Arbeitsgericht Solingen Beschluss, 02. Mai 2014 - 4 BV 2/14 lev
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Arbeitsentgelte ihrer am 31.12.2012 in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis befindlichen AT-Angestellten rückwirkend ab dem 1. Januar 2013 über die bisher durchgeführte Erhöhung von 2,58 % hinaus um weitere 0,52 % gemäß den Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 19.06.2013 über die Erhöhung und die Struktur der Vergütung der AT-Angestellten zu erhöhen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Beteiligten schlossen unter dem 19.06.2013 eine Betriebsvereinbarung über die Erhöhung und die Struktur der Vergütung der AT-Angestellten (vgl. Bl. 9-11 d.A., nachfolgend "BV"). Darin heißt es unter Ziffer 3.) wie folgt:
4"2. Erhöhung der AT Vergütung im Jahr 2013
52.1.
6Für das Gesamtvolumen von 3,1 %, das für die Erhöhung der AT Vergütung im Jahr 2013 zur Verfügung steht, gilt folgender Verteilungsschlüssel:
7a)1,6 % als fixe Erhöhung der Vergütungen rückwirkend ab dem Januar 2013
8b)1,5 % als variable Erhöhung der Vergütungen nach individueller Festlegung seitens der Vorgesetzten im Einzelfall rückwirkend ab dem 01. Januar 2013. Dabei ist die individuelle Festlegung von variablen Erhöhungen im Einzelfall begrenzt auf den 4-fachen Prozentwert, also 6 Prozent."
9Ziffer 3) lautet wie folgt:
10"3. Zukünftige Struktur der Erhöhung der AT Vergütung und der AT Gesamtvergütung
113.1
12Das seit dem 01. Januar 2013 in der Einführung befindliche Performance Management wird ab dem Jahr 2014 in seiner jeweils gültigen Fassung (auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung vom 12. Oktober 2012) mit dem variablen Anteil der Erhöhung der AT Vergütung und dem variablen Vergütungsanteil verknüpft.
13[…]".
14Die Beteiligte zu 2) erhöhte im Jahr 2013 die Arbeitsentgelte der unter der Betriebsvereinbarung fallenden AT-Angestellten um 2,58 %. Dabei wurden die Entgelte um den fixen Bestandteil gemäß Ziff. 2.1.a) der BV um 1,6% erhöht. Die unter Ziff. 3.1.b) geregelte variable Vergütungserhöhung erfolgte nicht um 1,5%, sondern um 0,98 %.
15Im Vorfeld des Abschlusses der Betriebsvereinbarung wurde über die Frage des Gesamtvolumens verhandelt. Seitens der Beteiligten zu 2) war zunächst eine Gesamterhöhung von 3,0 % genannt worden, während der Beteiligte zu 1) eine Erhöhung um 3,4. % gewünscht hatte.
16Auch in den Vorjahren gab es Regelungen (vgl. Betriebsvereinbarung 2012, Anlage 2 Bl. 65 ff d.A.) zur Umsetzung der AT-Gehaltsanpassung. Diese unterschieden zwischen einem fixen und einem variablen Erhöhungsbestandteil, benannten aber kein Gesamtbudget.
17Unter dem 16.12.2013 mahnte der Beteiligte zu 1) die Beteiligte zu 2) wegen Nichteinhaltung der BV an und forderte sie auf, das zur Verfügung gestellte Budget insgesamt auszuschöpfen. Die Ansprüche wies die Beteiligte zu 2) bzw. deren Muttergesellschaft, die U. G. Holdings GmbH, mit Schreiben vom 06.01.2014 zurück.
