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Die einstweilige Verfügung ist erfolgreich, da sie zulässig und begründet ist.
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Abzugrenzen sind die Sicherungs-(§§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935 ZPO), Regelungs-(§§ 62 Abs. 2 ArbGG, 940 ZPO) und Leistungsverfügung voneinander. Im Gegensatz zu den ersteren nimmt die letztere die Hauptsache zumindest teilweise vorweg. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Verfügungskläger möchte festgestellt haben, daß er nicht verpflichtet ist, in dem Zeitraum vom 06.10.2003 bis zum 07.11.2003 in der Teufelsbad Fachklinik Blankenburg GmbH zu arbeiten. Im Falle der Anordnung der einstweiligen Verfügung würden damit vollendete Tatsachen geschaffen, da wegen des Zeitablaufs die Tätigkeit nicht mehr nachgeholt werden kann. Also handelt es sich hier um eine Leistungsverfügung. Diese ist gesetzlich nicht geregelt, aber mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt. Es kann mithin dahinstehen, worin sie ihre dogmatische Grundlage findet.
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Ferner ist der Antrag zulässig.
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1. |
| Grundsätzlich kann Gegenstand einer einstweiligen Verfügung nur ein Anspruch sein, bezüglich dessen auch eine Zwangsvollstreckung in Betracht kommen kann. In erster Linie werden hiervon Leistungsansprüche erfaßt, auch soweit sie die Vornahme von Handlungen oder deren Unterlassung beinhalten. Ausgeschlossen ist der Erlaß einer einstweiligen Verfügung dann, wenn mit ihr ein Feststellungsanspruch verfolgt wird. Feststellungsurteile können nicht mit der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden, sie bilden nur die Grundlage für andere, der Zwangsvollstreckung zugängliche Rechtsansprüche. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann hier die Zulässigkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung anerkannt werden, wenn auf andere Weise das Gebot der Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet werden kann (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, 4. Aufl., § 62 ArbGG, Rn. 77 a). |
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2. |
| Hier liegt ein solcher Ausnahmefall vor. Der Verfügungskläger hat nur die Möglichkeit, Feststellung seiner fehlenden Verpflichtung zu verlangen. Er kann von der Verfügungsbeklagten weder die Vornahme einer Handlung (welcher?), noch deren Unterlassung (was?) verlangen. Damit könnte er sich nicht gegen die Anweisung mit Schreiben vom 04.09.2003 und 15.09.2003 wehren. Insofern bleibt ihm nur die Möglichkeit, ein Feststellungsurteil zu beantragen. Wenn er ohne ein solches zu seinen Gunsten der streitgegenständlichen Anweisung keine Folge leisten würde, so liefe er Gefahr, arbeitsrechtliche Maßnahmen von der Verfügungsbeklagten zu erhalten, wie aus deren Schreiben vom 15.09.2003 folgt. Hinzu kommt, daß zu erwarten ist, daß die Parteien sich an ein Feststellungsurteil im Wege der einstweiligen Verfügung trotz dessen fehlender Vollstreckbarkeit halten werden. Ein Hauptsacheverfahren wäre bis zum Beginn der streitgegenständlichen Maßnahme ab 06.12.2003 nicht erstinstanzlich abgeschlossen. Würde man in einem solchen Fall die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung auf Feststellung ablehnen, so hieße das, dem Verfügungskläger den Rechtsschutz zu versagen. In Anbetracht dieser Umstände ist im vorliegenden Fall die einstweilige Verfügung auf Feststellung ausnahmsweise zulässig. |
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Die einstweilige Verfügung ist darüber hinaus begründet. Sowohl der erforderliche Verfügungsanspruch als auch der notwendige Verfügungsgrund liegen vor.
