Arbeitsgericht Herne Urteil, 01. Okt. 2015 - 4 Ca 1198/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Der Streitwert wird auf 4.367,86€ festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Zahlung von Branchenzuschlägen für Arbeitnehmerüberlassung in der Chemieindustrie für die Monate Oktober 2014 bis März 2015.
3Der Kläger ist bei der Beklagten auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26.11.2013 (vgl. Blatt 6-13 der Akte) seit dem 01.01.2014 als Projektmanager (ICT-Bereich) mit einer Bruttomonatsvergütung von rund 2.000,00 € brutto im Rahmen einer 40-Stunden-Woche beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem BAP und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit Anwendung (vgl. Nachtrag zum Arbeitsvertrag Blatt 14 der Akte). In § 1 des Tarifvertrages über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Chemischen Industrie (im Folgenden TV BZ Chemie) heißt es u.a.
4„§ 1 Geltungsbereich
5Dieser Tarifvertrag gilt:
61. Räumlich: (…)
72. Fachlich:
8Für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e. V. (BAP) und des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (iGZ), die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in einem Kundenbetrieb der Chemischen Industrie einsetzen. Als Kundenbetrieb der Chemischen Industrie gelten die Fertigungsbetriebe folgender Wirtschaftszweige, soweit sie nicht dem Handwerk zuzuordnen sind:
9- 10
Anorganische und organische Chemikalien und Grundstoffe
- 11
Kernchemie
- 12
Chemiefaser
- 13
Chemisch-technische Erzeugnisse
- 14
Biotechnologie
- 15
Nanotechnologie
- 16
Nachwachsende Rohstoffe
- 17
Brennstoffzelle und Wasserstofftechnik
sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-. Zubehör- und Montagebetriebe und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien und anderer Branchen, die den Chemievertrag anwenden.
19Bei Zweifelsfällen hinsichtlich der Einordnung eines Kundenbetriebs gilt als maßgebliches Entscheidungskriterium der im Kundenbetrieb angewandte Tarifvertrag. In dem Vertrag gem. § 12 AÜG ist die Branchenzugehörigkeit festzuhalten.
20(…)“
21Der Kläger arbeitet im Chemiepark K, in welchem er als Projektmanager beschäftigt und aufgrund eines zwischen der Beklagten und der E2 AG geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages für die Telekom im Einsatz ist. E AG hatte ihrerseits 2014 den Zuschlag für eine Beauftragung durch die F AG über die Erbringung von IT-Dienstleistungen erhalten. Zur Erfüllung dieses Vertrages setzt die E u. a. den Kläger in von der Firma F2 zur Verfügung gestellten Räumen bei der Firma F2 ein. Dabei hat E AG mit den von ihr gegenüber der Firma F2 zu erbringenden IT-Dienstleistungen die J GmbH als Subunternehmerin beauftragt. Die IT-Dienstleistungen werden von Mitarbeitern der J GmbH und den von der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeitnehmern erbracht. Zu den Aufgaben des Klägers gehören dabei bspw. die Wartung, Pflege und Umstellung der Rechnersysteme auf die jeweils benötigte Software und Betriebsprogramme. Ebenso ist er zuständig für das Office-Network sowie die Prozessleitsysteme in Laboren und Leitstellen. Die Arbeit bezieht sich insgesamt ausschließlich auf IT-Systeme der chemischen Industrie. Zuvor hatte der Kläger bereits seit Dezember 2011 auf demselben Arbeitsplatz gearbeitet, seinerzeitige Arbeitgeberin war die Firma B. Dieses Arbeitsverhältnis setzte sich nahtlos bei der Beklagten ab dem 01.01.2014 fort, nachdem der Kunde (Entleiher) dorthin wechselte.
22Mit Schreiben vom 30.01.2015 (vgl. Blatt 16 f. der Akte) forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung des Branchenzuschlags gemäß TV BZ Chemie auf.
23Mit seiner Klage vom 08.05.2015, eingegangen bei dem erkennenden Prozessgericht unter diesem Datum und der Beklagten zugestellt unter dem 15.05.2015, verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung von Branchenzuschlägen auf Grundlage des TV BZ Chemie gegenüber der Beklagten weiter.