18Der Beteiligte zu 1) ist der Ansicht, die Beteiligte zu 2) sei zur Durchführung der Betriebsvereinbarung zu verpflichten. Aus der BV ergebe sich, dass die Antragsgegnerin sich verpflichtet habe, die AT-Angestellten Vergütungen um insgesamt 3,1 % zu erhöhen. Der Wortlaut der Vereinbarung spreche von einem Gesamtvolumen und verwende die Formulierung "zur Verfügung steht". Damit werde das Gesamtvolumen sowie der Verteilungsschlüssel abschließend und verbindlich festgelegt. Die Betriebsvereinbarung spreche an keiner Stelle von einem "Budget", "Gesamtbudget", "Maximalvolumen" oder einem "Maximalwert". Auch die Begriffe eines "oberen Rahmens" oder "maximalen Erhöhungsrahmens" fänden sich dort nicht. Vielmehr spreche die Betriebsvereinbarung von einer "Erhöhung der AT Vergütung", die aufgeteilt sei in einen fixen Teil und einen individuellen Teil nach Festlegung seitens der Vorgesetzten. Unter Erhöhung sei aber auch eine tatsächliche Erhöhung zu verstehen. Es sei auch nicht erkennbar, dass sich die Zusage der Beteiligten zu 2) hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit unterscheide mit Bezug auf den fixen Anteil und den variablen Anteil. Vielmehr beziehe sich die Verbindlichkeit auf beide Teile des Verteilungsschlüssels. Die BV spreche zudem davon, dass das zur Verfügung gestellte Volumen "zu verteilen" sei. Verteilen könne man aber nur das, was vorhanden sei. Nicht ausreichend sei, dass sämtliche Vorgesetzten im Rahmen ihrer Kostenstellen die Möglichkeit gehabt hätten, die AT-Angestellten Vergütungen variabel um 1,5 % zu erhöhen. Vielmehr hätten die Parteien eine Einigung dahingehend erzielt, in welchem Umfang die Erhöhung vorzunehmen ist und wie die Verteilung zu erfolgen habe. Die Umsetzung der Erhöhung haben die Beteiligten dabei dem Arbeitgeber überlassen, der diese nicht allein dadurch erfüllen könne, dass er den Kostenstellenverantwortlichen das Budget zur Verfügung stelle. Denn die Vorgesetzten nähmen im Rahmen der Verteilung Arbeitgeberfunktionen wahr und hätten daher die arbeitgeberseitige Verpflichtung nicht vollständig erfüllt. Auch der Begriff "variabel" führe nicht zur Unverbindlichkeit der Gesamtzusage. Der Begriff der Variabilität sei nur im Unterschied zu der vorgenannten Ziffer der fixen Vergütung zu verstehen. Variabel sei insoweit nicht das Volumen der Erhöhung, sondern nur die Art der Verteilung. Dieses Ergebnis werde auch vom Sinn der Betriebsvereinbarung gestützt. Wäre der variable Anteil in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt, wäre die Festlegung eines Gesamtvolumens auf 3,1 % sinnentleert. Anderenfalls gebe es auch keinerlei Motivation zum Einzug einer unverbindlichen Obergrenze. Auf Seiten des Arbeitgebers stände es diesem nämlich grundsätzlich frei, über den Umfang der Erhöhung zu entscheiden. Andererseits habe auch der Betriebsrat keinerlei Interesse daran, die Möglichkeiten des Arbeitgebers, die Entgelte der AT-Angestellten anzupassen, nach oben zu beschränken. Auch der Vergleich zu arbeitsvertraglichen Zielvereinbarungen greife nicht. Vielmehr könne der Arbeitnehmer auf den Erhalt variabler Entgeltbestandteile vertrauen, wenn er die Ziele erreiche. Dies gelte auch im kollektivrechtlichen Rahmen. Dies werde bestätigt durch die beabsichtigte zukünftige Anknüpfung der Erhöhung der AT-Vergütung an das Performance Management. Da dieses noch nicht zur Verfügung stand, vereinbarten die Parteien die Regelung der Ziffer 2.1 der Betriebsvereinbarung. Nicht zutreffend sei, dass der Betriebsrat die Absicht hätte, über Entgelterhöhungen Leistungen und Performance des einzelnen AT-Mitarbeiters zu honorieren. Dieser Wunsch stamme ausschließlich von der Beteiligten zu 2). Anliegen des Beteiligten zu 1) sei vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass auch solche Arbeitnehmer mit vermeintlich schlechterer Performance künftig bei Erhöhungen nicht leer ausgingen. Um Willkürlichkeiten zu verhindern, habe man daher 1,6 % als fix zu vergebende Erhöhung vereinbart und - dem arbeitgeberseitigen Interesse Rechnung tragend - 1,5 % für eine individuelle Festlegung vereinbart. Letzteres sei noch gedeckelt auf 6 %, um damit zu gewährleisten, dass möglichst viele Mitarbeiter eine möglichst hohe Anpassung ihrer Entgelte erhielten. Die Differenzierung habe daher den Zweck, den Wünschen beider Beteiligten Rechnung zu tragen und nicht Einsparpotentiale für die Beteiligte zu 2) zu schaffen. Da nachvollziehbare Leistungskriterien im Jahr 2013 noch nicht zur Verfügung gestanden hätten, habe es einer Definition des Gesamtvolumens sowie der Vereinbarung von zwei Erhöhungsbestandteilen bedurft. Schließlich spreche auch die Entstehungsgeschichte der Betriebsvereinbarung für die Auffassung der Beteiligten zu 1). Insbesondere sei eine Verhandlung des Gesamtvolumens ohne Sinn, wenn dieser für die Antragsgegnerin unverbindlich gewesen wäre. Die Verhandlungspositionen bezüglich der Vereinbarung zum Performance-Management seien für die Auslegung der Ziffer 2.1 der Betriebsvereinbarung irrelevant. Zudem lasse sich daraus nicht entnehmen, der Betriebsratsvorsitzende selbst sei der Auffassung gewesen, das Gesamtvolumen für 2013 müsse nicht ausgeschöpft werden. Denn die Darlegungen bezögen sich allein auf ein erst im Jahr 2014 einzuführendes System. Auch der Aushang des Betriebsrats zur AT-Anpassung 2013 (Anlage 4, Bl. 68 d.A.) bestätige die Rechtsansicht des Beteiligten zu 1). Schließlich sei dem Beteiligten zu 1) auch nicht bekannt, dass die arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten Budgets für die Anpassung der AT-Entgelte in den Jahren 2011 und 2012 nicht ausgeschöpft worden seien.
