Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 06. Juli 2016 - L 2 U 338/13

bei uns veröffentlicht am06.07.2016

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.04.2013 und der Bescheid der Beklagten vom 09.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2008 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.

II.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist im vorliegenden Teil des Verfahrens streitig, ob beim Kläger die Berufskrankheit (BK) Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt und damit eine Berufskrankheit (BK) im Sinne des § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gegeben ist. Die ursprünglich auch Gegenstand des Rechtsstreits bildende Frage, ob die BK Nr. 4301 vorliegt, hat der Senat mit Beschluss vom 28.06.2016 vom vorliegenden Verfahren abgetrennt.

Die BK 4301 erfasst durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschl. Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die BK 4302 ist definiert als durch chemischirritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Der 1955 geborene Kläger war von September 1970 bis September 2005 im Metall verarbeitenden Gewerbe tätig. Insbesondere arbeitete er vom 05.10.1981 bis zum 31.03.1986 als Metallschleifer und Maschineneinsteller bei der Firma K. & C. in N-Stadt im Bereich der Heckenscheren-Schleiferei. Vom 02.06.1986 bis zum 11.05.1990 war er bei der Firma K. im Werk N. als CNC-Dreher tätig. Von September 1990 bis August 1991 arbeitete der Kläger als Automateneinsteller in der Kondensatorenfertigung bei der Firma H. in Z-Stadt. Von September 1991 bis zum 30.09.2005 war der Kläger bei der Firma S. H. in W-Stadt beschäftigt.

Ab Oktober 2005 war der Kläger arbeitslos, seit Februar 2008 bezieht er Erwerbsminderungsrente.

Seit 1985 litt der Kläger immer wieder unter eitrigen Kieferhöhlenentzündungen. Im Jahre 1989 erfolgte eine Kieferhöhlen-Operation im Krankenhaus S.. Danach war der Kläger vier Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach Wiederaufnahme der Arbeit bemerkte er ein brennendes Gefühl im Mund und eine Erschwerung der Atmung. Der Kläger gab an, diese Beschwerden hätten gleichermaßen zuhause wie auch am Arbeitsplatz bestanden, und wegen der Beschwerden habe er schließlich seine Tätigkeit bei der Firma K. aufgegeben.

Am 19.04.1990 zeigte der Hautarzt Dr. K. der Beklagten den Verdacht des Vorliegens einer BK an, weil der Kläger unter Brennen im Mund, Heiserkeit und Atembeschwerden leide, was auf das Einatmen von Kühlmitteln zurückzuführen sei.

Es folgten einige Ermittlungen seitens der Beklagten, die jedoch nicht in einen Bescheid mündeten.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten teilte in einem Gutachten vom 17.05.1991 mit, dass der Kläger im Zeitraum vom 05.10.1981 bis zum 31.03.1986 als Schleifer von Heckenscheren und vom 02.06.1986 bis zum 11.05.1990 als CNC-Dreher jeweils mit Kühlschmierstoffen in Kontakt war, was eine Exposition im Sinne der BK 4302 darstelle.

Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. P. erklärte in einem Befundbericht vom 28.11.1990, dass ihn der Kläger erstmals am 24.11.1989 aufgesucht habe und er eine rezidivierende Sinu-Bronchitis mit Obstruktion ohne Hinweis auf exogenallergische Genese festgestellt habe.

Die Beklagte holte das Gutachten des Arztes für Arbeits- und Sozialmedizin PD Dr. H. vom 08.01.1992 ein, der lungenfunktionsanalytisch eine mäßiggradige obstruktive Ventilationsstörung fand, die im Bronchospasmolysetest nahezu vollständig reversibel war. Die Hauttestung habe keinen Hinweis auf eine atopische Diathese oder ein berufsspezifisches Typ I-allergisches Geschehen ergeben.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und den Atembeschwerden sei aus folgenden Gründen unwahrscheinlich: Erstens seien der jetzt beklagten Atemnot eitrige Kieferhöhlenentzündungen vorausgegangen. Zweitens sei die Atemnot erstmals im unmittelbaren Anschluss an die Operation und dann nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im außerberuflichen Bereich aufgetreten. Dieser Krankheitsverlauf spreche für das Vorliegen einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität. Das Vorliegen einer solchen Erkrankung sei objektiv nachgewiesen durch den von Dr. P. in dessen Befund vom 28.11.1990 berichteten Acetylcholin-Test.

Nach klinischer Erfahrung habe sich diese unspezifische bronchiale Überempfindlichkeit am ehesten auf der Grundlage der eitrigen Sinusitiden im Sinne eines sinubronchialen Syndroms entwickelt.

Beruflich bedingte Einwirkungen in der Firma K. könnten nicht für die Entstehung dieser Erkrankung verantwortlich gemacht werden, zumal es sich um gekapselte Maschinen gehandelt habe.

Einen Bescheid hat die Beklagte - wie bereits erwähnt - im Anschluss an diese Ermittlungen nicht erlassen.

Am 06.11.2006 zeigte Dr. H. bei der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Es bestehe ein Asthma bronchiale mit starker Atemnot und Brustschmerzen. Die Beschwerden hätten ca. 1983 im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Schleifer begonnen und seien auf Dämpfe und Schleifstaub zurückzuführen. Dr. H. bestätigte in seinem Befundbericht vom 07.05.2008, dass der Kläger seit 1985 unter chronisch rezidivierenden Atemwegsinfekten und seit 1990 unter asthmatischen Beschwerden litt.

Auf die ausführliche Beschreibung aller bisherigen Beschwerden und Expositionen durch den Kläger mit Schreiben vom 23.11.2006 wird Bezug genommen.

Der Präventionsdienst der Beklagten nahm mit Schreiben vom 24.07.2007, vom 03.03.2008, vom 24.02.2009, vom 10.06.2011 und vom 21.09.2011 zu den beruflichen Expositionen des Klägers Stellung.

Die Stellungnahmen vom 24.07.2007 und vom 03.03.2008 beschäftigten sich mit den Expositionen des Klägers bei der Firma S. H. in W-Stadt von 1991 bis 2005. Nach Aussage der Geschäftsleitung des Betriebs sei sehr darauf geachtet worden, dass der Kläger nur dort eingesetzt wurde, wo er nicht direkten Umgang mit Schweiß- und Schleifstäuben oder Lösemitteln hatte. Dies habe auch der Versicherte bestätigt. Der häufige Arbeitsplatzwechsel verbunden mit einer immer kürzeren Aufenthaltsdauer sei darauf zurückzuführen, dass sich der Kläger durch benachbarte Arbeiten belästigt gefühlt habe (Schweiß- und Schleifarbeiten, Umgang mit Lacken und Verdünnung). Messungen am Arbeitsplatz des Versicherten seien nicht direkt durchgeführt worden. Bei einer Schweißrauchmessung in der Schweißerei am 26.06.2002 seien die damaligen Grenzwerte eingehalten worden. Der Betriebsakte lasse sich entnehmen, dass ein reger Schriftverkehr bezüglich einer Optimierung der lüftungstechnischen Anlagen in Halle 2 noch bis 2002 stattgefunden habe.

