Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 06. Juli 2016 - L 2 U 336/14

06.07.2016
vorgehend
Sozialgericht München, S 23 U 37/13, 29.07.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.07.2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob psychische Störungen, insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als Unfallfolgen im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) festzustellen sind.

Die 1952 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als selbstständige Unternehmerin freiwillig gesetzlich unfallversichert. Sie ist nicht gesetzlich, sondern privat krankenversichert. Sie erlitt am 15.12.2011 einen Arbeitsunfall. Als sie auf dem Weg von zuhause zu ihrem Schneiderladen eine Straße überqueren wollte, sah sie einen Lkw auf sie zukommen, sprang Weg und stürzte dabei nach hinten.

Die Klägerin begab sich dann in ihr Geschäft und traf dort auf die Zeugin K. P.. Diese gab mit Schreiben vom 22.02.2012 an, die Klägerin sei kreideweiß gewesen und unter Schock gestanden. Sie habe über Schmerzen am ganzen Körper geklagt und gesagt, dass ein Lkw sie beinahe überfahren hätte. Sie sei nicht fähig gewesen zu sprechen und habe nur gewünscht, noch nachhause zu gehen. Sie sei dann auch gegangen. Wie, wisse sie nicht.

Ihren Angaben nach fuhr die Klägerin dann mit einem Taxi nachhause. Vier Tage später, am 19.12.2011, begab sie sich in ärztliche Behandlung.

In den Akten befindet sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit zwei unleserlich übereinander angebrachten Arztstempeln vom 19.12.2011. Einerseits ist gerade noch erkennbar der Stempel eines Orthopäden Dr. G. aus A-Stadt. Darüber befindet sich der Stempel eines Frauenarztes „Dr. E. ...“ Arbeitsunfähigkeit wurde bescheinigt rückwirkend zum 15.12.2011 bis einschließlich 15.01.2012. Als Diagnosen wurden angegeben: S 33.50 + G, S 13.4 + G, S 39.40 + G.

Die Klägerin selbst gab in dem Fragebogen der Beklagten zur Unfallermittlung am 13.01.2012 bezüglich der von ihr festgestellten Beschwerden und Unfallfolgen an: „verschiedene an Schulter - HWS, Hüfte - Rücken an Bein - Arm und Prellung an Hüfte - Po“.

Die Beklagte ermittelte dann, dass Krankschreibung durch den Orthopäden Dr. G. erfolgt war, der am 16.01.2012 seinen H-Arzt-Bericht erstattete: demnach sei die Klägerin auf das Gesäß und auf die linke Schulter gestürzt. Sie habe über massive Beschwerden im unteren LWS-Bereich, im HWS-Bereich, im Bereich der linken Schulter und am linken Sprunggelenk geklagt. Beim Röntgen der LWS und der HWS habe sich kein Frakturhinweis ergeben, jedoch hätten sich degenerative Veränderungen der Facettengelenke im Bereich der HWS gezeigt.

Die Klägerin wurde von Dr. G. mit Facettengelenksinfiltrationen behandelt, der am 10.01.2012 bescheinigte, dass sie ab dem 16.01.2012 wieder arbeitsfähig wäre.

In dem von der Beklagten angeforderten Bericht vom 10.02.2012 teilte Dr. G. nebenbefundlich mit, dass die Klägerin auch berichtet habe, seit dem Unfalltrauma mit dem Bild des heranrasenden Lastwagens unter starken Schlafstörungen zu leiden und auch Angstzustände zu haben. Sie wolle jetzt einen Neurologen bzw. Psychiater aufsuchen.

Mit Bescheid vom 28.02.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin Verletztengeld für die Zeit vom 15.12.2011 bis zum 15.01.2012. Die Höhe des Verletztengeldes für diesen Zeitraum betrug 5333,44 €.