19Der Beteiligte zu 1) beantragt unter Antragsrücknahme im Übrigen zuletzt,
20die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Arbeitsentgelte ihrer am 31.12.2013 in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis befindlichen AT-Angestellten rückwirkend ab dem 01.01.2013 über die bislang durchgeführte Erhöhung von 2,58 % hinaus um weitere 0,52 % gemäß den Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 19.06.2013 über die Erhöhung und die Struktur der AT-Angestellten zu erhöhen.
21Die Beteiligte zu 2) beantragt,
22den Antrag abzuweisen.
23Die Beteiligte zu 2) trägt vor, ein Anspruch auf weitergehende Erhöhung bestehe nicht. Der Antrag sei zu unbestimmt, damit nicht vollstreckbar und daher unzulässig. Insbesondere lasse der Antrag nicht erkennen, in welchem Volumen die Beteiligte zu 2) wem konkret welche Erhöhungen zukommen zu lassen habe. Der Antrag sei auch unbegründet, da sie ihre Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung erfüllt habe. Eine verbindliche Erhöhung der Entgelte um 3,1 % sei nicht vereinbart worden. Der Arbeitgeber könne zwar freiwillig eine normative Verpflichtung zur Gehaltserhöhung eingehen, eine derartige Verpflichtung müsse aber deutlich zum Ausdruck kommen. Mit der BV habe man sich lediglich verpflichtet, die AT-Angestellten Gehälter um 1,6 % zu erhöhen. Im Übrigen sei mit Blick auf den variablen Anteil nur ein Budget zur Verfügung zu stellen. Die tatsächliche Verteilung sei dann jeweils dem einzelnen Vorgesetzten in der Entscheidung freigestellt gewesen. Ziffer 2.1 lege insoweit einen Verteilungsschlüssel fest, der sich auf einen fixen und einen variablen Anteil beziehe. Der erstgenannte Anteil sei eine feste Zusage gewesen sei, während hinsichtlich des variablen Anteils - dem Wesen einer variablen Erhöhung folgend - eine feste Zusage nicht erteilt, sondern lediglich ein Maximalvolumen bzw. ein Budget festgeschrieben worden sei. Der variable Anteil beschreibe nur einen oberen Rahmen der Verteilung im Ganzen und einen Maximalwert bei der Erhöhung im Einzelfall. Auch der Sinn und Zweck der Regelung stütze diese Auffassung. So seien auch variable Entgeltkomponenten in Individualarbeitsverträgen keine feste Zusage, dass der Arbeitnehmer das 100 %-ige Zielentgelt tatsächlich erhalte. Dass die Betriebsparteien insoweit auch Leistung und Performance berücksichtigt wissen wollten, zeige sich auch an der Absicht, ein Performance-Managementsystem in der Zukunft einführen zu wollen. Da dies für 2013 noch nicht gelungen sei, hätten sich die Betriebsparteien auf die vorgenannte Regelung geeinigt. Auch aus den Gesprächen über ein Performance-Managementsystem werde deutlich, dass der Betriebsratsvorsitzende nicht davon ausgegangen sei, dass der variable Anteil der AT-Entgelterhöhung zwingend ausgeschöpft werde. Denn der Betriebsratsvorsitzenden habe mit Bezug auf das Performance-Managementsystem am 29.10.2013 (Anlage 1 vgl. Bl. 64 d.A.) Änderungswünsche dahingehend formuliert, dass es zu einer vollständigen Ausschüttung des zur Verfügung gestellten Budgets komme. Auch die Entstehungsgeschichte spreche für das Verständnis der Beteiligten zu 2). So sei der anteilige Teil des variablen Budgets weder in 2012 noch in 2011 vollständig ausgeschöpft worden, was dem Beteiligten zu 1) anhand der ihm vorliegenden Excel-Listen auch bewusst gewesen sei.
