Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Aug. 2004 - 1 StR 102/04

bei uns veröffentlicht am03.08.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 102/04
vom
3. August 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. August 2004 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Oktober 2003, soweit es den Angeklagten A. betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Verneinung der Voraussetzungen für eine Strafrahmenmilderung wegen eines Aufdeckungsbeitrages (§ 31 Nr. 1 BtMG) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Nach den Feststellungen hat der Angeklagte der Polizei bei seiner Festnahme mitgeteilt, dass er das Kokain aus dem Anwesen Sch.
Hauptstr. 39b, Appartement 64, vom Mitangeklagten Ab. erhalten habe (UA S. 7). Die Annahme des Landgerichts, darin liege kein wesentlicher Beitrag zur Tataufdeckung im Sinne von § 31 Nr. 1 BtMG, weil die Polizei auch ohne diese Angaben Ab. hätte überführen können (UA S. 16), ist rechtsfehlerhaft. Der Polizei war zuvor aufgrund der Observation des Angeklagten lediglich das Wohnobjekt Sch. Hauptstr. 39b als möglicher Bezugsort, nicht aber die Person, der Name und die Wohnung des Lieferanten bekannt gewesen. Als Spurenträger zur Ermittlung des Lieferanten stand ihr lediglich eine Socke zur Verfügung, in der das Kokain transportiert worden war (UA S. 7, 11). Die Angaben des Angeklagten führten demgegenüber zur sofortigen Identifizierung und Festnahme des MitangeklagtenAb. sowie zur Durchsuchung seiner Wohnung, bei der eine elektronische Feinwaage sowie vergleichbares Verpackungsmaterial aufgefunden wurden (UA S. 7). Die Mitteilungen haben die Ermittlungen der Polizei zumindest erheblich erleichtert und beschleunigt und einen Fahndungserfolg in Form eines wirksamen sofortigen Zugriffs ermöglicht. Dies stellt einen 'wesentlichen Beitrag zur Aufklärung' im Sinne von § 31 Nr. 1 BtMG dar (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 26 und 29; Milderung 1).
Es kommt hinzu, dass die Angaben des Angeklagten, was die Beweiswürdigung belegt (UA S. 8), mit ausschlaggebend waren, um die Einlassung des Mitangeklagten Ab. , der seinen Tatbeitrag anders dargestellt und lediglich den Besitz von Betäubungsmitteln eingeräumt hatte, zu widerlegen. Das Landgericht hat die insoweit getroffenen Feststellungen 'im Wesentlichen' auf die Angaben des Angeklagten gestützt (UA S. 8) und die Aussagen der Zeugen H. und Ha. über die Angaben des Angeklagten gegenüber der Ver-
trauensperson und dem Verdeckten Ermittler vor seiner Festnahme lediglich ergänzend zur Bestätigung herangezogen (UA S. 10, 11). Der Angeklagte hat demzufolge - auch nach Auffassung der Strafkammer - einen wesentlichen Beitrag zur Aufdeckung des Tatbeitrags seines Mitttäters geleistet, was ebenfalls die Anwendung von § 31 BtMG rechtfertigen kann (BGH StV 1994, 23; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 8 und 19). Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler kann der Strafausspruch beruhen. Die Strafkammer hat zwar bei der Erörterung der Voraussetzungen eines minder schweren Falls und bei der Strafzumessung im engeren Sinne die als nicht wesentlich im Sinne von § 31 BtMG eingestuften Angaben des Angeklagten hinsichtlich 'der Person' des Mitangeklagten Ab. mildernd berücksichtigt (UA S. 17). Gleichwohl kann aber letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer, wenn sie das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrunds und das Gewicht des Aufklärungsbeitrags nicht verkannt hätte, diesen Umstand bei der Strafrahmenwahl und der eigentlichen Strafzumessung stärker bewertet und im Ergebnis eine mildere Strafe verhängt hätte (vgl. BGH StV 1994, 542). Die Strafe muss deshalb neu festgesetzt werden." Dem pflichtet der Senat bei. Der schnelle Aufklärungsbeitrag des Angeklagten hat auch dazu beigetragen, weitere Beweismittel sicherzustellen (Feinwaage , Verpackungsmaterial), deren Verlust sonst zu besorgen gewesen wäre. Auch der MittäterAb. konnte aufgrund der umgehenden Angaben des Angeklagten schnell festgenommen werden. Obgleich die Strafrahmenmilderung nach § 31 BtMG lediglich fakultativ ist und die ausgesprochene Strafe als maßvoll erscheint, vermag der Senat nicht sicher auszuschließen, daß der Strafausspruch auf dem Rechtsfehler beruhen kann. Die Strafe muß daher neu zugemessen werden. Die Feststellun-
gen können jedoch bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsmangel in Rede steht. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen , sind statthaft. Wahl Boetticher Schluckebier Elf Hubert

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.