Arbeitsgericht Magdeburg Urteil, 18. Sept. 2013 - 3 Ca 3411/12 E

ECLI:ECLI:DE:ARBGMAG:2013:0918.3CA3411.12E.0A
bei uns veröffentlicht am18.09.2013

Tenor

1. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab dem 01.03.2012 Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT-O bzw. IX TVöD zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu zahlen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 34.920,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2

Die 1969 geborene Klägerin ist auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02.01.2001 (Bl.7/8 d.A.) mit der Gemeinde Z -unter Anerkennung von Beschäftigungszeiten ab 01.12.1994 und Bezugnahme der Tarifverträge im öffentlichen Dienst (VKA)- als Angestellte tätig. Laut, auf einen Mustertext zurückgehender, Tätigkeitsbeschreibung vom 10.11.2010 (Bl.53/54 d.A.) nimmt sie die Aufgabe einer Leiterin der „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ mit den dort dokumentierten Tätigkeiten wahr (vgl. Bl.53/54 d.A.). Die Klägerin ist, mit Ausnahme des gelegentlichen Einsatzes von -ihr sodann unterstellten- Praktikanten, allein in der Bibliothek tätig und hat alle dort anfallenden Arbeitsvorgänge eigenverantwortlich zu erledigen. Dazu zählen unter anderem Bestandsaufbau und -pflege/Erwerbung, Bestands- und Informationsvermittlung, EDV und Onlineleihe, Sach- und Formalerschließung, Entwicklung und Durchführung von Konzepten und Projekten, Öffentlichkeitsarbeit sowie sämtliche Verwaltungsaufgaben einschließlich Bearbeitung von Fördermittelanträgen, Haushaltsplanung, Rechnungsbearbeitung und Materialverwaltung. Mit Änderungsvertrag vom 01.03.2011 (Bl.5/6 d.A.) wechselte sie von 80%-Teilzeit auf Vollzeit, ihre Vergütungsgruppe wird mit VI b BAT-O bzw. EGG 6 TVöD angeben. Daraus resultierte zuletzt ein Bruttomonatsverdienst in Höhe von 2.504,44 € brutto = 1.621,00 € netto.

3

Die im selben Gebäudekomplex wie die Sekundarschule Z gelegene, ursprünglich mitten im Schulgebäude angesiedelte, seit dem Neubau im Jahr 2009 aber einen separaten Eingang aufweisende „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ ist Montags von 10:00 Uhr bis 12:45 Uhr sowie 14:00 Uhr bis 16:30 Uhr, Dienstags und Donnerstags von 10:00 Uhr bis 12:45 Uhr und 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr sowie Mittwochs von 14:00 Uhr bis 16:30 Uhr geöffnet. Sie weist einen Bestand von ca. 10.000 Medieneinheiten sowie 8 PC Arbeitsplätze und 8 Steckplätze für Laptops zur freien und kostenlosen Nutzung auf etwa 360 m² Fläche auf und gehört zu einer Gruppe von Bibliotheken, welche einen Online-Katalog aller Medien aufweisen und den Benutzern eine bibliotheksübergreifende Online Ausleihe ermöglichen. Laut Benutzerordnung steht sie während der Öffnungszeiten allen Interessierten zur Verfügung. Darüber hinaus bietet sie Sonderveranstaltungen, insbesondere auch für Schulklassen, an und unterhält zu diesem Zweck u.a. eine Kooperationsvereinbarung mit der Grundschule Angern (Bl.40ff. d.A.). Zur (Erst)Anmeldung benötigt man einen gültigen Ausweis bzw. bei Minderjährigen die Unterschrift eines Erziehungsberechtigten (vgl. zu Allem auch www.bibliothek-z.de).