24Der Kläger behauptet, dass es sich zwar bei dem unmittelbaren Entleiher um die Firma U2 handelt und damit einem Unternehmen, dass grundsätzlich nicht der Chemieindustrie zuzuordnen sei. Gleichwohl werde er über eine Werkvertragskonstruktion bei der Firma F2 und damit in der Chemischen Industrie eingesetzt. Die U2 verfüge im Chemiepark als auch an anderen Standorten von der Firma F2 über eigene Räumlichkeiten und beschäftige dort eine Vielzahl von Mitarbeitern (ca. 30 Techniker zzgl. Leitungspersonal), die im Sinne eines eigenständigen Betriebes ausschließlich für die IT-Dienstleistungen gegenüber der Firma F2 zuständig seien.
25Der Kläger ist daher der Auffassung, es handele sich dabei um eine in das Chemiewerk integrierte betriebliche Einheit von U2, die zumindest einen zum Wirtschaftszweig der Chemischen Industrie gehörenden ergänzenden Betrieb im Sinne des § 1 Ziffer 2 TV BZ Chemie darstelle.
26Der Kläger beantragt,
27die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.367,86 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen p.a. aus 623,98 € seit dem 01.11.2014, aus weiteren 623,98 € seit dem 01.02.2014, aus weiteren 623,98 € seit dem 01.01.2015 aus weiteren 623,98 € seit dem 01.02.2015, aus weiteren 623,98 € seit dem 01.03.2015, aus weiteren 623,98 € seit dem 01.04.2015, aus weiteren 623,98 € seit dem 01.05.2015, zu zahlen.
28Die Beklagte beantragte,
29die Klage abzuweisen.
30Die Beklagte behauptet, die Firma U2 unterhalte bei der Firma F2 in dem Chemiepark K keinen eigenen Standort und habe dort auch keine eigenen Räumlichkeiten. Auf dem Gelände des Chemieparks sei kein einziger U2-Mitarbeiter tätig. Die Räume, in denen auf dem Chemieparkgelände in K gearbeitet würden, seien Gemeinschaftsräume in einem Verwaltungsgebäude und würden gemeinsam von Mitarbeitern der Beklagten, der Firma J GmbH und auch von Mitarbeitern der Firma F2 genutzt. Arbeitgeberfunktionen würden dort mit Ausnahme der für die Arbeitnehmerüberlassung typischen Weisungsbefugnis hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung der Arbeiten weder von der Firma U2 noch von der Firma J GmbH wahrgenommen.
31Die Beklagte ist der Auffassung, der Anwendungsbereich des TV BZ Chemie sei nicht eröffnet. So sei zunächst festzuhalten, dass es sich bei dem Kundenbetrieb der Firma U2 am Standort im Chemiepark in K um keine eigenständige, abgrenzbare Betriebseinheit handele und es sich dabei auch nicht um einen Fertigungsbetrieb der Chemieindustrie handele. Die Anwendbarkeit des TV BZ Chemie zugunsten des Klägers setzte daher voraus, dass die Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebe, sowie Zweigniederlassungen denselben Betriebsinhaber wie der Hauptbetrieb aufwiesen, mit diesem also identisch seien müssten.
32Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen mündlich geäußerten Rechtsauffassungen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die Klage bleibt ohne Erfolg.
35I.
36Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bezahlung von Branchenzuschläge nach dem TV BZ Chemie.
37Der fachliche Geltungsbereich des TV BZ Chemie ist im Hinblick auf den Kläger bzw. dessen Einsatzbereich nicht eröffnet.
381.
39Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der TV BZ Chemie über die Bezugnahmeklausel in § 1 der Anlage zum Arbeitsvertrag vom 30.12.2013 (vgl. Blatt 14 der Akte) grundsätzlich zur Anwendung kommen, sofern der fachliche Geltungsbereich des TV BZ Chemie einschlägig ist, weil es sich dann um einen einschlägigen Tarifvertrag handelt.
402.
41Indessen ist der fachliche Geltungsbereich von § 1 Ziffer 2 des TV BZ Chemie nicht eröffnet.
42Denn der Entleiherbetrieb, bei dem der Kläger während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eingesetzt war und ist, stellt keinen Kundenbetrieb im Sinne des tariflichen Geltungsbereichs dar. Dies folgt aus der Auslegung von § 1 Ziffer 2 TV BZ Chemie.
