Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 22. Sept. 2015 - Vf. 8-VI/15

bei uns veröffentlicht am22.09.2015

Gründe

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Vf. 8-VI-15

erlässt in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

des Herrn A. W. in M.,

Bevollmächtigter: Rechtsanwalt A. W. in M.,

- hier: Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch

durch die Richter Küspert, Dr. Münzenberg, Schmitz, Dr. Wagner, Dr. Kössinger, Leeb, Prof. Dr. Berg, Dr. Hahnzog, Prof. Dr. Lorenz ohne mündliche Verhandlung in der nichtöffentlichen Sitzung

vom 22. September 2015 folgende

Entscheidung:

Der Antrag auf Ablehnung des der zuständigen Spruchgruppe angehörenden Richters des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Dr. Hahnzog, der bei der Entscheidung vom 9. Januar 2015 Vf. 1-VI-14 mitgewirkt hat, wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25. Juni 2014 Az. 15 O 16154/13 sowie gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts München vom 18. November und 10. Dezember 2014 sowie vom 5. Januar 2015 Az. 1 U 2482/14 in einem Amtshaftungsverfahren. Bereits am 9. Januar 2015 hatte der Verfassungsgerichtshof im Verfahren Vf. 1-VI-14 eine weitere Verfassungsbeschwerde u. a. des Beschwerdeführers gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11. Dezember 2013 abgewiesen, durch den Anträge des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren als unzulässig verworfen worden waren.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Verfassungsbeschwerde vom 22. Januar 2015 „die Ablehnung der Richter Dr. Huber, Kersten, Dr. Heßler, Koch, Prof. Dr. Buchner, Schaudig, Dr. Weiß M., Dr. Hahnzog und Brey wegen Besorgnis der Befangenheit“ erklärt. Diese Richter hätten sich „wegen ihrer Mitwirkung an dem Beschluss vom 9.1.2015 im Verfahren 1-VI-14 wegen gemeinschaftlicher Rechtsbeugung gem. §§ 339, 25 II StGB strafbar gemacht“. Auf das (in den Verfahren Vf. 107-VI-14 und Vf. 112-VI-14 angebrachte) Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2015 sowie die weiteren Begründungen dazu vom 15. und 16. Januar 2015 werde Bezug genommen.

In dem in Bezug genommenen Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2015 erhob der Beschwerdeführer gegen die abgelehnten Richter ebenfalls den Vorwurf der gemeinschaftlichen Rechtsbeugung durch die Entscheidung vom 9. Januar 2015 im Verfahren Vf. 1-VI-14. Mit dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof eine Verfassungsbeschwerde u. a. des Beschwerdeführers gegen einen Be-schluss des Oberlandesgerichts München vom 11. Dezember 2013 abgewiesen, durch den Anträge des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren gemäß § 172 Abs. 2 StPO als unzulässig verworfen worden waren. Die Begründung des Ablehnungsgesuchs erschöpft sich in der wörtlichen Wiedergabe von Passagen aus einem Kommentar zum Strafgesetzbuch sowie dem Hinweis, die Möglichkeit der dissenting opinion in vielen internationalen Verfahrensordnungen zeige, dass das Beratungsgeheimnis keine „heilige Kuh“ sei.

Mit den weiteren in Bezug genommenen Schreiben hat der Beschwerdeführer die Begründung seines Ablehnungsgesuchs ergänzt. Er führt u. a. aus, die abgelehnten Richter hätten seiner Verfassungsbeschwerde im Verfahren Vf. 1-VI-14 wegen Gehörsverletzung und wegen objektiv willkürlicher Missachtung der Aufklärungsund Erörterungspflicht analog § 86 Abs. 3 VwGO zwingend stattgeben müssen. Ferner nimmt der Beschwerdeführer Bezug auf den Nichtannahmebeschluss vom 6. Oktober 2014 Az. 2 BvR 1568/12, in dem das Bundesverfassungsgericht ausführt, dem Grundgesetz lasse sich grundsätzlich kein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter entnehmen; etwas anderes könne aber u. a. bei Delikten von Amtsträgern gelten. Die abgelehnten Richter hätten bei ihrer Entscheidung vom 9. Januar 2015 Kenntnis von diesem Beschluss haben müssen, was belege, „dass die Beschuldigten Recht und Gesetz mit direktem Vorsatz gebrochen“ hätten.