Die Klägerin erhielt ab dem 01.03.2012 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von der Praxis für Neurologie und Psychiatrie Dres. K., W. und O.. In einem für die Beklagte erstellten Bericht dieser Praxis vom 21.03.2012, unterschrieben von Dr. S., wurde eine posttraumatische Belastungsstörung als „wahrscheinlich“ bezeichnet. Die letzte Folgebescheinigung der Praxis Dres. K., W. und O. vom 22.01.2012 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 06.07.2012.

Die Beklagte holte das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 15.06.2012 ein. Dort gab die Klägerin an, sie leide immer noch unter Schlafstörungen, unter Albträumen, sie sehe immer wieder das große Rad des Lkw vor sich, sie habe einen Druck auf der Brust und wahnsinnige Ängste vor allem, nicht vor bestimmten Situationen. Sie habe keine Lebensfreude mehr und könne auch nicht mehr arbeiten. Auf die Frage des Sachverständigen, warum sie erst so spät zum Nervenarzt gegangen sei, nämlich Anfang März 2012, gab die Klägerin an, dass sie keinen Nervenarzt gefunden habe, sie habe vier Wochen hin und her telefoniert. Auf die Frage des Gutachters, warum sie in dem handschriftlichen Bericht an die Beklagte vom 13.01.2016 keine psychischen Beschwerden aufgeführt habe, konnte die Klägerin keine Antwort geben, auch auf die Frage, warum ihr behandelnder Orthopäde in seinen ersten Befundberichten - bis zum 16.01.2012 - keine psychischen Beschwerden aufgeführt habe, konnte die Klägerin keine Antwort geben, zeigte sich nach dem Gutachten jedoch über diese Fragen ungehalten. Dr. K. kam zu dem Schluss, in diagnostischer Hinsicht sei die von der behandelnden Psychiaterin gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nachzuvollziehen. Weder das A1-Kriterium noch das A2-Kriterium seien ausreichend sicher dokumentiert, wobei das A2-Kriterium, also die unmittelbare psychische Reaktion eines Betroffenen, sogar definitiv ausgeschlossen werden könne. Die Klägerin habe erst zweieinhalb Monate nach dem Unfall eine Psychiaterin konsultiert. Ferner sei ein Problem, dass es über den Unfall keine verwertbaren fremdanamnestischen Angaben gebe. Unklar sei auch, warum die Klägerin nicht sofort einen Arzt aufgesucht habe und warum die ersten Befunde keine Mitteilungen über eventuelle psychische Beschwerden enthielten, sondern dass diese psychischen Beschwerden erstmalig „nachgeschoben“ worden seien in einem Befundbericht des Dr. G., der erst Mitte Februar 2012 erstellt wurde. Es lägen kaum objektive Daten vor. Ein Primärschaden, der im Sinne des Vollbeweises gesichert sein müsse, sei weder auf orthopädischem Fachgebiet und erst recht nicht auf psychiatrischem Fachgebiet dokumentiert. So habe der behandelnde Orthopäde, bei dem sich die Klägerin - als Privatpatientin - schon vorher in Behandlung befunden habe, bei seiner ersten Untersuchung (siehe Befundbericht vom 16.01.2012) keine äußeren Verletzungszeichen dokumentiert und nur Befunde festgestellt, die auch ohne irgendein Unfallereignis nachvollziehbar seien. Erstmalig mit Schreiben vom 10.02.2012 sei seitens des Orthopäden ein Hämatom an der linken Gesäßbacke beschrieben worden, welches in den ersten Befunden nicht erwähnt worden sei. Ein derartiges Hämatom könne natürlich viele Ursachen haben. Unabhängig davon sei ein psychischer Primärschaden nicht gesichert, es fehlten jegliche Brückensymptome, und von der Klägerin selbst seien einen Monat nach dem Unfall in einem Schriftsatz noch keine psychischen Beschwerden aufgeführt worden. Offensichtlich sei die Klägerin auch, nachdem die Krankschreibung durch den Orthopäden am 15.01.2012 geendet habe, wieder arbeitsfähig gewesen.

