Bundesfinanzhof Beschluss, 13. Sept. 2017 - V B 64/17

ECLI:ECLI:DE:BFH:2017:B.130917.VB64.17.0
bei uns veröffentlicht am13.09.2017

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 2017  10 K 240/16 U wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit Urteil vom 31. Mai 2017 hat das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), mit der sie sich gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 2008 bis 2010 wandte, als unbegründet abgewiesen, soweit sie nicht bereits unzulässig war. Das Urteil wurde der Klägerin am 1. Juni 2017 zugestellt.

2

Am 29. Juni 2017 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Telefax des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein, mit dem dieser Nichtzulassungsbeschwerde einlegte und ankündigte, die Begründung erfolge "innerhalb der zulässigen Begründungsfrist".

3

Mit Schreiben der Geschäftsstelle vom 22. August 2017 wurde dem Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass die Begründungsfrist abgelaufen sei und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Hierauf teilte dieser am 25. August 2017 mit, er sei davon ausgegangen, dass zur Begründung eine Frist von zwei Monaten gegeben sei. Diese beziehe sich aber auf das ursprüngliche Urteil, es handele sich eindeutig um ein Versehen. Es werde daher rückwirkend zum 30. Juli 2017 eine Fristverlängerung von einem Monat zur Einreichung der Begründung beantragt.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

5

1. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen und die Begründung beim BFH einzureichen. Die Begründungsfrist kann gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden. Eine darüber hinausgehende Verlängerung ist nicht möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 16. März 2016 XI B 1/15, BFH/NV 2015, 860, Rz 8).

6

a) Das Urteil des FG wurde dem Prozessbevollmächtigten am 1. Juni 2017 zugestellt, sodass die reguläre Begründungsfrist am 1. August 2017 ablief. Eine Begründung ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen, sondern erst mit Schriftsatz vom 31. August 2017 und damit verspätet.

7

b) Der Antrag der Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2017, die Beschwerdebegründungsfrist (rückwirkend) zum 30. Juli 2017 um einen Monat zu verlängern, ist schon deshalb unzulässig, weil er erst nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist gestellt wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2007 X B 145/07, und vom 28. Januar 2003 X B 126/02, BFH/NV 2003, 505).

8

2. Der Klägerin kann im Streitfall keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) gewährt werden.

9

a) Die Klägerin hat trotz Hinweises der Geschäftsstelle keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Eine gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dies voraussetzt, dass die präsenten und gerichtsbekannten Tatsachen eine Wiedereinsetzung rechtfertigen (BFH-Beschluss vom 15. Juli 2008 X B 80/08, Leitsatz). Der Prozessbevollmächtigte hat insoweit lediglich vorgetragen, er habe versehentlich nicht berücksichtigt, dass die Zweimonatsfrist mit der Zustellung des Urteils beginne und ein entsprechender Hinweis in der Eingangsbestätigung der Geschäftsstelle nicht enthalten gewesen sei.

10

b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die Begründungsfrist i.S. des § 56 Abs. 1 FGO "ohne Verschulden" versäumt worden ist. "Ohne Verschulden" verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist jemand dann, wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 2000 I R 33/99, BFH/NV 2001, 410; vom 4. März 1998 XI R 44/97, BFH/NV 1998, 1056; vom 11. August 1993 II R 6/91, BFH/NV 1994, 440).
Wer sich nicht informiert, obwohl dies möglich und zumutbar wäre, und deshalb eine Frist versäumt, ist nicht ohne Verschulden an einem rechtzeitigen Handeln gehindert. Deshalb entschuldigen nur solche Tatsachenirrtümer eine Fristversäumnis, die selbst bei Wahrung der möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht zu vermeiden waren (BFH-Beschluss vom 12. Juni 2007 VI B 14/07, BFH/NV 2007, 1626, m.w.N.).

11

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelte der Prozessbevollmächtigte nicht ohne Verschulden. Aus der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils ergibt sich eindeutig und unmissverständlich, dass die Beschwerde "innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen" ist. Einem Bevollmächtigten, der die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde anficht, ist es möglich und zumutbar, die dafür geltenden Voraussetzungen sorgfältig zu lesen und zu beachten.

12

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Beschluss, 13. Sept. 2017 - V B 64/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Beschluss, 13. Sept. 2017 - V B 64/17

Referenzen - Gesetze

Bundesfinanzhof Beschluss, 13. Sept. 2017 - V B 64/17 zitiert 4 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 56


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

Referenzen

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.