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1. |
| Der Verfügungsanspruch ist gegeben. Die Anweisung der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 04.09.2003 und 15.09.2003 ist nicht von deren Direktionsrecht gedeckt. |
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a) |
| Mit dem Direktionsrecht, das nur in § 106 GewO, § 29 Abs. 1 Satz 2 Seemannsgesetz ausdrücklich gesetzlich normiert ist und im übrigen seine Grundlage im Wesen des Arbeitsverhältnisses hat, kann der Arbeitgeber Zeit, Ort, Inhalt sowie Art und Weise der zu leistenden Arbeit einseitig festlegen. Seine Grenzen finde das Direktionsrecht im Arbeitsvertrag, den kollektiven Regelungen und den Gesetzen (vgl. Erfurter Kommentar, 3. Aufl., § 611 BGB Rn. 274 f.; Dörner/Luczak/Wildschütz, 3. Aufl., A Rn. 640 f.). Außerdem darf das Direktionsrecht nur in den Grenzen des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, also nach billigem Ermessen ausgeübt werden; seit dem 01.01.2003 folgt das unmittelbar aus § 106 GewO. Eine Leistungsbestimmung entspricht dann billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (vgl. Erfurter Kommentar, a. a. O., § 611 BGB Rn. 278; Dörner/Luczak/Wildschütz, a. a. O., A Rn. 650 f.). Nur in Ausnahme- und Notsituationen ist der Arbeitgeber befugt, diese Grenzen zu überschreiten (vgl. BAG, 03.12.1980, 5 AZR 477/78). Notfälle sind unvorhergesehene widrige, unverhältnismäßig schadenstiftende Ereignisse, die außerhalb des Machtbereichs des Betroffenen liegen und von diesem nicht abgewendet und auch nicht vorweg verhindert und in Rechnung gestellt werden können. Darunter fallen höhere Gewalt, insbesondere Naturereignisse (Erdbeben, Überschwemmungen u. ä.) und unabwendbare Zufälle (Gebäudeeinsturz, Rohrbruch u. ä.). Ereignisse, die sich als Folge von Organisationsmängeln oder sonstigen fehlerhaften Entscheidungen des Arbeitgebers in dessen Verantwortungsbereich zeigen, sind keine Notfälle. So stellt der übliche Ausfall von Arbeitskräften durch Tod oder Krankheit keine Notsituation dar (vgl. Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2.5 Rn. 730, 731). Der außergewöhnliche Fall unterscheidet sich vom Notfall nur graduell. Außergewöhnliche Fälle sind besondere Situationen, die weder regelmäßig eintreten, noch vorhersehbar sind und die die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens mit sich bringen. Wie Notfälle müssen auch außergewöhnliche Fälle vorübergehender Natur sein. Der außergewöhnliche Fall setzt ferner voraus, daß er unabhängig vom Willen des Betroffenen eintritt und die Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind. Beispiele sind das Verderben von Rohstoffen oder Lebensmitteln, das Mißlingen von Arbeitsergebnissen sowie die Beseitigung einer Gefahr für Dritte (vgl. Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2.5 Rn. 732). |
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aa) |
| Der Verfügungskläger ist als Chefarzt bei der Verfügungsbeklagten eingestellt, wie aus dem Arbeitsvertrag vom 15.06.1987 folgt. Er war bis jetzt ausschließlich in der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags geplanten psychosomatischen Fachklinik ... tätig. Der Arbeitsvertrag enthält keinen örtlichen Versetzungsvorbehalt. Im Hinblick darauf ist die streitgegenständliche Anweisung nicht vom Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten gedeckt. Sie übersteigt die arbeitsvertraglichen Regelungen. |
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Ungeachtet dessen erstreckt sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht auf ein anderes Unternehmen desselben Konzerns. Der Einsatz eines Arbeitnehmers dort bedarf zuvor dessen Zustimmung – gegebenenfalls vorab im Arbeitsvertrag. Daran fehlt es hier.
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Des weiteren ist es dem Verfügungskläger im Hinblick auf sein Alter, seine Beschäftigungsdauer und seine familiären Verhältnisse nicht zumutbar, für etwa einen Monat mehrere Hundert Kilometer entfernt zu arbeiten. Daran ändert auch nichts der Ausfall von zwei Ärzten in der ... Bei diesen handelt es sich um Orthopäden. Demgegenüber ist der Verfügungskläger Facharzt für psychotherapeutische Medizin und innere Krankheiten. Folglich kann er die Orthopäden nicht ersetzen. Im übrigen betrifft das nicht die Verfügungsbeklagte, sondern ein anderes Unternehmen desselben Konzerns. Der Betriebsführungsvertrag zwischen der Verfügungsbeklagten und diesem Unternehmen ändert daran nichts. Andernfalls würde es sich dabei um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter (dem Verfügungskläger) handeln. Angesichts dessen ist die streitgegenständliche Anweisung unbillig.
