Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 23. Okt. 2014 - Vf. 20-III/14

23.10.2014

Gericht

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Entscheidung über die Gültigkeit der Landtagswahl 2013.

1. Am 15. September 2013 fand die Wahl zum Bayerischen Landtag für die 17. Legislaturperiode statt, bei der der Antragsteller stimmberechtigt war. Die Bekanntmachung des Landeswahlleiters des Freistaates Bayern vom 2. Oktober 2013 zum Ergebnis der Wahl wurde am 18. Oktober 2013 veröffentlicht (StAnz Nr. 42). Danach fielen auf die im Landtag vertretenen Parteien folgende Anteile der abgegebenen Stimmen: CSU 5.636.425 (= 47,7%), SPD 2.437.401 (= 20,6%), FREIE WÄHLER 1.062.553 (= 9,0%), GRÜNE 1.019.373 (= 8,6%).

2. Mit Schreiben vom 2. November 2013 an den Bayerischen Landtag beantragte der Antragsteller die Nachprüfung der Landtagswahl wegen Verletzung des Wahlgeheimnisses bei Aufstellungsversammlungen in Oberbayern.

a) Entgegen Art. 28 Abs. 2 LWG und § 17 ParteiG habe die Aufstellung der Kandidaten der CSU, der SPD sowie der GRÜNEN nicht in geheimer Wahl stattgefunden. Die Delegierten seien nicht gezwungen gewesen, die Stimmzettel oder die elektronischen Abstimmungsgeräte in einer Wahlkabine oder hinter einer Wahlblende auszufüllen bzw. zu bedienen, so dass die Art der Stimmabgabe von Sitznachbarn habe beobachtet werden können. Damit hätten die Delegierten ihre Wahlentscheidung nicht unbeeinflusst und ohne parteiinterne Nachteile befürchten zu müssen treffen können. Im Fall einer freiwilligen Abdeckung des Wahlverhaltens durch einzelne Delegierte hätten Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Delegierten entstehen können. Bei Aufstellungsversammlungen könnten keine anderen Grundsätze gelten als beim Wahlvorgang selbst.

Die vom Bundesverfassungsgericht für eine elektronische Abstimmung geforderte öffentliche Überprüfbarkeit aller wesentlichen Schritte der Wahl sei bei keiner der drei genannten Parteien erfüllt gewesen. Jedenfalls bei den GRÜNEN seien die Steckkarten für die Abstimmungsgeräte keinen bestimmten Personen zugeordnet gewesen. Eine Überprüfung, ob die Personen abgestimmt hätten, für die die Karten ausgegeben worden seien, sei daher nicht möglich gewesen. Zwar werde nicht behauptet, dass es zu Missgriffen gekommen sei; bereits die nicht fernliegende Möglichkeit mache das Wahlverfahren aber fragwürdig.

Wegen der Orte und Zeitpunkte der Aufstellungsversammlungen werde auf die entsprechenden Protokolle Bezug genommen. Als Zeugen würden die dort aufgeführten Vertrauenspersonen benannt.

b) Bei den GRÜNEN seien die vom Kreisverband München-Stadt entsandten etwa 50 Delegierten nicht wirksam gewählt worden, weil diese in der Versammlung am 13. November 2012 abweichend vom üblichen Verfahren nur die Möglichkeit einer „Kurzvorstellung“ mit Angabe des Namens und des Ortsverbands gehabt hätten. Die undemokratische Delegiertenwahl habe in nicht hinnehmbarer Weise die Mandats- und Funktionsträger sowie sonstige prominente Personen begünstigt. Das Recht der stimmberechtigten Mitglieder, sich von den Interessenten ein Bild zu machen, sei verletzt worden. Deren Redezeit sollte nicht kürzer als drei Minuten sein; besser sei eine Redezeit von fünf Minuten.

