Arbeitsgericht Halle Urteil, 21. März 2013 - 2 Ca 1674/12

ECLI:ECLI:DE:ARBGHAL:2013:0321.2CA1674.12.0A
bei uns veröffentlicht am21.03.2013

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 1106,96 €.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob Umkleidezeiten und mit dem Umkleiden zusammenhängende Zeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

2

Der zum Zeitpunkt der Klageeinreichung 36 Jahre alte Kläger steht auf der Grundlage des Arbeitsvertrages der Parteien vom 19.09.2001 (Bl. 5 ff. d.A.) in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als Servicekraft. Der Bruttostundenlohn des Klägers betrug zuletzt (zum Zeitpunkt der Einreichung der vorliegenden Klage) 8,55 €. Der Kläger ist nach der Regelung in § 9 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 19.09.2001 zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet.

3

Die Beklagte betreibt in Halle zwei Lichtspieltheater.

4

Im Betrieb der Beklagten gilt seit dem 20.09.2010 die mit „Betriebsvereinbarung zur Dienstleistung und Trageordnung“ überschriebene Betriebsvereinbarung. Auf deren Inhalt (Bl. 10 d.A.) wird Bezug genommen. Darüber hinaus findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung die „Ergänzung (1) zur Betriebsvereinbarung Dienstkleidung und Trageordnung“ vom 27.02.2012 (Bl. 14 d.A.).

5

Die Beklagte berücksichtigte bis zum 27.02.2012 Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung nicht als Arbeitszeit. Seit dem 27.02.2012 findet auch im Falle des Klägers Anwendung die „Betriebsvereinbarung zur Dienstkleidung und Trageordnung“.

6

Dem Kläger stellt die Beklagte, wie in § 3 dieser Betriebsvereinbarung vereinbart, mindestens 4 Poloshirts und 4 Hemden, Pullover und Krawatte zur Verfügung. Auch in der Zeit davor stellte die Beklagte dem Kläger diese Kleidungstücke zur Verfügung.

7

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis einschließlich 26.02.2012 die Zahlung von Vergütung für das An- und Ablegen der Dienstkleidung vor und nach insgesamt von ihm in diesem Zeitraum geleistete Schichten.

8

Der Kläger berechnet für das An- und Auskleiden je Schicht einen zeitlichen Aufwand von 15 Minuten und hält diesen für vergütungspflichtig. Die dementsprechende Klage vom 04.06.2012 wurde der Beklagten zugestellt am 21.06.2012.

9

Der Kläger ist der Auffassung, dass An- und Ablegen der Dienstkleidung durch den Kläger sei ausschließlich fremdnützig. Die dem Kläger von der Beklagten überlassene Kleidung so beschaffen sei, dass sie wegen ihrer Auffälligkeit nicht im öffentlichen Raum, also auf dem Weg von und zur Arbeit, getragen werden könne. Deshalb sei die Zeit für das An- und Ablegen der Dienstkleidung Arbeitszeit und sei dementsprechend zu vergüten. Der Kläger lege pro geleisteter Dienstschicht in Übereinstimmung mit der „Ergänzung (1) zur Betriebsvereinbarung Dienstkleidung und Trageordnung“ vom 27.02.2012 auch für die Zeit vor Inkrafttreten der „Ergänzung (1) zur Betriebsvereinbarung Dienstkleidung“ einen zu vergütenden Zeitumfang von 15 Minuten zugrunde. Entsprechend der dem Kläger jeweils gezahlten Bruttovergütung errechne sich für von ihm insgesamt 523 in der Zeit vor dem 26.02.2012 geleistete Schichten ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.106,96 €. Er habe jeweils Dienstkleidung getragen. Die Zugrundelegung einer Umkleidezeit von 15 Minuten sei auch sachgerecht für das Umkleiden vor und nach der Arbeitsschicht. Darüber hinaus könne die Dienstkleidung, jedenfalls wenn sie in einer Tasche mitgeführt werde, nicht ohne weiteres getragen werden. Um das gepflegte Auftreten, wie in § 6 der Betriebsvereinbarung vereinbart, sicher zu stellen, müsse die Oberkleidung regelmäßig noch aufgebügelt werden. Die Beklagte halte zu diesem Zweck ein Bügelbrett und ein Bügeleisen für die Mitarbeiter zur Verfügung. Eine Regelungsabrede hinsichtlich der Umkleidezeit hätten die Betriebsparteien im September 2010 nicht geschlossen. Darüber hinaus sei die Gesamtbetriebsvereinbarung Interflex nicht mehr in Kraft.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.106,96 € brutto Vergütung zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2012.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen

14

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung für geleistete Arbeitszeit. Die geltend gemachte Forderung werde dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Es werde bereits bestritten, dass der Kläger für das An- und Ablegen der ihm gestellten Dienstkleidung, insbesondere Oberbekleidung und Krawatte, 15 Minuten benötige. Darüber hinaus sei die dem Kläger zur Verfügung gestellte Dienstkleidung auch nicht besonders auffällig und nicht lediglich fremdnützig. Unabhängig davon habe die Beklagte im September 2010 mit dem Betriebsrat eine Regelungsabrede zur Vergütung von Umkleidezeit getroffen und den Mitarbeitern bekannt gegeben.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die von dem Kläger eingereichten Fotografien der Dienstkleidung, und die Protokolle der Güteverhandlung vom 11.09.2012 und der Kammerverhandlung vom 21.03.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 1.106,96 € brutto.