Zur Tätigkeit des Klägers in der Heckenscheren-Schleiferei der Firma K. & C. von 1981 bis 1986 hat der Präventionsdienst ausgeführt, dass der damalige Arbeitsbereich des Klägers nicht mehr existiere. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass die Lüftungsverhältnisse zur damaligen Zeit üblich gewesen seien, allerdings aus heutiger Sicht nicht dem Stand der Technik entsprächen und deshalb als schlecht anzusehen seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Grenzwerte für Kohlenwasserstoffe sehr hoch seien. Eine Geruchsbelästigung könne bereits bei deutlich niedrigeren Konzentrationen einsetzen.

Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers bei der Firma K. als Dreher in der Zeit von 1986 bis 1990 habe es zur damaligen Zeit keine Messungen bezüglich Kühlschmierstoff-Expositionen gegeben. Aufgrund der Erfahrungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen könne jedoch unterstellt werden, dass der zuletzt gültige Grenzwert von 10 mg/cm³ auch am Arbeitsplatz des Klägers eingehalten worden sei. Soweit der Kläger geltend mache, dass eine Absauganlage nicht installiert gewesen sei, so stehe dem die gegenteilige Aussage der Firma K. entgegen, wonach elektrostatische Absaugungen an den neueren Maschinen vorhanden gewesen seien, auch an der des Klägers. Allerdings könne durch den Betrieb etlicher konventioneller offener Maschinen ohne Absaugung zu erklären sein, dass immer ein leichter Nebel in der Halle gewesen sei. In der Stellungnahme vom 21.09.2011 erläuterte der Präventionsdienst, die von der Firma K. & C. eingesetzten Maschinen seien offen und nur mit einem Spritzschutz versehen gewesen. Die vorhandene Absaugung habe sicher nicht alle Dämpfe erfasst.

Die Beklagte stellte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 09.11.2007 fest, dass beim Kläger keine Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 bzw. 4302 der BK-Liste (obstruktive Atemwegserkrankungen) vorliege. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen und Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Zur Begründung hat die Beklagte in dem Bescheid ausgeführt, bereits in früheren Feststellungsverfahren habe bei der arbeitsmedizinischen Untersuchung durch Dr. H. eine Berufsbezogenheit der Atemwegserkrankung nicht festgestellt werden können. Die nunmehr vorgenommenen Ermittlungen betreffend die Tätigkeit des Klägers in der Firma S. H. W-Stadt von 1991 bis 2005 hätten keine Belastungen ergeben.

Den gegen diesen Bescheid am 28.11.2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2008 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 07.05.2008 beim Sozialgericht (SG) Regensburg Klage erhoben.

Das SG hat den Chefarzt des Bezirksklinikum O., Klinik für Erkrankungen der Atmungsorgane, Dr. H., zum Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 22.10.2008 das Vorliegen einer BK 4302 bejaht hat. Der Kläger leide an einer leichtgradigen Obstruktion mit mäßiger Überblähung ohne Gasaustauschstörung und ohne ventilatorische bzw. respiratorische Limitierung der körperlichen Belastbarkeit. Die obstruktive Atemwegserkrankung sei unter inhalativer Therapie mit einer Kombination aus lang wirksamem Beta-2-Sympathomimetikum und Steroid stabil. Die daraus resultierende MdE sei mit 20 v. H. zu bewerten. Erstmals diagnostiziert worden sei eine Obstruktion am 24.11.1989 durch Dr. P., damals mittelgradig. Seit 1989 sei keine Verschlimmerung der obstruktiven Atemwegserkrankung eingetreten. Für die Frage der beruflichen Verursachung seien deshalb nur Einflussfaktoren bis November 1989 zu betrachten. Relevant seien also die Kühlmittelexpositionen von 1980 bis 1989.

Das Gutachten des PD Dr. H. aus dem Jahre 1999 sei durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse überholt. Inzwischen bestünden zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse, die irritative Effekte einer Kühlschmiermittelexposition auf die Atemwege beschrieben. Insbesondere werde in den neueren Publikationen darauf hingewiesen, dass sich Kühlschmierstoffe, die in der Regel als Wasser-Öl-Emulsion eingesetzt würden, während des Gebrauches durch die Bildung von Reaktionsprodukten sowie durch eine mikrobielle Kontamination mit Bakterien und Pilzen stark veränderten. Ein Kausalzusammenhang könne auch bei Einhaltung des in Deutschland etablierten Grenzwertes von 10 mg pro Kubikmeter keinesfalls ausgeschlossen werden. Heute sei bekannt, dass durch Kühlschmiermittel bzw. deren Verunreinigungen ausgelöste obstruktive Atemwegserkrankungen in der Regel chemischirritativer bzw. toxischer, jedoch nicht allergischer Genese seien. Der negative Ausfall des im Rahmen der Begutachtung durch PD Dr. H. veranlassten Pricktests mit Kühlschmierstoffen sei deshalb zur Beurteilung des Zusammenhangs zwischen Kühlschmiermittel-Exposition und Atemwegserkrankung irrelevant und könne nicht als Indiz für eine außerberufliche Verursachung der Atemwegserkrankung des Klägers herangezogen werden.

Zur Exposition des Klägers hat der Sachverständige ausgeführt, dass von 1981 bis 1986 eine erhebliche Kühlschmiermittelexposition vorhanden gewesen sei. So sei der Spritzschutz in den ersten Jahren der Tätigkeit unzureichend gewesen. Es sei zu starken Verunreinigungen des Kühlmittelbehälters gekommen der nur einmal jährlich gereinigt worden sei. Zusammenfassend habe von 1981 bis 1986 eine erhebliche Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen und den darin enthaltenen Verunreinigungen vorgelegen. Auch wenn das Konzentrat der verwendeten Kühlschmierstoffe unter normalen Bedingungen physikalisch nicht in Gasphase vorgelegen habe, sei ein reizender Effekt auf die Atemwege durch die Entstehung von Aerosolen anzunehmen, die auch in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung beschrieben worden sei. Auch für die Tätigkeit bei der Firma K. von 1986 bis 1990 sei eine derartige Exposition anzunehmen. Trotz Kapselung der CNC-Maschinen seien Kühlmitteldämpfe ausgetreten, und Expositionen seien zum Beispiel auch beim Einrichten und bei der Maßkontrolle der Maschinen erfolgt, da man sich hierbei mit Kopf und Oberkörper in den mit Schmierkühlmittel verqualmten Maschinenraum habe beugen müssen.