Die Organisierbarkeit von Aufstellungsversammlungen zu Landtagswahlen mache zwar in einer mitgliederstarken Partei die Einführung eines Delegiertensystems erforderlich. Eine Versammlung mit rund 150 Delegierten schränke aber die Rechte der Parteimitglieder, an der Auswahl der Landtagskandidaten mitzuwirken, in nicht mehr hinnehmbarer Weise ein.

Möglicherweise sei bei allen in den Landtag gewählten Parteien so oder ähnlich anfechtbar verfahren worden.

3. Das Telefax des Antragstellers vom 18. November 2013 an den Landtag enthielt ergänzende Angaben zu Ort und Zeit der Versammlungen, in denen die Kandidaten für die Landtagswahl im Wahlkreis Oberbayern bestimmt wurden; ferner wurden insoweit einzelne Zeugen benannt. Der Antragsteller bat ferner, die Nachprüfung auf folgende weitere Punkte zu erstrecken:

a) Die Rechte der Wählerinnen und Wähler seien dadurch verletzt, dass die Sitze, die an sich auf die unter 5% gebliebenen Parteien entfielen, nicht unbesetzt blieben, sondern Bewerbern anderer Parteien zugeteilt würden, die eine andere Politik verfolgten und ansonsten gescheitert wären.

b) Die Chancengleichheit der Parteien sei nicht gewahrt, weil die Wahlkampfkostenerstattung nicht für alle zur Wahl angetretenen Parteien gleich hoch sei, sondern sich nach der Zahl der auf die einzelnen Parteien entfallenen Stimmen bemesse und Parteien mit einem sehr geringen Stimmenanteil von den Leistungen ganz ausgeschlossen seien.

c) Darüber hinaus sei die Chancengleichheit durch die unterschiedliche Präsenz der Parteien in den Medien verletzt. Auch für die Bemessung der Sendezeiten im Rundfunk vor der Wahl sei der Stimmenanteil entscheidend.

d) Die 5%-Klausel sei in der derzeit geltenden Form verfassungswidrig und das Wahlergebnis daher nicht rechtens. Sie habe zur absoluten Mehrheit der Sitze für die CSU geführt, obwohl die Partei nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erzielt habe. Die Sperrklausel verhindere die Teilhabe von Minderheiten, weil die für kleine Parteien abgegebenen Stimmen verloren gingen oder diese wegen des drohenden Stimmenverlustes gar nicht gewählt würden. Der Gesetzgeber habe es versäumt, diese Wirkung durch die Einführung der Alternativstimme abzumildern.

4. Am 20. Februar 2014 beschloss der Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, die Wahlbeanstandung zurückzuweisen (LT-Drs. 17/792). Auf dieser Grundlage stellte die Vollversammlung des Bayerischen Landtags am 25. Februar 2014 die Gültigkeit der Landtagswahl 2013 fest (LT-Drs. 17/852).

II.

1. Mit am 19. März 2014 eingegangenem Schreiben beantragt der Antragsteller, die Ungültigkeit der Landtagswahl 2013 festzustellen.