Aus psychiatrischer Sicht bestehe bei der Klägerin jetzt ein auffälliges Verhalten mit Gereiztheit, Vorwurfshaltung und Dysphorie. Eine echte Depression habe sich nicht erschlossen, ein echter Leidensdruck sei ebenfalls nicht festzustellen. Auf psychiatrischem Fachgebiet liege rein deskriptiv eine Dysthymie vor (ICD-10 F 34.1). Diese Dysthymie sei unfallunabhängig.

Ab dem 06.07.2012 wurde die Klägerin von dem Psychiater und Psychotherapeuten Dr. R. krankgeschrieben, wobei sich nach den Akten der Beklagten zuletzt am 14.12.2012 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 17.03.2013 findet.

Mit Bescheid vom 27.07.2012 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung aus Anlass des Unfalls vom 15.12.2011 ab, soweit dieser wegen psychischer Störungen geltend gemacht werde. In den Gründen hat die Beklagte auf das Gutachten des Dr. K. verwiesen. Es bestehe lediglich eine leichte depressive Stimmungslage, die ausschließlich als unfallunabhängig zu bewerten sei.

Dagegen legte die Klägerin am 10.08.2012 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2012 als unbegründet zurückwies.

Dagegen hat die Klägerin am 15.01.2013 beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben.

In der Klagebegründung hat sie unter anderem vorgetragen, dass sie im Januar 2012 einen Arbeitsversuch unternommen habe, wobei sie lediglich kleinere kaufmännische Tätigkeiten ausgeführt habe. Sie habe die Arbeit wieder abbrechen müssen, weil sie in ihrem Geschäft wegen des Verkehrslärms Panik überkommen habe.

Der Neurologe und Psychiater Dr. S. gab in dem von ihm eingeholten Befundbericht vom 11.04.2013 an, die Klägerin nur ein einziges Mal gesehen zu haben, nämlich am 23.11.2012. Die Klägerin habe sich damals von ihm beraten lassen, ob wegen des Unfalls vom 15.12.2011 eine Klage Aussicht auf Erfolg haben könne. Sie sei von ihm weder untersucht noch behandelt worden. In der Beklagtenakte findet sich dagegen ein Attest des Dr. S. vom 23.11.2012, wonach die Klägerin am selben Tage durch ihn psychiatrisch und testpsychologisch untersucht worden sei, wobei international anerkannte Standardtests zur Erfassung einer posttraumatischen Belastungsstörung vorgenommen worden seien, nämlich PTSS-10, PTSI und IES-R. Die Testergebnisse seien in sich konsistent gewesen und seien als beweisend für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung zu interpretieren. Im Falle einer Auseinandersetzung vor dem Sozialgericht erkläre er sich als zur Übernahme eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereit.

Der Psychiater und Psychotherapeut Dr. R. gab in seinem Befundbericht vom 18.04.2013 an, die Klägerin erstmals am 06.07.2012 und zuletzt am 15.04.2013 behandelt zu haben. Er habe eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

Das Gericht hat den Neurologen und Psychiater Dr. P. zum Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 21.05.2013 eine posttraumatische Belastungsstörung ablehnte, weil der notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Auftreten der angegebenen psychischen Beschwerden fehle. Die Klägerin leide an biografisch bedingten dysthymen Störungen, die sich in depressivdysphorischen Verstimmungen äußerten. Der Unfall habe sich anamnestisch nicht mehr zweifelsfrei klären lassen, insbesondere sei einmal von einem Lkw und ein anderes Mal von einem Müllwagen die Rede gewesen. Das Geschäft der Klägerin werde nun von einer Bekannten versorgt, und sie habe Aushilfen eingestellt. Auf Nachfrage hin habe die Klägerin dann allerdings eingeräumt, dass sie immer wieder stundenweise in das Geschäft gehe. Länger halte sie ist dann nicht aus, wobei diese Angabe aus dem Beschwerdebild nicht nachvollziehbar sei.

