Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2017 - 1 StR 130/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:220517B1STR130.17.0
bei uns veröffentlicht am22.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 130/17
vom
22. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220517B1STR130.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Mai 2017 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 28. Oktober 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG ist ergänzend zum Antrag des Generalbundesanwalts anzumerken:
Die Rüge ist unbegründet, weil auszuschließen ist, dass der Schuld- und Strafausspruch auf der ungesetzlichen Erweiterung der Öffentlichkeit beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Vernehmung der drei Zeugen erfolgte lediglich im Umfang ihrer persönlichen Beziehung zum Angeklagten , weil Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich, insbesondere der Intimsphäre der Beteiligten zur Sprache kamen (§ 171b Abs. 1 Satz 1 GVG). Diese Umstände stehen nach den Urteilsgründen in keinem Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten, so dass der Senat vorliegend sicher
ausschließen kann, dass die Schlussvorträge weitere den Angeklagten entlastende Gesichtspunkte erbracht hätten, wenn in nicht öffentlicher Sitzung plädiert worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – 5 StR 234/16).
Graf Jäger Bellay
Fischer Bär

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 171b


(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2016 - 5 StR 234/16

bei uns veröffentlicht am 26.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 234/16 vom 26. Oktober 2016 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2016:261016B5STR234.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2016 beschlossen : 1. Auf die Revi

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 234/16
vom
26. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:261016B5STR234.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2016 beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 16. Oktober 2015 im Strafausspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Neumünster vom 6. Mai 2011 sowie der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Kiel vom 29. April 2015 unter Auflösung der dort nachträglich gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt ist. 2. Darüber hinaus wird das Urteil im Adhäsionsausspruch nach § 349 Abs. 4 StPO wie folgt neu gefasst:
a) Der Schmerzensgeldanspruch der Nebenklägerin aufgrund der in der Zeit von September 2010 bis Februar 2011 zu ihrem Nachteil vom Angeklagten begangenen drei Straftaten ist dem Grunde nach gerechtfertigt;
b) es wird festgestellt, dass der Schmerzensgeldanspruch aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen herrührt. Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin gegen den Angeklagten abgesehen.
3. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels, die der Neben- und Adhäsionsklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen und die im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in drei Fällen unter Einbeziehung der in der Beschlussformel genannten Strafen zu einer Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt, von denen 90 Tagessätze als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Darüber hinaus hat es den Angeklagten verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 Euro (nebst Zinsen) zu zahlen, und festgestellt, dass er verpflichtet ist, ihr alle aus den zu ihrem Nachteil begangenen Straftaten entstehenden immateriellen und materiellen Schäden zu ersetzen. Schließlich hat es festgestellt, dass diese Forderungen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrühren.
2
Die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist nur hinsichtlich des Adhäsionsausspruchs entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts erfolgreich.
3
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte an der Adhäsions - und Nebenklägerin, die im Tatzeitraum der Prostitution nachging, in drei Fällen gegen ihren Willen den Analverkehr durchführte, was für sie mit erhebli- chen Schmerzen und Verletzungen am After verbunden war. Das Landgericht vermochte nicht festzustellen, dass die Taten darüber hinaus die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB erfüllten.
4
2. Die Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 171b Abs. 3 Satz 2 StPO weist der Senat ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts darauf hin, dass ein Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Angeklagte in allen Fällen nur wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Erkenntnisse über die sexuellen Vorlieben des Angeklagten aus der auf seinen Antrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgten Vernehmung der Zeugin B. spielten bei der Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts keine Rolle.
5
3. Demgegenüber enthält die Adhäsionsentscheidung durchgreifende Rechtsfehler und kann deshalb keinen Bestand haben. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ändert der Senat die Adhäsionsentscheidung wie aus der Beschlussformel ersichtlich ab. Eine Verantwortlichkeit des Angeklagten neben weiteren Beteiligten für die posttraumatische Belastungsstörung ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
Sander Schneider König
Berger Bellay