4

Laut Bibliotheksgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (GVBl. LSA 2010, 434) sind Bibliotheken Bildungseinrichtungen, die von Kommunen und Gemeindeverbänden im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten unterhalten werden können und von ihren Trägern finanziert werden. Öffentliche Bibliotheken (§ 3) sind danach Teil des Bildungssystems und dienen der schulischen, beruflichen, allgemeinen und kulturellen Bildung, der Vermittlung von Medien und Informationskompetenz sowie der Pflege von Sprache und Literatur. Sie arbeiten im Rahmen der beruflichen Bildung mit örtlichen schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen zusammen (§§ 6, 7). Wissenschaftliche Bibliotheken (§ 4) sind Bibliotheken mit umfangreichen Beständen für wissenschaftliche Forschung und Lehre und bestehen an den Hochschulen des Landes oder als eigenständige Forschungsbibliotheken. Schulbibliotheken (§ 5) leisten einen Beitrag zur Umsetzung des Bildungsauftrags der Schule. Sie können mit öffentlichen Bibliotheken zusammenarbeiten.

5

Die Gemeinde Z ist inzwischen neben 6 weiteren Gemeinden Mitglied der Verbandsgemeinde E-H. Gemäß § 4 VerbGemG LSA besorgt die Verbandsgemeinde die Verwaltungsgeschäfte der Mitgliedsgemeinden in deren Namen und vertritt diese in allen Rechts- und Verwaltungsgeschäften sowie in gerichtlichen Verfahren. Nach Maßgabe von § 2 VerbGemG LSA hat sie auch die Trägerschaft der allgemeinbildenden öffentlichen Schulen nach Maßgabe des Schulgesetzes LSA übernommen. Laut einer Verwaltungsvereinbarung aus April 2011 (Bl.29ff. d.A.) teilt sie sich zusammen mit dem Landkreis B die Kosten für die Sekundarschule Z, unter Einschluss der in dem Schulgebäude untergebrachten Bibliothek (§ 5 (1) und (4)). Ob ihr ggf. nach § 2 VerbGemG LSA auch der Unterhalt etwaig vorhandener Gemeindebibliotheken ihrer Mitgliedsgemeinden kraft Gesetzes zugewachsen ist oder die Zuständigkeit hierfür allein bei der jeweiligen Mitgliedsgemeinde verblieben ist, ist zwischen den Parteien streitig. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag verbindet die Klägerin lediglich mit der Gemeinde Z.

6

Die Klägerin besitzt einen regelmäßig nach dreijähriger Berufsausbildung erwerbbaren Abschluss als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste Fachrichtung Bibliothek (früher: Bibliotheksassistentin), ein Fachhochschulstudium oder Hochschulstudium mit dem Abschluss Bibliothekar (Bachelor/Master), Diplom-Bibliothekar o.ä. hat sie nicht aufzuweisen.

7

Erstmals im Jahr 2009 beantragte die Klägerin die Überprüfung ihrer Vergütungsgruppe (Bl.9/10 d.A.). Erst mit Schreiben vom 30.08.2012 (Bl.12/13 d.A.) griff sie die Angelegenheit wieder auf und forderte eine Bezahlung nach der Vergütungsgruppe V b BAT-O bzw. EGG 9 TVöD. Dies würde derzeit zu einem Einkommensplus von etwa 970,00 € brutto im Monat führen. Nach Ablehnung durch die Verbandsgemeinde mit Schreiben vom 12.09.2012 (Bl.11 d.A.) wandte sie sich mit am 13.11.2012 eingegangener und am 19.11.2012 der Verbandsgemeinde zugestellter Klageschrift an das Arbeitsgericht.

8

Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Tätigkeit finde an einer öffentlichen Bibliothek, nicht an einer Schulbibliothek statt. Dies ergebe sich schon aus deren Benutzungsordnung bzw. aus der Tatsache, dass die Nutzung in der Mehrzahl durch normale Gemeindebürger und keineswegs vorrangig durch Schüler und Lehrer erfolge. Der gewählte Name der Bibliothek habe insoweit keine Aussagekraft. Da sie seit Jahren keinesfalls nur Teil- oder gar Assistenzaufgaben wahrnehme, sondern vielmehr erfolgreich als Alleinverantwortliche sämtliche in der Bibliothek anfallenden Arbeiten erledige und damit all das an Arbeitsleistung erbringe, was auch ein Diplombibliothekar an Arbeitsleistung zu erbringen gehabt hätte, müsse bei ihr von gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen sowie entsprechenden Tätigkeiten ausgegangen werden.