Entscheidend sei bei der posttraumatischen Belastungsstörung auch, dass sich die Störung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall entwickle, wobei in der Regel ein Zeitraum von Tagen bis Wochen anzunehmen sei. Ob im vorliegenden Fall das Ereignis als solches geeignet gewesen sei, eine PTBS auszulösen, könne nicht mehr definitiv geklärt werden.

Als Folge des Unfalles sei es zu einer vorübergehenden Verstärkung von Beschwerden im Rahmen des HWS- und LWS-Syndroms gekommen, das im Wesentlichen durch degenerative Veränderungen im Bereich der HWS und LWS bedingt gewesen sei. Weitere Unfallfolgen seien nicht aufgetreten.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG den Neurologen und Psychiater Dr. S. zum Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 20.09.2013 eine posttraumatische Belastungsstörung im Stadium III als Unfallfolge festgestellt hat. Die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit lägen noch vor. Die MdE betrage aufgrund der hochgradig eingeschränkten Gestaltungsfähigkeit des Lebens 30 v. H.

Bezüglich des von ihm festgestellten Stadiums III hat der Sachverständige ausgeführt, im ICD-10 oder DSM-IV fänden sich nur qualitative Beschreibungen zur Bestimmung einer Diagnose der PTBS. Eine quantitative Beschreibung fehle. Aus therapeutischer Sicht sei eine solche quantitative Beschreibung jedoch notwendig. Nach einer Einteilung, deren Quelle der Sachverständige nicht benennt und zu der er selbst mitteilt, dass sie nicht wissenschaftlich anerkannt sei, zeichne sich das Stadium III dadurch aus, dass der Betroffene selbst oder enge Familienangehörige Opfer täglicher Gewalt seien; die Symptomatik sei schwerwiegend und halte extrem lange an. Als erschwerendes und für die Ausgestaltung der PTBS entscheidendes Moment bestehe bei der Klägerin eine histrionische Persönlichkeit. Diese zeige sich u. a. im theatralischen Affekt und in den pseudodementiellen formalen Denkstörungen.

Der Beratungsarzt Dr. H. hat in seiner Stellungnahme vom 15.10.2013 dem Gutachten des Dr. S. widersprochen. Der einfache Sturz auf das Gesäß sei keinesfalls geeignet, als A-Kriterium zu gelten. Im DSM-IV werde noch ein A2-Kriterium erwähnt mit einer unmittelbaren schweren psychischen Reaktion des Betroffenen. Auch dies könne hier nach Aktenlage eindeutig ausgeschlossen werden. Flashbacks würden nirgends geschildert, jedoch Angstträume, Depressionen und Ängstlichkeit. Das Gutachten des Dr. S. lasse sich nicht nachvollziehen. Es sei kurz gehalten, und ihm fehle jegliche psychologische Testdiagnostik, insbesondere fehle auch eine Beschwerdenvalidierung. Die Leitlinien zur Begutachtung psychischer und psychosomatische Erkrankungen sähen eine entsprechende Beschwerdenvalidierung als essenziell an. Die Stadieneinteilung einer PTBS sei eine Eigenschöpfung des Dr. S. und werde in der wissenschaftlichen Literatur sonst nirgends vertreten. Es fehle auch eine Abgrenzung der histrionischen Persönlichkeit der Klägerin von der PTBS.

Auf Antrag des Klägers hat das SG die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. S. vom 14.02.2014 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, auch sog. „Beinaheunfälle“ könnten bei entsprechender Persönlichkeitsstruktur und potenzieller Bedrohung für Leib und Leben zu einer PTBS führen. Er habe am 22.01.2014 noch einmal die notwendigen testpsychologischen Untersuchungen durchgeführt und der Stellungnahme beigefügt. Das Vorliegen und das Ausmaß einer PTBS ließen sich testpsychologisch abbilden.

Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren eine AU-Bescheinigung der Dres. C./R. vom 21.02.2014 vorgelegt, in der Arbeitsunfähigkeit vom 06.07.2012 bis zum 26.05.2014 bescheinigt wurde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2012 (gemeint offenbar: 20.12.2012) der Klägerin ab 01.03.2012 aus dem Arbeitsunfall vom 15.02.2011 aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Das SG hat mit Urteil vom 29.07.2014 (Az. S 23 U 37/13) die Klage gegen den Bescheid vom 27.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2012 (richtig wäre: 20.12.2012) abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Dies hat das SG vornehmlich mit dem Fehlen des erforderlichen Vermeidungsverhaltens begründet, da die Klägerin keine Probleme gehabt habe, den Sachverständigen Dr. K. und Dr. P. gegenüber den Vorfall zu schildern. Weiter habe die Klägerin das ungewollte Wiedererleben nur in Teilbereichen beschrieben. So seien im Erstbefund von Dr. S. nur pauschal Albträume mit Todesangst erwähnt worden, während die Klägerin bei Dr. K. erstmals ein großes Rad des Lkw erwähnt habe. Unabhängig davon sei der psychiatrische Befund als geringgradig zu bewerten, was der Diagnose einer PTBS an sich widerspreche.

Die Klägerin hat gegen das Urteil des Sozialgerichts, das ihr am 13.08.2014 zugestellt worden war, am 18.08.2014 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.

Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin sich dagegen gewandt, dass das SG gegen sie gewertet hat, dass sie keine Probleme gehabt habe, den Arbeitsunfall gegenüber den Sachverständigen zu schildern. Es sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als im Rahmen der Begutachtungssituation, bei der es auf alles ankam, auch davon zu berichten.

Die Klägerin hat den Abschlussbericht der C. Tagesklinik GmbH vom 09.05.2015 vorgelegt, in dem über einen Aufenthalt vom 22.12.2014 bis zum 27.02.2015 in der Tagesklinik berichtet wurde und in dem die Diagnosen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome und einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt wurden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.07.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2012 aufzuheben und festzustellen, dass eine posttraumatische Belastungsstörung eine Folge des Arbeitsunfalles vom 15.12.2011 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die auf die Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2012 war zwar dem Wortlaut nach auf die Ablehnung von Entschädigungsleistungen gerichtet. Da diese jedoch inhaltlich in keiner Weise konkretisiert wurden und die Ablehnung gleichzeitig in einem Nachsatz nur insoweit erfolgte, als die Entschädigungsleistungen wegen psychischer Störungen geltend gemacht wurden, ergibt die sinngemäße Auslegung des Bescheides, dass damit eine Ablehnung der Feststellung psychischer Störungen als Unfallfolgen ausgesprochen werden sollte.

Die auf Feststellung einer PTBS als Unfallfolge gerichtete Klage ist jedoch unbegründet. Bei der Klägerin lässt sich weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch lassen sich andere Unfallfolgen auf psychischem Gebiet als Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.12.2011 im Sinne des § 8 SGB VII feststellen.

Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (zum Beispiel ICD-10, DSM-IV, DSM-5) unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erforderlich, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 09.05.2006 Az. B 2 U 1/05 R, Rdnr. 22 bei juris).

Nach dem ICD-10 (F 43.1) setzt die Feststellung einer PTBS ein belastendes Ereignis oder eine Situation von kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß voraus, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (so genanntes A-Kriterium). Ein solches Ereignis liegt nicht vor. Dass man im Straßenverkehr als Fußgänger vor herannahenden Fahrzeugen zur Seite springen muss, stellt eine noch alltägliche Belastung dar, der keinesfalls ein katastrophenartiges Ausmaß zugesprochen werden kann und die im Normalfall nicht zu tiefer Verzweiflung führt.

