Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - L 19 R 127/10

24.09.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte einen Feststellungsbescheid vom September 2000 abzuändern und höhere Entgelte aufgrund zusätzlicher Berücksichtigung von Jahresendprämien festzustellen hat.

Der 1947 geborene Kläger war im Gebiet der ehemaligen DDR wohnhaft; er erlernte nach seinen Angaben zunächst den Beruf eines Elektromontageschlossers und absolvierte dann ein Studium zum Dipl.-Ing. für Maschinenbau. Nach dem vom Kläger vorgelegten Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung war der Kläger bis in den April 1984 als Dipl.-Ing. im VEB Rationalisierung D. tätig gewesen. Am 14.04.1984 reiste der Kläger in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - nach damaligem Gebietsstand - ein. Im Rahmen seines späteren Rentenantrags gab er an, dass er im Jahr 1984 aus der DDR infolge Übersiedelung ausgereist sei.

Die Beklagte stellte mit einem Feststellungsbescheid vom 26.09.2000 beim Kläger hinsichtlich seines Arbeitsentgeltes das Vorliegen von Beiträgen in der Zusatzversorgung in der ehemaligen DDR fest, die nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen seien. Danach wurden in der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz folgende Zeiträume und Entgelte als nachgewiesen angesehen:

Zeitraum

von      bis

        

Erzieltes

Arb.-EG

        

zu berück-

sichtigen

        

maßg

Anl.

        

davon

Soz.-Pfl.

        

FZR     

        

Versorg.

18.09. - 31.12.72

        

 2.841,28

        

 2.841,28

        

        

        

 2.086,00

        

        

        

755,28

01.01. - 31.12.73

        

9.595,41

        

9.595,41

        

        

        

6.836,10

        

        

        

2.759,31

01.01. - 31.12.74

        

 9.479,54

        

9.479,54

        

        

        

6.688,00

        

        

        

2.791,54

01.01. - 31.12.75

        

10.306,80

        

10.306,80

        

        

        

7.063,60

        

        

        

3.243,20

01.01. - 31.12.76

        

10.123,99

        

10.123,99

        

        

        

6.750,00

        

        

        

3.373,99

01.01. - 31.12.77

        

11.540,00

        

11.540,00

        

        

        

7.170,00

        

4.370,00

        

        

01.01. - 31.12.78

        

12.971,60

        

12.971,60

        

        

        

7.050,00

        

5.895,00

        

26,60

01.01. - 31.12.79

        

14.439,00

        

14.439,00

        

        

        

7.200,00

        

7.239,00

        

        

01.01. - 31.12.80

        

14.439,00

        

14.439,00

        

        

        

7.200,00

        

        

        

7.239,00

01.01. - 31.01.81

        

1.203,25

        

1.203,25

        

        

        

355,00

        

        

        

848,25

01.02. - 31.12.81

        

13.805,00

        

13.805,00

        

        

        

6.166,20

        

        

        

7.638,80

01.01. - 31.12.82

        

15.060,00

        

15.060,00

        

        

        

6.971,80

        

        

        

8.088,20

01.01. - 31.12.83

        

13.261,17

        

13.261,17

        

        

        

6.399,40

        

        

        

6.861,77

01.01. - 13.04.84

        

2.802,83

        

2.802,83

        

        

        

1.308,50

        

        

        

1.494,33

Der Bescheid wurde im Folgenden nicht angefochten und damit bestandskräftig.

Mit einem auf den 03.09.2007 datierten Schreiben, das am 07.09.2007 per Telefax bei der Beklagten einging, beantragte der Kläger die Anerkennung seiner in der Zeit von 1966 bis 1985 erhaltenen Jahresendprämien und die Berücksichtigung bei der Erwerbsminderungsrente und der Altersrente. Er verwies hierzu auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.08.2007 (Az: B 4 RS 4/06 - s. juris).

