Amtsgericht Stuttgart Beschluss, 21. Jan. 2015 - 3 XVII 29/15

bei uns veröffentlicht am21.01.2015

Tenor

Der Antrag auf Genehmigung der Unterbringung und der Zwangsbehandlung für Frau ... wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag der Betreuerin vom 20.01.2015 auf Genehmigung der geschlossenen Unterbringung der Betreuten und auf Genehmigung mehrerer ärztlicher Zwangsmaßnahmen (gynäkologische Operation wegen Krebserkrankung, Brustbestrahlung, Knochenmarkspunktion, Cortisontherapie, Psychopharmakatherapie). Nach dem vorgelegten Attest besteht insbesondere Lebensgefahr ohne die Durchführung der Krebsoperation (unter anderem Brustektomie).
II.
Der Antrag der Betreuerin gemäß § 1906 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 3 a BGB ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung gemäß § 1906 BGB Abs. 1 Nr. 2 BGB zwecks Heilbehandlung bzw. zwecks ärztlichen Eingriffs liegen nicht vor. Eine solche Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist, weil zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen kann.
Vorliegend besteht zwar nach dem vorliegenden Attest vom 19.01.2015 und der persönlichen Anhörung der behandelnden Psychiaterin und der Betroffenen eine psychische Krankheit der Betroffenen - eine chronifizierte Schizophrenie -, die sie daran hindert, in erforderliche ärztliche Heilbehandlungen und, vor allem, in die lebensrettende Krebsoperation einzuwilligen. Eine Unterbringung ist dennoch nicht erforderlich, da die von der Betreuerin beantragten Heilbehandlungen und auch die ärztlichen Eingriffe auch im Rahmen einer offenen Einrichtung erfolgen könnten. Die Betroffene ist immobil. Sie kann ihr Bett nicht verlassen und muss im Rollstuhl von Dritten geschoben werden um sich fortzubewegen. Weglauftendenzen zeigt sie nicht. Sie fühlt sich in der Einrichtung trotz Durchführung der von ihr abgelehnten medikamentösen Behandlung über die PEG-Sonde wohl. Nach Aussage der angehörten behandelnden Ärztinnen könnte die derzeit durchgeführte Heilbehandlung mit Medikamenten, Psychopharmaka und auch die Ernährung über die PEG-Sonde daher genauso gut auf einer offenen Station erfolgen. Die empfohlenen operativen Eingriffe (insbesondere die Brustektomie) könnten mangels Fachpersonal und Gerätschaften gar nicht auf einer geschlossenen Einrichtung erfolgen. Sie ist daher in einem offenen Krankenhaus beabsichtigt. Auch für die Anschlussversorgung wird von den behandelnden Ärztinnen kein Aufenthalt in einer geschlossenen Einrichtung für erforderlich gehalten. Das Betreuungsgericht darf die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung jedoch nicht genehmigen, wenn die Freiheitsentziehung als solche nicht notwendig ist und die Genehmigung letztlich nur eine Rechtsgrundlage abgeben soll, den Betroffenen in einer offenen Abteilung einer erforderlichen - auch zwangsweisen Behandlung - mit Medikamenten zu unterziehen (BGH, Beschluss vom 23.01.2008, Az. XII ZB 185/07, MDR 2008, 628).
Für die Genehmigung einer Zwangsbehandlung in einer offenen Einrichtung durch das Betreuungsgericht fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Auflage 2014, § 1906 Rn. 31). § 1906 Abs. 3, Abs. 3 a BGB bezieht sich nur auf die Genehmigung einer Zwangsbehandlung im Rahmen einer - erforderlichen - (geschlossenen) Unterbringung. Diese Regelungslücke hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, so dass eine analoge Anwendung der Unterbringungsvorschriften - leider - ausscheidet (Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Auflage 2014, § 1904 BGB Rn. 12; Beck'scher Online-Kommentar BGB, § 1904 Rn. 14, Stand 01.11.2014, BGH, Beschluss vom 20.06.2012, Az. XII ZB 99/12, letzter Absatz.).