Denkbar seien im Falle des Klägers drei Verursachungsmöglichkeiten:

- eine obstruktive Atemwegserkrankung als Folge einer berufsunabhängigen chronischeitrigen Sinusitis;

- die Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung unabhängig von der chronischen Sinusitis: Diese Möglichkeit erscheine aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich wahrscheinlicher als 1992.

- Die chronischeitrige Sinusitis könne auf eine bakterielle Kontamination des Kühlschmiermittels zurückzuführen sein, die angesichts des langen Wechselintervalls von 1 Jahr zu unterstellen sei.

Eine Zuordnung exakter Wahrscheinlichkeiten zu den oben diskutierten drei Möglichkeiten der obstruktiven Atemwegserkrankung des Klägers sei nicht möglich. Andere außerberufliche Ursachen einer obstruktiven Atemwegserkrankung könnten jedoch ausgeschlossen werden.

Insgesamt spreche mehr für eine berufliche Verursachung als für eine außerberufliche. Dabei könne die berufliche Verursachung entweder auf die Verunreinigung der Kühlschmiermittel zurückzuführen sein, die durch die bakterielle Verunreinigung zur chronischeitrigen Sinusitis geführt habe, oder durch die irritativtoxische Wirkung des Kühlschmiermittels unabhängig von der chronischen Sinusitis.

Der Eintritt des Versicherungsfalls sei auf das Ende der Tätigkeit des Klägers bei der Firma K. AG im Mai 1990 zu datieren, als der Kläger die letzte mit Kühlschmiermittelexposition verbundene Tätigkeit aufgegeben habe.

Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. U. V., Internist und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, hat in seiner Stellungnahme vom 17.11.2008 nach neuerlicher Durchsicht der Aktenunterlagen das Gutachten des Dr. H. für überzeugend erachtet und der Bejahung der Kausalitätsfrage zugestimmt. Bei Fehlen jedweder anderer außerberuflicher relevanter Risiken für Atemwegserkrankungen sei die Annahme des Sachverständigen berechtigt, dass die Sinusitis im Zusammenhang mit der beruflichen Exposition stehe und dass sich sekundär durch einen „Etagenwechsel“ das Asthma bronchiale entwickelt habe.

Trotzdem widersprach die Beklagte dem Gutachten des Dr. H. mit der Begründung, dass sich aus den Ermittlungsergebnissen keine Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete und vom Gutachten unterstellte Verunreinigung der Kühlschmiermittel ergäben.

Daraufhin hat das SG Prof. Dr. G. S., Arzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie und Umweltmedizin und ehemals Leiter der Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane D-Stadt, zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser teilte mit Schreiben vom 14.04.2009 mit, vor Erstattung des Gutachtens sei eine weitere Sachaufklärung durch Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens erforderlich zu den Fragen,

1. inwieweit ein Zusammenhang zwischen berufsbedingter Exposition von Kühlschmierstoffen und Entwicklung einer eitrigen Sinusitis möglich bzw. wahrscheinlich oder auszuschließen ist und

2. inwieweit durch die beim Kläger durchgeführte HNO-ärztliche Operation die Entstehung eines Asthma bronchiale mit gesteigerter bronchialer Reaktivität gegenüber Kühlschmierstoffen wie auch Umweltfaktoren (Kälte, Stäube etc.) begünstigt wurde.

Daraufhin hat das SG den Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des Klinikums St. E. S-Stadt, PD Dr. K., zum Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 28.10.2009 die von Prof. Dr. S. aufgeworfenen Fragen wie folgt beantwortet hat:

1. Im Einzelfall des Klägers sei die Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen als Auslöser der Sinusitis und Rhinitis wahrscheinlich. Dies ergebe sich, basierend auf dem Literaturstudium, aus dem engen anamnestischen Zusammenhang zwischen Exposition und Beschwerden sowie der Verringerung der Symptomatik nach Expositionsende.

2. Die Operation im Bereich der Nasenscheidewand, der Nasenmuschel und der Nasennebenhöhlen sei selbst nicht Auslöser des Asthma bronchiale oder der gesteigerten bronchialen Reaktivität. Diese Operation habe nach Angaben des Klägers auch keinerlei Verbesserung des Symptomatik erbracht. Das Asthma bronchiale wie auch die Beschwerden im Bereich der Nase und der Nasennebenhöhlen seien im Rahmen der Exposition gegenüber den Kühlschmiermitteln zu sehen.

Auf der Grundlage des HNO-ärztlichen Gutachtens hat der Sachverständige Prof. Dr. G. S. am 21.07.2010 sein Gutachten nach Aktenlage erstattet und die Voraussetzungen der BK 4302 bejaht. Es sei die Diagnose einer chronischobstruktiven Atemwegserkrankung mit mäßiggradiger Obstruktion zu stellen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien die beim Kläger aufgetretenen Nasennebenhöhlenerkrankungen als Folge der Exposition gegenüber Kühlschmiermitteln während der Tätigkeiten bei der Firma K. & C. aufgetreten, und zwar unabhängig davon, ob dort eine Verunreinigung der Kühlschmiermittel bestanden habe oder nicht. Die Schilderungen der Arbeitsbedingungen ließen eine Verunreinigung stark vermuten. Durch die Tätigkeiten des Klägers bei der Firma K. & C. sowie bei der Firma K. lasse sich die Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung zweifelsfrei erklären. Die in dem Bericht der Firma K. geschilderten Kühlschmiermittelnebel in der Halle und das Hineinbeugen in den Arbeitsraum sprächen ganz überwiegend dafür, dass zumindest zeitweilig die gültigen Grenzwerte überschritten wurden, zumal keine Messungen, die das Gegenteil bewiesen hätten, vorlägen und auf das Einhalten der Grenzwerte nur aufgrund von Erfahrungen geschlossen worden sei. Im Übrigen sei belegt, dass auch bei Unterschreiten der gültigen Grenzwertkonzentrationen Atemwegserkrankungen durch Kühlschmiermittel ausgelöst werden könnten.

Der Versicherungsfall sei auf den Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit bei der Firma H. im Juni 1991 zu datieren, weil damit eine Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen geendet habe. Die MdE sei ab diesem Zeitpunkt mit 20 v. H. zu bewerten.