Nach dem DSM-IV dagegen reicht es aus, wenn eine Person ein Ereignis erlebt, das den drohenden Tod oder ernsthafte Verletzungen oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhalte (A1-Kriterium). Zusätzlich ist jedoch erforderlich, dass die Reaktion der Person intensive Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen umfasste (A2-Kriterium). Im vorliegenden Fall ist jedenfalls das A2-Kriterium nicht mit dem erforderlichen Grad der vollen richterlichen Überzeugung nachgewiesen. Der Verlauf des Unfalls und der Zustand der Klägerin nach dem Unfall sind in keiner Weise dokumentiert. Die Aussage der Zeugin K. P., die Klägerin sei nach dem Unfall im Schneiderladen kreideweiß erschienen, habe über Schmerzen am ganzen Körper geklagt, habe nicht sprechen können und sei dann nachhause gegangen, kann als zutreffend unterstellt werden. Trotzdem folgt daraus nicht mit ausreichender Sicherheit der Nachweis von intensiver Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen. Vielmehr beschreiben sie eine normale Reaktion auf den erlebten Sturz und Schreck. Die Anforderungen an den Nachweis dieser Gefühle sind umso höher zu setzen, als das Unfallereignis relativ banal und alltäglich war. Entscheidend ist, dass auch keine ärztliche Argumentation über eine unfallnahe intensive psychische Erschütterung vorhanden ist. Die Klägerin selbst hat in ihrem eigenen Befundbericht vom 13.01.2012 keine psychischen Beschwerden angegeben. Der H-Arzt-Bericht des Dr. G. vom 16.01.2012 erwähnte psychische Beschwerden mit keinem Wort, und der von der Beklagten angeforderte Bericht des Dr. G. vom 10.02.2012 enthält nur die nebenbefundliche Mitteilung, dass die Klägerin auch berichtet habe, seit dem Unfalltrauma mit dem Bild des heranrasenden Lastwagens unter starken Schlafstörungen zu leiden und auch Angstzustände zu haben. Damit liegt eine ärztliche Dokumentation über psychische Beschwerden infolge des Unfalls lediglich für die Zeit nach dem 16.01.2012 vor, während die Reaktion im Sinne des A2-Kriteriums unmittelbar nach dem Unfall einsetzen muss. Auch der Sachverständige Dr. K. hat das A2-Kriterium sogar für ausschließbar gehalten, der Sachverständige Dr. P. hat es jedenfalls nicht für sicher nachweisbar gehalten. Soweit der Sachverständige Dr. S. ausgeführt hat, auch sog. „Beinahe-Unfälle“ könnten bei entsprechender Persönlichkeitsstruktur und potenzieller Bedrohung für Leib und Leben zu einer PTBS führen, ist dem zwar nach dem DSM-IV zuzustimmen, jedoch entbindet dies nicht von der Prüfung des A2-Kriteriums, auf welches Dr. S. nicht hinreichend eingeht.

Nach dem im Jahr 2013 veröffentlichten neuesten Diagnosesystem der amerikanischen Fachgesellschaften, dem DSM-5, das als aktueller Stand der Wissenschaft den DSM-VI ersetzt, reicht als A-Kriterium das direkte Erleben eines traumatischen Ereignisses aus, das in der Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt besteht. Das diagnostische Merkmal „Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung“ wird dabei wie folgt erläutert (zitiert bei LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.03.2016 Az. L 2 U 117/14, Rdnrn. 63 f.): „Direkt erlebte traumatische Ereignisse (im Kriterium A aufgeführt) umfassen folgende Erlebnisse, sind aber nicht auf diese begrenzt: Kriegserfahrungen als Soldat oder Zivilist, drohender oder tatsächlicher körperlicher Übergriff (zum Beispiel körperlicher Angriff, Raubüberfall, Überfall auf der Straße, körperliche Misshandlung in der Kindheit), drohende oder tatsächliche sexuelle Gewalt (...), Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen und schwere Verkehrsunfälle.“ Mit den beispielhaft aufgeführten Ereignissen ist der Unfall der Klägerin in keiner Weise vergleichbar. Die nur in einem Bruchteil einer Sekunde wahrgenommene Gefährdung des eigenen Lebens kann unter keinem Blickwinkel mit den aufgeführten Fällen schwerer Verletzungen und Misshandlungen verglichen werden. Auch unter der Geltung des DSM-5 sind deshalb nur schwere Verkehrsunfälle geeignet, das danach erforderliche A-Kriterium zu erfüllen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rdnr. 65).