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Es bleibt somit festzuhalten, daß die Verfügungsbeklagte mit ihren Schreiben vom 04.09.2003 und 15.09.2003 ihr Direktionsrecht überschritten hat.
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bb) |
| Sie war dazu auch nicht wegen eines Notfalls oder außergewöhnlichen Falls befugt. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob es sich bei der Unterbesetzung der ... um einen solchen Fall handelt oder nicht. Jedenfalls kann der Verfügungskläger als Facharzt für psychotherapeutische Medizin und innere Krankheiten nicht zwei Orthopäden ersetzen. Die streitgegenständliche Dienstanweisung ist daher ungeeignet, den vermeintlichen Notfall oder außergewöhnlichen Fall zu beheben. Im übrigen bestehen Zweifel daran, daß es sich überhaupt um einen Notfall oder außergewöhnlichen Fall handelt und nicht um eine schon vorher bestehende Unterbesetzung, die sich durch die Krankheit und das Ausscheiden von insgesamt zwei Ärzten verschärft hat. Dazu fehlen jedoch weitere Angaben, wie zu den Zeitpunkten des Ausscheidens und der Arbeitsunfähigkeit sowie zu den Vorbeugungs- und Überbrückungsmaßnahmen der ... oder des Konzerns. |
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Aus diesen Gründen ist die obige Anweisung der Verfügungsbeklagten rechtswidrig. Der Verfügungskläger ist daher nicht verpflichtet, dieser Folge zu leisten. Deshalb besteht der Verfügungsanspruch.
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2. |
| Darüber hinaus besteht der erforderliche Verfügungsgrund. |
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a) |
| Ein Verfügungsgrund besteht nur, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist. Damit keine vollendete Tatsachen ohne Not geschaffen werden, sind daran hohe Anforderungen zu stellen. Voraussetzung ist deshalb, daß bei Zurückweisung der einstweiligen Verfügung dem Verfügungskläger gravierende irreparable Nachteile entstehen, im Vergleich dazu müssen die Nachteile, welche die Verfügungsbeklagte im Falle der Anordnung einer einstweiligen Verfügung erleidet, gering wiegen. Letztlich sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. dazu Zöller, 23. Aufl., § 940 ZPO Rn. 6). |
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b) |
| Hier wäre ein Hauptsacheverfahren nicht vor Beginn der streitgegenständlichen Anordnung am 06.10.2003 abgeschlossen. Für den Fall, daß der Verfügungskläger sich dieser widersetzt, drohen ihm arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie aus dem Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 15.09.2003 folgt. Im Hinblick darauf ist der vorliegende Fall eilig. Hinzu kommt, daß die räumliche Entfernung dem Verfügungskläger im Hinblick auf sein Alter und seine familiären Verhältnisse nicht zuzumuten ist. Er würde daher bei Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahme schwer belastet. Für die Verfügungsbeklagte hat es gar keinen Nachteil, wenn der Verfügungskläger nicht verpflichtet ist, der streitgegenständlichen Anweisung Folge zu leisten. Nachteile hat das allenfalls für die demselben Konzern angehörige .... Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Verfügungskläger als Facharzt für psychotherapeutische Medizin und innere Krankheiten nicht den Ausfall zweier Orthopäden kompensieren kann. Insofern wiegen die Nachteile auf der Seite des Konzerns gering. |
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In Anbetracht dessen ist nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verfügungsgrund gegeben.
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Im Hinblick auf Umfang und Bedeutung des vorliegenden Verfahrens für die Parteien, insbesondere für den Verfügungskläger – wie im Kammerterminsprotokoll vom 19.09.2003 festgehalten – war der Streitwert i. H. v. 10.000,– EUR zu veranschlagen (vgl. Schräder, Streitwert-Lexikon Arbeitsrecht, Seite 36; Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht Seiten 41, 42).
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