Die Beklagte hat zu dem Gutachten nicht mehr die Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. V. eingeholt, der sich bereits der Auffassung des Dr. H. angeschlossen hatte, sondern legte den Fall ihrem Beratungsarzt Dr. W., Facharzt für Arbeitsmedizin, Allergologie und Umweltmedizin vor. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 19.04.2010 ausgeführt, die Gutachten seien schlüssig, gingen aber von einer falschen Grundvoraussetzung aus: Der Zusammenhang zwischen einer nicht exzessiven, sondern eher durchschnittlichen Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen und chronisch rezidivierenden Nasennebenhöhleninfekten könne nicht angenommen werden i. S. einer chemischirritativen oder toxischen Reizung. Durch allergisierende Stoffe verursacht wäre dieser Zusammenhang möglich. Bei fehlendem Nachweis einer arbeitsplatzbezogenen Sensibilisierung scheide dieses Krankheitsbild (BK 4301) jedoch aus.

Mit einer MdE von 20 v. H. wäre die obstruktive Atemwegserkrankung angemessen beurteilt, sofern die Kausalität zu bejahen wäre. Der Beginn der Berufskrankheit wäre auf Juni 1991 zu datieren mit der Beendigung der Tätigkeit bei der Firma H. und damit dem Ende der Kühlschmiermittelexposition.

Die chronische Atemwegserkrankung sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Folge der chronischen Sinusitis. Eine direkte Verursachung der obstruktiven Atemwegserkrankung durch Einwirkung von Kühlschmierstoffaerosolen auf die Bronchialwege sei sehr unwahrscheinlich. Ohne die chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen könne bei den Arbeitsbedingungen des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass die Kühlschmierstoffaerosole in ausreichender Konzentration auf die Bronchialwege gewirkt hätten, um eine chronischobstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer BK Nr. 4302 zu verursachen.

Der Sachverständige Prof. Dr. S. sei in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.08.2010 hierzu bei seiner Auffassung geblieben. Er ist der Auffassung, dass Dr. W. die Arbeitsbedingungen des Klägers zu günstig einschätze. So gehe Dr. W. nicht auf die Schilderungen von Mitarbeitern ein, dass in der Maschinenhalle bei der Firma K. ständig ein Kühlschmiermittel-Nebel vorhanden gewesen sei und es vom Maschinendach getropft habe. Die Auffassung des Dr. W., der Kläger sei keiner exzessiven, sondern eher einer durchschnittlichen Exposition von Kühlschmierstoffaerosolen ausgesetzt gewesen, sei angesichts der dezidierten Schilderungen der Arbeitsbedingungen durch den Kläger, der nach Auffassung des Prof. Dr. S. keine Übertreibung herauszulesen sei, wie auch der in den Akten dargelegten Schilderungen früherer Arbeitsverhältnisse bei der Firma K., nicht nachvollziehbar. Außerdem habe Dr. K. in seinem Gutachten Literaturstellen nachgewiesen, die ein gehäuftes Auftreten von Atemwegserkrankungen bei Schadstoffexpositionen auch unterhalb der gültigen Grenzwerte belegten. Herrn Dr. W. sei in seiner kritischen Anmerkung zuzustimmen, es sei in den Untersuchungen nicht zwischen möglicherweise allergisch und nichtallergisch bedingten Beschwerden unterschieden worden.

Prof. Dr. S. erläutert weiter, er sei in seinem Gutachten zu dem Schluss gekommen, es sei sehr wahrscheinlich, dass die beim Kläger aufgetretenen Sinusitiden mit operativer Behandlung und die obstruktive Atemwegserkrankung infolge der Expositionen mit Kühlschmiermitteln an verschiedenen Arbeitsplätzen aufgetreten seien. Dabei sei er nicht von einer genauen kausalen Abfolge im Sinne von „als erstes Sinusitis und als ihre direkte Folge obstruktive Atemwegserkrankung“ ausgegangen. Die obstruktive Atemwegserkrankung sei als Berufskrankheit Nr. 4302 anzuerkennen.

Hierzu hat der Beratungsarzt Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 13.09.2010 angeführt, dass in den vom Kläger vorgelegten arbeitsmedizinischen diagnostischen Tabellen der Universität Homburg der Zusammenhang zwischen Kühlschmierstoffen und Sinusitis explizit nur bezüglich einer allergischen Wirkung aufgeführt sei und nicht im Sinne einer irritativtoxischen Wirkung. Dass die Grenzwerte für die Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen eingehalten wurden, werde nicht dadurch widerlegt, dass Kühlschmierstoff an kälteren Flächen Niederschlag fand und von dort herabtropfte. Er sehe die Arbeitsbedingungen bei der Firma K. weiterhin als wie vom Präventionsdienst beschrieben an und nicht abweichend von vergleichbaren Arbeitsplätzen mit ähnlichen Konditionen. Die Bedingungen bei dem vorangegangenen Arbeitgeber der Firma K. & C. seien als ungünstiger zu bewerten. Dafür spreche auch, dass es dem Kläger nach Beendigung seiner dortigen Tätigkeit und während der ersten ein bis zwei Jahre bei der Firma K. besser gegangen sei, bis er wieder größere Probleme mit der Mund- und Rachenschleimhaut bekam. Diese Anamnese spreche für günstigere Arbeitsbedingungen bei der Firma K. gegenüber der Firma K. & C.

Insgesamt könne er zwar nicht ausschließen, dass die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers direkt durch Kühlschmierstoffaerosole bedingt wurde. Aufgrund der parallel vorhandenen chronischen rezidivierenden Nasennebenhöhlenentzündungen sei es aber wesentlich wahrscheinlicher, dass die obstruktive Atemwegserkrankung Folge eines sinubronchialen Syndroms bei chronischer bzw. chronisch rezidivierenden Sinusitiden sei. Auch eine wesentliche Mitbeteiligung durch die Kühlschmierstoffe sei nicht anzunehmen.

Schließlich hat das SG Prof. Dr. med. Dipl.-Chem. G. T., Direktor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H., zum Sachverständigen ernannt, der nach persönlicher Untersuchung des Klägers in H. am 16.02.2012 sein Gutachten erstattete. Eine Berufskrankheit Nr. 4301 sei zu verneinen. Eine Sinusitis sei demgegenüber keine Listenkrankheit der aktuellen BK-Liste. Dies treffe auch für eine nichtallergische oder toxische Rhinitis zu, die nicht zum Krankheitsbild einer BK 4302 gehöre. Eine Sinusitis könne auch nicht als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden, weil die erforderliche „Gruppentypik“ derzeit nicht zu bestätigen sei. Es lägen keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse vor, dass bei Kühlschmiermittel-Exposition statistisch signifikant häufiger Erkrankungen an Sinusitis im Vergleich zur übrigen Bevölkerung auftreten. Es liege jedoch eine BK Nr. 4302 vor.

