Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Juli 2016 - L 11 AS 422/16 B PKH

bei uns veröffentlicht am26.07.2016

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 25.04.2016 wird verworfen.

Gründe

I.

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Der Beschwerdeführerin (BF) ist mit Beschluss vom 02.11.2012 PKH für ein abgeschlossenes erstinstanzliches Verfahren vom SG bewilligt worden.

Zur Prüfung der Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist die Bevollmächtigte der BF mit Schreiben vom 18.11.2015, 07.01.2016 und mit vom Vorsitzenden unterschriebenen Schreiben vom 19.02.2016, das auch eine Rechtsfolgenbelehrung enthalten hat und am 25.02.2016 zugestellt worden ist, aufgefordert worden, den mitübersandten Fragebogen bis spätestens 14.03.2016 zu übersenden.

Mit Beschluss vom 25.04.2016 - zugestellt an die Bevollmächtigte der BF am 28.04.2016 - hat das SG die Bewilligung von PKH aufgehoben. Der übersandte Fragebogen sei nicht gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 73 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgegeben worden. Gründe für ein Absehen von einer Aufhebung der bewilligten PKH gemäß § 124 ZPO lägen nicht vor.

Am 17.05.2016 hat die BF persönlich den vom SG übersandten und von ihr am 09.04.2016 unterschriebenen Fragebogen im Original an das SG übersandt. Auf Nachfrage des SG bei der Bevollmächtigten der BF hatte die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 15.06.2016 mitgeteilt, mit der Übersendung der Unterlagen habe die BF Beschwerde einlegen wollen. Sie hätte die Unterlagen bereits fristgemäß an das SG übersandt, diese seien jedoch dort nicht angekommen, weshalb sie erst mit Verspätung diese nochmals an das Gericht habe übermitteln können.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die erst mit Schriftsatz vom 15.06.2016 durch die Bevollmächtigte eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss vom 25.04.2016 ist zu verwerfen. Sie ist nicht fristgemäß erhoben worden.

Gemäß § 173 Satz 1 SGG ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim SG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der Beschluss vom 25.04.2016 ist der Bevollmächtigten der BF am 28.04.2016 zugestellt worden. Damit ist der Schriftsatz vom 15.06.2016 nicht mehr als fristgemäß anzusehen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden von der Bevollmächtigten nicht geltend gemacht und sind für den Senat auch nicht ersichtlich.

Die Beschwerde ist auch nicht bereits mit der Übersendung des Fragebogens am 17.05.2016 durch die BF selbst erhoben worden. Die Übersendung des Fragebogens allein, der von der BF bereits am 09.04.2016 unterschrieben worden ist - also vor Erlass des Beschlusses vom 25.04.2016 -, stellt keine Beschwerdeeinlegung dar. Dabei handelt es sich auch nicht um die nochmalige Übersendung des vom SG zur Verfügung gestellten Fragebogens - also eine Kopie - sondern um den Original-Fragebogen, der von der BF ausgefüllt worden ist. Dafür, dass sie bereits vorher diesen Fragebogen einmal - vergeblich - an das SG gesandt haben will, gibt es keinerlei Nachweise oder zumindest Anhaltspunkte. Der Inhalt dieser bereits am 09.04.2016 unterschriebenen Erklärung kann daher nur die Beantwortung der vom SG gestellten Fragen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sein, nicht aber eine Beschwerdeeinlegung, denn der Beschluss des SG war am 09.04.2016 noch nicht erlassen worden. Aus dem Fragebogen allein ist kein Missfallen der BF über den Beschluss des SG bzw. der Wunsch nach Überprüfung der Entscheidung des SG zu entnehmen (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 173 Rn. 4). Dabei ist das Begehren der BF durch Auslegung zu ermitteln. Wesentlich ist dabei, dass das Ziel der Überprüfung durch ein Gericht verständlich gemacht wird; erforderlich ist ggf., dass die BF deutlich macht, dass sie mit dem Beschluss des SG unzufrieden ist (vgl. dazu: Leitherer, a. a. O., § 90 Rn. 4 a). Hierzu ist nach der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der wirkliche Wille zu erforschen, wobei sich dieser auch aus den sonstigen Umständen ergeben kann (vgl. dazu: BSGE 89, 199).

Der Inhalt des ausgefüllten und übersandten Fragebogens ist jedoch gerade unter Beachtung der vorliegenden Umstände - Ausfüllen vor Erlass des Beschlusses - nicht auslegungsfähig. Am 09.04.2016 hat die BF allein die vom SG gestellten Fragen - verspätet - beantwortet und beantworten wollen. Der bloße Zeitpunkt der späteren Absendung ändert den Inhalt der Erklärung vorliegend nicht. Erst mit der Erklärung der Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 15.06.2016 wird deutlich, dass eine Überprüfung der Entscheidung des SG gewollt ist. Eine unklare, als Beschwerde auslegungsfähige Erklärung enthält der übersandte Fragebogen nicht.

Nach alledem war die Beschwerde zu verwerfen. Ob die BF ggf. mit einer Gegenvorstellung oder ähnlichem beim SG eine Änderung der Entscheidung des SG erreichen kann, hat der Senat nicht zu entscheiden.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Juli 2016 - L 11 AS 422/16 B PKH zitiert 9 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 120 Festsetzung von Zahlungen


(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Be

Zivilprozessordnung - ZPO | § 124 Aufhebung der Bewilligung


(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn 1. die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;2. die Partei ab

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 173


Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist i

Referenzen

(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.

(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.

(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,

1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken;
2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.

(4) (weggefallen)

(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn

1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat;
3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.

(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.

Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Belehrung über das Beschwerderecht ist auch mündlich möglich; sie ist dann aktenkundig zu machen.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.