Ob eine Zwangsbehandlung in einer offenen Einrichtung auf der Grundlage der Einwilligung des Betreuers in die Behandlung erfolgen kann, ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand Münchner Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012 mit Aktualisierung vom 20.08.2013 auf Beck-Online, § 1896 Rn. 77 ff., der dies im Rahmen einer Mindermeinung befürwortet). Weiterhin wäre vorliegend auch § 34 StGB zu prüfen (Jürgens, Betreuungsrecht, BGB, 5. Auflage 2014, § 1904 Rn. 12). Eine Genehmigung des Betreuungsgerichts für die Erlaubnis zum Einsatz von Zwang im Rahmen einer offenen Einrichtung ist jedoch, wie vorstehend erörtert, gesetzlich nicht vorgesehen.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 34 Rechtfertigender Notstand


Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 185/07
vom
23. Januar 2008
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Vormundschaftsgericht darf die Unterbringung des Betroffenen in einer
geschlossenen Einrichtung nicht genehmigen, wenn die Freiheitsentziehung
als solche nicht notwendig ist und die Genehmigung letztlich nur eine Rechtsgrundlage
abgeben soll, den Betroffenen in einer offenen Abteilung der Einrichtung
einer erforderlichen - auch zwangsweisen - Behandlung mit Medikamenten
zu unterziehen.
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - OLG Dresden
LG Dresden
AG Pirna
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2008 durch den
Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 21. September 2007 im Verfahren 2 T 848/07 aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom 30. August 2007 wie folgt abgeändert: Der Antrag der Betreuerin vom 9. August 2007, die geschlossene Unterbringung des Betroffenen zu genehmigen, wird zurückgewiesen. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden verworfen. 2. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 21. September 2007 im Verfahren 2 T 835/07 und der Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom 23. August 2007 rechtswidrig sind. 3. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Auslagen des Betroffenen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:


I.

1
Die Beteiligte zu 1 ist Betreuerin des (1960 geborenen) Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung. Sie hat die Genehmigung beantragt, den Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, um die regelmäßige Einnahme der ihm ärztlich verordneten Psychopharmaka sicherzustellen. Der Betroffene, der seit 2 ½ Jahren in der Sozialtherapeutischen Wohnstätte in N. lebt und sich in dieser Zeit bereits mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung befand, lehnt die Einnahme der Medikamente ab.
2
Nach einem vom Amtsgericht eingeholten nervenärztlichen Gutachten leidet der Betroffene an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie mit Veränderungen der Persönlichkeit im Sinne eines schizophrenen Defekts. Er verweigere die normale Körperhygiene, werde zunehmend inkontinent und sei in hohem Maße aggressiv; seine Steuerungsfähigkeit sei erheblich gestört. Die Einnahme der Psychopharmaka sei erforderlich, um zu verhindern, dass sich die Symptome der Krankheit und die sich daraus für den Betroffenen und für seine Umgebung ergebenden Gefahren verstärken. Zur Notwendigkeit der Unterbringung des Betroffenen K. ist in dem Gutachten ausgeführt: "Trotz der angeordneten geschlossenen Unterbringung war eine solche im engeren Sinne nicht notwendig. Das heißt, Herr K. befand sich nicht in einem abgeschlossenen Bereich der Psychiatrischen Klinik. Die [Genehmigung der] geschlossene[n] Unterbringung diente allein dem Zweck, ihm Medikamente gegen seinen Willen verabreichen zu können. … Die Unterbringung wird für … erforderlich gehalten …, um ihn kontinuierlich gegen seinen Willen mit einem Neuroleptikum behandeln zu können und gleichzeitig seine Umwelt dadurch vor ihm zu schützen. Herr K. muss nicht in einem geschlossenen Bereich einer Psychiatrischen Klinik untergebracht sein, da Weglauftendenzen seinerseits nicht bestehen und er sich selbst in der Wohnstätte wohl fühlt. Der Antrag auf geschlossene Unterbringung dient in erster Linie der Sicherung einer neuroleptischen und spannungslösenden Medikation … ."