Die Beklagte lehnte den Antrag, höhere Entgelte festzustellen, mit Bescheid vom 03.07.2008 ab, da ein solcher Anspruch nicht bestehe. Die Zeit vom 18.09.1972 bis 13.04.1984 sei zwar im Jahr 2000 als Pflichtbeitragszeit nach dem AAÜG festgestellt worden. Die durch den aktuellen Antrag veranlasste erneute sachliche Prüfung des Feststellungsbescheides habe aber ergeben, dass dieser rechtswidrig sei: Dabei seien nicht etwa zu geringe Entgelte zu Grunde gelegt worden, sondern es sei vielmehr die Zuerkennung von Zusatzversorgungszeiten insgesamt von Anfang an fehlerhaft vorgenommen worden. Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG seien zu Unrecht anerkannt worden, weil das AAÜG im Fall des Klägers gar nicht anzuwenden sei. Zunächst enthalte der Bescheid vom 26.09.2000 schon nicht die erforderliche eindeutige Entscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG, wie es vom BSG im Urteil vom 09.04.2002 für erforderlich angesehen worden sei (Az. B 4 RA 31/02 R). Das wäre an sich zwar nachholbar, doch könne im Fall des Klägers materiell-rechtlich gerade keine Anwendung des AAÜG bestätigt werden.

§ 1 Abs 1a AAÜG setze eine Versorgungsanwartschaft am 01.08.1991 aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage voraus. Der Kläger habe jedoch zu diesem Stichtag keine Versorgungsanwartschaft gehabt. Er sei weder am 30.06.1990 in der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen, noch habe er eine solche Einbeziehung nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Art 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt, noch habe er aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage im Juli 1991 einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Am 30.06.1990 - als maßgeblichem Stichtag - hätten drei Voraussetzungen - nämlich eine persönliche, eine sachliche und eine betriebliche - gleichzeitig erfüllt sein müssen. Das System sei eingerichtet für Personen, die - erstens - berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, und - zweitens - die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hätten und zwar - drittens - in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb.

Im Fall des Klägers sei die als dritte genannte betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt. Er sei am 30.06.1990 nicht mehr im Beitrittsgebiet beschäftigt gewesen. Somit komme eine nachträgliche Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nicht in Betracht. Der Bescheid vom 26.09.2000 sei insoweit fehlerhaft begünstigend und rechtswidrig.

Eine teilweise oder vollständige Rücknahme des Feststellungsbescheides sei jedoch nicht zulässig, weil die für die Rücknahme von rechtswidrigen Bescheiden vorgeschriebene Frist des § 45 Abs 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - Ablauf von 2 Jahren nach Bekanntgabe des ursprünglichen Bescheides - bereits abgelaufen sei. Die Bestandskraft des Bescheides vom 26.09.2000 erstrecke sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen. Weitere Rechte könnten im Zuge eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X nicht abgeleitet werden, denn für die Anerkennung höherer Entgelte sowie weiterer Zeiten sei eben keine Rechtsgrundlage vorhanden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 09.07.2008 Widerspruch ein. Im Weiteren führte er aus, dass er aus dem Zusatzrentensystem Freiwillige Zusatzrente (FZR) wegen seines ersten Ausreiseantrages ausgeschlossen worden sei. Die Rehabilitierungsbehörde in B-Stadt, die für die Aufarbeitung des politischen Unrechts in der DDR zuständig sei, fühle sich nicht zuständig, da für den Kläger mit dem Ausschluss aus der FZR direkt keine Verfolgung verbunden gewesen sei. Der Kläger trug vor, die ihm zuerkannte Intelligenzrente habe in etwa der Höhe der Rente der FZR entsprochen. Es sei zu berücksichtigen, dass er nun finanzielle Nachteile erleide.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2009 zurück. Der Überprüfungsbescheid, in dem festgestellt worden sei, dass die Zuordnung von Zeiten nach dem AAÜG im Fall des Klägers nicht rechtmäßig gewesen sei, jedoch für den bisher getroffenen Feststellungsumfang nicht mehr geändert werden könne, sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat der Kläger mit einem undatierten Schreiben am 04.05.2009 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Er hat erneut vorgetragen, dass er seit dem 01.01.1975 beim Baukombinat D. in seinem Beruf als Dipl.-Ing. für Maschinenbau gearbeitet habe und als Folge seines ersten Ausreiseantrages in die Bundesrepublik Deutschland massiv unter Druck gesetzt worden sei. Ihm sei u.a. die Versicherung im Rahmen der FZR ab 31.12.1979 gekündigt worden. Die unrechtmäßige Kündigung sei ein reiner Willkürakt des Regimes der DDR gewesen, der von der Deutschen Rentenversicherung nie als solcher anerkannt worden und nicht berücksichtigt worden sei. Die Rehabilitierungsbehörde B-Stadt habe ihn aber bezüglich finanzieller Schäden, die sich mindernd auf die Rente ausgewirkt hätten und durch Unrechtsentscheidungen des DDR-Regimes entstanden seien, an die Deutsche Rentenversicherung Bund weiter verwiesen.

Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung vom 20.05.2009 weiter betont, dass - wie in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt - die Voraussetzungen für die Feststellung von Zeiten nach dem AAÜG im Fall des Klägers nicht zu bejahen gewesen seien.

Zur weiteren Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass der angefochtene Bescheid schon wegen fehlender Anhörung gemäß § 24 SGB X als formell rechtswidrig anzusehen sei. Die seitens der Beklagten erlassene Entscheidung könne nämlich zur Folge haben, dass sich der Rentenanspruch des Klägers zukünftig verringere. Die Ablehnung sei aber auch materiell nicht richtig, weil die Beklagte ihre Ablehnung vor allem darauf stütze, dass der Kläger zum Stichtag 30.06.1990 nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gearbeitet haben solle. Die Stichtagsregelung sei jedoch in mehreren Verfahren vor dem BSG anhängig, nachdem die Beklagte im Zuge von Überprüfungsverfahren nach vorangegangenen grundsätzlichen neuen BSG-Entscheidungen in etlichen vergleichbaren Fällen eine negative Entscheidung mit der Begründung erlassen habe, dass die Betroffenen zum Zeitpunkt des Stichtages dem 30.06.1990 nicht mehr in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet hätten. Diese Betriebe hätten nicht mehr über eigenes Betriebsvermögen verfügt, weil sie bereits vor dem Termin in Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften überführt worden seien. Damit werde die Rechtsprechung des BSG zu erweiternden verfassungskonformen Ausdehnungen des § 1 Abs 1a AAÜG (vgl. Urteil des BSG vom 09.04.2002, Az. B 4 RA 31/01 R - zitiert nach juris) konterkariert. Es spreche viel dafür, dass das BSG aufgrund der Vielzahl der anhängigen Verfahren die Stichtagsrechtsprechung aufgebe und darauf abstelle, ob jemand zuvor Anspruch auf Versorgungszusage gehabt hätte. Wenn das BSG aber die Rechtsprechung zum Stichtag bei diesen Fällen aufgebe, so hätte dies zu Gunsten des Klägers zur Folge, dass auch seine Zeiten zur Zugehörigkeit zu berücksichtigen seien, der Ausgangsbescheid der Beklagten also rechtmäßig ergangen sei. Es erscheine daher ratsam, die Entscheidungen des BSG abzuwarten.

Das Sozialgericht Würzburg hat mit Urteil vom 08.12.2009 die Klage abgewiesen, wobei es als Beklagte die Deutsche Rentenversicherung Bund aufgeführt hat. Mit Bescheid vom 26.09.2000 habe die Beklagte festgestellt, dass Pflichtbeitragszeiten vom 18.09.1972 bis 13.04.1984 nach dem AAÜG vorliegen würden. Der formale Mangel einer fehlenden Anhörung vor Erlass des Bescheides vom 03.07.2008 sei mit Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt. Die Kammer gehe nicht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nach seiner Ausreise aus der DDR am 14.04.1984 fortbestanden habe. Mit der Ausreise sei das Arbeitsverhältnis zumindest faktisch beendet worden. Selbst wenn man - wie der Kläger - davon ausginge, dass das Arbeitsverhältnis mangels formeller Kündigung rechtlich fortbestanden hätte, reiche ein solches ruhendes Arbeitsverhältnis nicht aus, um von einer tatsächlich ausgeübten Beschäftigung am 30.06.1990 ausgehen zu können. Die vom Kläger genannte Entscheidung des BSG vom 23.08.2007 sei auf ihn nicht anwendbar: Dort sei der Antragsteller bis 30.06.1990 bei einem volkseigenen Betrieb als Ingenieur tatsächlich beschäftigt gewesen.