Bezüglich der Expositionen können lediglich angenommen werden, dass der Kläger im Zeitraum von 1981 bis 1990, d. h. rund zehn Jahre lang, als Metallschleifer und CNC-Dreher gegenüber Kühlschmiermitteln in unbekannter Höhe exponiert gewesen sei. Es sei somit von einer beruflichen Gefährdung für die Entstehung einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4302 auszugehen. Die Frage, ob der - frühere - Luftgrenzwert für Kühlschmierstoffe unter- bzw. überschritten wurde, sei im Falle des Klägers nicht das alleinige Kriterium. Wichtig sei vielmehr die Tatsache, dass bei dem Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits eine chronische Entzündung der oberen Atemwege infolge rezidivierender Infektionen vorgelegen habe, so dass die berufliche Belastung durch Kühlschmierstoffe, die bei einem Atemwegsgesunden wahrscheinlich keine irritativen Wirkungen auslösen würde, beim Kläger zur Entwicklung einer chronischen obstruktiven Atemwegserkrankung (nichtallergisches Asthma bronchiale) beigetragen habe.

Die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers sei mit Wahrscheinlichkeit sowohl durch berufliche als auch durch nichtberufliche Faktoren verursacht worden. Zu den nichtberuflichen Ursachen gehörten die rezidivierenden Infektionen der oberen Atemwege (Rhinosinusitiden), die wahrscheinlich zu einem sinubronchialen Syndrom geführt hätten. Als berufliche Ursache sei die langjährige Exposition gegenüber Kühlschmiermitteldämpfen zu bestätigen, die wesentlich zur Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung beigetragen habe. Die Tatsache, dass der Kläger auch im Zeitraum von 1991 bis 2005 (Firma S.) einer inhalativen Gefährdung durch Kühlschmiermitteldämpfe ausgesetzt war, habe dazu geführt, dass sich die obstruktive Atemwegserkrankung nicht wesentlich gebessert habe. Aufgrund der Chronifizierung sei eine Besserung auch nach Beendigung der beruflichen Gefährdung im Jahr 2005 nicht eingetreten.

Bei der obstruktiven Atemwegserkrankung des Klägers handle es sich somit um eine Berufskrankheit Nr. 4302 im Sinne der wesentlichen Mitursache.

Wenn man die Kriterien „keine völlige Beschwerdefreiheit, keine Belastungsdyspnoe, nur geringgradige Veränderungen in der Lungenfunktion, Normoxämie und die Therapie (Bronchodilatatoren, Corticoid)“ berücksichtige, sei zum Untersuchungszeitpunkt eine MdE von 20 v. H. angemessen. Aufgrund der Krankheitsvorgeschichte habe diese MdE auch im Jahre 2008 vorgelegen.

Der Beratungsarzt Dr. W. hat in seiner Stellungnahme vom 10.05.2012 dem Gutachten des Prof. Dr. T. insoweit widersprochen, als dieser zu Unrecht die Belastung durch Kühlschmierstoffe als wesentliche Mitursache angesehen habe. Es könne nämlich nicht die Mitursächlichkeit der Kühlschmierstoffe im Sinne der Conditiosinequanon festgestellt werden. Vielmehr reiche für die Entstehung der Atemwegserkrankung alleine die chronische Sinusitis aus, um im Sinne eines sinubronchialen Syndroms zur chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung zu führen. Die Exposition gegenüber den Kühlschmierstoffen könne deshalb hinweggedacht werden, ohne dass die obstruktive Atemwegserkrankung entfiele.

Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat hierzu am 10.09.2012 Stellung genommen, dass sich seine Beurteilung nicht ändere. Zwei Mitursachen müssten nicht völlig gleichwertig sein, um beide als wesentliche Mitursachen angesehen zu werden. Aufgrund der Tatsachen, dass

- Kühlschmierstoffe zu den chemischirritativ bzw. toxisch wirkenden Arbeitsstoffen gehörten,

- diese nach Inhalation Schleimhautirritationen der oberen und tieferen Atemwege verursachen,

- die Studie von PARK et al. (2008) bei exponierten Beschäftigten eine hohe Rate von rund 62% mit Rhinitis-Beschwerden ergeben habe und

- ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der mehrjährigen Exposition des Klägers einerseits und den Beschwerden im Bereich des oberen Atemtrakts andererseits bestehe,

sei seiner Auffassung nach ein Ursachenzusammenhang im Sinne der wesentlichen Mitursache hinreichend wahrscheinlich zu machen.

Berücksichtige man die arbeitsanamnestischen Angaben, habe es sich retrospektiv um eine erhebliche inhalative Gefährdung gehandelt.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2008 zu verurteilen, beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen und dem Kläger dieserhalb Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Das SG Regensburg hat mit Urteil vom 23.04.2013 (Az. S 1 U 110/08) die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Beim Kläger liege weder eine BK Nr. 4301 noch eine BK Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV vor. Auch eine Wie-BK im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII sei nicht gegeben. Die Annahme einer BK 4301 scheitere schon an der fehlenden allergischen Genese der obstruktiven Atemwegserkrankung des Klägers. Bezüglich der BK Nr. 4302 seien schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die gültigen Grenzwerte eingeholt worden seien. Jedoch wäre die BK Nr. 4302 auch dann nicht anzuerkennen, wenn das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen unterstellt würde. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergebe sich lediglich, dass die Möglichkeit bzw. das Nichtausgeschlossen-Sein der Verursachung durch Kühlschmierstoffe gegeben sei, was aber für die Annahme des Ursachenzusammenhanges nicht genüge. Die Sachverständigen hätten auch nicht klären können, auf welchem der drei diskutierten Verursachungswege die obstruktive Atemwegserkrankung ausgelöst worden sei. Das Gericht sei daher der Auffassung, dass die Rhinitis bzw. Sinusitis als sog. konkurrierende Ursache nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass dadurch die obstruktive Atemwegserkrankung entfiele. Weder Rhinitis noch Sinusitis würden aber von der BK Nr. 4302 erfasst und seien auch in der Bevölkerung allgemein weit verbreitet. Zwar sei bei der Ursächlichkeit „wesentlich“ nicht mit „gleichwertig“ gleichzusetzen, da aber andererseits der Sinusitis als nicht berufsbedingter Ursache die überragende Bedeutung für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung zukomme, seien rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursachen - die hier aber nicht in Art und Ausmaß gesichert seien - nicht zu berücksichtigen. Zusammenfassend hat das Gericht festgestellt, dass es sich vom Vorliegen der BK Nr. 4302 nicht überzeugen könne, da weder die in den achtziger Jahren festgestellte Rhinitis noch die Sinusitiden mit hieraus resultierender Sinubronchitis und obstruktiver Atemwegserkrankung mit Wahrscheinlichkeit auf berufsbezogene Noxen (Kühlschmierstoffe) zurückgeführt werden könnten, sondern außerberuflich erworben worden seien.