3
Das Amtsgericht hat eine Unterbringung des Betroffenen "in einer geschlossenen Einrichtung" zum Zweck der - auch zwangsweisen - Behandlung mit Neuroleptika und Beruhigungsmitteln wiederholt genehmigt, zuletzt - im Wege der einstweiligen Anordnung - mit Beschluss vom 23. August 2007 für die Zeit bis zum 20. September 2007 sowie - unter Ersetzung dieses Beschlusses und als Entscheidung in der Hauptsache - mit Beschluss vom 30. August 2007 für die Zeit bis zum 22. August 2008. Im Beschluss vom 30. August 2007 hat das Amtsgericht ausgeführt, dass "zumindest im Moment nicht beabsichtigt" sei, "den Betroffenen entweder im geschlossenen Bereich der Wohnstätte oder im geschlossenen Bereich einer psychiatrischen Klinik tatsächlich unterzubringen". Eine vom Vormundschaftsgericht genehmigte Unterbringung eines Betroffenen könne auch offen vollzogen werden, wenn der Zustand des Betroffenen dies erlaube. Im vorliegenden Fall erfordere das Wohl des Betroffenen die Genehmigung der Unterbringung mit der damit verbundenen Möglichkeit der Behandlung gegen seinen Willen; andererseits könne dessen Unterbringung aber - zumindest im Moment - offen vollzogen werden. Es wäre schwer verständlich, wenn dem kranken Betroffenen nur dadurch geholfen werden könnte, dass man ihn auch faktisch seiner Freiheit beraubte oder ihn - ohne eine solche mit der offenen Unterbringung einhergehende Zwangsbehandlung - aufgrund der Nichteinnahme der Medikamente innerhalb kürzester Zeit, voraussichtlich unter Gewaltanwendung, wieder in die Klinik verbringen müsste.
4
Gegen beide Beschlüsse hat die Verfahrenspflegerin für den Betroffenen sofortige Beschwerde eingelegt und hinsichtlich des - inzwischen durch die spätere Entscheidung des Amtsgerichts ersetzten - Beschlusses vom 23. August 2007 beantragt festzustellen, dass die in diesem Beschluss erteilte Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung rechtswidrig war. Das Landgericht hat beide sofortigen Beschwerden mit Beschlüssen vom 21. September 2007 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Verfahrenspflegerin namens des Betroffenen mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Sie beantragt, den in der Hauptsache ergangenen Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2007 und den ihre hiergegen gerichtete Beschwerde zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 21. September 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die gerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des Betroffenen in der Zeit vom 4. September 2007 [Einlegung der sofortigen Beschwerde] bis in die jüngste Vergangenheit rechtswidrig waren. Hinsichtlich des im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Beschlusses des Amtsgerichts vom 23. August 2007 und des ihre hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückweisenden Beschlusses des Landgerichts vom 21. September 2007 begehrt sie die Feststellung, dass diese Beschlüsse rechtswidrig waren.
5
Der Betroffene befindet sich inzwischen wieder in der Sozialtherapeutischen Wohnstätte in N., die er als sein Zuhause ansieht.
6
2. Das Oberlandesgericht hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die sofortigen weiteren Beschwerden vorgelegt.