Zur Begründung nimmt er auf die Wahlbeanstandung gegenüber dem Landtag vom 2. November 2013 und die Ergänzung hierzu vom 18. November 2013 Bezug. Besonders hervorzuheben sei, dass es im vorliegenden Verfahren um mehr als Formalien gehe. Das Grundrecht der freien, gleichen und geheimen Wahl sei kein isolierter Wert. Mit ihm stehe und falle wirkliche Demokratie. Der Verfassungsgerichtshof lasse in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 2009 Vf. 47-III-09 bei der Aufstellung der Kandidaten für die Landtagswahl die bloße Möglichkeit zur verdeckten Abstimmung genügen. Nicht einmal diese Möglichkeit hätten die Delegierten der GRÜNEN bei der Schlussabstimmung der Aufstellungsversammlung vom 27. Januar 2013 gehabt. Bei den anderen Parteien sei es nicht anders oder schlimmer gewesen. Es habe für die Delegierten zwar die Möglichkeit bestanden, in beschränktem Umfang Änderungen an der Kandidatenliste vorzunehmen. Sie hätten aber nicht verbergen können, ob und in welchem Umfang Änderungen vorgenommen worden seien. Sie hätten befürchten müssen, bei Vornahme von Änderungen als unsolidarisch angesehen zu werden. Gerade bei Nutzung der ohnehin viel zu wenigen Wahlkabinen wäre der Verdacht aufgekommen, etwas verändern zu wollen. Die Aufstellung der Kandidaten sei auch deshalb zu beanstanden, weil bei der nicht nachvollziehbaren elektronischen Abstimmung eine Vorauswahl getroffen worden sei. Bei der Schlussabstimmung sei es nicht möglich gewesen, herausgefallene Bewerber wieder in die Liste aufzunehmen. Im Übrigen sei zu hoffen, dass der Verfassungsgerichtshof die Ansicht, beim wichtigsten Teil der Wahl, der Auswahl der Kandidaten, genüge die Möglichkeit zur geheimen Abstimmung, aufgeben werde.

2. Mit Schreiben vom 9. Juni 2014 hat der Antragsteller sein Vorbringen ergänzt und zu den Vorgängen bei der Wahl der Delegierten für die Aufstellungsversammlung die gewählten Delegierten als Zeugen benannt. Die viel zu geringe Zahl der Delegierten halte er für verfassungswidrig; nur 4% der Parteimitglieder seien zur Aufstellung der Landtagskandidaten entsandt worden. Durch die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Europawahl werde die 5%-Klausel auch im Hinblick auf nationale Parlamente infrage gestellt. Mit weiterem Schreiben, eingegangen am 10. August 2014, hat er gebeten, den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1993 Az. 2 BvC 2/91 in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

III.

1. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat dem Bayerischen Landtag gemäß Art. 48 Abs. 3 VfGHG Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bayerischen Staatsregierung und der Landeswahlleiterin wurden die Verfahrensunterlagen zur Kenntnisnahme zugeleitet.

2. Der Bayerische Landtag hält den Antrag für unbegründet.

Eine Verletzung des Wahlgeheimnisses sei nicht erkennbar. Das Wahlgesetz schreibe die geheime Abstimmung vor. Das bedeute aber nicht, dass sich die Wähler bei der Kandidatenaufstellung in eine Wahlkabine begeben müssten. Es reiche aus, wenn auf andere Weise eine verdeckte schriftliche Stimmabgabe erfolge. Für die vom Antragsteller gerügten Versammlungen lägen eidesstattliche Versicherungen vor, dass bei der Kandidatenaufstellung geheim abgestimmt worden sei. Der Antragsteller habe, wie bereits im Zusammenhang mit der Landtagswahl 2008, keine konkreten Verstöße gegen Wahlvorschriften benennen können, sondern lediglich die Möglichkeit der Verletzung angedeutet. Dies gelte auch für die Benutzung von elektronischen Abstimmungsgeräten in der Aufstellungsversammlung der GRÜNEN, die lediglich eine Vorauswahl betroffen habe. Die Möglichkeit der Bewerber, sich und ihr Programm in angemessener Zeit vorzustellen, sei gewährleistet gewesen. Die 5%-Klausel sei durch den Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach überprüft und für zulässig befunden worden. Das [1] Erfordernis gleicher Wettbewerbschancen für die Parteien setze nicht voraus, dass die an den Wahlen beteiligten Parteien im Vorfeld gleiche Sendezeiten erhalten müssten. Vielmehr sei mit der Rechtsprechung von einer sog. abgestuften Chancengleichheit auszugehen.

IV.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgesehen, da eine solche nach der Sach- und Rechtslage nicht geboten erscheint (Art. 48 Abs. 3 Satz 4 VfGHG).

V.

Der Antrag auf Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Gültigkeit der Landtagswahl ist zulässig.