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Die Klägerin beantragt,

10

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit 01.03.2012 Arbeitsentgelt nach der Vergütungsgruppe V b BAT-O bzw. Entgeltgruppe IX TVöD zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte ist der Auffassung, die Tätigkeit der Klägerin erfolge jedenfalls zum überwiegenden Teil an einer Schulbibliothek. Sowohl der Name der Bibliothek, die Lage der Bibliothek, deren Finanzierung im Rahmen der Schulträgerschaft und deren tatsächliche Nutzung hauptsächlich durch Schüler und Lehrer würden dies nahe legen. Dass diese darüber hinaus zum geringeren Teil auch als Gemeindebibliothek mit öffentlichem Benutzerkreis fungiere, sei nicht ausschlaggebend. Insoweit handele es sich um zwei getrennte Arbeitsvorgänge, von denen der die Schulbibliothek betreffende mehr als 50 % Zeitanteile ausmache. Weiterhin sei die Klägerin nicht Leiterin, sondern lediglich einzige festangestellte Mitarbeiterin der Bibliothek. Zwar weise sie gründliche und vielseitige Fachkenntnisse auf und erbringe in nicht unerheblichem Umfang selbstständige Leistungen, aber mangels hierfür erforderlicher Ausbildung und Tätigkeit käme die begehrte Höhergruppierung nicht in Betracht.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist zulässig. Es handelt sich bei ihr um eine sog. Eingruppierungsfeststellungsklage, die insbesondere im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (BAG 28.02.1998 - 4 AZR 473/96, ZTR 1998, 329; BAG 19.03.1986 - 4 AZR 470/84, AP 114 zu §§ 22,23 BAT 1975).

16

Die Klage ist darüber hinaus auch begründet. Denn nach Auffassung der Kammer steht der Klägerin für ihre Tätigkeit die begehrte Vergütung zu.

I.

17

Die Klägerin erfüllt -jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.03.2012- die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Eingruppierung nach der Vergütungsgruppe V b (Fallgruppe 17) der Anlage zum BAT-O = EGG 9 TVöD.

18

Für Angestellte von Kommunen, welche in einer Bücherei tätig sind, lauten die Tarifmerkmale nach der derzeit einschlägigen Vergütungsordnung, wie folgt:

19

Vergütungsgruppe X

20

Fallgr. 2 Angestellte mit überwiegend mechanischen Tätigkeiten in Büchereien…

21

Vergütungsgruppe VIII

22

Fallgr.4 Angestellte mit schwierigen Tätigkeiten in Büchereien…

23

Vergütungsgruppe VII

24

Fallgr.11 Angestellte in Büchereien mit gründlichen Fachkenntnissen im Bibliotheksdienst.

25

Vergütungsgruppe VI b

26

Fallgr.35 Angestellte in Büchereien in Tätigkeiten die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse im Bibliotheksdienst und in nicht unerheblichem Umfange selbständige Leistungen erfordern. (Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes] bei der der Angestellte beschäftigt ist beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen).

27

Vergütungsgruppe V b

28

Fallgr.16 Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplombibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben.

29

Fallgr.17 Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für den bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Diplombibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben.

30

Vergütungsgruppe IV b

31

8. Angestellte in wissenschaftlichen Bibliotheken mit abgeschlossener Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplombibliothekare) und entsprechender Tätigkeit,

32

a) denen mindestens ein Diplombibliothekar oder eine gleichwertige Fachkraft mindestens der Vergütungsgruppe V b Fachkraft unterstellt ist, oder

33

b) die an wissenschaftlichen Bibliotheken mit einem Buchbestand von mindestens 50.000 Bänden mit besonders schwierigen Fachaufgaben beschäftigt werden.

34

9. Angestellte an Behördenbüchereien mit abgeschlossener Fachausbildung entweder für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplombibliothekare) oder für den bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Diplombibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit,

35

a) denen mindestens ein Diplombibliothekar oder eine gleichwertige Fachkraft mindestens der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 16 oder 17 unterstellt ist, oder

36

b) als fachliche Leiter von Behördenbüchereien mit einem Buchbestand von mindestens 40.000 Bänden.