II.

Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig.

Nach Art. 9 VfGHG sind auf die Ausschließung und die Ablehnung eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs die Vorschriften der §§ 22 bis 30 StPO entsprechend anzuwenden. Die anstehende Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist vom Verfassungsgerichtshof in der Besetzung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VfGHG zu treffen. Deshalb entscheidet der Verfassungsgerichtshof in dieser Besetzung auch über das Ablehnungsgesuch. Darauf, dass der zuständigen Spruchgruppe VIII (vgl. B. III. sowie Anlage 2 des Geschäftsverteilungsplans des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs für das Jahr 2015) als Vertreter (für die verhinderten Mitglieder Pauckstadt-Maihold und Weitzel) auch der Richter Dr. Hahnzog angehört, der bei der Entscheidung vom 9. Januar 2015 mitgewirkt hat und vom Beschwerdeführer abgelehnt worden ist, kommt es nicht an. Er scheidet bei der Entscheidung nicht aus, weil das Ablehnungsgesuch nach Art. 9 VfGHG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen ist. Dem Fehlen der Begründung im Sinn der genannten Bestimmungen steht es gleich, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist. Wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit ist über das Ablehnungsgesuch in einem solchen Fall ohne dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters zu entscheiden (VerfGH vom 27.5.1971 VerfGHE 24, 96/97; vom 31.1.2000 VerfGHE 53, 20/21 f.; vom 30.10.2008 - Vf. 1-VII-08 -amtl. Umdruck S. 4; vom 9.12.2009 - Vf. 49-III-09 - juris Rn. 6; vom 10.10.2014 -Vf. 25-III-14 - juris Rn. 5; vgl. auch BVerfG vom 2.11.1960 BVerfGE 11, 343/348).

Die geltend gemachten Gründe sind zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet. Konkrete Anhaltspunkte, die auf eine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters hindeuten könnten, hat der Beschwerdeführer nicht in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt. Die Beteiligung eines Verfassungsrichters an einem vorangegangenen verfassungsgerichtlichen Verfahren, das vergleichbare oder ähnliche Rechtsfragen zum Gegenstand hatte, kann als solche nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren (VerfGH vom 9.12.2009 -Vf. 49-III-09 - juris Rn. 7; vom 10.10.2014 - Vf. 25-III-14 - juris Rn. 6 m. w. N.).

Zusätzliche besondere Umstände, aus denen geschlossen werden könnte, die vom Beschwerdeführer angeführte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 9. Januar 2015 beruhe auf einer unsachlichen Einstellung des abgelehnten Richters oder auf Willkür, sind nicht ansatzweise erkennbar (vgl. VerfGH vom 10.10.2014 - Vf. 25-III-14 - juris Rn. 7). Der Beschwerdeführer setzt sich mit dem Inhalt dieser Entscheidung nicht näher auseinander und legt deshalb auch nicht nachvollziehbar dar, weshalb der an ihr beteiligte Richter des Verfassungsgerichtshofs Dr. Hahnzog anzuwendendes Verfassungsrecht oder Verfassungsprozessrecht gebeugt haben soll. Der Beschwerdeführer beschränkt sich vielmehr darauf, in umfangreichen Ausführungen vorzutragen, warum er den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11. Dezember 2013 für einfachrechtlich fehlerhaft und verfassungswidrig hält. Der Umstand, dass der Verfassungsgerichtshof dazu in seiner Entscheidung vom 9. Januar 2015 eine andere Auffassung vertreten hat, belegt nicht ansatzweise den vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf der Rechtsbeugung. Aus dem genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Oktober 2014 lässt sich diesbezüglich bereits deshalb nichts herleiten, weil der Klageerzwingungsantrag im dortigen Ausgangsverfahren für zulässig erachtet worden war, eine sachliche Prüfung durch das Oberlandesgericht Schleswig also eröffnet war. Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht war also eine Sachentscheidung, während die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 9. Januar 2015 eine Prozessentscheidung betraf.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Strafprozeßordnung - StPO | § 172 Beschwerde des Verletzten; Klageerzwingungsverfahren


(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der S

Strafprozeßordnung - StPO | § 22 Ausschließung von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, 1. wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist;2. wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist;3.

