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Die zulässige Klage ist in ihrem zuletzt noch zur Entscheidung gestellten Umfang begründet.
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Der Kläger kann von der Beklagten auf Grundlage von § 10.5 des MTV die Zahlung einer Zuwendung für das Jahr 2005 in Höhe von 90 % seiner Grundvergütung verlangen. Dies entspricht dem mit Klageantrag zu Ziffer 1 eingeforderten Betrag in Höhe von EUR 1.811,98 brutto. Des Weiteren hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.01.2006.
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1. Der Anspruch auf Zahlung einer Zuwendung für das Jahr 2005 ist zunächst unstreitig gemäß § 10.5 MTV entstanden.
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2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Anspruch auch nicht infolge der Verzichtserklärung des Klägers in der Zusatzvereinbarung vom 14.09.2004 untergegangen. Denn dieser Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB) stand unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass alle Arbeitnehmer der Beklagten eine entsprechende Zusatzvereinbarung zu ihren Dienstverträgen unterzeichnen. Dies ist unstreitig nicht der Fall, da mit ca. 85 Arbeitnehmern lediglich etwa zwei Drittel der gesamten Belegschaft einen solchen Verzicht erklärt haben.
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a) Der Beklagten ist zunächst zuzugeben, dass in der schriftlichen Zusatzvereinbarung vom 14.09.2004 selber eine solche Bedingung nicht ausdrücklich festgehalten wurde.
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Für diese über ein Rechtsgeschäft (Ergänzung bzw. Modifikation der bestehenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses) aufgenommene Urkunde besteht grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit. Diese Vermutung ist allerdings widerleglich, wobei an den Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Auflage, § 125 BGB, Rn 15 m. w. N.).
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b) Zur Überzeugung der Kammer ist die in der Zusatzvereinbarung vom 14.09.2004 enthaltene Vermutung der Vollständigkeit hiernach widerlegt. Die Parteien haben in einer Nebenabrede die Wirksamkeit des in der Vereinbarung enthaltenen Erlassvertrages an den Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses und damit einer Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB geknüpft.
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aa) Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Geschäftsführers der Komplementärin der Beklagten vom 27.09.2004 im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB.
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Demnach sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, wobei der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist.
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Aus dem Schreiben vom 27.09.2004 ergibt sich vor diesem Hintergrund Folgendes:
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Im 3. Absatz des Schreibens nimmt der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten Bezug auf die durch den Verwaltungsdirektor bereits "eingeleitete Initiative, aufgrund derer sich viele Mitarbeiter, wenn nicht sogar die große Mehrheit der Mitarbeiter bereit erklärt hat, auf bestimmte Leistungen, wie z.B. Zuwendungen und Urlaubsgeld, zu verzichten." Zu diesem Zeitpunkt hatten insofern unstreitig bereits viele, aber nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten eine entsprechende Zusatzvereinbarung unterzeichnet.
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Diesen bis dahin erfolgten Beitrag der Belegschaft hat der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten indes nicht als ausreichend angesehen, um die eingangs in seinem Schreiben geschilderte schwierige wirtschaftliche Situation zu überwinden. Denn seine Bereitschaft, die Initiative des Verwaltungsdirektors dadurch zu unterstützen, dass er für eine Pachtsenkung sorgen werde, hat der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten im 4. Absatz des Schreibens ausdrücklich an die Voraussetzung geknüpft, "dass
alle Mitarbeiter
die Ergänzung zum Arbeitsvertrag unterschreiben". Nur so könne aus seiner Sicht die aktuell sehr schwierige wirtschaftliche Situation mittelfristig beseitigt werden.
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Beide Punkte - Personalkostensenkung sowie Pachtreduzierung - hat er sodann im vorletzten Absatz nochmals aufgegriffen: "Sollte, wider Erwarten,
diese gemeinsame von Ihnen mitgetragene Aktion
nicht zustande kommen (Absenkung von Personalkosten und Pacht) wird denjenigen, die die Ergänzung zum Arbeitsvertrag unterschrieben haben kein Nachteil entstehen. In diesem Fall wird die Ergänzung zum Arbeitsvertrag gegenstandslos".
