Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Aug. 2010 - 1 StR 305/10
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Schmuggels in 16 Fällen und wegen Betruges in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten L. hat es wegen Schmuggels in 16 Fällen und wegen Betruges in 33 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich der Angeklagte K. mit seiner Revision, die er auf Verfahrens- und Sachrügen stützt. Das Rechtsmittel führt - auch bezüglich des nicht revidierenden Angeklagten L. (§ 357 StPO) - zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- Die Verurteilung der Angeklagten wegen Schmuggels in 16 Fällen hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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- Die Angeklagten haben - gemeinschaftlich handelnd - ihre steuerliche Erklärungspflicht verletzt, indem sie die im Anschreibeverfahren (vgl. Art. 76 ZK, Art. 263 ff. ZK-DVO) zur Überführung in das Zolllagerverfahren angemeldeten Waren in den freien Verkehr überführten, ohne dies in der ergänzenden Anmeldung (Art. 278 Abs. 3 ZK-DVO) anzugeben. Die Angeklagten waren indes auch bei mehreren Entnahmen von Waren aus dem Zolllager innerhalb eines Monats nur zur Abgabe einer ergänzenden Anmeldung - und zwar bis zum 10. des Folgemonats - verpflichtet. In dieser ergänzenden Anmeldung waren alle im jeweiligen Vormonat in den freien Verkehr überführten Waren anzugeben. Da in den Fällen 1 und 2, 4 bis 6, 7 und 8, 9 bis 11, 12 und 13 sowie 14 bis 16 der Urteilsgründe die Waren jeweils im selben Monat in den freien Verkehr überführt worden waren, war daher nicht - wie das Landgericht annimmt - in jedem Fall der Überführung eine Erklärung abzugeben. Vielmehr traf die Angeklagten in den Fällen 1 und 2, 4 bis 6, 7 und 8, 9 bis 11, 12 und 13 sowie 14 bis 16 der Urteilsgründe jeweils nur einmal die Pflicht, die Überführung in der ergänzenden Anmeldung zu erklären. Demnach sind die Angeklagten nicht wie vom Landgericht angenommen des Schmuggels in sechzehn, sondern in sieben Fällen schuldig.
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- Der Senat hat daher den Schuldspruch - auch hinsichtlich des insoweit beteiligten, aber nicht revidierenden Mitangeklagten - entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die geständigen Angeklagten nicht anders hätten verteidigen können.
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- Trotz der Schuldspruchänderung kann das Urteil im Strafausspruch Bestand haben. Sie führt lediglich dazu, dass hinsichtlich der einzelnen Taten nur die jeweils höchste Einzelstrafe bestehen bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 243/10). Dies ist bei dem Angeklagten K. in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe die Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten , in den Fällen 4 bis 6 der Urteilsgründe die Einzelstrafe von zwei Jahren; in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe die Einzelstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, in den Fällen 9 bis 11 der Urteilsgründe die Einzelstrafe von neun Monaten und in den Fällen 12 und 13 sowie 14 bis 16 der Urteilsgründe jeweils die Einzelstrafe von einem Jahr und einem Monat. Bei dem Mitangeklagten L. bleiben insoweit die in den Fällen 2, 6, 7, 11, 13 und 16 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen bestehen.
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- Die Gesamtfreiheitsstrafen können angesichts des unveränderten Gesamtschuldgehalts der Taten, der von der Schuldspruchänderung nicht berührt wird, bestehen bleiben. Der Senat schließt - insbesondere auch angesichts der von der Schuldspruchänderung nicht betroffenen Einzelstrafen, die für die Betrugstaten der Angeklagten verhängt wurden - aus, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses mildere Gesamtfreiheitsstrafen verhängt hätte.
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- Der Angeklagte K. hat die Kosten seiner Revision zu tragen. Der geringfügige Teilerfolg rechtfertigt kein anderes Ergebnis (§ 473 Abs. 4 StPO).
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Referenzen - Gesetze
Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss
Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung
Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung
Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage
Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
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sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.