Nach Art. 48 Abs. 1 Nr. 3 VfGHG können Stimmberechtigte, deren Wahlbeanstandung vom [11] Landtag verworfen worden ist, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs beantragen. Der Antrag ist binnen eines Monats seit der Beschlussfassung des Landtags über die Gültigkeit der Landtagswahl schriftlich einzureichen; er ist durch die Anführung von Tatsachen und Beweismitteln zu begründen (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 VfGHG). Einer Unterstützung der Wahlbeanstandung durch 100 Stimmberechtigte bedarf es seit der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen nicht mehr (vgl. § 3 des Gesetzes zur Änderung des Landeswahlgesetzes, des Bezirkswahlgesetzes und des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 11. Dezember 2012, GVBl S. 620).

Der Antrag gemäß Art. 48 VfGHG ist am 19. März 2014 eingegangen. Die seit dem Beschluss des Landtags vom 25. Februar 2014 (LT-Drs. 17/852) laufende Monatsfrist wurde daher eingehalten. Ob im Hinblick auf weitere Gesichtspunkte sowie die Beweismittel, auf die sich der Antragsteller erstmals in seinem am 9. Juni 2014 eingegangenen Schreiben bezieht, das Fristerfordernis gewahrt ist, kann dahingestellt bleiben; denn das Begehren des Antragstellers insgesamt hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

VI.

Der Antrag auf Feststellung der Ungültigkeit der Landtagswahl 2013 ist unbegründet.

A.

Die Wahlprüfung durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 33 Satz 2, Art. 63 BV, Art. 48 VfGHG dient dem Schutz des objektiven Wahlrechts und ist nicht auf die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wahl beschränkt. Ihr Ziel ist die Feststellung der verfassungs- und gesetzmäßigen Zusammensetzung des Landtags in der laufenden Legislaturperiode. Nach dem im Wahlprüfungsverfahren geltenden Erheblichkeitsgrundsatz kann ein Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn Wahlfehler behauptet und festgestellt werden, die die konkrete Mandatsverteilung beeinflusst haben könnten. Eine solche Möglichkeit darf nicht nur theoretisch bestehen, sondern muss vielmehr nach allgemeiner Lebenserfahrung konkret und nicht ganz fernliegend sein.

Bei der Entscheidung über die Gültigkeit der Landtagswahl prüft der Verfassungsgerichtshof zum einen, ob die Wahlvorschriften richtig angewendet worden sind. Als Wahlfehler in diesem Sinn sind Verstöße gegen das materielle und formelle Wahlrecht zu verstehen. Prüfungsmaßstab sind danach die das Wahlverfahren unmittelbar regelnden Vorschriften, z. B. des Landeswahlgesetzes, daneben aber auch andere Vorschriften, die den ungestörten und ordnungsgemäßen Verlauf der Wahl gewährleisten, wie etwa die in Art. 14 Abs. 1 BV niedergelegten Wahlrechtsgrundsätze. Fehler in der Organisation und Abwicklung des Wahlverfahrens können nicht nur von den amtlichen Wahlorganen (Art. 6 LWG) begangen werden, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch von Dritten, soweit sie unter Bindung an wahlgesetzliche Anforderungen kraft Gesetzes Aufgaben bei der Organisation einer Wahl erfüllen.

Zum anderen erstreckt sich die Kontrolle darauf, ob die der Wahl zugrunde liegenden einfachrechtlichen Vorschriften mit der Verfassung vereinbar sind, sowie gegebenenfalls auch darauf, ob ein maßgeblicher, in der Verfassung selbst geregelter Wahlrechtsgrundsatz - wie beispielsweise die 5%-Klausel gemäß Art. 14 Abs. 4 BV - gegen höherrangiges Verfassungsrecht verstößt, da die verfassungsmäßige Rechtsgrundlage Voraussetzung für eine gültige Wahl ist (VerfGH vom 27.4.1973 VerfGHE 26, 45/47; vom 18.2.1992 VerfGHE 45, 12/17; vom 17.2.2005 VerfGHE 58, 56/64 f., 72; vom 8.12.2009 VerfGHE 62, 229/231 f.; vom 10.5.2010 VerfGHE 63, 51/55; BVerfG vom 20.10.1993 BVerfGE 89, 243/249 ff.).