24Für das weitergehende Vorbringen der Beteiligten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
25II.
26Der Antrag ist zulässig und begründet.
271.
28Der Antrag ist hinreichend bestimmt.
29a.
30Nach § 253 Abs. 3., Nr. 3. ZPO muss ein Antrag, mit den Handlungspflichten des Arbeitgebers verlangt werden, die eindeutige Bestimmungen des vom Arbeitgeber zu erwartenden Verhaltens zulassen, d.h. der Arbeitgeber muss wissen, mit welchem Verhalten er seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachkommt.
31b.
32Dies ist nach Auffassung der Kammer der Fall.
33Der Betriebsrat begehrt hier die Verpflichtung des Beteiligten zu 2), die Entgelte der AT-Angestellten um weitere 0,52 % zu erhöhen. Dies ist nach Auffassung der Kammer ausreichend. Eine weitergehende Antragskonkretisierung ist dem Betriebsrat nicht möglich. Insbesondere der Einwand der Beteiligten zu 2), es sei nicht erkennbar, welchem Arbeitnehmer der Beteiligte zu 2) in welcher Form welche Erhöhung zukommen lassen solle, greift nicht durch. Letzteres liegt nicht in der Entscheidungsbefugnis des Betriebsrates. Vielmehr sieht die Betriebsvereinbarung gerade vor, dass der - allein hier streitgegenständliche variable Anteil der Vergütungserhöhung - nach dem Ermessen der Vorgesetzten des Arbeitgebers zu erfolgen hat. Wie die Beteiligte zu 2) daher eine Erhöhung vornimmt, ist ihr überlassen, sie muss sich lediglich sich an die Regelungen der Betriebsvereinbarung halten, die zwischen den Parteien unstreitig sind.
342.
35Der Antrag ist begründet.
36Der Beteiligte zu 1) hat aus der BV einen Anspruch auf deren ordnungsgemäße Durchführung in der tenorierten Form. Die Auslegung der Betriebsvereinbarung ergibt, dass sich die Beteiligte zu 2) verpflichtet hat, die AT-Angestellten-Vergütungen im Jahr 2013 um insgesamt 3,1 % zu erhöhen. Dieser Verpflichtung ist die Beteiligte zu 2) bisher nicht vollumfänglich nachgekommen.
37a.
38Betriebsvereinbarungen sind aufgrund ihres normativen Charakters wie Tarifverträge bzw. Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmten Worten sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmungen führt. Übernehmen die Betriebsparteien den Inhalt einer gesetzlichen Vorschrift ganz oder teilweise, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie deren Verständnis auch zum Inhalt der betrieblichen Regelung machen wollen, soweit sich aus der Betriebsvereinbarung nichts gegenteiliges ergibt (vgl. BAG v. 27.07.2010 - 1 AZR 67/09, juris Rz. 9 m.w.N.).
39b.
40Nach diesen Voraussetzungen ist die Betriebsvereinbarung dahingehend zu verstehen, dass die Beteiligte zu 2) sich verpflichtet hat, die Gehälter insgesamt um 3, 1 % zu erhöhen.
41aa.
42Dafür spricht bereits der Wortlaut der zwischen den Parteien vereinbarten Regelungen.
43In Ziff. 2.1 spricht die Betriebsvereinbarung davon, dass "für das Gesamtvolumen von 3,1 %, das für die Erhöhung der AT-Vergütungen im Jahr 2013 zur Verfügung steht, […] folgender Verteilungsschlüssel [gelte]:" Mit dieser Formulierung ist nach Auffassung der Kammer festgelegt, dass ein Gesamtvolumen von 3,1 % zur Ausschüttung gelangen soll. Der Wortlaut spricht davon, dass ein Volumen zur Verfügung steht. Mit dem Begriff "steht" wird aber deutlich gemacht, dass die Zahl von 3,1 % fix zwischen den Parteien vereinbart werden und nicht in Abhängigkeit von den nachfolgenden Komponenten in ihrer Höhe variabel ausgestaltet werden sollte. Hätten die Betriebsparteien eine entsprechende Regelung treffen wollen, so hätten sie dies ohne weiteres deutlich machen können dadurch, dass ein Gesamtvolumen von "bis zu" 3,1 % zur Verfügung stehe. Eine derartige Einschränkung lässt sich dem Wortlaut aber nicht entnehmen.
44Für die seitens der Beteiligten zu 2) angeführten Auffassung, dass es sich dabei um ein Budget oder Maximalvolumen oder Ähnliches handele, gibt die Betriebsvereinbarung hingegen keinen Anhaltspunkt. Entsprechend einschränkende Formulierungen finden sich nicht.
45bb.
