Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Juni 2015 - 8 AZR 556/14

ECLI:ECLI:DE:BAG:2015:180615.U.8AZR556.14.0
bei uns veröffentlicht am18.06.2015

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 10. April 2014 - 3 Sa 307/13 - wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen nach zwei Betriebsübergängen infolge eines Widerspruchs der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses infolge des ersten Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht keinen Erfolg (Urteil vom 10. April 2014 - 3 Sa 307/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

3

Ohne dass das Berufungsurteil bis dahin zugestellt war, nahm aufgrund einer regelmäßigen Wiedervorlage die Rechtsanwaltsfachangestellte im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Frau K, im Juli 2014 eine Fristberechnung für die Revisionseinlegung und die Revisionsbegründung vor. Gerechnet ab der Verkündung des Berufungsurteils am 10. April 2014 berechnete sie die Revisionsfrist auf den 10. Oktober 2014 und die Begründungsfrist auf den 10. November 2014, was sie im Fristenkalender so notierte.

4

Das in vollständiger Form abgefasste Berufungsurteil ging beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19. August 2014 ein. Die Rechtsanwaltsfachangestellte K ging jedoch aufgrund eines Augenblicksversagens von einem Eingang am 19. September 2014 aus, berechnete sodann die Frist für die Revisionseinlegung auf den 19. Oktober 2014 sowie für die Revisionsbegründung auf den 19. November 2014. Da diese falsch berechneten Fristen länger liefen als die von ihr bereits notierten Fristen, beließ sie es bei letzteren.

5

Unter dem 26. August 2014, bei Gericht eingegangen am 28. August 2014 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Revision ein. Unter dem 21. Oktober 2014, per Fax am gleichen Tage beim Bundesarbeitsgericht eingegangen, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Frist zur Begründung der Revision um einen Monat bis zum 10. Dezember 2014 zu verlängern. Auf den Hinweis des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Oktober 2014, im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 4. November 2014 eingegangen, die Frist zur Begründung der Revision sei bereits am 20. Oktober 2014 abgelaufen, beantragte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 3. November 2014, per Fax an diesem Tag beim Bundesarbeitsgericht eingegangen, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er beantragt im Übrigen

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 1. April 2006 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

6

Die Beklagte meint, Wiedereinsetzung sei der Klägerin nicht zu gewähren. Sie verteidigt im Übrigen das Berufungsurteil der Sache nach.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unzulässig, weil die Zweimonatsfrist zur Begründung der Revision, § 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, versäumt wurde. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden. Die fristgemäß eingelegte Revision ist als unzulässig zu verwerfen, § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

8

I. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG beträgt die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu laufen. Das angefochtene Urteil wurde der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihres Prozessbevollmächtigten am 19. August 2014 zugestellt, sodass die Frist zur Begründung der Revision am 20. Oktober 2014 ablief. Bis zu diesem Zeitpunkt sind weder eine Revisionsbegründung noch ein Antrag auf Verlängerung der Frist für die Begründung der Revision beim Bundesarbeitsgericht von Seiten der Klägerin eingegangen.

9

II. Wiedereinsetzung konnte nicht gewährt werden, da die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten, § 233 Satz 1 ZPO.

10

1. Der mit der Revisionsbegründung verbundene schriftliche Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin wahrte die Form des § 236 Abs. 1 ZPO und erfolgte auch binnen der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Auch gerechnet ab dem Verlängerungsantrag des Klägervertreters vom 21. Oktober 2014 wahrte der Wiedereinsetzungsantrag vom 3. November 2014 die Frist von zwei Wochen.

11

2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch nicht begründet. Die Revisionsbegründungsfrist wurde schuldhaft versäumt. Zwar hat vorliegend die Klägerin selbst nicht gehandelt, jedoch wird ihr das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet. Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte selbst unabhängig von dem Handeln der Rechtsanwaltsfachangestellten K die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist verschuldet.

12

Der Prozessbevollmächtigte selbst hat bei Einlegung der Revision unter dem 26. August 2014 erklärt, das anzufechtende Berufungsurteil sei ihm am 19. August 2014 zugestellt worden. Der Revisionseinlegung war eine Kopie des Berufungsurteils beigefügt, auf der sich der Eingangsstempel der Kanzlei mit dem Datum 19. August 2014 befindet und darunter eine handschriftliche Fristennotierung mit dem Namenskürzel „K“ „Rev 10.10.2014 (6 Monatsf.)“ und „RevB 10.11.2014“.

13

Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Bundesarbeitsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt bei jeder Vorlage der Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich zu prüfen, wann die Frist für die Prozesshandlung abläuft. Werden einem Rechtsanwalt die Handakten zur Anfertigung einer Rechtsmittelschrift vorgelegt, hat er neben der Prüfung der Rechtsmittelfrist auch die ordnungsgemäße Notierung der zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Rechtsmittelbegründungsfrist zu prüfen (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 3 AZR 572/09 - Rn. 14; 31. Januar 2008 - 8 AZR 27/07 - Rn. 21, BAGE 125, 333; 18. Januar 2006 - 9 AZR 454/04 - Rn. 15 ff.; 10. Januar 2003 - 1 AZR 70/02 - zu II 3 c der Gründe; BGH 3. Mai 2011 - VI ZB 4/11 - Rn. 6; 19. April 2005
X ZB 31/03 -).

14

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war daher verpflichtet, aus Anlass der Einlegung der Revision die notierte Revisionsbegründungsfrist zu prüfen und - da sie offensichtlich falsch berechnet war und nach Zustellung des Berufungsurteils neu berechnet werden musste - zu korrigieren. Dieses Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin zuzurechnen.

15

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

Hauck 

        

Breinlinger

        

Winter

        
                 

Eimer 

        

C. Gothe

                 

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(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muß unverzüglich erfolgen. § 552 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt. Die Verwerfung der Revision ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluß des Senats und ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Revision an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen.

(2) Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Revision beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Revisionsbegründungsfrist kann einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muß unverzüglich erfolgen. § 552 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt. Die Verwerfung der Revision ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluß des Senats und ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)