B.

30 Nach diesen Grundsätzen haben die Beanstandungen des Antragstellers keinen Erfolg.

1. Anzahl der Delegierten der Vertreterversammlung, die die Wahlkreisliste aufstellt:

Die Aufgabe, Kandidatenvorschläge für die Landtagswahl einzureichen, obliegt gemäß Art. 28, 29 LWG den Parteien und sonstigen organisierten Wählergruppen. Die Bewerber müssen nicht unmittelbar von der Mitgliederversammlung, sondern können auch von Vertreterversammlungen aufgestellt werden (Art. 28 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 LWG). Wie viele Vertreter zu wählen sind, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Das Landeswahlgesetz überlässt das der Parteisatzung oder, wenn diese nichts bestimmt, der Mitgliederversammlung (Thum in Boettcher/Högner/Thum/Kreuzholz, Landeswahlgesetz, Bezirkswahlgesetz und Landeswahlordnung Bayern, 18. Aufl. 2013, Art. 28 LWG Rn. 8).

Die Aufstellung der Kandidaten hat das Landeswahlgesetz damit im Wesentlichen in die Hände der Parteien und sonstigen organisierten Wählergruppen gelegt. Amtliche Wahlorgane werden gemäß Art. 33, 34 LWG nur im Rahmen der Zulassung der Wahlkreisvorschläge tätig. Die Aufstellung von Bewerbern durch Parteien und Wählergruppen hat allerdings nicht nur parteiinterne Bedeutung, sondern ist zugleich ein wesentlicher Bereich der Wahlvorbereitung und zugleich Bestandteil des Wahlverfahrens. Hierdurch wird eine notwendige Voraussetzung für die Wahl selbst geschaffen und das aktive und passive Wahlrecht (Art. 14 BV) unmittelbar berührt. Die Kandidatenaufstellung bildet die Nahtstelle zwischen den von den Parteien und Wählergruppen weitgehend autonom zu gestaltenden Angelegenheiten ihrer inneren Ordnung und dem auf die Staatsbürger bezogenen Wahlrecht. Wegen ihrer Bedeutung für die Landtagswahl muss das dabei angewandte Verfahren - auch im Hinblick auf die Anzahl der Delegierten in den Vertreterversammlungen - demokratischen Grundanforderungen entsprechen (vgl. VerfGHE 62, 229/232 f.).

Der Antragsteller rügt insoweit eine zu geringe Delegiertenzahl bei der Vertreterversammlung der GRÜNEN zur Aufstellung der Wahlkreisliste für den Bezirk Oberbayern am 27. Januar 2013, an der rund 150 Delegierte (ca. 4% der Parteimitglieder) teilgenommen hätten. Eine Beanstandung der Anzahl der Delegierten unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips (vgl. Art. 2, 4 BV) käme nur dann in Betracht, wenn diese Anzahl zur Folge hätte, dass eine funktionsgerechte Kandidatenauswahl nicht mehr möglich wäre. Dies könnte der Fall sein, wenn sie so gering wäre, dass die in einer Partei in der Regel vorhandenen unterschiedlichen Strömungen und Auffassungen innerhalb der Vertreterversammlung nicht angemessen repräsentiert würden. Anhaltspunkte hierfür sind jedoch weder dem Vorbringen des Antragstellers zu entnehmen noch sonst ersichtlich.