43a)
44Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach denselben Regeln und Grundsätzen, wie die Auslegung von Gesetzen. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu ermitteln ist der Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu verhaften. Über den reinen Wortlaut hinaus, ist der wahre Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Bestimmung seinen Niederschlag gefunden hat. Weiterhin ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, denn dieser liefert Anhaltspunkte für den wahren Willen der Tarifvertragsparteien und nur auf diese Weise kann der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden (ständige Rechtsprechung des BAG vom 12.09.1984, 4 AZR 336/82, AP zu § 1 TVG Auslegung Nr. 35; BAG vom 20.03.1996, 4 AZR 906/94, AP zu § 23 a) BAT Nr. 36; BAG vom 16.06.2004, AP zu § 4 TVG Effektivklausel Nr. 24). Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus, welchen Zweck die Tarifvertragsparteien mit der Norm im Einzelfall oder dem Normenkomplex verfolgen. Insoweit ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine vernünftige und praktisch brauchbare Regelung treffen wollen, sodass derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen des Arbeitslebens am besten entspricht (vgl. BAG vom 09.03.1983, 4 AZR 61/80, AP zu § 1 TVG Auslegung Nr. 128; BAG vom 29.08.2001, AP zu § 1 TVG Auslegung Nr. 174).
45b)
46Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich die erkennende Kammer anschließt, ist der fachliche Geltungsbereich des TV BZ Chemie für den Kläger vorliegend nicht eröffnet.
47aa)
48Zur Bestimmung seines fachlichen Geltungsbereichs spricht der TV BZ Chemie in Satz 1 des § 1 Ziffer 2 einleitend von einem Einsatz in einem „Kundenbetrieb der Chemischen Industrie“. In Satz zwei erschließt sich eine nähere Erläuterung dieses Tarifbegriffs „Kundenbetrieb der Chemischen Industrie“ an. Im ersten Halbsatz von Satz zwei zählt der Tarifvertrag zunächst in zehn Spiegelstrichen bestimmte Wirtschaftzweige auf und stellt klar, dass die Betriebe dieser Wirtschaftszweige „sowie die Betriebe artverwandter Industrien“ als Kundenbetriebe der Chemischen Industrie „gelten“. Aufgrund der Regelungstechnik der tariflichen Fiktion („gelten“) kommt es für die Zuordnung eines Betriebes der aufgezählten Wirtschaftszweige oder artverwandter Industrien nicht mehr auf etwaige sonstige allgemeine Abgrenzungskriterien an. Maßgebend für die Zuordnung eines Betriebes zur Chemischen Industrie ist dann allein die tarifliche Fiktion (so bereits Thüringer LAG vom 23.10.2010, 3 Sa 86/14, juris für den TV BZ Metall- und Elektroindustrie).
49bb)
50Neben dem Element der tariflichen Fiktion nennt der Tarifvertrag das wesentliche Anknüpfungsobjekt für die Auslegung und Anwendung des § 1 Ziffer 2 TV BZ Chemie. Der fachliche Geltungsbereich wird hiernach anhand der Organisationseinheit eines „Betriebes“ bestimmt (so bereits Thüringer LAG vom 23.10.2014, 3 Sa 86/14, juris bezüglich des TV BZ Metall- und Elektroindustrie m.w.N.).
51Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen erscheint zwar vorliegend nach dem Vorbringen des Klägers nicht gleichsam von vorneherein ausgeschlossen, dass die Beklagte (ggf. zusammen mit der Firma J2) eine organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln einschließlich von Beschäftigten am Standort in K unterhält. Diese rechtliche Einordnung hatte vorliegend jedoch letztlich dahinzustehen. Denn auch bei einem entsprechenden betrieblichen Verständnis, wie es der Kläger nach seinem Sachvortrag aufzeigt, unterfiele dieser nicht einem der Wirtschaftszweige, wie sie im § 1 Ziffer 2 TV BZ Chemie nummeriert sind. Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände der Standort der Beklagten als Fertigungsbetrieb aufgefasst werden könnte. Nach dem Vorbringen des Klägers erfolgen dort im Wesentlichen IT-Dienstleistungen. Die im Katalog genannten Wirtschaftszweige sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass Produkte hergestellt oder wenigstens (weiter-) bearbeitet werden. Einen solchen arbeitstechnischen Vorgang, der im Ergebnis eine Fertigung bzw. Produkterstellung darzustellen geeignet wäre, lässt sich indessen dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Vielmehr ist danach allein von der Erbringung von Dienstleistungen in dem betrieblichen Bereich auszugehen, in welchem der Kläger eingesetzt wird.