46Auch der systematische Zusammenhang bestätigt das unter aa. gefundene Ergebnis. So bezieht sich die Ziffer 2.1 erster Satz auf die nachfolgenden Ziffern a) und b). Sie bestimmt lediglich, dass das Gesamtvolumen von 3,1 % nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel zu verteilen ist. Sie stellt dabei in keinster Form in Frage, ob der Gesamtbetrag auszuschütten ist, sondern teilt 3,1 % lediglich auf in zwei unterschiedliche Pakete, die als fixe und als variable Erhöhungen bezeichnet werden. Anders als die Beteiligte zu 2) meint, kann dabei der Begriff der variablen Erhöhung nicht dahingehend verstanden werden, dass dieser unverbindlich sei. Vielmehr ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang, dass die Bezeichnung "variabel" im Gegensatz steht zu der unter Ziff. 2.1.a) benannten fixen Erhöhung. Die Variabilität der 1,5 % wirkt aber nicht darüber hinaus in der Weise, dass das Gesamtvolumen in Höhe von 3,1 % insgesamt variabel sein soll.
47cc.
48Der Sinn und Zweck der Regelung widerspricht dem gefundenen Auslegungsergebnis nicht.
49Unstreitig gab es zwischen den Parteien Verhandlungen darüber, inwieweit das Volumen von 3,1 % zu verteilen ist, nämlich auf der einen Seite fix und auf der anderen Seite variabel. Auch die weiteren Verhandlungen seitens der Betriebsparteien zur zukünftigen Regelung bezüglich der AT-Entgelterhöhung zeigen, dass es offenbar widerstreitende Interessen der Betriebsparteien dahingehend gibt, inwieweit Vergütungserhöhungen fix oder variabel erfolgen sollen. Diesem Sinn folgt auch die jetzt getroffene Vereinbarung, die eine Unterteilung nach einer fixen Erhöhung und einer variablen Erhöhung vorsieht. Mit Ziffer a) wurde dem möglicherweise vorrangigen Anliegen des Beteiligten zu 1) Rechnung getragen, möglichst alle AT-Angestellten an einer Erhöhung teilhaben zu lassen. Mit der Regelung zu b) hingegen wurde dem Anliegen der Beteiligten zu 2) Rechnung getragen, dass sie bestimmten Angestellten aufgrund persönlicher Kriterien eine besondere Erhöhung zukommen lassen möchte. Diese seitens der Beteiligten verfolgte Zwecke sprechen weder für noch gegen eine Gesamtausschüttung der 3,1 %. Sowohl bei einem fest auszuschütteten Gesamtbudget von 3,1 % als auch bei einer nur bezogen auf den fixen Anteil von 1,6 % verbindlich geregelten Ausschüttungssumme, ließe sich der beabsichtigte Zweck erreichen.
50dd.
51Die weiteren Gesamtumstände sprechen für das Auslegungsergebnis der Kammer.
52So haben die Parteien unstreitig in den vergangenen Jahren ein Gesamtvolumen in Betriebsvereinbarungen oder Absprachen gerade nicht vereinbart, sondern diese ausschließlich in das Ermessen der Beteiligten zu 2) gestellt. Dies war im Jahr 2013 offensichtlich anders. Dies spricht dafür, dass es den Betriebsparteien auch um die Regelung des Gesamtumfangs ging.
53Zudem hat man unstreitig im Rahmen der Verhandlungen um den Erhöhungsrahmen gerungen. Dies wäre ohne jede Bedeutung, wenn das Gesamtvolumen unverbindlich bleiben sollte. Dann hätte sich allenfalls ein Ringen um eine Erhöhung des fixen Erhöhungsbestandteils aus Sicht der Betriebsparteien gelohnt. Legt man aber fixen Bestandteil, variablen Bestandteil und Gesamtvolumen fest, so spricht dies dafür, dass alle drei Komponenten verbindlich vereinbart werden sollten.
54Schließlich gibt es keine Motivation für keine der beiden Seiten, überhaupt ein Gesamtvolumen in eine Betriebsvereinbarung hineinzuschreiben, wenn dies nicht eine verbindliche Vereinbarung sein soll. Weder der Arbeitgeber, der grundsätzlich frei ist in der Dotierung des Erhöhungsrahmens, bedarf einer derartigen Regelung, noch der Betriebsrat hat ein Interesse daran, den Erhöhungsrahmen zu deckeln.
