Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger wegen Verschlimmerung der Folgen von Kriegsverletzungen eine höhere Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren hat.

Der im Jahr 1922 geborene Kläger bezieht wegen Kriegsverletzungen eine Versorgung unter Zugrundelegung eines Grads der Schädigungsfolgen (GdS) (früher: MdE - Minderung der Erwerbsfähigkeit) von 30. Dem liegt der bestandskräftige Bescheid vom 23.06.1970 zugrunde, in dem als Schädigungsfolgen anerkannt sind: „1. Stecksplitter und reizlose Narben an der rechten Hand mit Bewegungseinschränkung des 2. und 3. Fingers nach Schussbruch des Mittelfingergrundgelenks; 2. Verwundungsnarbe am rechten Arm, linsengroßer Stecksplitter in der rechten Schulter; 3. Reiskorngroßer Fremdkörper oberhalb der rechten Augenbraue.“

Im Februar 2012 beantragte der Kläger wegen einer Verschlimmerung der Schädigungsfolgen die Neufeststellung des GdS. Er machte geltend, dass seine Verletzung wesentlich schlimmer für seinen täglichen Gebrauch geworden sei. Zusätzlich sei auch seine linke Hand nach einem Unfall sehr eingeschränkt. Er könne nach dem Tod seiner Frau nur noch mit Hilfe einer Haushaltshilfe seinen Tagesablauf bestehen.

Der Beklagte lehnte nach Einholung einer Stellungnahme des versorgungsärztlichen Dienstes die Feststellung eines höheren GdS mit Bescheid vom 26.06.2012 ab.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2012 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 26.12.2012 hat sich der Kläger an den Beklagten gewandt und den Widerspruchsbescheid beanstandet. Der Beklagte hat dieses Schreiben auf Wunsch des Klägers an das Sozialgericht als Klage weitergeleitet.

Der Kläger hat ein Attest seines behandelnden Internisten vom 11.02.2013 vorgelegt, wonach er im Jahr 2004 eine Ablederungsverletzung an der linken Hand erlitten habe und daher die Auswirkungen der Kriegsverletzung an der rechten Hand erheblich verstärkt seien.

Nach der Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten hat das Sozialgericht den Orthopäden Dr. B. als Sachverständigen beauftragt. Dieser ist im Gutachten vom 12.07.2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass im Vergleich mit den Verhältnissen, wie sie dem Bescheid vom 23.06.1970 zugrunde gelegen hätten, keine wesentliche Veränderung der Schädigungsfolgen gegeben sei. Unabhängig von den Kriegsverletzungen seien beim Kläger neben Funktionseinschränkungen an der HWS, BWS, LWS sowie an den Hüft- und Kniegelenken degenerative und damit nicht durch die Kriegsverletzung bedingte Schädigungen der Hand- und Fingergelenke gegeben.

Auf dieses Gutachten gestützt hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 23.09.2013 die Klage abgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 21.10.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass nicht alle Schädigungsfolgen berücksichtigt seien. Der Sachverständige habe übersehen, dass sich kriegsverletzungsbedingte Schädigungsfolgen und alters- und krankheitsbedingte Beeinträchtigungen gegenseitig verstärken könnten. Auch hätten sich die Schädigungsfolgen seit 1970 verschlimmert. Seiner Auffassung nach betrage der GdS 60. Als Beleg hat er eine Bescheinigung seines behandelnden Internisten vom 11.10.2013 vorgelegt, in der dieser auf eine Ablederungsverletzung der linken Hand und eine an beiden Händen vorliegende Arthrose hingewiesen hat. Wegen der teilweise verletzungsbedingten Veränderungen an den Händen bestehe eine Schwerbehinderung von 60%.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 08.01.2014 ist dem Kläger u. a. erläutert worden, dass bei der Beurteilung des GdS zwischen schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen - diese seien beachtlich - und anderen gesundheitlichen Störungen - diese müssten bei der Bemessung des GdS außer Betracht bleiben - zu differenzieren sei. Insbesondere die Ablederungsverletzung an der nicht im Krieg verletzten Hand sei für die Einschätzung des GdS ohne Bedeutung.

Mit Schreiben vom 17.02.2014 hat der Kläger zwei weitere Atteste seines Internisten vom 07.02.2014 und vom 14.02.2014 vorgelegt, in dem dieser die Veränderungen im Bereich beider Hände beschreibt und wegen der Verletzung der rechten Hand eine Schwerbehinderung von 60% bzw. 45% annimmt. Die Kriegsverletzung der rechten Hand habe sich - so der Kläger - dadurch verstärkt, dass die linke Hand nur noch sehr eingeschränkt verwendbar sei. Es sei die Regel, dass sich in zunehmendem Alter Traumata in ihren konkreten Auswirkungen verstärken würden.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 23.09.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2012 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem BVG auf der Grundlage eines GdS von 60, mindestens aber von 45, zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Würzburg beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat hat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Entscheidung entscheiden können, da die Beteiligten - der Beklagte mit Schreiben vom 14.01.2014, der Kläger mit Schreiben vom 17.02.2014 - dazu ihr Einverständnis erklärt haben.

Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 23.09.2013 zurück und sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Lediglich zur Verdeutlichung für den Kläger weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

* Dass der Kläger infolge degenerativer Entwicklungen und der Ablederungsverletzung an der nicht kriegsverletzten linken Hand im Alltag von den Folgen der Kriegsverletzung stärker behindert wird, als wenn die degenerativen Schäden und die Verletzung an der anderen Hand nicht eingetreten wären, stellt der Senat nicht in Abrede. Gleichwohl kann daraus kein höherer GdS für die Schädigungsfolgen resultieren. Denn spätere unfallunabhängige Nachschäden sind von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen, selbst wenn sie sich auf die Schädigungsfolgen dahingehend auswirken, dass sie die Auswirkungen der Schädigungsfolgen verstärken (ständige Rspr., vgl. zum Bereich der Kriegsopferversorgung: Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 10.12.1975, Az.: 9 RV 112/75; zum vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteile vom 21.09.1967, Az.: 2 RU 65/66, und vom 17.03.1992, Az.: 2 RU 20/91). Denn mit dem Ende des schädigenden Vorgangs ist zugleich die versorgungsrechtlich beachtliche Ursachenkette abgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1963, Az.: 11 RV 568/62). Die beim Kläger später eingetretenen Schäden (degenerativer Art und wegen der Ablederungsverletzung an der nicht im Krieg verletzten linken Hand) liegen außerhalb der für die Versorgung rechtserheblichen Einflusssphäre und haben daher für den GdS keine Bedeutung.

* Die Atteste und ärztlichen Bescheinigungen des Internisten des Klägers geben nicht im Geringsten Anlass für Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Beklagten und des die Beurteilung des Beklagten bestätigenden gerichtlichen Sachverständigen. Der Internist verkennt völlig, dass allein Schädigungsfolgen den GdS bestimmen und daher der gesundheitliche Zustand des Klägers insgesamt bzw. beide Hände betreffend rechtlich für die Versorgung irrelevant ist. Wenn er, vermutlich durch den mehr als deutlichen Hinweis des Gerichts im Schreiben vom 08.01.2014 sensibilisiert, versucht, seine offenkundig an der Sache vorbei gehenden Ausführungen auf eine „Schwerbehinderung in einem Ausmaß von 45%“ zu korrigieren, belegt dies nur überdeutlich, dass der Arzt seinem Patienten helfen will, tatsächlich aber ihm die Anforderungen an die Neufeststellung von Schädigungsfolgen nicht bekannt sind. Denn er bezieht nach wie vor die bei beiden Händen vorliegenden degenerativen und schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen ein und hat von der Bewertung des GdS keine weitergehenden Kenntnisse, was auch der nicht feststellungsfähige GdS von „45%“ belegt.

● Aus dem vom Kläger mit Schreiben vom 17.02.2014 vorgelegten radiologischen Bericht vom 23.01.2014 ergibt sich nichts Neues. Ganz abgesehen davon, dass radiologische Befunde nicht gleichzusetzen sind mit den für die Einschätzung des GdS erforderlichen funktionellen Einschränkungen, enthält der Bericht nur Altbekanntes. Der Bericht belegt auch die fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen an nahezu sämtlichen Gelenken der Hand, wie sie schon der gerichtliche Gutachter beschrieben hat. Mit Schädigungsfolgen zu tun haben diese Veränderungen aber nichts; ein höherer GdS lässt sich damit nicht begründen.

● Schließlich lässt sich auch dem orthopädischen Bericht vom 06.02.2014 nichts entnehmen, was Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Einschätzung wecken würde. Vielmehr bestätigt der Bericht die Richtigkeit der Entscheidung des Beklagten. Die schädigungsbedingten funktionellen Einschränkungen an der rechten Hand sind keinesfalls schlechter als bei der Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen, eher sogar etwas geringer. Damit ist auch unzweifelhaft belegt, dass nicht zwischenzeitlich eine weitere Verschlechterung von Schädigungsfolgen eingetreten ist, die möglicherweise Anlass gegeben hätte, an eine erneute Begutachtung zu denken.

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. März 2015 - L 15 VK 12/13

bei uns veröffentlicht am 18.03.2015

Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Juni 2013 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.