Darüber hinaus gilt nach Überzeugung des Senats: Für die psychischen Beschwerden der Klägerin, die erstmals nebenbefundlich im Bericht des Dr. G. vom 10.02.2012 und neurologischpsychiatrisch erstmals durch Dr. S. ab März 2012 dokumentiert sind, kann ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall vom 15.12.2011 nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Wie die Sachverständigen Dr. K. und Dr. P. einvernehmlich ausgeführt haben, kann es zwar bis zur Ausbildung der ersten Symptome einer PTBS eine Phase der Latenz von einigen Tagen bis Wochen geben, jedoch fehlt es bei der Klägerin in den ersten zwei Monaten nach dem Unfall an ausreichenden Brückensymptomen, die einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den späteren psychischen Beeinträchtigungen hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen könnten. So hat die Klägerin erst Anfang März 2012 die neurologischpsychiatrische Praxis Dres. K. W. und O. aufgesucht und sich dort in die Behandlung von Dr. S. begeben, die nach deren Bericht vom 21.03.2012 eine PTBS nur als „wahrscheinlich“ bezeichnete. Die Klägerin selbst hat in dem ihr von der Beklagten übersandten Unfallfragebogen bei der Frage nach Beschwerden und Unfallfolgen am 13.01.2012 nur die körperlichen Verletzungen angegeben, ohne psychische Beeinträchtigungen zu erwähnen. Dass sie überhaupt irgendwelchen Ärzten gegenüber von psychischen Problemen berichtet habe, taucht, wie oben dargelegt, erstmals im Brief des Orthopäden Dr. G. vom 10.02.2012 an die Beklagte auf, in dem nebenbefundlich davon berichtet wird, dass die Klägerin seit dem Unfalltrauma unter starken Schlafstörungen und Angstzuständen mit dem Bild des heranrasenden Lastwagens leide. Dieser Bericht ist unter großem Vorbehalt zu sehen und gibt zu Zweifeln Anlass, da seit den Vorberichten vom 10.01.2012 und vom 16.01.2012 keine neue Behandlung stattgefunden hatte und in den Vorberichten jeweils keine psychische Beeinträchtigung erwähnt worden war. Außerdem fällt auf - was sowohl von Dr. K. also von Dr. P. moniert wurde -, dass Dr. G. im Bericht vom 10.02.2012 angibt, bei der erstmaligen Behandlung in seiner Praxis am 19.12.2011 ein Hämatom an der linken Gesäßbacke mit Durchmesser ca. 5 × 7 cm festgestellt zu haben, während er dieses Hämatom in den vorherigen Berichten, die im Übrigen den Untersuchungsbefund wesentlich ausführlicher darstellten, insbesondere im H-Arzt-Bericht vom 16.01.2012, nicht erwähnt hatte. Diese Umstände geben zu Zweifeln an der Richtigkeit des mitgeteilten Nebenbefundes und an dem Zeitpunkt seiner Feststellung Anlass.

Ein unfreiwilliges wiederholtes Wiedererleben der traumatischen Situation im Sinne von Flashbacks ist nicht beschrieben. Erstmals bei der Begutachtung durch Dr. K. hat die Klägerin angegeben, immer wieder das große Rad des Lkw vor sich zu sehen. Ansonsten hatte sie bei Dr. S. nur von Albträumen gesprochen. Insoweit kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin die Darstellung ihrer Symptome aus prozesstaktischen Gründen nach und nach ergänzte.

