Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 1 StR 211/18

bei uns veröffentlicht am30.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 211/18
vom
30. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel
ECLI:DE:BGH:2018:300818B1STR211.18.1

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 30. August 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 5. Dezember 2017, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel in 167 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und bestimmt, dass von der Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten. Ferner hat es einen Betrag in Höhe von 16.700 € als Wert des „Erlangten“ ein- gezogen. Die hiergegen mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision der Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte die Angeklagte in 167 Fällen eine polnische Tätergruppe im Zeitraum Anfang August 2009 bis etwa Ende März 2010, aus Vietnam über China importierte Waren nach Deutschland einzuführen. Die in Containern angelieferten Wirtschaftsgüter waren, wie die Angeklagte wusste, in den vorgelegten Rechnungen unterfakturiert worden, so dass bei den von ihr über Zolldienstleister erfolgten zollrechtlichen Anmeldungen ein zu geringer Warenwert angegeben wurde. Hierdurch hinterzogen die Tatbeteiligten Zoll und Anti-Dumping-Zoll in Höhe von insge- samt 2.856.843 €.
3
2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht die Höhe der hinterzogenen Zölle nicht widerspruchsfrei dargestellt hat.
4
In den Urteilsgründen ist in zwei Tabellen jeweils bezogen auf einen näher bezeichneten Container unter Angabe der Fallnummer der Anklage und der abweichenden Nummerierung der betreffenden Fallakte der Gesamtschaden des jeweils hinterzogenen Zolls und des Anti-Dumping-Zolls (ohne Einfuhrumsatzsteuer ) aufgelistet. Zur Berechnung des Schadens verweist das Landgericht auf eine als Anlage zum Urteil beigefügte – von den Berufsrichtern unterzeichnete – weitere Tabelle, aus der sich die in den Urteilsgründen erläuterten Berechnungsgrundlagen und -schritte ergeben. Diese Tabelle enthält ein Vielfaches weiterer Fälle als diejenigen, die Gegenstand der Verurteilung sind. Die an Hand der Fallaktennummer zuordenbaren Berechnungsdarstellungen sind hinsichtlich der in den Urteilsgründen erfassten Fälle in nahezu allen Fällen widersprüchlich. Der im Sachverhalt jeweils festgestellte Hinterziehungsbetrag ist dabei zum Teil um ein Mehrfaches höher als die in der Berechnungsdarstellung in der Anlage zum Urteil errechneten Hinterziehungsbeträge; in einigen Fällen wird der Hinterziehungsbetrag sogar mit einem negativen Betrag errechnet.
5
3. Dieser Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Dem Senat ist eine Zuordnung und Nachprüfung der Einzelfälle hinsichtlich der Höhe des Hinterziehungsschadens nicht möglich. Es kann vielmehr nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelt überhaupt kein Steuerschaden entstanden ist.
Jäger Bellay Spaniol Fischer Pernice

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 1 StR 211/18 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.