten führen konnte, und daher in keiner Weise
kunstgerecht, sondern vielmehr sogar mit einer Gefahr für Leib und Leben der
Patienten verbunden war. Gleichwohl setzte er sich über die anerkannten Regeln
der Heilkunst, die ihm eine Wiederverwendung angebrochener Propofolflaschen
untersagte, wissentlich hinweg. Damit wusste er auch, dass seine
Narkosen von den jeweils erteilten Einwilligungen nicht gedeckt und damit vorsätzliche
Körperverletzungshandlungen waren.
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang weiter rügt, dass dem
Angeklagten allenfalls bewusste Fahrlässigkeit hinsichtlich des Todes der drei
Jahre alten H. vorgeworfen werden könne, keinesfalls aber
Absicht oder direkter Vorsatz, wird offenbar verkannt, dass bei § 227 StGB die
Todesfolge gemäß § 18 StGB wenigstens fahrlässig verursacht sein muss, was
angesichts der vorbezeichneten Feststellungen des Landgerichts keinem Zweifel
unterliegt. Soweit nämlich der Angeklagte insoweit mit zumindest bedingtem
Vorsatz gehandelt hätte, wäre ein Tötungsdelikt nach § 212 StGB gegeben
gewesen (vgl. auch Fischer, StGB 55. Aufl. § 227 Rdn. 7).
Der Senat kann im Übrigen offen lassen, ob der Angeklagte sich nicht
auch einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2
StGB strafbar gemacht hat; denn eine insoweit unterbliebene Verurteilung beschwert
ihn nicht.
Nack Boetticher Hebenstreit
Elf Graf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 227 Körperverletzung mit Todesfolge


(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. (2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahre

Strafgesetzbuch - StGB | § 18 Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen


Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.