52c)
53Der Entleiherbetrieb zählt schließlich –entgegen der Hinsicht des Klägers– auch nicht als Betrieb „zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebe und Zweigniederlassungen“.
54Denn die Zuordnung zu einem solchen Betrieb im Sinne von § 1 Ziffer 2 Satz 3, 2. HS. TV BZ Chemie setzt nach Auffassung der erkennenden Kammer eine Führung bzw. rechtliche Verbundenheit dieser Betriebe mit den Fertigungsbetrieben der tariflich benannten Art voraus.
55Geht man zunächst nur vom Wortlaut „als Kundenbetriebe der Chemischen Industrie“ gelten (…) sowie die zu den Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebe“ aus, wäre nach Maßgabe der obigen Überlegungen wiederum auf den vom Entleiherunternehmen U2 verfolgten arbeitstechnischen Zweck „Erbringen von Dienstleistungen“ abzustellen. Da die U2 Dienstleistungen für den Betrieb der Firma J GmbH bzw. der Firma F2 und damit im Ergebnis zugunsten der Chemieindustrie erbringt, erscheint der erweiterte Zuordnungstatbestand nicht per se als ausgeschlossen.
56Der Passus „die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebe“ bedarf jedoch der Auslegung. „Zu etwas gehören“ bedeutet „einschlägig“, „entsprechend“ oder auch nur allgemein „zugehörig“ (Duden online im Internet Stichwort: „dazugehören“, Stand: 23.10.2014). Dies erlaubt ein Auslegungsergebnis, wonach jegliche zum Führen eines Betriebes „dazugehörende“ Dienstleistung vom fachlichen Geltungsbereich des TV BZ erfasst wäre. Ein am Wirtschaftsleben teilnehmender Betrieb nimmt in Zeiten zunehmender Arbeitsteilung eine kaum überschaubare Anzahl von Dienstleistungen in Anspruch. Diese reichen von Beratungsleistungen, kaufmännischen und technischen Unterstützungsleistungen bis hin zu Postzustellleistungen. Der Begriff der Zugehörigkeit kann aber auch bedeuten, dass die Dienstleistungen für einen Betrieb der erwähnten Wirtschaftszweige „einschlägig“ sein muss. Erfasst würden danach nur Dienstleistungsbetriebe, die etwa mit dem Erbringen von IT-Dienstleistungen für einen Betrieb gleichsam betriebsnotwendig wären. Tatsächlich würde sich der Geltungsbereich des TV BZ Chemie mit der eingangs erwähnten Wortlautinterpretation auf jegliche Dienstleistungsbetriebe erstrecken, wodurch eine praktikable und vernünftige Handhabung der Branchenzuschläge in Frage gestellt würde (so LAG Thüringen vom 23.10.2014, 3 Sa 86/14, juris zu dem TV BZ Metall- und Elektroindustrie).
57Aus dem Fehlen des Passusses „und sonstige Hilfs- und Nebenbetriebe“ (im Vergleich zu anderen Tarifverträgen mit Branchenzuschlagsregelungen) folgt indessen keine umkehrschlussfähige Bewertung dergestalt, dass dadurch auf eine Zugehörigkeit des „Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebs“ zu einem Betrieb des Unternehmens der erwähnten Wirtschaftszweige entbehrlich wäre. Denn die den fachlichen Anwendungsbereich der Fertigungsbetriebe ausdehnende Tarifregelung in § 1 Ziffer 2 Satz 3, 2. HS. TV BZ Chemie erwähnt als Weiterung auch „Zweigniederlassungen“. Mangels tariflicher Legaldefinition bietet sich hierbei zunächst eine Orientierung an den handelsrechtlichen Bestimmungen für die Errichtung einer Zweigniederlassung an. Gemäß § 13 HGB ist eine Zweigniederlassung von einem Einzelkaufmann oder einer juristischen Person beim Gericht der Hauptniederlassung, von einer Handelsgesellschaft beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft nach näheren Maßgaben anzumelden. Dabei ist die Zweigniederlassung mehr als nur eine unselbstständige Betriebs- oder Hilfsstelle, sie ist aber kein rechtlich selbstständiges Unternehmen, auch wenn sie räumlich, wirtschaftlich und organisatorisch von der Hauptniederlassung getrennt ist (so bereits LAG Thüringen vom 23.10.2014, 3 Sa 86/14 unter Bezugnahme auf Rechtswörterbuch.de, online im Internet; Stichwort: „Zweigniederlassung“; Stand: 23.10.2014).