2. „Kurzvorstellung“ von Bewerbern für die Vertreterversammlung:

Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1, Art. 29 Abs. 5 LWG werden die in die Vertreterversammlungen entsandten Delegierten in geheimer Abstimmung gewählt. Inwieweit die Bewerber im Vorfeld dieser Wahl die Möglichkeit zur Vorstellung haben müssen, ist im Landeswahlgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Art. 28 Abs. 2 Satz 3, Art. 29 Abs. 5 LWG, wonach den sich bewerbenden Personen Gelegenheit zu geben ist, sich und ihr Programm der Versammlung in angemessener Zeit vorzustellen, bezieht sich auf die Wahl der Landtagskandidaten, nicht aber auf die - vom Antragsteller beanstandete - vorgeschaltete Wahl der Delegierten für eine Vertreterversammlung. Deren Aufgabe besteht darin, an der Kandidatenaufstellung mitzuwirken; die Darstellung eines politischen Programms dient dagegen der Präsentation der Landtagskandidaten. Die vom Kreisverband München-Stadt der GRÜNEN entsandten etwa 50 Delegierten hatten in der Versammlung am 13. November 2012 im Übrigen unstreitig Gelegenheit zur „Kurzvorstellung“ mit Angabe des Namens und des Ortsverbands. Es ist nicht erkennbar, dass diese Verfahrensweise gegen elementare Grundsätze des demokratischen Wahlvorgangs verstoßen würde.

3. Verwendung elektronischer Abstimmungsgeräte bei der Kandidatenaufstellung:

Das Landeswahlgesetz enthält keine Regelungen zur Verwendung elektronischer Abstimmungsgeräte bei der Landtagswahl. Für die Bundestagswahl hat das Bundesverfassungsgericht am 3. März 2009 (BVerfGE 123, 39) entschieden, dass der Einsatz von Wahlgeräten, die die Stimmen der Wähler elektronisch erfassen und das Wahlergebnis elektronisch ermitteln, nur unter engen Voraussetzungen mit

dem Grundgesetz vereinbar ist. Dieser Einsatz sei insbesondere am Maßstab der Öffentlichkeit der Wahl zu messen. Die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung müssten daher vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können (BVerfGE 123, 39/68 ff.). Aus der Entscheidung ergibt sich ferner, dass die grundlegenden Fragen, die mit dem Einsatz elektronischer Abstimmungsgeräte verbunden sind, dem Parlamentsvorbehalt unterliegen und daher vom Gesetzgeber zu regeln sind (BVerfGE 123, 39/77 ff.).

Diese Grundsätze haben keine Beanstandung der Landtagswahl 2013 zur Folge. Während CSU und SPD keine elektronischen Abstimmungsgeräte verwendet haben, wurden solche Geräte bei der Aufstellung der Wahlkreisliste für Oberbayern in der Versammlung der GRÜNEN vom 27. Januar 2013, also nicht bei der Durchführung der Landtagswahl selbst, eingesetzt. Es stellt sich daher bereits die Frage, ob und inwieweit die vom Bundesverfassungsgericht für die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl entwickelten Grundsätze auf die - hier zu beurteilende - vorgeschaltete Kandidatenaufstellung überhaupt übertragbar sind. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Prüfung. Denn die endgültige Aufstellung der Kandidaten in der vom Antragsteller beanstandeten Versammlung der GRÜNEN erfolgte nicht elektronisch, sondern schriftlich mit Stimmzetteln. Die Überprüfung durch den Landtag hat insoweit ergeben, dass dabei Streichungen und Änderungen noch möglich waren. Elektronische Abstimmungsgeräte wurden entsprechend einer vorherigen Festlegung lediglich im Rahmen einer Vorauswahl eines Teils der Bewerber eingesetzt. Es besteht daher kein Anlass zur Beanstandung (vgl. BT-Drs. 15/4750 S.19 ff., 25; Hahlen in Schreiber, BWahlG, 9. Aufl. 2013, § 21 Rn. 28). Der Antrag auf Wahlprüfung führt insoweit auch deshalb nicht zum Erfolg, weil der Antragsteller keine konkreten Fehler oder Verstöße beim Einsatz der elektronischen Geräte aufgezeigt hat (vgl. BVerfGE 123, 39/86 ff.).