7
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind die angefochtenen Entscheidungen nicht, wie die Verfahrenspflegerin meint, deshalb rechtswidrig und die sofortigen weiteren Beschwerden begründet, weil eine genehmigungsfähige Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung nicht vorliege und auch nicht erforderlich sei. Zwar werde der Betroffene weder in einem räumlich abgegrenzten Bereich eines geschlossenen Krankenhauses festgehalten noch werde sein Aufenthalt ständig überwacht; dies sei nach Einschätzung des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens auch nicht erforderlich. Eine Freiheitsentziehung könne indes auch dann vorliegen, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Beziehe man die besondere Situation des psychisch kranken Menschen ein, so hänge die freiheitsentziehende Wirkung einer Maßnahme nicht davon ab, wie sie erzeugt werde; vielmehr könne hier die Beschränkung auf einen bestimmten Lebensraum auch anders hergestellt werden. Dies sei vorliegend der Fall, weil der Betroffene zum Zwecke der Zwangsmedikation an einen Ort verbracht und dort belassen worden sei, den er wegen seiner psychischen Verfassung und im Hinblick auf den von außen - durch Betreuer , Klinikpersonal oder Gericht - durch die Verbringung in die Klinik auf ihn ausgeübten Druck nicht verlassen habe, obwohl er sich gegen seinen Willen dort befunden habe. Dass sich der Betroffene gegen seinen Willen dort befunden habe, könne dabei auch dann angenommen werden, wenn der Betroffene nur die dort vorgenommene Behandlung ablehne, weil diese nur durch den aufgezwungenen Aufenthalt ermöglicht werde.
8
Das Oberlandesgericht hält die sofortigen weiteren Beschwerden allerdings deshalb für begründet, weil Amts- und Landgericht keine Entscheidung darüber getroffen hätten, welche Behandlung der Betroffene im Einzelnen zu dulden habe. Deshalb müsse jedenfalls die im Hauptsacheverfahren ergangene Entscheidung des Landgerichts, mit der die gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2007 gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen worden sei, aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen werden. Für die Beurteilung der Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG könne diese Frage allerdings offen bleiben; denn der dargestellte Verfahrensfehler könne jedenfalls nicht dazu führen, die Rechtswidrigkeit der Unterbringung als solche festzustellen, wie dies von der Verfahrenspflegerin beantragt sei.
9
Auch der Umstand, dass der Betroffene mittlerweile, wie von ihm gewünscht , wieder in die Sozialtherapeutische Wohnstätte in N. verbracht worden sei, lasse eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochten Beschlüsse nicht entbehrlich werden. Er führe insbesondere nicht dazu, die vom Vormundschaftsgericht erteilte Genehmigung schon wegen inzwischen eingetretener Wirkungslosigkeit klarstellend aufzuheben. Denn nach der im Vorlagebeschluss vertretenen Begriffsbestimmung werde dem Betroffenen auch in der Wohnstätte, die er als sein Zuhause ansehe, die Freiheit entzogen, weil er auch dort zur Medikamenteneinnahme gezwungen werden müsse. Im Übrigen würde auch eine zwischenzeitlich eingetretene Wirkungslosigkeit der im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschlüsse das Oberlandesgericht nicht der Notwendigkeit entheben, über die von der Verfahrenpflegerin begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Beschlüsse zu entscheiden.
10
Das Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Oktober 2002 (FamRZ 2003, 255) gehindert. Nach dieser Entscheidung kann die zwangsweise Unterbringung eines anderenfalls durch seine Verwahrlosung gefährdeten Betroffenen in einer offenen Alten- und Pflegeeinrichtung vormundschaftsgerichtlich nicht genehmigt werden. § 1906 Abs. 1 BGB geht, wie das Oberlandesgericht Hamm unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149 darlegt, von einem engen Unterbringungsbegriff aus. Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung setze eine Beeinträchtigung der körperlichen Bewegungsfreiheit voraus, die das Oberlandesgericht Hamm in dem von ihm entschiedenen Fall verneint hat. Die in diesem Falle geplante Zwangsmaßnahme beschränke sich auf die Verbringung des Betroffenen in die offene Einrichtung und sei deshalb nicht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigungsfähig. Dabei könne außer Betracht bleiben, dass diese Maßnahme praktisch nur durchsetzbar wäre, wenn gleichzeitig das bestehende Mietverhältnis über die Wohnung des Betroffenen gekündigt und die hierzu erforderliche Genehmigung nach § 1907 BGB erteilt würde, weil nur auf diese Weise eine Rückkehr des Betroffenen in sein bisheriges verwahrlostes Umfeld ausgeschlossen werden könnte.

II.