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Diese Erklärung kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht isoliert betrachtet und allein darauf bezogen werden, dass neben einer Personalkostensenkung - gleich welchen Umfangs - jedenfalls eine Pachtreduzierung erreicht wird. Denn als Voraussetzung der hier in Bezug genommenen "gemeinsamen von Ihnen mitgetragenen Aktion" bzw. für deren Erfolg hat der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zuvor ausdrücklich die
Mitwirkung aller Mitarbeiter
durch Unterschrift einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag benannt, in deren Folge er dann erst für eine Pachtsenkung sorgen werde.
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Im Gesamtzusammenhang des Schreibens ist der vorletzte Absatz mithin dahingehend zu verstehen, dass die Wirksamkeit der Verzichtserklärungen nicht zuvorderst von einer Absenkung der Pacht abhängig sein sollte, sondern vielmehr - quasi als Eingangsvoraussetzung - von einem Verzicht aller Mitarbeiter. Denn der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten hat erklärt, für eine Pachtabsenkung überhaupt nur dann zu sorgen, wenn zuvor sämtliche Mitarbeiter einen Verzicht auf Zuwendung und Urlaubsgeld erklären. Für den Fall, dass dieser gemeinsame Beitrag nicht zustande kommen sollte, sollte denjenigen, die bereits Zusatzvereinbarungen unterzeichnet hatten, kein Nachteil entstehen.
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Dafür, dass die Aussagen in dem Schreiben entsprechend dem Vortrag der Beklagten lediglich die Fälle betreffen sollten, dass es entweder nicht zu einer Pachtabsenkung kommen werde oder aber mit der Gewerkschaft auf tarifvertraglicher Ebene eine einheitliche Lösung herbeigeführt werden könne, finden sich in dem Schreiben nach alle dem keine hinreichenden Anhaltspunkte. Letzteres ist nicht einmal ansatzweise erwähnt.
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bb) Das Schreiben der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di e.V. vom 23.11.2004 kann für die Auslegung insofern allenfalls ergänzend herangezogen werden. Denn zum einen nimmt es Bezug auf Erklärungen, die beklagtenseits im Rahmen von Tarifverhandlungen, also nicht direkt gegenüber dem Kläger abgegeben worden sein sollen. Zum anderen richtet sich auch das Schreiben selber nicht an den Kläger, sondern an die Beklagte. Im Rahmen der nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung kommt es aber entscheidend auf die zwischen den Parteien abgegebenen Erklärungen an.
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Davon abgesehen steht der Inhalt dieses Schreibens jedenfalls in keinem Widerspruch zu der vorstehend gefundenen Auslegung. Wenn die Beklagte den Gewerkschaftsvertretern zugesagt hat, die einzelvertraglichen Vereinbarungen im Falle einer einheitlichen tarifvertraglichen Regelung als gegenstandslos anzusehen, schließt dies eine Vereinbarung mit den einzelnen Arbeitnehmern - hier: dem Kläger - nicht aus, wonach die Wirkungslosigkeit der Verzichtserklärungen auch infolge anderer Umstände - hier: Unterzeichnung nicht durch sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - eintreten sollte. Beide Fälle würden schließlich gegebenenfalls gleichermaßen dazu führen, dass diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Verzichtserklärungen abgegeben haben, gegenüber den anderen, welche keinen persönlichen Verzicht leisten, im Nachteil stünden.
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cc) Einer weiteren Aufklärung, welche Erklärung der ehemalige Verwaltungsdirektor der Beklagten am 15.09.2004 gegenüber dem Kläger und den anderen anwesenden Mitarbeitern genau abgegeben hat, bedurfte es nicht.
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Denn sofern er sich mit dem klägerseits behaupteten Wortlaut geäußert haben sollte, wonach die Zusatzvereinbarung nur dann Gültigkeit erhalten sollte, wenn alle Beschäftigten unterzeichnen würden, und dass daher niemandem Nachteile entstehen würden, wäre diese mündliche Zusage durch das Schreiben vom 27.09.2004 lediglich noch einmal bestätigt worden.
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Sollte der damalige Verwaltungsdirektor sich wie von der Beklagten behauptet geäußert haben, würde sich ebenfalls keine andere Einschätzung ergeben.