4. Geheime Abstimmung bei der Kandidatenaufstellung:

Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 LWG werden die Stimmkreisbewerber in geheimer Abstimmung gewählt (vgl. auch § 17 ParteiG). Eine entsprechende Maßgabe gilt gemäß Art. 29 Abs. 5 LWG für die Aufstellung der Wahlkreisliste. Zum Erfordernis der geheimen Abstimmung bei der Aufstellung der Kandidaten für die Landtagswahl hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 2009 (VerfGHE 62, 229) über einen vergleichbaren Antrag desselben Antragstellers auf Überprüfung der Landtagswahl 2008 ausführlich Stellung genommen. Er hat dabei auch den vom Antragsteller angesprochenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1993 Az. 2 BvC 2/91 (BVerfGE 89, 243) berücksichtigt (vgl. die Zitate VerfGHE 62, 229/232 ff.). In der Entscheidung vom 8. Dezember 2009, auf die Bezug genommen wird, führt der Verfassungsgerichtshof u. a. aus (VerfGHE 62, 229/233):

Eine Wahl ist geheim, wenn der Wähler abstimmen kann, ohne dass andere Personen von der von ihm getroffenen Wahl Kenntnis erlangen ... Dies erfordert eine schriftliche Abstimmung mit Stimmzetteln, die verdeckt gekennzeichnet und ohne Einsichtnahme anderer abgegeben werden können. Die Notwendigkeit besonderer Schutzvorrichtungen (Wahlzellen, Wahlurnen), wie sie §§ 41, 42 LWO für die Wahl der Abgeordneten vorsehen, ergibt sich für die Kandidatenaufstellung weder aus dem einfachgesetzlichen Landeswahlrecht noch aus den verfassungsrechtlichen Regelungen des Art. 14 BV...

An dieser Auffassung wird festgehalten (vgl. auch VerfGH Saarland vom 29.9. 2011 NVwZ-RR 2012, 169/175; Thum, a. a. O., Art. 28 LWG Rn. 9; Hahlen in Schreiber, BWahlG, § 21 Rn. 27 f.).

Das Vorbringen des Antragstellers erschöpft sich unter Hinweis auf das Format der Stimmzettel (DIN A4) in der pauschalen Behauptung, bei der Schlussabstimmung zur Aufstellung der Kandidaten in der Versammlung der GRÜNEN am 27. Januar 2013 sei eine verdeckte Stimmabgabe nicht möglich gewesen; bei den anderen Parteien sei es nicht anders oder schlimmer gewesen. Diesen Ausführungen sind keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verletzung des Grundsatzes der geheimen Abstimmung bei der Kandidatenaufstellung zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine verdeckte Kennzeichnung auch außerhalb von Wahlkabinen nicht möglich gewesen wäre.

Soweit der Antragsteller geltend macht, die Delegierten hätten nicht unbeeinflusst abstimmen können, betrifft dieser Gesichtspunkt den Grundsatz der Freiheit der Wahl (VerfGH vom 24.11.1966 = VerfGHE 19, 105/110), der bei der Aufstellung von Kandidaten für die Landtagswahl ebenfalls zu beachten ist (VerfGHE 62, 229/234; BVerfGE 89, 243/251). Auch insoweit sind konkrete Wahlfehler jedoch nicht erkennbar.

5. Wahlkampfkostenerstattung:

Soweit der Antragsteller rügt, die Chancengleichheit der Parteien sei nicht gewahrt, weil die Wahlkampfkostenerstattung nicht für alle zur Wahl angetretenen Parteien gleich hoch sei, wendet er sich gegen die bundesrechtliche Regelung in § 18 ParteiG. Darin ist eine staatliche Teilfinanzierung der Parteien vorgesehen. Für die Verteilung der staatlichen Mittel auf die einzelnen Parteien kommt es u. a. auf den Wahlerfolg an, d. h. auf die Anzahl der gültigen Stimmen, die eine Partei bei den Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen errungen hat. Das bayerische Landesrecht sieht insoweit in Art. 60, 61 LWG lediglich ergänzende Regelungen vor. Die Überprüfung der im Bundesrecht angelegten Grundsätze der Parteienfinanzierung kann nicht Gegenstand eines landesverfassungsgerichtlichen Verfahrens sein. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG kommt nicht in Betracht, da für einen Verstoß dieser Grundsätze gegen das Grundgesetz keine Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. Hahlen in Schreiber, BWahlG, § 50 Rn. 14 ff. m. w. N.).

