Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. März 2015 - L 11 AS 161/15 B PKH

bei uns veröffentlicht am26.03.2015
vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 15 AS 12/15, 19.01.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 19.01.2015 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 02.01.2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin vorläufig Alg II bis Dezember 2014, ab Januar 2015 bestehe kein Anspruch mehr für die italienische Staatsangehörige aufgrund ihres fehlenden Arbeitnehmerstatus.

Am 07.01.2015 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Würzburg (SG) dahingehend begehrt, ihr vorläufig Alg II zu bewilligen. Ein Leistungsausschluss verstoße gegen Europarecht. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Der u. a. auch um Stellungnahme zur begehrten Bewilligung von PKH gebetene Antragsgegner hat sich am 08.01.2015 bereit erklärt, für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.05.2015 vorläufig Leistungen zu erbringen. Daraufhin hat die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklärt und um eine Entscheidung über die Bewilligung von PKH gebeten. Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 19.01.2015 abgelehnt. Im frühestmöglichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von PKH, d. h. mit vollständigem Vorliegen des Fragebogens zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und der Stellungnahme des Antragsgegners zur Bewilligung von PKH, habe keine Erfolgsaussicht mehr bestanden, denn der Antragsgegner habe Leistungen bewilligt, so dass einstweiliger Rechtsschutz nicht mehr geboten gewesen sei.

Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht besteht kein Anspruch auf die Bewilligung von PKH.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als „schwierig“ erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens PKH vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).

Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sind grundsätzlich die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Beschwerde (Peters/Sauter/Wolff, SGG, 4. Aufl., § 176 Rdnr. 4). Ein früherer Zeitpunkt kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den PKH-Antrag verzögert hat und eine Änderung zum Nachteil der Antragstellerin eingetreten ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 73a Rdnr. 7b; vgl. dazu auch bereits: Beschluss des Senates vom 30.10.2008 - L 11 B 741/08 AS PKH).

Die formalen Voraussetzungen zur Entscheidung über die Bewilligung von PKH sind nach Vorliegen des ausgefüllten Fragebogens zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen dann erfüllt, wenn der Antragsgegner innerhalb einer ihm gesetzten Frist eine Stellungnahme zu dem Antrag abgegeben hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO). Besondere Gründe, die eine Stellungnahme des Antragsgegners als unzweckmäßig erscheinen lassen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO) sind vorliegend nicht erkennbar. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des SG gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat bereits am 08.01.2015 mitgeteilt, dass er die von der Antragstellerin begehrte Leistung erbringe. Er hat damit vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme sich bereit erklärt, vorläufig Leistungen zu erbringen. Damit aber bestand für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren keine Aussicht mehr auf Erfolg. Ob der Antragsgegner die Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahren verursacht hat, kann allenfalls bei der Frage der Kostenentscheidung hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens (hier: Einstweiliges Rechtsschutzverfahrens) berücksichtigt werden.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. März 2015 - L 11 AS 161/15 B PKH zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 142


(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

Referenzen

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.