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Mit Schriftsatz vom 07.08.2006 hat die Beklagte insoweit vorgetragen: "...sagte Herr S…. den ersten Unterschreibenden (...) zu, dass wenn die Eigentümerin sich nicht bereit erklärte, auch verzichtet (Pachtverzicht) zu leisten, er diese Zusatzvereinbarung in den Reißwolf werfen werde und somit keiner dieser Unterzeichner Nachteile durch diese frühe Unterschrift zu erwarten hätte." Des Weiteren soll Herr S…. "immer erklärt haben, dass, sollte die Vereinbarung auf gegenseitigen Verzicht (Verzicht auf Leistungen aus dem Tarifvertrag / Verzicht auf Pacht) nicht zustande kommen, die Zusatzvereinbarungen vernichtet werden."
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Nach diesen Formulierungen bestehen bereits Zweifel, was genau der Verwaltungsdirektor nach der Behauptung der Beklagten gesagt haben soll. Denn der Umstand, dass gerade die wesentlichen Passagen - ... (Pachtverzicht) ... und ... (Verzicht auf Leistungen aus dem Tarifvertrag / Verzicht auf Pacht) ... - in Klammern gesetzt wurden, lässt vermuten, dass es sich hierbei nicht um wörtliche Äußerungen, sondern möglicherweise nur gedankliche Vorgänge gehandelt haben soll.
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Dies kann indes dahinstehen. Denn selbst wenn die Erklärungen des Verwaltungsdirektors am 15.09.2004 ihren inhaltlichen Schwerpunkt erkennbar auf einer Gegenseitigkeit von Verzichtsleistungen, insbesondere einer Pachtreduzierung, gehabt haben sollten, stünde auch dies jedenfalls nicht im Widerspruch zu den späteren schriftlichen Erklärungen vom 27.09.2004. Denn diese greifen ebenfalls den Pachtverzicht auf, knüpfen die weiteren Bemühungen um diesen jedoch - wie dargelegt - erkennbar an einen vorherigen Verzicht aller Mitarbeiter auf die Sonderzahlungen, nachdem die bis dahin erfolgten ca. 60 Verzichtserklärungen nicht als ausreichend betrachtet wurden. Da das Schreiben zeitlich nach den streitigen mündlichen Äußerungen erfolgte, wären im Übrigen die früheren, selbst wenn anderslautenden Erklärungen im Zweifel überholt. Dies zumal das Schreiben durch den Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten persönlich verfasst wurde, mithin von "höchster Stelle" der Beklagten stammt.
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dd) Da es sich für den Kläger ersichtlich als lediglich rechtlich vorteilhaft darstellte, die Wirksamkeit seiner Verzichtserklärung an eine solche Bedingung zu knüpfen, war eine entsprechende ausdrückliche Annahmeerklärung des Angebots auf Vereinbarung der Bedingung gemäß § 151 BGB nach den Umständen schließlich nicht zu erwarten und daher nicht erforderlich.
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c) Unstreitig steht fest, dass nicht sämtliche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Beklagten eine Verzichtserklärung abgegeben haben bzw. abgeben werden. Die vom Kläger unterzeichnete Zusatzvereinbarung zum Dienstvertrag vom 14.09.2004 ist mithin gegenstandslos und führte nicht zum Untergang seines Anspruches auf Zahlung einer Zuwendung für das Jahr 2005.
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3. Der Zinsausspruch folgt aus § 288 Abs. 1 in Verbindung mit § 291 BGB. Die Forderung ist ab Eintritt der Rechtshängigkeit zu verzinsen. Dies war hier der 27.01.2006, nachdem die Klage der Beklagten an diesem Tag zugestellt worden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 91, 92, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Im Umfang seiner teilweisen Klagerücknahme hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die darüber hinaus gehenden Kosten fallen der Beklagten als unterlegene Partei zur Last. Dies entspricht vorliegend einer Kostenquote von 8 % zu Lasten des Klägers und 92 % zu Lasten der Beklagten.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 3 ZPO. Demnach ist der zuletzt noch eingeforderte Betrag anzusetzen.
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