17

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob das An- und Ablegen der dem Kläger durch die Beklagte zur Verfügung gestellten Oberkleidung (Polo-Shirt bzw. Hemd und Krawatte) als „Arbeit“ anzusehen ist. Dies bejaht der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts, wenn mit dem Umkleiden nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllt wird. Letzteres verneint das Bundsarbeitsgericht, wenn die vorgeschriebene Dienstkleidung - ohne besonders auffällig zu sein - zu Hause angelegt und auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Im letzteren Fall ist das Tragen der Dienstkleidung nicht lediglich fremdnützig; die dafür aufgewendete Zeit ist regelmäßig keine Arbeitszeit im Sinne des § 612 Abs 1 BGB (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Urteil vom 11.10.2000 – 5 AZR 122/99 – zitiert nach juris).

18

Vorliegend bedurfte es keiner Entscheidung darüber, ob das Tragen der dem Kläger vorgeschriebenen Dienstkleidung nicht ausschließlich fremdnützig in dem dargestellten Sinne ist. Ausführungen bezüglich des Designs und der Muster bedruckter/und oder bestickter Oberhemden und Polo-Shirts der aktuellen Saison waren somit entbehrlich.

19

2. Es bedurfte auch nicht der Erörterung, ob und wie häufig der Kläger den ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Längsbinder trägt und ob er diesen zu Beginn einer jeden Schicht regelmäßig neu bindet. Denn der Kläger hat keinerlei Tatsachen vorgetragen, die belegen, dass er unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit für das An- und Ablegen der ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Oberkleidung in der Vergangenheit pro Schicht jeweils 15 Minuten als Umkleidezeit benötigte.

20

a) Der Kläger hatte sich außerhalb der durch die Schichtpläne der Beklagten festgelegten Arbeitszeit umzukleiden. Sähe das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit dem Kläger das Anlegen der Dienstkleidung als lediglich fremdnützig an, handelte es sich um Überstunden, welche die Beklagte nicht ausgeglichen hat. Dann allerdings richtete sich die Zahl der im Streitzeitraum angefallenen Überstunden nach der für den Kläger bei Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlichen Zeit für das Umkleiden (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – zitiert nach juris).

21

b) Tatsachen hierzu hat der Kläger nicht vorgetragen, obgleich die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 09.11.2012 hierauf hingewiesen hat. Schon aus diesem Grund war die Klage abzuweisen.

22

Schon deshalb bedurfte es keiner vertiefenden Betrachtung, ob und in welchem Umfang die von dem Kläger behauptete Zeit für das Aufbügeln der Oberbekleidung und andere Besonderheiten, wie bspw. die unterschiedlichen Krawattenknoten, als Variablen des Umkleidevorgangs zu berücksichtigen wären.

23

3. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Rechtsauffassung kann das erkennende Gericht für die Bestimmung der von dem Kläger aufzuwendenden Umkleidezeit auch nicht auf die von den Betriebsparteien in der „Betriebsvereinbarung zur Dienstkleidung und Trageordnung“ in Verbindung mit der „Ergänzung (1) zur Betriebsvereinbarung Dienstkleidung und Trageordnung“ vom 27.02.2012 festgelegte Umkleidezeit von 15 Minuten berufen. Die Betriebsvereinbarung enthält keine Regelungen über eine rückwirkende Geltung für die Beschäftigten der Beklagten.

24

4. Der Kläger kann sich auch nicht auf eine betriebliche Übung im Betrieb der Beklagten berufen. Zum einen gibt es keine betriebliche Übung bei der Beklagten dergestalt, dass regelmäßig 15 Minuten als Umkleidezeit vergütet werden. Zum anderen führt der Kläger bezüglich des von der Beklagten vorgelegten Schreibens – gefertigt durch den Theaterleiter und den damaligen Betriebsratsvorsitzenden unter dem Datum 13.09.20102 - aus, der Kläger sei nie in den „Genuss“ dieser Regelung mit einer Umziehzeit von maximal 3 Minuten gekommen.

25

5. Schließlich war es dem erkennenden Gericht auch verwehrt, die von dem Kläger aufzuwendende Umkleidezeit zu schätzen. Denn diese richtet sich ausschließlich nach dem von dem Kläger höchstpersönlich aufzuwendenden Zeitaufwand bei Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – zitiert nach juris).

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

27

Gemäß § 61 Abs 1 ArbGG war der Wert der geltend gemachten Forderung der Festsetzung des Werts des Streitgegenstands zugrunde zu legen.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Halle Urteil, 21. März 2013 - 2 Ca 1674/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht Halle Urteil, 21. März 2013 - 2 Ca 1674/12

Referenzen - Gesetze

Arbeitsgericht Halle Urteil, 21. März 2013 - 2 Ca 1674/12 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612 Vergütung


(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung

Referenzen

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.