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Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 06. Okt. 2014 - 2 BvR 1568/12

bei uns veröffentlicht am 06.10.2014

Tenor 1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Gründe I.

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(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.

(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

1. Die Beschwerdeführer sind die Eltern einer in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 auf dem Bundeswehr-Segelschulschiff "Gorch Fock" zu Tode gekommenen Offiziersanwärterin. Sie wehren sich gegen die Einstellung eines gegen den Schiffsarzt gerichteten Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB).

2

2. Mit Verfügung vom 17. Oktober 2011 sah die Staatsanwaltschaft Kiel von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachts ab (§ 152 Abs. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO).

3

Mit Bescheid vom 8. März 2012 wies der Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein die gegen die staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde als unbegründet zurück. Der Inhalt der von den Beschwerdeführern angeführten Akten, insbesondere der "G-Karte", belege, dass sich die Tochter der Beschwerdeführer zwei Tage vor ihrem Sturz "nahezu beschwerdefrei" gefühlt habe und aufgefordert worden war, sich bei einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes selbstständig erneut beim Schiffsarzt vorzustellen. Bis zum Todesfall selbst sei es zu keinen aktenkundigen Verschlechterungen gekommen. Vielmehr habe die Verstorbene noch am Nachmittag des 3. September 2008 gegenüber mehreren Zeugen völlige Beschwerdefreiheit bekundet.

4

3. Mit Beschluss vom 12. Juni 2012 verwarf das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet. Der zulässige Antrag lasse weder einen hinreichenden Tatverdacht dafür erkennen, dass gegen den beschuldigten Schiffsarzt eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung zu erheben wäre, noch, dass Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen in dieser Richtung bestünden. Bei Fahrlässigkeitsdelikten sei neben der Kausalität im engeren Sinne Voraussetzung der Strafbarkeit auch, dass der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs gerade auf der Pflichtwidrigkeit des Handelns beruhe. Im vorliegenden Fall erfordere dies, dass (ausschließlich) eine falsche Bewertung von Beschwerden der Verstorbenen durch den Schiffsarzt zu dem Unglück geführt habe. Da jedoch unterschiedliche weitere Kausalverläufe denkbar seien, die zu einem Überbordgehen und Ableben der Verstorbenen geführt haben könnten, sei eine solche Feststellung nicht möglich.

II.

5

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG.

6

Zur Begründung führen sie aus, dass das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein zunächst von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen sei, weil sich der gegen den Beschuldigten zu erhebende Vorwurf nicht nur in einer Verkennung der Beschwerden der Verstorbenen erschöpfe, sondern auch die unzureichende Berücksichtigung der in der Krankenakte vermerkten Borddienstverwendungsunfähigkeit umfasse. Bedenklich sei ferner die vom Oberlandesgericht herangezogene "Kausalität im engeren Sinne", nach der gerade das pflichtwidrige Handeln oder Unterlassen ursächlich für den Erfolgseintritt, hier den Tod der Offiziersanwärterin, sein müsse. Angesichts des tatsächlichen Geschehens liege jedenfalls kein Unterlassen, sondern ein aktives Tun vor, wobei ein pflichtgemäßes Alternativverhalten - die gebührende Berücksichtigung der in der Krankenakte vermerkten Anhaltspunkte - zu einer Verneinung der Borddienstverwendungsfähigkeit hätte führen müssen. In jedem Fall wären wenigstens weitergehende Ermittlungen angezeigt gewesen.

III.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist - mangels ausreichender Aussicht auf Erfolg - insbesondere nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

8

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG kann nicht festgestellt werden.

