Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 13. Feb. 2014 - L 7 AS 755/13 NZB

bei uns veröffentlicht am13.02.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil, in dem die Anrechnung von Mutterschaftsgeld auf einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestätigt wurde.

Die Klägerin bezog vom Beklagten Arbeitslosengeld II. Zuletzt wurde mit Änderungsbescheid vom 20.08.2012 u. a. eine Leistung in Höhe von 281,11 Euro für den Monat September 2012 vorläufig bewilligt und auch Ende August 2012 ausgezahlt. Für die Zeit ab Oktober 2012 verzichtete die Klägerin später auf weitere Leistungen. Mitte November 2012 wurde dem Beklagten bekannt, dass die Klägerin von ihrer gesetzlichen Krankenkasse Mutterschaftsgeld erhalten hatte. Nach dem vorgelegten Kontoauszug erhielt die Klägerin am 27.09.2012 für die Zeit vom 29.09.2012 bis 09.11.2012 ein Mutterschaftsgeld in Höhe von 902,82 Euro ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 16.01.2013, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2013, wurde das Mutterschaftsgeld als laufendes Einkommen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für September 2012 angerechnet und eine Rückzahlung in Höhe von 281,11 € für diesen Monat verfügt. Es handle sich um eine laufende Einnahme, da das Mutterschaftsgeld eine Lohnersatzleistung sei, die sich gerade nicht in einer einmaligen Zahlung erschöpfe. § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II könne nicht zur Anwendung kommen, weil damit nur regelmäßig in größeren Zeitabständen zufließende Geldbeträge gemeint seien, etwa eine vierteljährliche Zinsauszahlung. Gegen den am 12.03.2013 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am 12.04.2013 Klage.

Mit Urteil vom 07.10.2013 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage ab. Zur Begründung bezog sich das Sozialgericht gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Darstellung im Widerspruchsbescheid. Die Berufung wurde ausdrücklich nicht zugelassen. Das Urteil wurde der Klägerin am 11.10.2013 zugestellt.

Am Montag, den 11.11.2013 legte der Bevollmächtigte der Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht ein. Das Mutterschaftsgeld sei nicht ein laufendes, sondern ein einmaliges Einkommen und gemäß § 11 Abs. 3 SGB II erst ab Oktober 2012 zu berücksichtigen. Es sei nur eine einzige Zahlung geleistet worden. Die Frage, ob ein einmaliger Bezug von Mutterschaftsgeld laufendes Einkommen sei, habe grundsätzliche Bedeutung. Eine höchstrichterliche Entscheidung liege hierzu nicht vor und die Entscheidung ergebe sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz.

Der Beklagte hat dahingehend Stellung genommen, dass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, da das Bundessozialgericht bereits entschieden habe, wie das Einkommen angerechnet werden müsse.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist auch nach § 144 Abs. 1 SGG statthaft, weil der Beschwerdewert von 281,11 Euro den Grenzwert von 750,- Euro nicht überschreitet. Die Beschwerde ist aber sachlich nicht begründet, weil es keinen Grund gibt, die Berufung zuzulassen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf diese Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Das Sozialgericht ist nicht von einer obergerichtlichen Entscheidung abgewichen. Eine obergerichtliche Entscheidung, wie Mutterschaftsgeld generell anzurechnen ist, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen hat das Sozialgericht keinen eigenen Rechtssatz hierfür aufgestellt.

Ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könnte, ist weder gerügt noch ersichtlich.

Eine grundsätzliche Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Notwendig wäre hierfür, dass eine Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, mithin die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt. Es geht also insbesondere nicht darum, ob die strittige Entscheidung das Recht im Einzelfall zutreffend angewendet hat.

Die Klägerin stellt die Rechtsfrage, ob ein einmaliger Bezug von Mutterschaftsgeld als laufende Einnahme nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II oder als einmalige Einnahme nach § 11 Abs. 3 SGB II anzurechnen ist.

Die Frage ist entscheidungserheblich, weil das Mutterschaftsgeld im Falle einer Anrechung nach § 11 Abs. 3 SGB II wegen der bereits erfolgten Auszahlung für September 2012 erst im Folgemonat, mithin erst im Oktober 2012 hätte angerechnet werden dürfen. Es besteht auch ein allgemeines Interesse an der Klärung dieser Rechtsfrage, da Mutterschaftsgeld eine verbreitete Leistung ist.

Die Frage ist aber nicht klärungsbedürftig - die Antwort ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 28 und § 160 Rn. 8, 8a).

Mutterschaftsgeld ist eine Leistung, die für die gesetzlich krankenversicherte Klägerin ihre Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) und § 24 i Fünftes Buch Sozialgesetzbuch findet. Es wird für die Zeit der Schutzfristen sechs Wochen vor der Geburt und acht bis 12 Wochen nach der Geburt gezahlt und hat Lohnersatzfunktion. Die strittige Zahlung für den Zeitraum von 29.09.2012 bis 09.11.2012 war das Mutterschaftsgeld für die sechs Wochen vor der Geburt. Damit handelte es sich entweder um eine laufende Einnahme, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufloss nach § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II oder um eine einmalige Einnahme nach § 11 Abs. 3 SGB II. Eine laufende Einnahme in monatlichen Abständen lag nicht vor. Da auch im Falle des § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II eine Anrechung nach § 11 Abs. 3 SGB II erfolgt, kann die vorgenannte Unterscheidung offen bleiben. Damit war die Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II ab dem Folgemonat des Zuflusses anzurechnen, weil Arbeitslosengeld II für September 2012 bereits ausgezahlt war.

Im Ergebnis ist die Beschwerde zurückzuweisen mit der Folge, dass das Urteil des Sozialgerichts gemäß § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG rechtskräftig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin blieb mit ihrem Begehren erfolglos.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen


(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dies

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 145


(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

Referenzen

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.