Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 05. März 2015 - L 10 AL 272/14 NZB

05.03.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.10.2014 - S 6 AL 38/13 - wird verworfen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Kläger bereits ab 20.10.2012 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 48,87 € täglich hat.

Der Kläger war nach Ende seines Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2012 bis 19.10.2012 (Freitag) arbeitsunfähig erkrankt und vom Beklagten am 15. und 16.10.2012 darauf hingewiesen worden, dass er sich am ersten Tag nach Ende der Arbeitsunfähigkeit am 22.10.2012 persönlich arbeitslos zu melden habe. Nach der persönlichen Arbeitslosmeldung am 23.10.2012 bewilligte der Beklagte ab diesem Tag Alg (Bescheid vom 03.12.2012). Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe bereits ab 22.10.2012 Anspruch auf Alg. Er habe sich am 22.10.2012 um 12.30 Uhr zum Arbeitsamt begeben, das aber bereits geschlossen gewesen sei. Vorher habe er aus gesundheitlichen Gründen zum Arzt gemusst. Zwischen dem 15.10.2012 und 19.10.2012 habe er um einen Termin beim Arbeitsamt ersucht. Dieser sei ihm jedoch nicht gewährt worden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2013 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er habe für die Woche vor dem 22.10.2012 um einen „Sondertermin“ zur persönlichen Arbeitslosmeldung gebeten, da er wegen seiner Arbeitsunfähigkeit flexibel gewesen sei und Überschneidungen mit dem Arztbesuch vom 22.10.2012 habe vermeiden wollen. Dies sei von der Beklagten abgelehnt. Mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen, die Berufung hat es nicht zugelassen. Der Kläger habe sich erst am 23.10.2012 persönlich arbeitslos gemeldet, obwohl ihm dies bereits am 22.10.2012 möglich gewesen wäre. Der Arzttermin vom 22.10.2012 sei nicht unaufschiebbar - da bereits in der Vorwoche abgesprochen - gewesen und der Kläger hätte auch vor dem Arzttermin um 9.00 Uhr zum Arbeitsamt gehen können. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 24.10.2014 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung zugestellt worden.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 21.11.2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingehend beim SG am 26.11.2014 erhoben. Auf Hinweis des Senats zu einer eventuellen Fristversäumnis hat der Kläger ausgeführt, in der Woche vor dem 24.11.2014 habe er mit der zuständigen Sachbearbeiterin beim SG „bezüglich Beschwerde“ telefoniert. Dabei sei ihm als letzter Tag für die Beschwerdeeinlegung wegen der dreitägigen Zustellfrist der Post der 26.11.2014 genannt worden. Aus gesundheitlichen Gründen habe er die Beschwerde nicht früher einlegen können. Er sei - wie auch immer noch - arbeitsunfähig gewesen. Hätte die Sachbearbeiterin ein früheres Datum genannt, hätte er die Frist durch ein verkürztes Schreiben eingehalten. Die Auskunft habe eventuell Frau W. erteilt. Im Rahmen eines anderen Verfahrens sei ihm von einer anderen Geschäftsstelle mittlerweile mitgeteilt worden, die Laufzeit für ein einfaches Schreiben, das er an das Gericht senden wolle, betrage im Allgemeinen drei Tage. Der Kläger hat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 24.10.2014 bis 30.11.2014 vorgelegt. Frau W. (Geschäftsstelle des SG) hat auf Nachfrage des Senates mitgeteilt, sie habe während des Verfahrens zweimal mit dem Kläger telefoniert, eine entsprechende Auskunft zur Rechtsmittelfrist aber nicht erteilt. Ihre Vertreterin hat dies ebenfalls bestätigt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht fristgerecht erhoben worden.

Gemäß §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begann die Rechtsmittelfrist von einem Monat, über die der Kläger im Gerichtsbescheid vom22.10.2014 belehrt worden ist, am 25.10.2014 zu laufen und endete am 24.11.2014 (Montag). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch erst gemäß § 151 Abs. 2 SGG am 26.11.2014 beim SG eingegangen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG kommt nicht in Betracht. Hiernach ist dem Kläger auf Antrag Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Vorsetzungen hierfür liegen nicht vor. Der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Die von ihm angesprochene Arbeitsunfähigkeit hindert nicht die Fertigstellung und eine Einreichung eines Rechtsmittels, wobei der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde unter dem 21.11.2014 verfasst hat und damit noch rechtzeitig hätte einlegen können. Im Übrigen führt der Kläger selbst aus, er hätte rechtzeitig eine verkürzte Rechtsmittelschrift einreichen können, wenn er nicht unzutreffend informiert worden wäre. Die vom Kläger angesprochene Auskunft der Geschäftsstellenmitarbeiter/innen des SG zur 3-Tages-Frist beim Lauf der Rechtsmittelfrist wird weder von Frau W. noch von deren Vertreterin, Frau S., bestätigt und ist somit nicht nachgewiesen. Sie wäre auch nicht nachvollziehbar, denn diese 3-Tages-Frist, die für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten gelten kann, hat bei der Zustellung von Gerichtsbescheiden mittels PZU keinerlei Bedeutung. Auch der Beginn der Frist richtet sich nicht hiernach aus. Vielmehr wird bei der Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO), § 63 Abs. 2 SGG auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstückes das Datum der Zustellung vermerkt. Zusammen mit der dem Kläger erteilten Rechtsmittelbelehrung, an deren Klarheit keine Zweifel bestehen, kann dieser die Monatsfrist bestimmen, wie sich bereits aus seiner theoretischen Darstellung über die Berechnung der Monatsfrist in seinem Schreiben vom 11.01.2015 an den Senat ergibt. Die vom Kläger nunmehr angesprochene Auskunft einer anderen Geschäftsstelle des SG betraf zum einen keine förmliche Zustellung durch dieses, sondern die übliche Laufzeit eines einfachen, an das SG gerichteten Schreibens. Zum anderen ist diese Auskunft - soweit sie so getätigt wurde - nicht in vorliegenden Verfahren und zudem erst im Nachhinein erteilt worden. Zudem hätte der Schriftsatz des Klägers vom 21.11.2014 bei Absendung an diesem Tag und einer üblichen Laufzeit von 3 Tagen noch rechtzeitig das SG erreicht.

Nach alledem war die Nichtzulassungsbeschwerde mit der Folge zu verwerfen, dass der Gerichtsbescheid des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 67


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stelle

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 145


(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 180 Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten


Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang e

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 63


(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben. (2) Zugest

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.