37

10. Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für den bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Diplombibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit,

38

a) denen mindestens ein Diplombibliothekar oder eine gleichwertige Fachkraft mindestens der Vergütungsgruppen V b Fallgruppe 16 oder 17 ständig unterstellt ist, oder

39

b) als Leiter von öffentlichen Büchereien mit einem Buchbestand von mindestens 12.000 Bänden und durchschnittlich 48.000 Entleihungen im Jahr,

40

c) als Leiter von Stadtteilbüchereien (Nebenstellen) mit einem Buchbestand von mindestens 15.000 Bänden und durchschnittlich 60.000 Entleihungen im Jahr,

41

d) die für öffentliche Büchereien mit einem Buchbestand von mindestens 50.000 Bänden mit besonders schwierigen Fachaufgaben oder mit entsprechenden Tätigkeiten bei staatlichen Büchereistellen beschäftigt werden,

42

e) als Abteilungsleiter von Musikbüchereiabteilungen in öffentlichen Büchereien mit einem Bestand von mindestens 8.000 Bänden und Tonträgern.

43

Es kann dahingestellt werden, ob die Klägerin die Funktion einer Bibliotheksleiterin ausübt. Sie ist jedenfalls unstreitig als Alleinkraft mit der Führung der „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ betraut. Diese gesamte Tätigkeit der Klägerin ist als einziger großer Arbeitsvorgang zu verstehen. Sie hat eine einheitliche Funktion zu erfüllen, nämlich die Herstellung sowie Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bibliothek und deren Betrieb. Alle ihre Einzeltätigkeiten sind solche des Bibliotheksdienstes und dienen einem einheitlichen Arbeitsergebnis (so im Ergebnis auch BAG 11.02.2004 - 4 AZR 42/03, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 296; 25.03.1981 - 4 AZR 1012/78, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr.42). Selbst wenn man einige wenige Einzeltätigkeiten anders einordnen wollte, bliebe der o.g. große Arbeitsvorgang der allein entscheidungserhebliche. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, man könne die Tätigkeiten der Klägerin in einen oder mehrere Arbeitsvorgänge betreffend allein die Schulbibliothek und in einen oder mehrere Arbeitsvorgänge betreffend allein die Gemeindebibliothek aufspalten, kann dem nicht gefolgt werden. Die „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ ist eine einheitliche Einrichtung, hat einen einheitlichen Medienbestand, einheitliche keineswegs z.T. nur schulinterne Öffnungszeiten, einem einheitlichen Haushalt bzw. ein einheitliches Budget und eine einheitliche Benutzungsordnung. Nahezu alle Tätigkeiten betreffen die Einrichtung insgesamt. Allenfalls könnte man auf die Idee kommen, bei den Veranstaltungen je nach Zielpersonen und bei den Leihvorgängen als solchen, je nachdem, ob es sich bei den Entleihern um schulische oder außerschulische Personen handelt, trennen. Dies würde zu dem Kuriosum führen, dass die Klägerin etwa bei einer ansonsten völlig inhaltsgleichen Buchausleihe zwischen den einzelnen Arbeitsvorgängen hin- und herwechseln würde, je nachdem, ob gerade ein Schüler oder ein außerschulischer Benutzer vor ihr steht. Eine solche Annahme erscheint der Kammer nicht ernsthaft vertretbar.

44

Die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte in Büchereien kommen zunächst weitgehend ohne Rücksicht auf die Größe, die Ausstattung und den Inhalt der jeweiligen Bücherei zur Anwendung (vgl. hierzu auch BAG 26.05.1976 - 4 AZR 245/75, BAGE 28, 114). Allenfalls kann man verlangen, dass es sich um eine Büchersammlung von nicht ganz unerheblicher Größe handelt. Erst im Rahmen der Vergütungsgruppe IV b werden diesbezüglich weitergehende Voraussetzungen aufgestellt. Die konkrete Höhe des Buchbestandes etc. in der „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ ist daher für die hier zu entscheidenden Rechtsfragen ohne weitergehende Bedeutung. Eine ganz unerhebliche Größe kann bei einem Bestand von etwa 10.000 Medien jedenfalls nicht angenommen werden.