6. Präsenz der Parteien in den Medien:

Die Rüge des Antragstellers, die Chancengleichheit der Parteien sei infolge ihrer unterschiedlichen Präsenz in den öffentlichen und privaten Medien verletzt, bezieht sich auf die für Wahlwerbung im Rundfunk geltenden Rechtsgrundlagen. Nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayRG ist politischen Parteien und Wählergruppen während ihrer Beteiligung an den Wahlen zum Bayerischen Landtag angemessene Sendezeit im Bayerischen Rundfunk einzuräumen, wenn sie in Bayern mit einem Wahlvorschlag zugelassen sind. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 5 Abs. 5 BayMG für die privaten Rundfunkangebote. Danach können politische Parteien und Wählergruppen Wahlwerbung nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 bis 3 ParteiG einbringen. Räumt ein Anbieter einer politischen Partei oder Wählergruppe Sendezeit zur Vorbereitung einer Wahl ein, muss er allen anderen Parteien und Wählergruppen auf Wunsch angemessene, nach der Bedeutung der Partei oder Wählergruppe abgestufte Sendezeit zur Verfügung stellen.

Die vorgesehene Differenzierung bei der Sendezeit im Hinblick auf die Werbung der Parteien und Wählergruppen im Vorfeld von Landtagswahlen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Anwendung des Grundsatzes der gleichen Wettbewerbschancen der Parteien (Art. 118 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) im Bereich der Wahlpropaganda erfordert nicht, dass alle Parteien und Wählergruppen im gleichen Umfang zu Wort kommen; die den einzelnen Gruppierungen zuzuteilenden Sendezeiten dürfen entsprechend der Bedeutung der jeweiligen Partei oder Wählergruppe verschieden bemessen werden (vgl. BVerfG vom 9.5.1978 BVerfGE 48, 271/277). Der Antragsteller legt nicht dar, aus welchen Gründen diese verfassungsrechtliche Bewertung korrekturbedürftig sein sollte. Ebenso wenig behauptet er, dass die genannten Regelungen bei der Anwendung in konkreten Einzelfällen verletzt worden wären.

7. 5%-Klausel bei der Landtagswahl:

Nach Art. 14 Abs. 4 BV (vgl. auch den gleichlautenden Art. 42 Abs. 4 Satz 1 LWG) erhalten Wahlvorschläge, auf die im Land nicht mindestens 5 vom Hundert der insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen entfallen, keinen Sitz im Landtag zugeteilt. Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach, zuletzt in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2014 (Vf. 25-III-14) in einem weiteren Wahlprüfungsverfahren zur Landtagswahl 2013 mit dieser Sperrklausel befasst und die Auffassung vertreten, dass sie nicht gegen höherrangige Normen der Bayerischen Verfassung verstößt. Auf die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs wird Bezug genommen (VerfGHE 63, 51/58 m. w. N.).

Danach bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Folgeregelung zur Umsetzung der 5%-Klausel in Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG, wonach Stimmen, die auf gescheiterte Wahlvorschläge entfallen, bei der Sitzverteilung ausscheiden. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, eine Alternativlösung, wie etwa die vom Antragsteller befürworteten Ersatzstimmen, einzuführen (VerfGHE 63, 51/59 ff.; VerfGH vom 10.10.2014 - Vf. 25-III-14 - juris Rn. 19 ff.).

VII.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).

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Referenzen - Gesetze

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

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(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.