55Weiter führen auch die seitens der Beteiligten zu 2) angeführten Wünsche des Betriebsratsvorsitzenden vom 29.10.2013 nicht zu der seitens der Beteiligten zu 2) gewünschten Auslegung. Zum Einen handelt es sich dabei um Wünsche des Betriebsratsvorsitzenden aus einer Zeit, die gut drei Monate nach dem Abschluss der Betriebsvereinbarung liegen und insoweit nur schwer Rückschlüsse auf die abgeschlossene Betriebsvereinbarung zulassen. Zum Zweiten handelt es sich dabei unstreitig um Verhandlungen zu einem noch abzuschließenden Performance-Management für die Zeit 2014 ff.. Nach Auffassung der Kammer kann daher diese Äußerung im Rahmen der Auslegung der Ziffer 2. der BV keine Bedeutung erlangen, sondern ist der Ziffer 3. der BV über die zukünftige Struktur der Erhöhung, deren Auslegung aber nicht streitgegenständlich ist, zuzuordnen.
56Auch der Einwand der Beteiligten zu 2), wie in einem individuellen Arbeitsvertrag, in dem bei Vereinbarung von variablen Vergütungsbestandteilen eine Vollausschüttung nicht gewährleistet sei, gelte dies auch bei der Betriebsvereinbarung, überzeugt nicht. Regelmäßig wird der variable Vergütungsbestandteil an gewisse Zielerreichungen geknüpft. Bei Zielvereinbarungen in Arbeitsverträgen ist die variable Vergütung jedenfalls dann sicher, wenn die Ziele erreicht sind. Insoweit greift der Einwand der Beteiligten zu 2) schon nicht uneingeschränkt durch. Die vorliegende Betriebsvereinbarung enthält jedoch keinerlei Vorgaben für die Verteilung des variablen Anteils mit Ausnahme der Deckelung der Erhöhung auf 6%. Die fehlenden Verteilungskriterien waren offensichtlich das Problem, das zum Abschluss der Betriebsvereinbarung geführt hat. Da das Performance-Management, an dem man sich hätte orientieren können, noch nicht eingerichtet war, haben die Parteien lediglich Eckdaten für die Verteilung vereinbart und im Übrigen dem Arbeitgeber ein freies Ermessen über die Art der Verteilung eingeräumt. Einen weitergehenden Freiraum bei der Verteilung dahingehend, dass auch die Höhe der Mittel in das freie Ermessen der Beteiligten zu 2) gestellt werden sollte, lässt sich daraus nicht entnehmen.
57Schließlich kann sich die Beteiligte zu 2) auch nicht auf den Aushang des Beteiligten zu 1) (Anlage 4, Bl. 68 d.A.) zur Stützung ihrer Ansicht berufen. Darin kommt vielmehr eindeutig - nämlich wörtlich - zum Ausdruck, dass der Betriebsrat "der Auffassung ist, dass das Budget vollständig auszuschütten ist."
58RECHTSMITTELBELEHRUNG
59Gegen diesen Beschluss kann von der Arbeitgeberseite Beschwerde eingelegt werden. Für
60Die Beschwerde muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
61Landesarbeitsgericht Düsseldorf
62Ludwig-Erhard-Allee 21
6340227 Düsseldorf
64Fax: 0211 7770-2199
65eingegangen sein.
66Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
67Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
68Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
691.Rechtsanwälte,
702.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
713.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 3. bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
72Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
73* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
74van Laak
ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Solingen Beschluss, 02. Mai 2014 - 4 BV 2/14 lev
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht Solingen Beschluss, 02. Mai 2014 - 4 BV 2/14 lev
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenArbeitsgericht Solingen Beschluss, 02. Mai 2014 - 4 BV 2/14 lev zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Tenor
-
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. Dezember 2008 - 9 Sa 1435/08 - aufgehoben.
-
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 14. August 2008 - 2 Ca 469/08 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
-
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Auslegung einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Altersteilzeit.
-
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 31. Mai 2010 beschäftigt. Die Parteien vereinbarten für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2010 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit einer Arbeitszeit von 50 % der bisherigen Arbeitszeit. Nach § 6 des Altersteilzeitarbeitsvertrags vom 27. November/2. Dezember 2003 sollten sich die diesbezüglichen Rechte und Pflichten ua. aus der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Altersteilzeit vom 20. Dezember 2001 (GBV ATZ) ergeben, deren § 5 Nr. 3 lautet:
-
„Der Arbeitgeber entrichtet zusätzlich die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die auf die Differenz zwischen dem Beitrag für 90 % der Bruttovollzeitvergütung und der Altersteilzeitvergütung entfallen, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.“
- 3
-
Der Kläger, der vor Beginn der Altersteilzeit eine über der Beitragsbemessungsgrenze liegende Vergütung bezog, hat die Ansicht vertreten, dass die Berechnung des Unterschiedsbetrags zur Rentenversicherung nach der GBV ATZ von den gesetzlichen Bestimmungen abweiche. Maßgeblich seien grundsätzlich die Beiträge, die auf 90 % der bei einer Vollzeitbeschäftigung erzielbaren Vergütung entfallen. Nur wenn dieser Betrag die Beitragsbemessungsgrenze übersteige, sei diese für die Berechnung des Unterschiedsbetrags maßgeblich.