Der Kläger hat gegen das Urteil des Sozialgerichts, das ihm am 15.07.2013 zugestellt worden war, am 09.08.2013 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2016 hat der Senat den Rechtsstreit abgetrennt, soweit er die Berufskrankheit Nr. 4301 betrifft. Der Kläger hat die Arbeitssituation vor allem bei der Fa. K. & C. geschildert. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.04.2013 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2008 festzustellen, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, soweit sie sich auf die Feststellung der BK 4302 bezieht. Insoweit ist die Klage zulässig und begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft und zulässig.

Nach gerichtlichem Hinweis auf die streitgegenständlichen Bescheide hat der Kläger seinen Antrag auf die Feststellung einer BK 4302 beschränkt und den Antrag auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. in diesem Verfahren nicht mehr weiter verfolgt.

Die Klage ist auch begründet, weil die BK 4302 als Berufskrankheit im Sinne des § 9 SGB VII beim Kläger festzustellen ist.

Die BK 4302 ist definiert als durch chemischirritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Das Vorliegen der Voraussetzungen der BK Nr. 4302 ergibt sich für den Senat aus der übereinstimmenden Auffassung aller drei von Amts wegen eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten, sowohl des Dr. H. als auch des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. T.. Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dem HNO-ärztlichen Gutachten des PD Dr. K.. Lediglich der im Verwaltungsverfahren eingeschaltete Gutachter PD Dr. H. vertrat in seinem Gutachten vom 08.01.1992 eine andere Auffassung. Wie jedoch Dr. H. in seinem Gutachten vom 22.10.2008 unter Beifügung der neueren Literatur überzeugend belegt hat, ist das Gutachten des PD Dr. H. durch die zwischenzeitlichen Forschungen überholt. Insbesondere ist in der zwischenzeitlich veröffentlichten Literatur anerkannt, dass Kühlschmierstoffe geeignet sind, obstruktive Atemwegserkrankungen hervorzurufen, und zwar auch dann, wenn die in den achtziger Jahren geltenden Grenzwerte, die inzwischen ohnehin verschärft wurden, nicht überschritten worden sind. Das Gutachten des Dr. H. berücksichtigte noch nicht die in der Zwischenzeit veröffentlichten Erkenntnisse, die irritative Effekte einer Kühlschmiermittelexposition auf die Atemwege beschrieben, insbesondere wenn sich während des Gebrauches Reaktionsprodukte und dadurch eine mikrobielle Kontamination mit Bakterien und Pilzen bildeten. Während PD Dr. H. noch allein von einer allergischen Genese von Atemwegserkrankungen durch Kühlschmiermittel bzw. deren Verunreinigungen ausgegangen war, ist inzwischen bekannt, dass diese Expositionen obstruktive Atemwegserkrankungen auf chemischirritativem bzw. toxischem Weg auslösen können.

Selbst der zunächst von der Beklagten eingeschaltete Beratungsarzt Dr. V. hat in seiner Stellungnahme vom 17.11.2008 auf das Gutachten des Dr. H. hin die BK Nr. 4302 und die insoweit erforderliche Kausalität bejaht. Nur der daraufhin von der Beklagten eingeschaltete Beratungsarzt Dr. W. verneint als einziger die Voraussetzungen der BK 4302.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger bei seinen beruflichen Tätigkeiten als Heckenscheren-Schleifer bei der Firma K. & C. von Oktober 1981 bis März 1986 so wie bei seiner anschließenden Tätigkeit als CNC-Dreher bei der Firma K. bis Mai 1990 in erheblichem Maße einer Exposition durch Kühlschmiermittel ausgesetzt war, so dass sich daraus für ihn in deutlich erhöhtem Maße die Gefahr einer obstruktiven Atemwegserkrankung ergab.

Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger bereits während seiner Tätigkeit beim Schleifen von Heckenscheren bei der Firma K. & C. in den Jahren 1981 bis 1986 in erheblichem Ausmaß einer Exposition von Kühlschmiermitteln ausgesetzt war. In dieser Zeit kam der Kühlschmierstoff AVILUP 2061 zum Einsatz. Auch wenn der Arbeitgeber angegeben hat, dass die Maschinen komplett mit Abdeckhauben versehen gewesen seien, hält der Senat die Aussage des Klägers für glaubhaft, dass in den ersten Jahren seiner Tätigkeit als Spritzschutz lediglich Gummilappen von alten Autoreifen über den Schleifscheiben angebracht waren und dass während des Schleifvorgangs Kühlschmiermittel öfters ins Gesicht spritzte. Ferner hält der Senat die Aussage für glaubhaft, dass nach dem Durchlaufen eines Werkstücks die Maschine zwar ausgeschaltet war, das Kühlmittel jedoch weiter spritzte. Bestätigt wird dies durch die Angaben des ehemaligen Betriebsleiters, Herrn G., gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten. Er hat ebenfalls angegeben, dass als Absaugung zwar Schläuche an den Maschinen verbunden waren, es aber keine gezielte Luftführung gab. Die Lüftungsverhältnisse waren nach seiner Einschätzung sicher sehr ungünstig. Auch der Präventionsdienst hat mit den Angaben des Herrn G. die Angaben des Klägers als im Wesentlichen bestätigt angesehen. Ebenso ist der Senat von der Richtigkeit der Aussage des Klägers überzeugt, dass der Kühlmittelbehälter durch Zigarettenkippen, Getränkereste, Schmieröl und Riemenspray stark verschmutzt war und nur einmal jährlich gereinigt wurde. Daraus ergibt sich, dass das Kühlschmiermittel bakteriell stark verunreinigt war, wie der Sachverständige Dr. H. festgestellt hat. Ob eine bakterielle Verschmutzung des Kühlschmiermittels tatsächlich vorlag, kann jedoch nach Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 21.01.2010 dahinstehen.