45

Im vorliegenden Fall steht fest und ist auch zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin als kommunale Angestellte in einer Bücherei tätig ist und für ihre Tätigkeiten gründliche und vielseitige Fachkenntnisse im Bibliotheksdienst und in nicht unerheblichem Umfange selbständige Tätigkeiten erforderlich sind. Gerade durch die Erstreckung auch auf sämtliche Verwaltungsaufgaben, die mit dem Betrieb einer Bibliothek einhergehen, erreichen die von der Klägerin geforderten gründlichen Fachkenntnisse insbesondere auch die erforderliche Breite. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Klägerin darüber hinaus auch die Voraussetzungen nach der Vergütungsgruppe V b = EGG 9 erfüllt.

46

Voraussetzung dafür ist zum einen, dass die Klägerin ihre Tätigkeit an einer wissenschaftlichen Bibliothek (Fallgr.16) oder an einer öffentlichen Bibliothek (Fallgr.17) erbringt. Nicht ausreichend ist etwa eine Tätigkeit an einer Schulbibliothek (BAG 11.02.2004 - 4 AZR 42/03, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 296). Die „Schul- und Gemeindebibliothek Z ist eine öffentliche Bibliothek.

47

Als Schulbibliothek wird im Gegensatz zur öffentlichen Bibliothek eine solche verstanden, die zwar für Schulangehörige, nicht aber für alle Gruppen und Schichten der Bevölkerung uneingeschränkt zugänglich ist. Charakteristisch für die öffentliche Bibliothek ist, dass diese für die gesamte Öffentlichkeit vorgesehen ist, allen Gruppen und Schichten der Bevölkerung einschließlich aller Altersgruppen Literatur zur Verfügung stellt und so der allgemeinen Information der allgemeinen, politischen und beruflichen Bildung sowie der Unterhaltung und den Freizeitinteressen der Bevölkerung insgesamt dient (BAG 11.02.2004 - 4 AZR 42/03, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 296; BAG 21.10.1998 - 4 AZR 564/97, BAT-O §§ 22, 23 Nr. 10). Dass auch eine Zusammenarbeit mit schulischen Bildungseinrichtungen erfolgt, gerade auch die Stärkung der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern sowie die Vermittlung von Freude an Literatur und Wissen bei diesen zu den Aufgaben der betreffenden Bibliothek gehört, führt allein noch nicht zur Einordnung als Schulbibliothek. Dies ist vielmehr, wie schon dem Bibliotheksgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zu entnehmen ist, ureigenste Aufgabe auch jeder öffentlichen Bibliothek. Auch die bloße räumliche Nähe zu einer Schule ist nicht entscheidend, solange die allgemeine Zugänglichkeit unabhängig vom Schulbetrieb gewahrt bleibt.

48

Die „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ ist während ihrer gesamten Öffnungszeit nicht nur für Schüler und Lehrer, sondern auch für außerschulische Personen zugänglich. Dies gilt sowohl für Zeiten in denen Schulbetrieb herrscht als auch für Zeiten in denen der Schulbetrieb ruht. Sie ist nach ihrer Benutzungsordnung für jeden Interessenten und damit für alle Schichten der Bevölkerung uneingeschränkt offen. Ob und wie viele Personen aus welcher Schicht der Bevölkerung diese Möglichkeit tatsächlich nutzen ist dabei ohne Bedeutung. Die von den Parteien vorgetragenen Statistiken und Zählungen sind insoweit ohne jeden Wert. Unerheblich ist es auch, dass im Rahmen der Kooperation mit Schulen zusätzlich auch gesonderte Veranstaltungen angeboten werden, die dann nicht für jeden Interessenten, sondern nur für eine entsprechende Zielgruppe offen sind. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass sich dies nicht alles im Rahmen des für öffentliche Bibliotheken ohnehin gesetzlich vorgesehenen Auftrags bewegt.

49

Es steht fest und ist auch zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin keine Fachausbildung abgeschlossen hat, welche der eines Diplombibliothekars entspricht. Sie hat kein einschlägiges Hochschul- oder Fachhochschulstudium absolviert, sondern verfügt lediglich über einen regelmäßig nach dreijähriger Berufsausbildung erwerbbaren Abschluss als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste Fachrichtung Bibliothek (früher Bibliotheksassistentin). Nach den Informationen die Berufenet zu den betreffenden Ausbildungen liefert, beschaffen, erschließen und vermitteln (Diplom)bibliothekare weitestgehend eigenständig und vollumfänglich Medien und Informationen. Demgegenüber wirken Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste der Fachrichtung Bibliothek lediglich beim Aufbau und der Pflege von Bibliotheksbeständen mit (vgl. www.berufenet.arbeitsagentur.de/berufe - zu Bibliothekar/in und Fachangestellte/r für Medien- u. Info.Dienste - Bibliothek).

