Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2002 - 1 StR 412/01

07.02.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 412/01
vom
7. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2002 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 28. März 2001 aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen Bankrotts durch unordentliche
Buchführung verurteilt wurde; insoweit wird er freigesprochen
und die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und
notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse
auferlegt;

b) soweit der Angeklagte wegen Bankrotts durch Beiseiteschaffen
verurteilt wurde;

c) im Strafausspruch wegen Konkursverschleppung und im
Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bankrotts in zwei Fällen (Beiseiteschaffen und unordentliche Buchführung) sowie wegen Verletzung der Konkursantragspflicht zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt , deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des Angeklagten hat überwiegend Erfolg. 1. Der Angeklagte war faktischer Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer alteingesessenen Hutfabrik in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Die Bankrottdelikte stehen im Zusammenhang mit Geldzahlungen, die er aus seinem Privatvermögen an die Kommanditgesellschaft leistete, als diese sich in der Krise befand.
a) Zunächst stellte der Angeklagte der Gesellschaft drei Darlehen in Höhe von insgesamt 159.000 DM zur Verfügung, die er mit Teilzahlungen vom 13. Februar 1997 in Höhe von 100.000 DM, vom 6. März 1997 in Höhe von 30.000 DM und vom 17. April 1997 in Höhe von 29.000 DM valutierte.
b) Als diese Mittel zur Behebung der Krise nicht ausreichten, erwarb der Angeklagte mit Kaufvertrag vom 18. April 1997 ein Grundstück der Gesellschaft für 1 Mio DM. Der Kaufpreis sollte, nachdem insoweit ein vertragliches Fassungsversehen nachträglich korrigiert wurde, am 1. August 1997 fällig sein. Auf diesen Kaufpreis leistete der Angeklagte – vor dem korrigierten Fälligkeitstermin – drei Zahlungen in Höhe von insgesamt 550.000 DM, und zwar am 22. April 1997 400.000 DM, am 22. Mai 1997 50.000 DM und am 12. Juni 1997 100.000 DM.
2. Die Verurteilung wegen Bankrotts durch unordentliche Buchführung (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB) hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Die unordentliche Buchführung sieht das Landgericht darin, daß der Angeklagte - in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit der KG - die Buchhalterin nach Erhalt der ersten Kaufpreisteilzahlung in einem "Aktenvermerk für die Buchhaltung" vom 24. April 1997 anwies, die erste Zahlung von 400.000 DM und die künftigen Kaufpreisteilzahlungen bis zur Eintragung als Eigentümer als Gesellschafterdarlehen auf seinem Darlehenskonto zu passivieren. Am 16. Juni 1997 stornierte die Buchhalterin weisungsgemäß die bis dahin erfolgten Kaufpreisteilzahlungen in Höhe von 550.000 DM und verbuchte diese nunmehr als Erfüllungsleistungen auf den Kaufvertrag. Das Landgericht meint, diese Zahlungen hätten richtigerweise als transitorische Passiva verbucht werden müssen; daher sei die Übersicht über den Vermögensstand der Gesellschaft erschwert worden. Der Senat kann offen lassen, ob die - vorübergehende und bei Eintritt der Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB bereits geänderte - Buchung als Gesellschafterdarlehen überhaupt unrichtig war. Immerhin erfolgten die Kaufpreisteilzahlungen vor Fälligkeit, ersichtlich deshalb, weil ein akuter Liquiditätsbedarf bestand. Jedenfalls belegen die Feststellungen nicht, daß der Angeklagte vorsätzlich oder fahrlässig die Übersicht über den Vermögensstand der Gesellschaft erschwert hat (vgl. dazu BGH StV 1999, 26; 2000, 479). Es wird schon nicht näher begründet, weshalb es einem sachverständigen Dritten ohne Schwierigkeiten nicht möglich gewesen wäre, sich innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über den Vermögens- und Schuldenstand der Gesellschaft zu verschaffen. So wäre es insbesondere erforderlich gewesen , festzustellen, ob der "Aktenvermerk für die Buchhaltung" vom 24. April