9

1. Dem Grundgesetz lässt sich grundsätzlich kein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter entnehmen (a). Etwas anderes kann bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person der Fall sein (b), bei Delikten von Amtsträgern (c) oder bei Straftaten, bei denen sich die Opfer in einem "besonderen Obhutsverhältnis" der öffentlichen Hand befinden (d) (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Juni 2014 - 2 BvR 2699/10 -, juris, Rn. 8 ff.).

10

a) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichten den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind. Ein Anspruch auf bestimmte, vom Einzelnen einklagbare Maßnahmen ergibt sich daraus jedoch grundsätzlich nicht. Insbesondere kennt die Rechtsordnung in der Regel keinen grundrechtlich radizierten Anspruch auf eine Strafverfolgung Dritter (vgl. BVerfGE 51, 176 <187>; 88, 203 <262 f.>; BVerfGK 17, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 9. April 2002 - 2 BvR 710/01 -, NJW 2002, S. 2861 <2861 f.>).

11

b) Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>). Vor diesem Hintergrund besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann, gestützt auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen.

12

c) Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann ferner in Fällen in Betracht kommen, in denen der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben. Ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten kann zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen. Daher muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden.

13

d) Ein Anspruch auf effektive Strafverfolgung kann schließlich auch dann in Betracht kommen, wenn dem Staat eine spezifische Fürsorge- und Obhutspflicht gegenüber Personen obliegt, die seinen Amtsträgern anvertraut sind. In dergestalt strukturell asymmetrischen Rechtsverhältnissen, die den Verletzten nur eingeschränkte Möglichkeiten lassen, sich gegen strafrechtlich relevante Übergriffe in ihre Rechtsgüter aus Art. 2 Abs. 2 GG zu wehren (z.B. im Maßregel- oder Strafvollzug), obliegt den Strafverfolgungsbehörden eine besondere Sorgfaltspflicht bei der Durchführung von Ermittlungen und der Bewertung der gefundenen Ergebnisse.

14

e) Die (verfassungsrechtliche) Verpflichtung zur effektiven Strafverfolgung bezieht sich auf das Tätigwerden aller Strafverfolgungsorgane. Ihr Ziel muss es sein, eine wirksame Anwendung der zum Schutz des Lebens, der körperlichen Integrität, der sexuellen Selbstbestimmung und der Freiheit der Person erlassenen Strafvorschriften sicherzustellen. Es muss insoweit gewährleistet werden, dass Straftäter für von ihnen verschuldete Verletzungen dieser Rechtsgüter auch tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Juni 2014 - 2 BvR 2699/10 -, juris, Rn. 13).

15

Dies bedeutet nicht, dass der in Rede stehenden Verpflichtung stets nur durch Erhebung einer Anklage genügt werden kann. Vielfach wird es ausreichend sein, wenn die Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens und - nach ihrer Weisung - die Polizei die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel personeller und sächlicher Art sowie ihre Befugnisse auch tatsächlich nach Maßgabe eines angemessenen Ressourceneinsatzes nutzen, um den Sachverhalt aufzuklären und Beweismittel zu sichern (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Juni 2014 - 2 BvR 2699/10 -, juris, Rn. 14). Die Erfüllung der Verpflichtung zur effektiven Strafverfolgung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§§ 172 ff. StPO) und setzt eine detaillierte und vollständige Dokumentation des Ermittlungsverlaufs ebenso voraus wie eine nachvollziehbare Begründung der Einstellungsentscheidungen.