Auch bei der folgenden Tätigkeit bei der Firma K. als CNC-Dreher von 1986 bis 1990 kam es zu einer erheblichen Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen. Verwendet wurde der Kühlschmierstoff CIMCOOL MB 603 als drei- bis fünfprozentige Emulsion. Das Sicherheitsdatenblatt beschreibt zwar eine fehlende Flüchtigkeit des Kühlschmierstoffkonzentrats, das bis 100 °C nur flüssig vorliege. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. H. hält der Senat jedoch die Aussage des Klägers für glaubhaft, dass trotz der Kapselung der CNC-Maschinen Kühlmitteldämpfe austraten, die als Nebel sichtbar waren und sich an den Wänden als Kondensat niederschlugen, und eine Exposition insbesondere auch beim Einrichten und bei der Maßkontrolle der Maschinen erfolgte, da man sich hierbei mit Kopf und Oberkörper in den mit Schmierkühlmittel verqualmten Maschinenraum beugen musste.

Auch die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. T. haben den Aussagen des Klägers Glauben geschenkt und eine erhebliche Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen angenommen. Der Beratungsarzt Dr. W. steht insoweit mit seinen Zweifeln alleine. Selbst der zunächst von der Beklagten gehörte Beratungsarzt Dr. V. hatte sich zugunsten des Klägers ausgesprochen.

Auch der technische Aufsichtsdienst der Beklagten am 17.05.1991 und später der Präventionsdienst in seinen Stellungnahmen vom 24.07.2007, vom 03.03.2008, vom 24.02.2009, vom 10.06.2011 und vom 21.09.2011 haben eine Exposition mit Kühlschmierstoffen bejaht. Soweit darin allerdings festgestellt wurde, dass die damaligen Grenzwerte eingehalten worden seien bzw. ein Überschreiten dieser Grenzwerte nicht bewiesen werden könne, steht dies der Annahme einer hinreichenden Gefährdung nicht entgegen. Die Überschreitung der in den achtziger Jahren geltenden Grenzwerte, die zudem inzwischen überholt sind, ist keine Voraussetzung für das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4302. Bereits die Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 10.06.2011 lässt erkennen, dass die Grenzwerte für Kohlenwasserstoffe in der Zeit von 1981 bis 1986 sehr hoch waren und nicht mehr dem heutigen Stand der Technik entsprechen. Auch Dr. H. hat auf die Irrelevanz der früher geltenden Grenzwerte von 10 mg/Kubikmeter hingewiesen. Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat auf S. 48 seines Gutachtens vom 16.02.2012 ausgeführt, dass die Frage, ob der frühere Luftgrenzwert für Kühlschmierstoffe unter- bzw. überschritten wurde, nicht das alleinige Kriterium ist.

Damit lag über einen Zeitraum von neun Jahren eine erhebliche Exposition mit Kühlschmierstoffen vor, die das Risiko, eine obstruktive Atemwegserkrankung zu erleiden, erheblich erhöht haben.

Auch eine chronischobstruktive Atemwegserkrankung mit Obstruktion ist im Vollbeweis gesichert. Die diesbezügliche erstmalige Diagnose mit mittelgradiger Obstruktion erfolgte am 24.11.1989 durch Dr. P.. Zwischen allen Sachverständigen besteht Einvernehmen über diese Diagnose, die sich erst nach Aufgabe der belastenden Tätigkeiten im Jahr 2005 zu einer leichtgradigen Obstruktion besserte.

Der zeitliche Zusammenhang zwischen der erheblichen Exposition des Klägers gegenüber Kühlschmiermitteln in den achtziger Jahren und der Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung bis zu ihrer Diagnose durch Dr. P. Ende 1989 lässt nach der übereinstimmenden Auffassung der Sachverständigen Dr. H., Prof. Dr. S. und Prof. Dr. T. eine Verursachung der chronischobstruktiven Atemwegserkrankung durch die Kühlschmierstoffe als überwiegend wahrscheinlich erscheinen. Allerdings ist hierbei der Einfluss der seit 1985 immer wieder rezidivierenden Nebenhöhlenentzündungen, die 1989 operativ behandelt wurden, streitig. Dr. H. diskutierte drei Verursachungsmöglichkeiten, nämlich die obstruktive Atemwegserkrankung als Folge einer berufsunabhängigen chronischeitrigen Sinusitis, die Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung unabhängig von der chronischen Sinusitis und die Möglichkeit, dass die chronischeitrige Sinusitis (die dann wieder die obstruktive Atemwegserkrankung auslöste) auf eine bakterielle Kontamination des Kühlschmiermittels zurückzuführen sei. Insgesamt sah er mehr Anhaltspunkte für eine berufliche Verursachung als gegeben an als für eine außerberufliche. Der HNO-Arzt PD Dr. K. sah in seinem Gutachten vom 28.10.2009 einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen und der Entwicklung der Sinusitis und Rhinitis als wahrscheinlich an. Daran kritisierte der Beratungsarzt Dr. W., dass die veröffentlichten Forschungsergebnisse unklar ließen, ob der Zusammenhang zwischen Kühlschmierstoff-Expositionen und einer Sinusitis bzw. Rhinitis allergischer Natur im Sinne der BK Nr. 4301 oder chemischirritativ bzw. toxisch im Sinne der BK Nr. 4302 sei. Insoweit hat Prof. Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 11.08.2010 ungeklärte Fragen eingeräumt.