1997 zu diesem Zweck zur Verfügung gestanden hat. Gegen eine vorsätzliche oder fahrlässige Erschwerung der Übersicht spricht aber insbesondere, daû die Verbuchung der Zahlungen als Darlehen - anders als die Verbuchung als Kaufpreiserfüllung - für den Angeklagten mit einem erheblichen Verlustrisiko verbunden und somit aus seiner Sicht sogar nachteilig war. Da dieses objektive Indiz von erheblichem Entlastungsgewicht ist, schlieût der Senat aus, daû zusätzliche dem Angeklagten nachteilige Feststellungen getroffen werden können und spricht den Angeklagten insoweit frei. Auf die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, die verlesene Buchungsanweisung sei unter diesen Gesichtspunkten nicht ausreichend gewürdigt worden, kommt es daher nicht mehr an. 3. Die Verurteilung wegen Bankrotts durch Beiseiteschaffen (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) war auf die Aufklärungsrüge aufzuheben. Das Beiseiteschaffen sieht das Landgericht darin, daû die Darlehen in Höhe von 159.000 DM am 16. Juni 1997 auf dem Gesellschafter-Darlehenskonto storniert und als Erfüllungsleistungen auf den Grundstückskaufvertrag verbucht wurden. Diese inhaltlich unrichtige Umbuchung entsprach der weiteren Anordnung des Angeklagten in der genannten Buchungsanweisung vom 24. April 1997, wonach das Darlehen gegen die Kaufpreisforderung aufgerechnet werden sollte. Da es sich von Anfang an um ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen (§ 30 GmbHG) gehandelt habe und auch im Grundstückskaufvertrag keine Verrechnung vereinbart worden sei, habe der Angeklagte - in Kenntnis der nunmehr eingetretenen Zahlungsunfähigkeit - die Kaufpreisforderung der KG in Höhe von 159.000 DM beiseite geschafft.
Die Revision macht zu Recht geltend, das Landgericht hätte den Wert des verkauften Grundstücks aufklären müssen. Aus den beigezogenen Akten des Zivilrechtsstreits des Konkursverwalters gegen den Angeklagten ergebe sich, daû der gerichtlich bestellte Sachverständige einen Verkehrswert von 760.000 DM ermittelt habe. Dies belege, daû der Angeklagte einen überhöhten Kaufpreis gezahlt habe, um der KG Liquidität zuzuführen. Zwar beruht die Feststellung des Landgerichts, die Darlehenszahlungen seien nicht mit Rücksicht auf eine spätere Verrechnung mit dem überhöhten Kaufpreis geleistet worden, nicht auf der unterbliebenen Aufklärung des Verkehrswerts ; sie ist durch andere Umstände rechtsfehlerfrei belegt. Hat der Angeklagte jedoch tatsächlich einen um 240.000 DM überhöhten Kaufpreis für das Grundstück versprochen, so kann das seinen auf das Beiseiteschaffen gerichteten Vorsatz in Frage stellen. Er hätte dann nämlich - ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein - bereits mit dem Kauf des möglicherweise nicht ohne weiteres verkäuflichen Grundstücks durch den ersichtlich werthaltigen Kaufpreisanspruch die wirtschaftliche Lage der KG verbessert und dieser zudem mit den Teilkaufpreiszahlungen sofort Liquidität zugeführt. Wenigstens aus seiner Sicht hätte er mit dem Kauf zu einem überhöhten Preis auûerdem - trotz der unrichtigen Umbuchung - das Vermögen der KG um rund 80.000 DM vermehrt. Wäre der vom Sachverständigen geschätzte Verkehrswert festgestellt worden, so hätte ein gewichtiges Indiz gegen einen auf Beiseiteschaffen gerichteten Vorsatz vorgelegen. Auf diesem Aufklärungsmangel beruht die Verurteilung in diesem Komplex. 4. Die Aufhebung der Verurteilungen wegen Bankrotts führt zugleich zur Aufhebung der Geldstrafe für die Konkursverschleppung, da der Senat nicht ausschlieûen kann, daû diese - für eine Fristüberschreitung von nur einer W o-
che - verhängte Einzelstrafe von den für die Bankrottdelikte verhängten Freiheitsstrafen beeinfluût ist. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2002 - 1 StR 412/01 zitiert 2 §§.

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 30 Kapitalerhaltung


(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktie

Strafgesetzbuch - StGB | § 283 Bankrott


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit 1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Ins

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

(2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß nach § 12 bekanntgemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen.