Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 177/05
vom
28. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2005 gemäß §§ 346
Abs. 2, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2. März 2005, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. Dezember 2004 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und di e der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten am 1. Dezember 2004 wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 42 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Nach der Urteilsverkündung und der Erteilung der Rechtsmittelbelehrung haben der Angeklagte und seine beiden Verteidiger auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet. Diese Erklärungen wurden vorgelesen , übersetzt und genehmigt (SA Bd. II Bl. 711).
Trotz des Rechtsmittelverzichts hat der Angeklagte mit beim Landgericht am 3. Dezember 2004 eingegangenem Schreiben "Einspruch" gegen das Urteil eingelegt. Mit Beschluß vom 2. März 2005, dem Angeklagten zugestellt am 7. März 2005, hat das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen, weil der Angeklagte - unabhängig von dem erklärten Rechtsmittelverzicht - die Form des § 345 Abs. 2 StPO nicht beachtet habe. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Angeklagte mit seinem am 8. März 2005 beim Landgericht eingegangenen "Einspruch", der als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) auszulegen ist. Der Antrag des Angeklagten ist statthaft und fristgerecht gestellt, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings führt er zur Aufhebung des Beschlusses , mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Zu dieser Entscheidung war das Landgericht nicht befugt. Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2005 - 2 StR 512/04 - und vom 15. März 2005 - 4 StR 17/05). Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Formund Fristeinhaltung zusammentrifft, also etwa - wie hier - die Revision nach wirksamem Rechtsmittelverzicht zwar fristgerecht eingelegt worden ist, aber nicht formgerecht begründet wurde (§ 345 Abs. 2 StPO; vgl. BGH NStZ 1999, 526; 2000, 217; BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2001 - 4 StR 149/01 - und vom 14. Januar 2005 - 2 StR 512/04).
Demgemäß obliegt es hier dem Revisionsgericht, die Revision zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO). Sie ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). An die Verzichtserklärung ist der Angeklagte gebunden; sie kann grundsätzlich weder angefochten noch zurückgenommen oder widerrufen werden. Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit der Verzichtserklärung führen könnten, sind nicht ersichtlich. Auch sein Vortrag, er sei in der Hauptverhandlung infolge des Einflusses seiner Rechtsanwälte, welche ihm im Hinblick auf eine mildere Strafe zu einem falschen Geständnis geraten hätten, und der "dadurch ausgelösten Panik für die dann fortlaufende Verhandlung geistig nicht mehr aufnahmefähig gewesen" und habe unbewußt nur das nachgesprochen, was ihm die Anwälte vorgesagt hätten, ändert hieran nichts; denn weder sind der Strafkammer Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten erwachsen, noch sind aus dem eigenen Vortrag des Angeklagten Anhaltspunkte ersichtlich, welche auf eine Drohung, Täuschung oder sonstige unzulässige Willensbeeinflussung hindeuten. Nack Wahl Kolz Elf Graf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 346 Verspätete oder formwidrige Einlegung


(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß a

Strafprozeßordnung - StPO | § 302 Zurücknahme und Verzicht


(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges

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(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.