16

2. Dies deckt sich weitgehend mit den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Auch nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgt aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 EMRK eine Verpflichtung des Staates, wirksame amtliche Ermittlungen anzustellen, wenn ein Mensch durch Gewalteinwirkung insbesondere durch Repräsentanten des Staates (vgl. grundlegend EGMR , McCann u.a. v. the United Kingdom, Urteil vom 27. September 1995, Nr. 18984/91, Serie A no. 324, § 161), aber auch sonst zu Tode gekommen ist (vgl. EGMR, Yaşa v. Turkey, Urteil vom 2. September 1998, Nr. 22495/93, Rep. 1998-VI, S. 2411, § 100; EGMR, Güngör v. Turquie, Urteil vom 22. März 2005, Nr. 28290/95, § 67). Die Ermittlungen müssen prompt, umfassend, unvoreingenommen und gründlich sein (vgl. EGMR , McCann u.a. v. the United Kingdom, a.a.O., § 161 f.). Sie müssen darüber hinaus geeignet sein, zur Identifizierung und Bestrafung der verantwortlichen Person zu führen (vgl. EGMR , Ogur v. Türkei, Urteil vom 20. Mai 1999, Nr. 21594/93, NJW 2001, S. 1991 <1994>). Nicht jeder Ermittlungsfehler führt jedoch zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, sondern nur ein Fehler, der den Untersuchungszweck gefährdet, Todesursache und verantwortliche Person festzustellen (vgl. EGMR , McCann u.a. v. the United Kingdom, a.a.O., §§ 157 ff.; EGMR, Grams v. Deutschland, Entscheidung vom 5. Oktober 1999, Nr. 33677/96, NJW 2001, S. 1989 <1989 f.>). Dabei geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass es grundsätzlich Sache der Justizbehörden der Signatarstaaten ist, die von ihnen erhobenen Beweise zu würdigen. Er prüft nur, ob das Verfahren insgesamt angemessen und fair war (vgl. EGMR, Grams v. Deutschland, a.a.O., S. 1990).

17

3. a) Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein vom 12. Juni 2012 genügt diesen Anforderungen. Die Beschwerdeführer verlangen die strafrechtliche Verfolgung einer fahrlässigen Tötung durch den Schiffsarzt der "Gorch Fock". Zudem steht der Vorwurf im Raum, ein Amtsträger habe bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben nicht nur Straftaten begangen, sondern auch den Tod eines Menschen verursacht. Insoweit haben auch die Eltern - vermittelt über Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG - einen Anspruch auf sorgfältige und effektive Ermittlungen. Weil der Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann, muss bereits der Anschein vermieden werden, dass Todesfälle nur unzureichend untersucht würden, gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt werde oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung zu stellen seien.

18

b) Der Beschluss des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Er verkennt weder die grundrechtliche Bedeutung des Schutzes auf Leben noch die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen.

19

Die dem angegriffenen Beschluss vorausliegenden Entscheidungen der Staatsanwaltschaft, insbesondere der Bescheid des Generalstaatsanwalts vom 8. März 2012, belegen, dass die von den Strafverfolgungsbehörden durchgeführten Ermittlungen gewissenhaft erfolgt sind und dass sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen hinreichenden Tatverdacht ergeben haben. Die Annahme der Generalstaatsanwaltschaft, mögliche Beschwerden der Verstorbenen seien von dieser nicht gegenüber dem Schiffsarzt angezeigt worden, erscheint nicht willkürlich und ist aus verfassungsrechtlicher Sicht daher nicht zu beanstanden.

20

In der Sache geht davon auch das Oberlandesgericht aus, das seinerseits verpflichtet ist, die Erfüllung des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung sowie die detaillierte und vollständige Dokumentation des Ermittlungsverlaufs und die Begründung der Einstellungsentscheidungen zu kontrollieren (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Juni 2014 - 2 BvR 2699/10 -, juris, Rn. 15). Dies wird in dem angegriffenen Beschluss zwar nicht ausdrücklich thematisiert; indem das Oberlandesgericht den Sachverhalt jedoch inhaltlich würdigt und sich insbesondere mit der Kausalität eines möglichen Fehlverhaltens des Beschuldigten beschäftigt, knüpft es an die Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens an und billigt damit auch seine Durchführung. Soweit die Beschwerdeführer daneben das Unterlassen weiterer Ermittlungen beanstanden, verkennen sie, dass diese nach § 173 Abs. 3 StPO einen hinreichenden Tatverdacht voraussetzen, der hier jedoch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint worden ist.

21

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

22

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.