Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2000 - 1 StR 328/00

bei uns veröffentlicht am10.08.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 328/00
vom
10. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2000 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 23. Februar 2000 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts bemerkt
der Senat:
Die Geschädigte hat einen Selbstmordversuch begangen, nachdem
sie "aus dem Umfeld" des Angeklagten mit dem Ziel, sie zur
Zurücknahme ihrer Anzeige zu veranlassen, massiv bedroht worden
war. Daß dies auf Veranlassung des Angeklagten geschehen
sei, ist nicht festgestellt. Gleichwohl begegnet die von der Strafkammer
vorgenommene strafschärfende Berücksichtigung dieses
Nachtatgeschehens keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken
: Auswirkungen der Tat können dann s trafschärfend berücksichtigt
werden, wenn sie für den Täter (zum Tatzeitpunkt) vorhersehbar
waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2
Tatauswirkungen 4 m.w.N.). Die Strafkammer hat ausdrücklich
festgestellt, daß die genannten Folgen für den Angeklagten vorhersehbar
waren, hat diese Annahme allerdings nicht näher begründet.
Jedoch ist allgemein bekannt, daß zumal gewaltsam begangene
Sexualdelikte zu auch sehr schwerwiegenden psychi-
schen Folgen beim Opfer führen können; daher bedarf die Annahme
, daß solche Folgen einer Sexualstraftat für den Täter,
wenn auch nicht notwendig in allen Einzelheiten, so doch in ihrem
Kern vorhersehbar waren, keiner näheren Darlegung, wenn nicht
besondere Umstände vorliegen (BGH, Beschluß vom 13. März
1997 - 1 StR 72/97 -, insoweit in StV 1999, 195 nicht abgedruckt;
vgl. auch zusammenfassend G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung
2. Aufl. Rdn. 241 m.w.N.).
Der Senat hat erwogen, ob hier deshalb derartige Umstände vorliegen
, weil der Selbstmordversuch der Geschädigten unmittelbar
erst durch den auf sie ausgeübten Druck, die Anzeige zurückzunehmen
, ausgelöst wurde. Dies war jedoch zu verneinen: Die Urteilsfeststellungen
ergeben, daß die zuvor "unbekümmerte" Geschädigte
, die nach der Tat "wie gelähmt" war und bei der Anzeigeerstattung
Weinkrämpfe erlitt, schon durch das eigentliche Tatgeschehen
erheblich psychisch beeinträchtigt wurde. Diese Beeinträchtigung
hat sich ersichtlich im nachfolgenden Geschehensablauf
weiter ausgewirkt. Bei der Frage, warum schwerwiegende
Folgen, die auf durch die Tat verursachte psychische
Schäden zurückgehen, letztlich ausgelöst wurden, können hinsichtlich
der Vorhersehbarkeit für den Täter und des Umfangs der
in diesem Zusammenhang gebotenen Darlegungen keine anderen
Maßstäbe gelten, als hinsichtlich der Frage, wie sich diese
Schäden im einzelnen ausgewirkt haben. Es ist im Kern ohne
weiteres vorhersehbar, daß alles, was mit einem nachfolgenden
Strafverfahren zusammenhängt, für das durch die Tat psychisch
geschädigte Opfer eines Sexualdelikts äußerst belastend sein
und auch zu schwerwiegenden selbstschädigenden Handlungen
führen kann. Daher waren auch insoweit nähere Ausführungen
nicht zwingend geboten.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Einer Entscheidung über den Antrag von Rechtsanwältin T.
aus R. v om 8. Mai 2000, ihre Bestellung
als Beistand für die Nebenklägerin auf das Rechtsmittelverfahren
auszudehnen, bedarf es nicht, da sie von der Strafkammer durch
Beschluß vom 19. Januar 2000 zum Beistand für die Nebenklägerin
bestellt worden ist und diese Bestellung auch für das Revisionsverfahren
gilt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 44. Aufl.
§ 397a Rdn. 17).
RiBGH Dr. Boetticher hat
Urlaub und kann deshalb
nicht unterschreiben.
Nack Wahl Nack
Schluckebier Pfister

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 328/00 vom 10. August 2000 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2000 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgericht

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.