Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Mai 2013 - V B 51/12

published on 28/05/2013 00:00
Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Mai 2013 - V B 51/12
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Gericht

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Gründe

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Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.

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a) Der Kläger macht insoweit geltend, dass sich ein gravierender Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht daraus ergebe, dass das Finanzgericht (FG) von im Inland steuerpflichtigen Lieferungen ausgegangen sei, während es sich nach von Steuerbehörden in Luxemburg akzeptierten Steuererklärungen um innergemeinschaftliche Lieferungen aus Luxemburg in das Inland gehandelt habe, die daher nicht im Inland steuerbar und steuerpflichtig sein könnten. Damit habe das FG gegen den Neutralitätsgrundsatz, den Territorialitätsgrundsatz und gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen.

4

b) Der Kläger berücksichtigt insoweit nicht, dass Entscheidungen ausländischer Behörden nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Besteuerung im Inland keine Tatbestandswirkung zukommt, so dass die inländischen Behörden und Gerichte nicht an die Auslegung des Unionsrechts durch ausländische Behörden gebunden sind (BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869). Die Beurteilung in Luxemburg hindert daher nicht die Annahme einer inländischen Steuerpflicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die ausländische Behörde wie im Streitfall von einer steuerfreien Lieferung ausgeht, so dass es im Hinblick auf eine im Inland angenommene Steuerpflicht nicht zu einer Doppelbesteuerung und damit auch nicht zu einem Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz kommen kann. Im Übrigen käme ein Verstoß gegen den Territorialitätsgrundsatz nur in Betracht, wenn das FG davon ausgegangen wäre, dass ein nach seiner Auffassung in Luxemburg steuerpflichtiger Vorgang zu einer Besteuerung im Inland führen könne.

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2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

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a) Wird ein Beweisantrag vom FG verfahrenswidrig übergangen, liegt darin ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2005 X B 180/03, BFH/NV 2005, 1843). Ein Verfahrensmangel kann jedoch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch das Übergehen von Beweisanträgen. Liegt ein solcher verzichtbarer Verfahrensmangel vor, so geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch dadurch, dass der in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretene Kläger dies in der mündlichen Verhandlung nicht rügt, und zwar unabhängig davon, ob ein Verzichtswille gegeben ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 1843, und vom 12. November 2012 III B 186/11, BFH/NV 2013, 236).

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b) Im Streitfall fehlt es an Darlegungen dazu, aus welchen Gründen der Prozessvertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 7. März 2012 den behaupteten Verfahrensmangel nicht gerügt und selbst eine weiter gehende Beweisaufnahme beantragt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2006 VIII B 84/05, BFH/NV 2006, 803; vom 19. Januar 2006 VIII B 113/05, BFH/NV 2006, 803). Der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG fachkundig vertretene Kläger hat nicht erklärt, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweismittel ordnungsgemäß in der letzten mündlichen Verhandlung am 7. März 2012 angeboten hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass das FG zwar nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat. Indes wird der Amtsermittlungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Die Sachaufklärungsrüge dient daher nicht dazu, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche eine fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, zu stellen aber unterlassen hat (BFH-Beschluss vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751).

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c) Dass das FG Steuerfahnder als Zeugen vernommen hat, begründet keinen Verfahrensmangel, da die Vernehmung auch in solchen Fällen im Ermessen des Gerichts im Rahmen seiner Sachaufklärung gemäß § 76 FGO liegt (BFH-Beschluss vom 26. September 2005 VIII B 60/04, juris). Dass sich das FG für sein Urteil auf Zeugenaussagen eines Fahndungsprüfers bezieht, begründet keinen Verfahrensfehler, sondern allenfalls einen materiell-rechtlichen Mangel im Hinblick auf eine unzutreffende Beweiswürdigung, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann (BFH-Beschluss vom 11. Juli 2012 X B 41/11, BFH/NV 2012, 1634).

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d) Soweit der Kläger Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 FGO) geltend macht, ist zu beachten, dass es sich auch hierbei um einen (verzichtbaren) Verfahrensmangel handelt (BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 2005 X B 164/04, BFH/NV 2005, 1126; vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866; vom 14. Januar 2009 II B 79/08, Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, R-480), so dass mangels Rüge in der mündlichen Verhandlung auch insoweit von einem Verzicht auszugehen ist.

10

e) Schließlich ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung (zu dessen Beweiskraft vgl. § 94 FGO i.V.m. § 165 ZPO) nicht, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Fragenkatalog übergeben hat.

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3. Im Übrigen ergeht die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Annotations

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung entsprechend.

Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.