Mit Telefax vom 15.02.2010 hat der Kläger gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Er hat zunächst seine Argumentation aus dem sozialgerichtlichen Verfahren wiederholt und zusätzlich detaillierter ausgeführt, dass die Rechtsprechung des BSG hinsichtlich des Stichtages vom 30.06.1990 nicht Bestand haben könne, da sämtliche volkseigenen Betriebe am 30.06.1990 lediglich noch eine leere Hülle dargestellt hätten und in all diesen Fällen keine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb mehr vorgelegen hätte, sodass der Feststellungsanspruch regelmäßig ins Leere laufen würde. Zu diesem Rechtsproblem sei beim BSG eine Reihe von Revisionen anhängig. Wenn das BSG bei diesen Fällen die Rechtsprechung zum Stichtag aufgeben würde, hätte dies zu Gunsten des Klägers zur Folge, dass dann auch seine Zeiten nach dem AAÜG zu berücksichtigen seien und der Ausgangsbescheid der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) rechtmäßig ergangen gewesen sei. Zwischenzeitlich sind diese Revisionsverfahren abgeschlossen.

Der Kläger hat weiter geltend gemacht, dass er im Übrigen wegen seines Ausreiseantrags benachteiligt worden sei und bei Anwendung der Stichtagsregelung doppelt bestraft würde. Zudem sei der Kläger davon ausgegangen, dass sein Arbeitsverhältnis im VEB Rationalisierung D. zum 30.06.1990 noch bestanden habe, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt wirksam gekündigt worden sei. Zu berücksichtigen seien auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 26.10.2005 (Az: 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05). Der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte 1973 sei in der DDR ratifiziert worden und am 23.03.1976 in Kraft getreten. Dieser internationale Pakt habe vorgesehen, dass es jedermann freistehe, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen. Es sei damit nicht zu vereinbaren, dass der Kläger durch seine Ausreise seinen Anspruch auf Feststellung zur Zugehörigkeit unter das AAÜG verlieren sollte.

Der Kläger hat schon seit längerem von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen und befindet sich nunmehr im Altersrentenbezug. Bei der Rentenberechnung haben in erheblichem Umfang Zeiten des Klägers eine Rolle gespielt, die er in der ehemaligen DDR zurückgelegt hatte und für die auch Beiträge zur Zusatzversorgung anerkannt worden waren. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass er weiterhin die Rente ungeschmälert erhalte; ein Verfahren bezüglich Änderung der Rentenhöhe laufe nicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2009 zu verpflichten, den Feststellungsbescheid vom 26.09.2000 abzuändern und höhere Entgelte durch Einbeziehung von Jahresendprämien festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2009 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Verfahrenszüge und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Feststellung höherer Jahresverdienste bzw. höherer Beiträge zur Zusatzversorgung in der Vergangenheit hat.

Die Berufung ist gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund - Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme - gerichtet. So tritt die Beklagte auch in ihren Schriftsätzen und Verwaltungsakten auf. Das erstinstanzliche Urteil benennt als Beklagte die Deutsche Rentenversicherung Bund (ohne nähere Spezifizierung) und weicht auch hinsichtlich der Anschrift von der von der Beklagten verwendeten Adresse ab. Gleichwohl ist die Zulässigkeit des Verfahrens hiervon nicht berührt, da in der ersten Instanz inhaltlich eine Entscheidung des Versorgungsträgers für die Zusatzversorgungssysteme gerichtlich überprüft worden ist und dies auch in der Tenorierung deutlich geworden ist.

