Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2016 - 1 StR 305/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:071216B1STR305.16.0
bei uns veröffentlicht am07.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 305/16
vom
7. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:071216B1STR305.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Dezember 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 20. Oktober 2015 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 160 Fällen, davon in 30 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, in 22 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit Verfahrensbeschwerden und der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG ist ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts anzumerken:
3
Die Rüge erweist sich als unbegründet, weil jedenfalls auszuschließen ist, dass die Entscheidung auf der ungesetzlichen Erweiterung der Öffentlichkeit beruht. Zwar war der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der erneuten Vernehmung der Zeugin auch zum Schutz des Angeklagten angeordnet worden. Nach dem sich aus dem Revisionsvortrag ergebenden Verfahrensgeschehen (vgl. Anlage III und IV des den 23. Verhandlungstag betreffenden Protokolls) beantragte der Verteidiger jedoch erfolglos noch während der Vernehmung der Zeugin , die Öffentlichkeit nicht auszuschließen. Im weiteren Verlauf der Verhandlung beantragte der Angeklagte sodann, Mitschriften der Exploration der Zeugin durch eine aussagepsychologische Sachverständige und der staatsanwaltlichen Nachvernehmung zu verlesen. Diesen Anträgen ist nicht nachgegangen worden. Jedoch berichteten die beiden aussagepsychologischen Sachverständigen ausweislich der Urteilsgründe, die dem Senat auf die zulässig erhobene Sachrüge hin zugänglich sind, ausführlich über die Angaben der zentralen Belastungszeugin in den Explorationsgesprächen. Dies gilt auch für polizeiliche Vernehmungspersonen und Bezugspersonen der Zeugin, denen gegenüber sie Angaben zu dem Tatgeschehen gemacht hatte. Dies erfolgte in öffentlicher Hauptverhandlung. Vor diesem Hintergrund ist auszuschließen, dass zum Schutze des persönlichen Lebensbereichs der Zeugin oder des Angeklagten in den in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgten Schlussvorträgen Gesichtspunkte nicht erörtert worden sind, die den Angeklagten entlastet hätten.
Raum Graf Cirener
Radtke Bär

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2016 - 1 StR 305/16 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 171b


(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.