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, für den Kläger für die Monate von Mai bis Dezember 2005 weitere 608,40 Euro, Januar bis Dezember 2006 weitere 1.228,50 Euro, Januar bis Dezember 2007 weitere 1.253,70 Euro, Januar bis Dezember 2008 weitere 1.265,64 Euro, Januar bis Dezember 2009 weitere 1.289,52 Euro und für die Monate Januar bis Mai 2010 weitere 547,25 Euro Rentenversicherungsbeiträge an die Einzugsstelle für Rentenversicherungsbeiträge abzuführen.
- 5
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
-
Die Vorinstanzen haben der zunächst als Feststellungsantrag gefassten Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese erstmals einen Verstoß der GBV ATZ gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geltend macht.
Entscheidungsgründe
- 7
-
Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht entsprochen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung von weiteren Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.
- 8
-
I. Die sich aus § 5 Nr. 3 GBV ATZ ergebenden Ansprüche des Klägers sind erfüllt. Die Beklagte ist nur zur Entrichtung eines Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtet, der sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Altersteilzeitentgelt des Klägers ergibt. Die Betriebsparteien sind bei der Berechnung der Aufstockungsleistungen zur Rentenversicherung nicht von der Regelung im Altersteilzeitgesetz abgewichen. Dies folgt aus dem Wortlaut der GBV ATZ, der Regelungssystematik und dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung.
- 9
-
1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 11. Dezember 2007 - 1 AZR 953/06 - Rn. 20 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 37 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 22). Übernehmen die Betriebsparteien den Inhalt einer gesetzlichen Vorschrift ganz oder teilweise, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie deren Verständnis auch zum Inhalt der betrieblichen Regelung machen wollen, soweit sich aus der Betriebsvereinbarung nichts Gegenteiliges ergibt (vgl. BAG 16. April 2002 - 1 AZR 368/01 - zu 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 153 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 111).
- 10
-
2. Die Betriebsparteien haben in § 5 Nr. 3 GBV ATZ die gesetzliche Regelung über die Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge übernommen.
- 11
-
a) Nach § 4 Abs. 1 AltTZG ist die Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur ua. von den in § 3 AltTZG bestimmten Anspruchsvoraussetzungen abhängig. Zu den Förderleistungen gehören die Zahlung eines Aufstockungsbetrags zum Altersteilzeitentgelt sowie die Entrichtung von zusätzlichen Beiträgen zur Rentenversicherung. Die Betriebsparteien haben sich bei der Ausgestaltung der materiellen Leistungen für die Altersteilzeitarbeitnehmer in der GBV ATZ an den im AltTZG vorgesehenen Leistungen orientiert und eine Aufstockung des Altersteilzeitentgelts sowie die Entrichtung von zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträgen vorgesehen. In § 5 Nr. 3 GBV ATZ haben sie nahezu wörtlich die bei Abschluss der GBV ATZ geltende Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AltTZG idF vom 20. Dezember 1999 - AltTZG aF - (BGBl. I S. 2494) über die Zahlung des Rentenversicherungsbeitrags übernommen, der sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen 90 % des bisherigen Arbeitsentgelts iSd. § 6 Abs. 1 AltTZG aF und der Altersteilzeitvergütung ergibt. Nach der dort enthaltenen Legaldefinition ist „bisheriges Arbeitsentgelt“ das Arbeitsentgelt, das der in Altersteilzeitarbeit beschäftigte Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit zu beanspruchen hätte, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze des SGB III nicht überschreitet (Hätte-Entgelt). Danach wird das bisherige Arbeitsentgelt iSd. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 6 Abs. 1 Satz 1 AltTZG aF durch den Betrag begrenzt, der 90 % der Beitragsbemessungsgrenze entspricht. Dies entsprach zum Zeitpunkt des Abschlusses der GBV ATZ auch der Sichtweise der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in ihrem Schreiben vom 6. September 2001 (abgedruckt in: Rittweger/Petri/Schweikert Altersteilzeit 2. Aufl. S. 276 f.) und der einhelligen Auffassung im sozialrechtlichen Schrifttum (ErfK/Rolfs 2. Aufl. § 3 ATG Rn. 8; Gussone/Voelzke Altersteilzeitrecht § 3 AltTZG Rn. 18; Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz Altersteilzeit S. 97; Rittweger in Rittweger/Petri/Schweikert Altersteilzeit 2. Aufl. § 3 ATG Rn. 53).
