Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Sept. 2016 - XI B 45/16

ECLI:ECLI:DE:BFH:2016:B.200916.XIB45.16.0
bei uns veröffentlicht am20.09.2016

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 27. April 2016  6 K 919/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, legte mit Schreiben vom 14. Mai 2012, vertreten durch eine Steuerberatungsgesellschaft, Einspruch gegen den Bescheid über Umsatzsteuer 2008 vom 7. Mai 2012 ein. In dem Schreiben heißt es weiter: "Sollte sich die Rechtsbehelfsstelle nach eingehender Prüfung nicht der Rechtsauffassung der betriebsnahen Veranlagungsstelle anschließen, legen wir hiermit bereits Sprungklage ein. Wir bitten um entsprechende Zustimmung. Auf eine Einspruchsentscheidung würden wir unsererseits verzichten."

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) übersandte das Schreiben unter dem 12. Juni 2012 an das Finanzgericht (FG) und stimmte der Sprungklage zu.

3

Das FG wies die Klage als unzulässig ab und ließ die Revision nicht zu. Es führte aus, die Klage sei unter einer außerprozessualen Bedingung erhoben worden.

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Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe zu Unrecht durch Prozessurteil die Klage als unzulässig abgewiesen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet.

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1. Zwar ist --was die Klägerin sinngemäß als Zulassungsgrund geltend macht-- nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben, wenn das FG zu Unrecht durch Prozess- anstatt durch Sachurteil entschieden hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. September 2010 XI S 18/10 (PKH), BFH/NV 2010, 2295, Rz 10; vom 16. Juli 2015 IV B 72/14, BFH/NV 2015, 1351, Rz 13).

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2. Allerdings hat das FG die Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen.

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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist ein Rechtsbehelf, der unter einer außerprozessualen Bedingung eingelegt wird, unzulässig (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 2003 VIII B 38/03, BFH/NV 2003, 1344; vom 29. Oktober 2007 VI B 58/07, BFH/NV 2008, 237, Rz 3; BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 10/05, BFH/NV 2006, 750, unter II.4., Rz 18). Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin ihre Klage vom 14. Mai 2012 als Sprungklage oder als Untätigkeitsklage verstanden wissen will.

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b) Von einer unzulässigen außerprozessualen Bedingung ist der BFH z.B. ausgegangen, wenn die Klage unter der Bedingung, dass das FA "trotz der vorgelegten weiteren Unterlagen an seiner Auffassung festhalten sollte" (BFH-Beschluss vom 18. Januar 1994 IX B 126/93, BFH/NV 1994, 871, unter 1.a, Rz 3), oder unter der "auflösenden Bedingung, dass das Finanzamt den begangenen Festsetzungsfehlern selbst abhilft und eine zutreffende Steuerfestsetzung vornimmt" (Senatsbeschluss vom 9. November 2000 XI B 107/99, BFH/NV 2001, 615, unter 1., Rz 4), erhoben wurde.

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c) Ausgehend davon hat das FG die Klage vom 14. Mai 2012 zu Recht als unzulässig abgewiesen, da sie --vergleichbar dem Fall in BFH/NV 1994, 871-- unter der aufschiebenden Bedingung erhoben wurde, dass sich die Rechtsbehelfsstelle des FA "nach eingehender Prüfung nicht der Rechtsauffassung der betriebsnahen Veranlagungsstelle anschließen" werde.

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d) Das von der Klägerin zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Dezember 1973 X 271/70 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 1974, 320) führt zu keiner anderen Beurteilung, weil dort im Zeitpunkt der Klageerhebung (§§ 64 Abs. 1, 66 FGO) eine Klageschrift ohne eine außerprozessuale Bedingung vorlag bzw. in diesem Zeitpunkt die außerprozessuale Bedingung aktenkundig bereits eingetreten war (vgl. ebenso BFH-Beschluss vom 24. Februar 2010 III B 13/09, BFH/NV 2010, 931, Rz 7). Im Streitfall ist hingegen die von der Klägerin formulierte Bedingung noch nicht eingetreten; denn nach den Feststellungen des FG auf Seite 4 des Urteils und den Angaben des FA in der Beschwerdeerwiderung ist über den --unbedingt eingelegten-- Einspruch der Klägerin bisher noch nicht entschieden. Die endgültige Entscheidung, ob sich das FA auf den Einspruch der Klägerin vom 14. Mai 2012 "nach eingehender Prüfung" "der Rechtsauffassung der betriebsnahen Veranlagungsstelle anschließen" wird oder nicht, erfolgt durch Erlass eines Abhilfebescheids oder einer Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 1 Satz 1, § 367 Abs. 2 Satz 3 der Abgabenordnung).

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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 367 Entscheidung über den Einspruch


(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 64


(1) Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. (2) Der Klage sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; § 77 Abs. 2 gilt sinngemäß.

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

(2) Der Klage sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; § 77 Abs. 2 gilt sinngemäß.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.