Ein paralleles Verfahren unmittelbar zur Abänderung der vom Kläger bezogenen Rente ist nicht anhängig, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung dargestellt haben. Eine Beiladung des Rentenversicherungsträgers ist daher nicht notwendig (§ 75 Abs. 2 SGG).

Der Überprüfungsantrag des Klägers erfolgt im Rahmen der Vorschrift des § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (Abs. 1).

Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen; er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 2).

Der hier betroffene Feststellungsbescheid der Beklagten regelt zwar nicht unmittelbar die Gewährung von Sozialleistungen, führt aber dazu, dass die Höhe der vom Rentenversicherungsträger zu gewährenden Sozialleistungen dadurch terminiert wird. Insofern spricht dies dafür, dass die Vorschrift des §§ 44 Abs. 1 SGB X insoweit Ausgangspunkt für den Überprüfungsantrag des Klägers ist. Normzweck der Vorschrift ist die weitgehende Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit zugunsten des Bürgers (so Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 44 SGB X, Rn 2).

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass in dem zu überprüfenden Feststellungsbescheid vom 26.09.2000 die Beklagte zusätzlich Zahlungen zum Jahresende, sogenannte Jahresendprämien, in der Zusatzversorgung dem zu berücksichtigenden Gehalt hinzuzurechnen hat, was in anderen Fällen durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwischenzeitlich grundsätzlich als erforderlich angesehen wird (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2007, Az. B 4 RS 4/06 - zitiert nach juris).

Die Beklagte hat die materielle Rechtslage des Feststellungsbescheids insgesamt und nicht nur den vom Kläger geltend gemachten Teilaspekt zu überprüfen gehabt, weil nur die Herstellung einer vollständigen materiellen Rechtmäßigkeit die Durchbrechung der Bestandskraft eines Bescheids rechtfertigt. Dabei ist die Beklagte zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Anwendung des AAÜG auf von ihm in der ehemaligen DDR erzieltes Einkommen gehabt hat.

§ 1 AAÜG bestimmt den Geltungsbereich dieses Gesetzes: Das Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Das AAÜG ist zum 01.08.1991 in Kraft getreten und regelt die Überführung der genannten Ansprüche und Anwartschaften in das allgemeine System der deutschen Rentenversicherung.

Der Kläger hat zum Inkrafttreten des AAÜG (August 1991) unstrittig keinen unmittelbaren Anspruch aus der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz gehabt, nachdem von ihm seinerzeit überhaupt noch keine rentenrechtlichen Leistungen bezogen worden sind.

Die Beklagte geht zutreffend außerdem davon aus, dass der Kläger seinerzeit auch keine Anwartschaft auf Rentenleistungen aus dem zusätzlichen Versorgungssystem der technischen Intelligenz gehabt hat. Als Anwartschaftsberechtigte werden nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 09.04.2002, Az. B 4 RA 36/01 R - zitiert nach juris) Personen benannt, die am 30.06.1990 - als maßgeblichem Stichtag - in der ehemaligen DDR in ein vom AAÜG erfassbares Versorgungssystem einbezogen gewesen waren. Zusätzlich gehören dazu auch Personen, die diese Rechtsstellung durch Rehabilitierung oder eine Entscheidung nach Art. 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt haben oder im Juli 1991 einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (fiktive Einbeziehung). Beim Kläger liegt eindeutig kein abgeschlossener Vorgang der Rehabilitierung oder einer Entscheidung nach dem Einigungsvertrag vor. Ebenso ist die Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für den Kläger am Stichtag nicht dokumentiert. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht Mitglied und Beitragszahler zum Sozialversicherungssystem der ehemaligen DDR; er hielt sich zu dieser Zeit noch nicht einmal mehr regelmäßig, durchgängig im Beitrittsgebiet auf.

