Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Okt. 2014 - L 7 AS 663/14 B ER

bei uns veröffentlicht am08.10.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 12. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

II.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Eilverfahren vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Strittig ist insbesondere, ob das Einkommen des Antragstellers zu 3) wegen eheähnlicher Gemeinschaft anzurechnen ist.

Die 1984 geborene Antragstellerin zu 1) wohnt zusammen mit ihrem 2009 geborenen Sohn (Antragsteller zu 2) seit Juni 2013 zusammen mit dem Antragsteller zu 3) in einer Zweizimmerwohnung. Am 23.07.2014 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Der Antragsteller zu 3) ist ganztags erwerbstätig.

Mit Bescheid vom 12.07.2014 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen ab 01.06.2014 ab, weil keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Dagegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, weil keine Bedarfsgemeinschaft bestehe.

Der am 01.07.2014 beim Sozialgericht Ulm gestellte Eilantrag wurde an das Sozialgericht Augsburg verwiesen. Mit Beschluss vom 12.08.2014 lehnte das Sozialgericht Augsburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es bestehe eine Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller. Fehler in der Leistungsberechnung seien nicht ersichtlich. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Antragsteller in B-Stadt laut Empfangsbekenntnis am 15.08.2014 zugestellt. Der Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrung, wonach die Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht oder beim Sozialgericht Augsburg einzulegen sei.

Am 15.09.2014 hat die Bevollmächtigte der Antragsteller beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg eingelegt. Am 16.09.2014 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg den Bevollmächtigten per Telefax darauf hingewiesen, dass die Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht einzureichen sei. Ebenfalls am 16.09.2014 ist die Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingereicht worden. Die Beteiligten wurden zur Fristversäumnis angehört. Die Antragsteller haben vorgetragen, dass die versehentlich beim falschen Gericht eingelegte Beschwerde fristwahrend sei.

II.

Die Beschwerde ist entsprechend § 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG i. V. m. § 572 Abs. 2 S. 3 Zivilprozessordnung als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht gemäß § 173 SGG innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat ab Bekanntgabe des Beschlusses Sozialgericht eingelegt wurde.

Der Beschluss des Sozialgerichts wurde dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 15.08.2014 zugestellt. Weil der Beschluss eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung enthielt, endete die Monatsfrist mit Ablauf des 15.09.2014 (§§ 66, 64 Abs. 1 und 2 SGG). An diesem Montag ist die Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangen. Dies genügt jedoch nicht. Die Beschwerde hätte an diesem Tag beim Sozialgericht Augsburg oder beim Bayerischen Landessozialgericht eingehen müssen (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, § 173 Rn. 2).

Die Beschwerde ist aber erst am folgenden Tag und damit verspätet beim Bayerischen Landesozialgericht eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG bestehen nicht. Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat trotz Kenntnis des Wohnorts der Antragsteller und Vorliegens einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde an das falsche Landessozialgericht gefaxt.

Die Einlegung der Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg und seine Reaktion darauf kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtfertigen. Das unzuständige Gericht hat im ordentlichen Geschäftsgang auf die falsch eingelegte Beschwerde zu reagieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.03.2005, 1 BvR 950/04, Leitherer in Meyer-Ladewig, a. a. O., § 151 Rn. 2a). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat den Bevollmächtigten bereits am nächsten Tag per Telefax auf seinen Fehler hingewiesen und damit seiner Hinweispflicht im Rahmen des fairen Verfahrens genügt. Gerichte sind nicht verpflichtet, ein generelles Vorprüfverfahren einzurichten, um täglich alle eingehenden Rechtsbehelfe auf Zulässigkeit zu überprüfen und noch am selben Tag ggf. notwendige Korrekturen vorzunehmen. Für die form- und fristgerechte Einlegung eines Rechtsbehelfs haben primär die Rechtsbehelfsführer zu sorgen. Dafür erhalten sie eine Rechtsbehelfsbelehrung.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Okt. 2014 - L 7 AS 663/14 B ER

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Okt. 2014 - L 7 AS 663/14 B ER

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Okt. 2014 - L 7 AS 663/14 B ER zitiert 9 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 572 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 67


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stelle

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 173


Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist i

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 66


(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhalten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 64


(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung. (2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf

Referenzen

(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.

(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.

(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.

Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Belehrung über das Beschwerderecht ist auch mündlich möglich; sie ist dann aktenkundig zu machen.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.