50

Für die Klägerin kommt daher nur die 2. Alternative dieser Tätigkeitsmerkmale in Betracht. Diese setzt voraus, dass sie auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten wie ein Diplombibliothekar ausübt. Dazu muss sie in der in Betracht kommenden Fachrichtung auf allen Arbeitsplätzen qualitativ und quantitativ vergleichbar wie ein Diplombibliothekar eingesetzt werden können und dies durch entsprechende Berufserfahrung in der Praxis nachgewiesen haben (BAG 31.07.1963 - 4 AZR 425/62 AP § 3 TO.A Nr.101). Tätigkeiten auf einzelnen Teilgebieten sind nicht ausreichend. Dabei ist es anerkannt, dass es rechtlich möglich ist, aus der ausgeübten Tätigkeit eines Angestellten Rückschlüsse auf seine Fähigkeiten und Erfahrungen zu ziehen (BAG 29.09.1982 - 4 AZR 1161/79, BAT 1975 §§ 22, 23 Nr.66; 13.12.1978 - 4 AZR 322/77, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr.12; LAG Rheinland-Pfalz 05.06.2008 - 2 Sa 86/08 zitiert über Juris).

51

Im vorliegenden Fall lässt eine Betrachtung der Tätigkeit der Klägerin nur den Schluss zu, dass diese über die geforderten Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen muss sowie eine entsprechende Tätigkeit ausübt. Unstreitig übt die Klägerin sämtliche für die Führung der „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ erforderlichen Tätigkeiten eigenständig, eigenverantwortlich und im Wesentlichen allein aus. Keineswegs erfüllt sie nur Teilaufgaben oder wirkt lediglich -entsprechend ihrer eigentlichen Ausbildung- an der Verwaltung von Bibliotheksbeständen mit. Ein (Diplom)bibliothekar macht letztlich auch nichts anderes und muss auch nichts anderes in einer öffentlichen Bibliothek machen, als das, was die Klägerin hier täglich praktiziert. Unter ihren Aufgaben befinden sich auch konzeptionelle, die Ausrichtung und die Zielstellung der Bibliothek betreffende. Das die Tätigkeit als (Diplom)bibliothekar in einer normalen öffentlichen Bibliothek, die keine wissenschaftliche Bibliothek ist, ein stärkeres wissenschaftliches Arbeiten erfordert, als es die Klägerin an den Tag legt, kann nicht ohne tatsächliche Belege unterstellt werden. Vielmehr muss angenommen werden, dass, wenn die Klägerin die „Schul- und Gemeindebibliothek Z“ unbeanstandet führen kann, erst einmal nichts dagegen spricht, dass sie entsprechende weitgefasste Tätigkeiten auch in jeder anderen „normalen“ öffentlichen Bibliothek ordnungsgemäß auszuüben vermag.

II.

52

Die Klägerin hat damit kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf die entsprechenden tariflichen Vorschriften einen Anspruch erworben, auch tatsächlich nach der Vergütungsgruppe V b bzw. EEG 9 TVöD von ihrem Arbeitsvertragspartner bezahlt zu werden. Ein entsprechender Anspruch ist insbesondere nicht nach Maßgabe von § 37 TVöD verfallen. Jedenfalls mit Schreiben vom 30.08.2012 hat die Klägerin, für den eingeforderten Zeitraum ab 01.03.2012 rechtzeitig binnen sechs Monaten den entsprechenden Anspruch geltend gemacht.

III.

53

Die Kosten des Rechtsstreits hat nach Maßgabe von § 91 Abs.1 ZPO die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen.

54

Der Wert des Streitgegenstandes, der nach Maßgabe von § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von §§ 3ff. ZPO. Es erscheint angemessen, in entsprechender Anwendung von § 42 Abs 3 Satz 2 GKG den 36 fachen Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen und der begehrten Bruttomonatsvergütung zu Grunde zu legen.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 42 Wiederkehrende Leistungen


(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitneh

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.