Der Kläger hat auch nicht die von der Rechtsprechung des BSG entwickelten persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung (vgl. Ulmer in: SGb 2008, 643 mit umfangreichen Rechtsprechungsbelegen) vollumfänglich, d.h. gleichzeitig, kumulativ und aufeinander bezogen, erfüllt gehabt.

Zwar hatte der Kläger zum Stichtag einen Abschluss als Diplom-Ingenieur aufzuweisen und diesen Beruf seinerzeit auch ausgeübt; zumindest ist nicht bekannt, dass es an der tatsächlichen Ausübung gefehlt hätte. Der Kläger war aber nicht in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb, sondern außerhalb des Beitrittsgebietes beschäftigt. Der Senat folgt den erstinstanzlichen Darlegungen wonach das Beschäftigungsverhältnis im VEB Rationalisierung D. jedenfalls faktisch beendet gewesen ist, nachdem der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war und sich damit außerhalb des späteren Beitrittsgebietes aufgehalten hatte.

Aber selbst wenn man der Argumentation der Klägerseite folgen wollte und von einem Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses ausgehen wollte, fehlt es an der notwendigen Verknüpfung. Es reicht nicht aus, dass tatsächlich irgendwo als Ingenieur gearbeitet wurde und auf dem Papier noch eine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb fortbestanden haben mag. Erforderlich wäre die tatsächliche Tätigkeit als Ingenieur mit Diplom in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gewesen, die am Stichtag mit Sicherheit nicht vorgelegen hatte.

Soweit die Klägerseite damit argumentiert, die Ergebnisse der aktuell beim BSG abgeschlossenen Revisionsverfahren wären mit seinem Fall nicht vergleichbar, mag dies zutreffen. Zu bedenken ist aber, dass der Kläger selbst seinerzeit diese Verfahren als möglicherweise bedeutsam - als Grund für einen Ruhensantrag - benannt hatte, weil er damit die Hoffnung verbunden hatte, dass die Rechtsprechung zur Stichtagsregelung insgesamt geändert werden würde, was dann auch Auswirkungen auf seinen Fall gehabt hätte. Nun ist aber ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung nicht erfolgt und die Stichtagsregelung besteht fort. Für eine grundsätzliche Ablehnung der Rechtsprechung zur Anwendung des AAÜG besteht damit jedenfalls weniger Raum als vorher und der Senat sieht keinen Anlass vom BSG abzuweichen.

Insgesamt hat es somit bei dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 26.09.2000 in der bisherigen Form und den darauf aufbauenden Berechnungen der Erwerbsminderungsrente und der Altersrente des Klägers durch die Deutsche Rentenversicherung Bund zu verbleiben. Denn ebenfalls zutreffend hat die Beklagte dargelegt, dass eine Abänderung zu Lasten des Klägers nur im Rahmen des § 45 SGB X erfolgen könnte und hier mangels Verschulden des Klägers Vertrauensschutz anzuerkennen wäre und somit eine Abänderung des Feststellungsbescheids zum Nachteil des Klägers ausgeschlossen ist. Dies führt aber nicht etwa zu einer Vorgehensweise, wonach - in Anbetracht des Vertrauensschutzes - auf der ersten Stufe die Anwendung des AAÜG feststehen würde und auf der zweiten Stufe darauf aufbauende Korrekturen vorzunehmen wären. Der Feststellungsbescheid lässt sich zur Überzeugung des Senats nur als einheitliches Ergebnis behandeln, nämlich als eine Feststellung der Höhe des in die allgemeine Rentenversicherung zu überführenden Verdienstes bzw. der darauf entrichteten Zusatzbeiträge.

Nicht zum Streitgegenstand gehört, ob der Kläger einen Rehabilitierungsanspruch im Bereich der Freiwilligen Zusatzrente hat und wie dann ggf. ein Ausgleich zu erfolgen hätte.

Die erstinstanzliche Entscheidung ist somit in Ergebnis und dargelegten Gründen nicht zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - L 19 R 127/10 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 24 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn 1. eine sof

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 75


(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG | § 1 Geltungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Rege

Referenzen

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.