Bundesfinanzhof Beschluss, 18. März 2016 - V B 1/16

bei uns veröffentlicht am18.03.2016

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2015 13 K 2373/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

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I. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (die Familienkasse) hob mit Bescheid vom … November 2013 die Festsetzung des Kindergeldes betreffend den Sohn D der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ab März 2009 auf und forderte für den Zeitraum März 2009 bis August 2012 ausbezahltes Kindergeld von 7.528 € zurück. Zur Begründung des Bescheides führte die Familienkasse aus, die Klägerin habe keine Nachweise über das Ende der bisherigen Ausbildungen, die geforderten Steuerbescheinigungen und die Erklärungen zu den Einkünften und Bezügen für 2010 und 2011 vorgelegt. In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es u.a.: "Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären."

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Die Familienkasse verwarf den mit Schreiben vom 6. Juni 2014 eingelegten Einspruch als unzulässig und lehnte zugleich die wegen der versäumten Einspruchsfrist begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Das Finanzgericht wies die anschließend erhobene Klage ab.

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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sich die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beruft.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet. Denn die Rechtssache hat entgegen der Auffassung der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung.

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1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig, d.h. entscheidungserheblich ist. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich anhand des Gesetzes und der vorhandenen Rechtsprechung beantworten lässt und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2015 V B 36/15, BFH/NV 2016, 223, Rz 3, m.w.N.).

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a) Im Streitfall ist die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist, bei der sich der Sitz --einschließlich der Adresse-- der Familienkasse nur dem Briefkopf des Bescheides, nicht aber der Rechtsbehelfsbelehrung selbst entnehmen lässt, durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt:

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Danach ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO, und damit auch i.S. des § 356 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), wenn sie in einer der gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO oder § 356 Abs. 1 Satz 1 AO wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch --bei objektiver Betrachtung-- die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2005 XI B 46/05, unter II.2.). Für die Rechtsbehelfsbelehrung genügt regelmäßig die Angabe der amtlichen Bezeichnung der den Bescheid erlassenden Behörde und der Gemeinde, in der die Behörde ihren Sitz hat, wenn sich beides dem streitbefangenen Bescheid entnehmen lässt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 1976 VI R 150/73, BFHE 118, 417, BStBl II 1976, 477; vom 28. Februar 1978 VII R 92/74, BFHE 124, 487, BStBl II 1978, 390; vom 7. Dezember 1994 I B 68/94, BFH/NV 1995, 849; BFH-Urteil vom 17. Mai 2000 I R 4/00, BFHE 192, 15, BStBl II 2000, 539). Das Schrifttum folgt dieser Rechtsprechung (vgl. z.B. Siegers in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 356 AO Rz 23; Werth in Beermann/ Gosch, AO § 356 Rz 16; Keß in Schwarz/Pahlke, AO, § 356 Rz 14, jeweils m.w.N.).

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Geklärt ist damit auch die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob sich aus der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides nicht die genaue Adresse der Familienkasse ergeben müsse, wenn sich deren Sitz --wie hier-- aus dem angefochtenen Bescheid selbst ergibt.

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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind im Streitfall keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH geboten erscheinen lassen.

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Soweit die Klägerin sich auf eine anderslautende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 1978 beruft (BVerwG–Beschluss vom 13. März 1978  4 B 7/78), war diese bei Ergehen der zitierten finanzgerichtlichen Rechtsprechung überwiegend bereits bekannt und kann daher nicht als "neuer" Gesichtspunkt in diesem Sinne gelten. Entgegen der Darstellung der Klägerin hat das BVerwG in seiner jüngeren Rechtsprechung keine von der zitierten BFH-Rechtsprechung abweichenden Rechtsgrundsätze aufgestellt: So hat das BVerwG lediglich entschieden, dass eine Rechtsmittelbelehrung jedenfalls dann nicht vollständig ist, wenn sich der Sitz des Rechtsmittelgerichts weder der Rechtsmittelbelehrung noch dem restlichen Inhalt des angefochtenen Beschlusses entnehmen lässt (BVerwG-Urteil vom 30. April 2009  3 C 23/08, BVerwGE 134, 41). Diese Aussage steht indes im Einklang mit der dargestellten Rechtsauffassung des BFH und der einschlägigen Kommentarliteratur; ein erneuter Klärungsbedarf ergibt sich deshalb daraus nicht.

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2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 356 Rechtsbehelfsbelehrung


(1) Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch, so beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 55


(1) Die Frist für einen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehr

Referenzen

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Frist für einen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe im Sinne des § 54 Abs. 1 zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 56 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt sinngemäß.

(1) Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch, so beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei. § 110 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt sinngemäß.

(1) Die Frist für einen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe im Sinne des § 54 Abs. 1 zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 56 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt sinngemäß.

(1) Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch, so beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei. § 110 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt sinngemäß.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.