58Die ausdrückliche Einbeziehung von Zweigniederlassungen, die ebenfalls von dem Unternehmen der Hauptniederlassung geführt werden müssen, führt zu dem Auslegungsergebnis, das im gleichen Maße Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebe nur dann von § 1 Ziffer 2 Satz 3, 2. HS. TV BZ Chemie erfasst werden, wenn sie als „Reparatur-, Zubehör- und Montagebetrieb“ von demselben Unternehmer des Fertigungsbetriebs geführt werden.
59Da der Einsatzbetrieb des Klägers weder ein Fertigungsbetrieb der Chemischen Industrie ist, noch eine Zweigniederlassung der Firma F2 darstellt, gilt er auch nicht kraft tariflicher Fiktion als Kundenbetrieb der Chemischen Industrie nach § 1 Ziffer 2 Satz 3 TV BZ Chemie.
60d)
61Letztlich ist der fachliche Anwendungsbereich auch nicht nach Maßgabe von § 1 Ziffer 2 Satz 4 TV BZ Chemie eröffnet.
62Denn diese tarifliche Regelung für Zweifelsfälle setzt voraus, dass ein solcher Zweifelsfall vorliegt. Dieser ist jedoch nach den Ausführungen dieser Entscheidung gerade nicht gegeben.
63II.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
65Der Kläger ist die im Rechtsstreit unterlegene Partei und hat demgemäß die Kosten zu tragen.
66III.
67Die Entscheidung über den Streitwert gründet auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO und berechnet sich aus der Höhe der zur Zahlung begehrten Forderung.
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(1) Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Schriftform. Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend. In der Urkunde hat der Verleiher zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 besitzt. Der Entleiher hat in der Urkunde anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten; Letzteres gilt nicht, soweit die Voraussetzungen der in § 8 Absatz 2 und 4 Satz 2 genannten Ausnahme vorliegen.
(2) Der Verleiher hat den Entleiher unverzüglich über den Zeitpunkt des Wegfalls der Erlaubnis zu unterrichten. In den Fällen der Nichtverlängerung (§ 2 Abs. 4 Satz 3), der Rücknahme (§ 4) oder des Widerrufs (§ 5) hat er ihn ferner auf das voraussichtliche Ende der Abwicklung (§ 2 Abs. 4 Satz 4) und die gesetzliche Abwicklungsfrist (§ 2 Abs. 4 Satz 4 letzter Halbsatz) hinzuweisen.
(3) (weggefallen)
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist von einem Einzelkaufmann oder einer juristischen Person beim Gericht der Hauptniederlassung, von einer Handelsgesellschaft beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft, unter Angabe des Ortes und der inländischen Geschäftsanschrift der Zweigniederlassung und des Zusatzes, falls der Firma der Zweigniederlassung ein solcher beigefügt wird, zur Eintragung anzumelden. In gleicher Weise sind spätere Änderungen der die Zweigniederlassung betreffenden einzutragenden Tatsachen anzumelden.
(2) Das zuständige Gericht trägt die Zweigniederlassung auf dem Registerblatt der Hauptniederlassung oder des Sitzes unter Angabe des Ortes sowie der inländischen Geschäftsanschrift der Zweigniederlassung und des Zusatzes, falls der Firma der Zweigniederlassung ein solcher beigefügt ist, ein, es sei denn, die Zweigniederlassung ist offensichtlich nicht errichtet worden.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Aufhebung der Zweigniederlassung.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.