Das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (B-Kriterium) ist allenfalls schwach belegt. Nachhallerinnerungen oder Flashbacks sind nicht beschrieben. Im Prinzip hatte sich die Klägerin nur wegen Albträumen in psychiatrische Behandlung begeben. Dass sie immer wieder das große Rad des Lkw vor sich sehe, hat die Klägerin nur in sehr unspezifischer Form angegeben. Auch insoweit reichen die Nachweise nicht aus, um die volle richterliche Überzeugung des Senats vom Vorliegen einer PTBS zu begründen. Dabei ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass bei der vorliegenden Schwäche des A-Kriteriums, nämlich einem Ereignis, das seiner Art nach eine schwerwiegende psychische Reaktion sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt, die Anforderungen an die übrigen Kriterien der posttraumatischen Belastungsstörung entsprechend höher sind und bei Zweifeln eher zulasten des Klägers zu entscheiden ist als wenn das traumatisierende Ereignis selbst schon das typische katastrophenartige Ausmaß hätte, das für eine posttraumatische Belastungsstörung typisch ist.

Im Übrigen fehlt es auch am Vermeidungsverhalten (C-Kriterium). Die Klägerin beschreibt lediglich, dass sie ihre Versuche, in ihrer Schneiderei wieder zu arbeiten, immer wieder habe abbrechen müssen. Ein Drang, die Gefährdungssituation als solche auf der Straße zu vermeiden, wird an keiner Stelle beschrieben. Dass die Klägerin ihre Arbeit immer wieder abbrechen muss, ist somit im Rahmen der sowohl von Dr. K. also von Dr. P. diagnostizierten dysthymdysphorischen Störung zu sehen, die jedoch nicht unfallbedingt ist. Ein Vermeidungsverhalten war auch nicht indirekt in der Begutachtungssituation durch die Art und Weise der Schilderung des Geschehens ableitbar. Vielmehr hat Dr. P. festgestellt, dass die Klägerin völlig problemlos über den Unfall berichten konnte.

Nicht überzeugend war das Gutachten des Sachverständigen Dr. S., der eine PTBS als Unfallfolge festgestellt hat. Mit den Argumenten der Dres. K. und P. hat er sich in seinem sehr knappen Gutachten nicht auseinandergesetzt. Die von ihm zugrunde gelegte Stadieneinteilung der PTBS entbehrt - wie von ihm selbst eingeräumt - jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Ferner überzeugt nicht, dass er zwar selbst feststellt, dass bei der Klägerin eine histrionische Persönlichkeit bestehe, die sich im theatralischen Affekt und in den pseudodementiellen formalen Denkstörungen äußere, dass er jedoch in keiner Weise eine Abgrenzung oder Erklärung versucht, inwieweit die Störungen der Klägerin auf diese Persönlichkeitsstruktur oder auf das Trauma zurückzuführen sind.

Schließlich mangelt es dem Sachverständigen Dr. S. an Überzeugungskraft bereits wegen des Umstandes, dass er einerseits in einem Attest vom 23.11.2012 mitgeteilt hatte, dass die Klägerin am selben Tage durch ihn psychiatrisch und testpsychologisch untersucht worden sei, wobei drei verschiedene Testverfahren erwähnt wurden, die Testergebnisse seien in sich konsequent und beweisend für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auf der anderen Seite hat er gegenüber dem Sozialgericht in einem Befundbericht vom 11.04.2013 angegeben, die Klägerin nur ein einziges Mal gesehen zu haben, nämlich am 23.11.2012. Dabei habe sich die Klägerin von ihm beraten lassen, ob wegen des Unfalls vom 15.12.2011 eine Klage Aussicht auf Erfolg habe, sie sei jedoch von ihm weder untersucht noch behandelt worden.

Die Berufung war daher zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 55


(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.