- 12
-
b) Die Betriebsparteien haben in § 5 Nr. 3 GBV ATZ keine von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AltTZG aF abweichende Regelung getroffen.
- 13
-
Die Verwendung des Begriffs „Bruttovollzeitvergütung“ anstelle des im AltTZG enthaltenen Merkmals des „bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1“ vermag diese Annahme allein nicht zu rechtfertigen. Die Betriebsparteien haben die Berechnungsgrundlagen für den Unterschiedsbetrag sowie die Begrenzung des Hätte-Entgelts durch die Beitragsbemessungsgrenze unverändert gelassen. Bei dem von ihnen verwandten Ausdruck „Bruttovollzeitvergütung“ haben sie sich an dem bis zum 31. Dezember 1999 in § 6 AltTZG enthaltenen Begriff des „Vollzeitarbeitsentgelts“ orientiert, das gleichermaßen durch die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze begrenzt war. Die in § 5 Nr. 3 GBV ATZ erfolgte Anfügung des Begriffs „Brutto“ enthält lediglich eine sprachliche Klarstellung. In § 5 Nr. 1 GBV ATZ haben die Betriebsparteien eine Regelung über den Aufstockungsbetrag für das Altersteilzeitarbeitsentgelt getroffen, dessen Berechnung sich nach der jeweiligen Verordnung über die Mindestnettobeträge nach dem AltTZG richtet. Hingegen ist für den Unterschiedsbetrag zur Rentenversicherung das Bruttoarbeitsentgelt die maßgebliche Bezugsgröße. Ein etwaiger Wille der Betriebsparteien, in § 5 Nr. 3 GBV ATZ eine von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AltTZG aF abweichende Regelung zu treffen, ist danach nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen und daher bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen.
- 14
-
3. Gegen die vom Kläger vertretene Sichtweise von § 5 Nr. 3 GBV ATZ spricht zudem das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung. Die von ihm zugrunde gelegte Berechnung des Hätte-Entgelts würde zu einem Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG führen.
- 15
-
a) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 20. April 2010 - 1 AZR 988/08 - Rn. 21 mwN).
- 16
-
b) Die GBV ATZ dient der Ausgestaltung der Bedingungen für die bei der Beklagten begründeten Altersteilzeitarbeitsverhältnisse. Mit den in § 5 GBV ATZ vorgesehenen Aufstockungsleistungen sollte entsprechend der Zielsetzung des AltTZG ein Anreiz geschaffen werden, den Arbeitsplatz vor Erreichen der Regelaltersgrenze frei zu machen und dadurch Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitsuchende und Auszubildende zu eröffnen. Nach dem gesetzlichen Regelungsmodell in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AltTZG aF werden die in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Arbeitnehmer gleichbehandelt. Ihr Arbeitgeber entrichtet während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses trotz der um die Hälfte verringerten Arbeitszeit Rentenversicherungsbeiträge, die 90 % ihres durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzten Hätte-Entgelts entsprechen. Diese Regelung bewirkt, dass die Anwartschaften aus der Altersteilzeit kaum hinter den Anwartschaften aus ihrer vor der Altersteilzeit ausgeübten Voll- oder Teilzeitbeschäftigung zurückbleiben.
- 17
-
c) Das von den Vorinstanzen angenommene Auslegungsergebnis von § 5 Nr. 3 GBV ATZ würde demgegenüber zu einer Ungleichbehandlung unter den rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern führen, bei der die Bezieher von Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze begünstigt würden. Diese entrichten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nur bis zur Höhe der Beitragsmessungsgrenze. Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz (§ 341 Abs. 3 SGB III). Die mit dieser Regelung verbundene beitrags- und leistungsrechtliche Gleichstellung der rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer wäre beseitigt, wenn die Begrenzung des Hätte-Entgelts durch die Betragsbemessungsgrenze nicht vor, sondern - wie der Kläger meint - erst nach der Multiplikation mit dem Faktor 0,9 erfolgen würde. In letzterem Fall hätten die Bezieher von Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze gegenüber den anderen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern nur geringere oder - ab einem Einkommen von ca. 111 % der Beitragsbemessungsgrenze - keine altersteilzeitbedingten Nachteile bei der gesetzlichen Rente zu erwarten, da ab diesem Wert 90 % des Hätte-Entgelts der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze entspricht. Für eine solche Begünstigung der Bezieher von höheren Einkommen ist aber ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich.
-
II. Auf die zwischen den Parteien streitige und in den Vorinstanzen nicht erörterte Frage, ob die GBV ATZ gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstößt, kam es nicht mehr an.
-
Schmidt
Linck
Koch
Hayen
Rath