Vor diesem Hintergrund ist überzeugend die Auffassung des Prof. Dr. T., wonach die heutigen Möglichkeiten zur Feststellung der Exposition des Klägers gegenüber Kühlschmierstoffen in den achtziger Jahren zu dürftig sind, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese hoch genug waren, um bei einem Atemwegsgesunden die irritativen Wirkungen auszulösen. Da jedoch der Kläger zum Zeitpunkt der Exposition gegenüber den Kühlschmierstoffen bereits unter einer chronischen Entzündung der oberen Atemwege infolge rezidivierender Infektionen litt, waren die Expositionen gegenüber Kühlschmierstoffen ausreichend, um die obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Diese Feststellung reicht im Gegensatz zur Auffassung des Beratungsarztes Dr. W. aus, um zunächst die Ursächlichkeit der Kühlschmiermittel-Exposition für die obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer reinen Conditiosinequanon anzunehmen. Denn für diese Ursächlichkeit im Sinne der Conditiosinequanon ist es ohne Bedeutung, wenn die gefährdende Exposition lediglich in Verbindung mit einer Schadensanlage, die hier in den rezidivierenden Nebenhöhleninfektionen lag, in der Lage war, die obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Prof. Dr. T. hat nämlich ausgeführt, dass durch die bereits vorliegende chronische Entzündung der oberen Atemwege infolge rezidivierender Infektionen eine erhöhte Empfindlichkeit des Klägers vorlag, so dass die berufliche Belastung durch Kühlschmierstoffe, auch wenn diese bei einem Atemwegsgesunden keine irritative Wirkungen ausgelöst hätte, beim Kläger zur Entwicklung einer chronischen obstruktiven Atemwegserkrankung geführt hat. Diese Argumentation ist schlüssig. Denn die Tatsache, dass der Kläger mit der chronischen Sinusitis - gleich welche Ursache diese hatte - unter einer Vorbelastung litt, die sein Risiko für obstruktive Atemwegserkrankungen deutlich erhöhte, schloss ihn vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht aus. In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt - bis zur Grenze der unwesentlichen Teilursache - der Grundsatz, dass jeder in dem körperlichen Zustand versichert ist, in dem er sich befindet. Also ist auch jemand, der aufgrund chronischer Sinusitis ein erhöhtes Risiko obstruktiver Atemwegserkrankungen hat, davor geschützt, durch die Exposition mit Kühlschmierstoffen eine solche obstruktive Atemwegserkrankung zu erleiden. Maßgeblich ist also die Frage der (Mit-) Ursächlichkeit im Sinne der Wesentlichkeit.

Nicht beweisbar ist die Auffassung des Beratungsarztes Dr. W., dass die Kühlschmiermittel-Exposition für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung in keiner Weise ursächlich war, auch nicht im Sinne der Conditiosinequanon, denn die hierfür erforderliche Auffassung des Dr. W., dass die obstruktive Atemwegserkrankung auch ohne die Exposition mit Kühlschmiermitteln allein als Folge der Nebenhöhleninfektion auf jeden Fall eingetreten wäre, ist nicht zu beweisen und wird von keinem der unabhängigen Sachverständigen vertreten.

Die Kühlschmiermittelexposition stellte also neben der Nebenhöhleninfektion eine Teilursache für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung dar. Diese Teilursache war auch wesentlich. Denn auch wenn die Nebenhöhleninfektion als weitere, möglicherweise außerberuflich verursachte Konkurrenzursache mit beigetragen hat, wäre dadurch die Kühlschmiermittelexposition als wesentliche Teilursache nur dann ausgeschlossen, wenn der Nebenhöhleninfektion ein ganz überragendes Gewicht bei der Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung zukäme. Dies wird jedoch lediglich vom Beratungsarzt Dr. W. und im Übrigen von keinem der drei für die Beurteilung der obstruktiven Atemwegserkrankung zuständigen Gerichtsgutachter vertreten. Das Gericht schließt sich hier der überzeugenden Auffassung seiner Gutachter an, die im Übrigen alle drei anerkannte Kapazitäten auf ihren Fachgebieten sind.

Ohne Bedeutung ist dabei letztlich die Frage, ob die Nebenhöhleninfektion ihrerseits selbst durch die Kühlschmiermittelexposition entstanden ist (was der HNO-ärztliche Sachverständige PD Dr. K. bejaht) und falls ja, ob insoweit eine Verursachung auf allergischem Wege (im Sinne der BK Nr. 4301) oder auf chemischirritativ oder toxischem Wege (im Sinne der BK Nr. 4302) erfolgte. Denn der für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK Nr. 4302 erforderliche Verursachungsbeitrag durch chemischirritativ oder toxisch wirkende Stoffe wurde auf jeden Fall unmittelbar durch die Kühlschmiermittelexposition gesetzt. Die Nebenhöhleninfektion war demgegenüber lediglich eine Konkurrenzursache, die ebenfalls wesentlich war, jedoch nicht von so überragender Bedeutung, dass die Kühlschmiermittelexposition als Ursache unwesentlich wäre. Dabei stellt eine Konkurrenzursache per se eine Ursache aus dem nicht versicherten Lebensbereich dar, so dass es nicht darauf ankommt, worauf die Konkurrenzursache im Einzelnen zurückzuführen ist. Die BK 4302 kann auch dann vorliegen, wenn die obstruktive Atemwegserkrankung zwar durch chemischirritativ oder toxisch wirkende Kühlschmierstoffe hervorgerufen wurde, das Ausmaß der Exposition mit Kühlschmierstoffen jedoch nur deshalb ausreichend war, die obstruktive Atemwegserkrankung zu verursachen, weil rezidivierende Nebenhöhlenentzündungen als Schadensanlagen vorhanden und bei der Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung mitgewirkt haben. Sowohl die Kühlschmiermittelexposition als auch die Nebenhöhlenentzündungen stellen jeweils für sich genommen wesentliche Teilursachen dar. Die Exposition mit Kühlschmiermitteln wäre als Teilursache nur dann unwesentlich, wenn die konkurrierende Teilursache der Nebenhöhlenentzündungen von überragender Bedeutung wäre. Dies würde die Feststellung voraussetzen, dass die obstruktive Atemwegserkrankung allein aufgrund der Nebenhöhlenentzündungen und ohne die gleichzeitig wirkende Kühlschmiermittelexposition etwa zur selben Zeit entstanden wäre. Eine solche Feststellung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht möglich.

Die für die Feststellung der Berufskrankheit Nr. 4302 bestehende Voraussetzung, dass die obstruktive Atemwegserkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, lag spätestens ab dem 01.10.2005 vor, nachdem der Kläger seine Tätigkeit bei der Firma S. H. in W-Stadt zum 30.09.2005 aufgegeben hatte. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt lag nach Auffassung aller Sachverständigen die Unterlassung jeglicher gefährdender Tätigkeiten vor, zumal der Kläger seit diesem Zeitpunkt jegliche Berufstätigkeit aufgegeben hat. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, in dem nach der Antragstellung im Berufungsverfahren nicht mehr über die Höhe und den Beginn der Verletztenrente zu entscheiden ist, kann offen bleiben, ob der Versicherungsfall bereits mit Aufgabe aller schädigenden Tätigkeiten bei der Firma K. im Mai 1990 (so die Auffassung des Sachverständigen Dr. H.) oder nach Beendigung der Tätigkeit bei der Firma H. im Sommer 1991 (so der Sachverständige Prof. Dr. S.) eingetreten war. Neben der tatsächlichen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten lag auch ein objektiver Zwang vor, den Kontakt mit Kühlschmierstoffen einzustellen, um die Verschlimmerung der obstruktiven Atemwegserkrankung zu verhindern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 06. Juli 2016 - L 2 U 338/13 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 55


(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.