11
1. Die Vorlage ist zulässig.
12
Eine Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 FGG nur zulässig, wenn das vorlegende Oberlandesgericht von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts - oder, falls über die Frage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist, von dieser - abweichen will. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des anderen Oberlandesgerichts muss dieselbe Rechtsfrage betreffen und die Beantwortung dieser Rechtsfrage muss für beide Entscheidungen erheblich sein (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juli 2003 - XII ZB 87/03 - FamRZ 2003, 1653 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage im Ergebnis zulässig.
13
a) Die Frage, ob die Verbringung eines psychisch kranken Betroffenen in eine offene Einrichtung sich unter besonderen Umständen als eine Unterbringung darstellen kann, die mit Freiheitsentziehung verbunden und deshalb einer Genehmigung nach § 1906 Abs. 1 BGB zugänglich ist, ist für die Entscheidung des vorlegenden Oberlandesgerichts erheblich. Würde diese Frage - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - verneint, fehlte es für die erteilte Ge- nehmigung an einer Rechtsgrundlage und die sofortigen Beschwerden hätten bereits aus diesem Grunde Erfolg. Würde diese Frage - mit der Rechtsmeinung des Oberlandesgerichts - bejaht, wäre diese Antwort für die Entscheidung in umgekehrter Weise von Bedeutung. Dies gilt unbeschadet der Erwägung des Oberlandesgerichts, auch in diesem Falle zumindest den Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2007 und die ihn bestätigende Entscheidung des Landgerichts vom 21. September 2007 deshalb aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil Amts- und Landgericht keine Entscheidung darüber getroffen hätten, welche Behandlung der Betroffene zu dulden habe. Denn auch bei einer Zurückverweisung ist die Vorinstanz an die tragende rechtliche Beurteilung durch das Beschwerdegericht gebunden. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu dieser Frage hätten daher Entscheidungen unterschiedlicher Tragweite zur Folge, was für die Annahme einer Vorlagepflicht ausreicht (Senatsbeschlüsse BGHZ 82, 34, 36 f. = FamRZ 1982, 44 und vom 11. Oktober 2000 - XII ZB 69/00 - FamRZ 2001, 149).
14
b) Die vom vorlegenden Oberlandesgericht angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, von dessen Rechtsmeinung das vorlegende Oberlandesgericht abweichen will, rechtfertigt allerdings die Vorlage nicht.
15
Dabei kann dahinstehen, ob - wie das vorlegende Oberlandesgericht meint - dieser Entscheidung ein dem vorliegenden Fall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Das Oberlandesgericht Hamm hat einen "Druck", wie ihn das vorlegende Oberlandesgericht aus der besonderen, sich aus der psychischen Erkrankung ergebenden Situation des Betroffenen, seiner Verbringung in eine Klinik und der dort erfolgenden, von ihm abgelehnten medikamentösen Behandlung folgert und als Freiheitsentziehung qualifizieren will, nicht festgestellt. Es hat vielmehr darauf abgehoben, dass die im von ihm zu entscheidenden Fall beabsichtigte Unterbringung des Betroffenen in einer offenen Alten- und Pfle- geeinrichtung keine genehmigungsfähige Freiheitsentziehung begründe. Zwar sei die beabsichtigte Unterbringung nur durchsetzbar, wenn der bisherige verwahrloste Hausstand des Betroffenen aufgelöst und dessen Rückkehr in sein bisheriges Umfeld damit unmöglich gemacht würde. Dies rechtfertige jedoch keine andere Beurteilung; denn eine solche Wohnungsauflösung sei auf einen auf Dauer angelegten Wohnungswechsel hin ausgerichtet und stelle schon deshalb keine notwendig befristete (vgl. § 70 f Abs. 1 Nr. 3 FGG) geschlossene Unterbringung des Betroffenen dar.
16
Eine von der Rechtsansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts abweichende Rechtsaufassung des Oberlandesgerichts Hamm könnte eine Vorlagepflicht jedenfalls nur begründen, wenn die für beide Entscheidungen erhebliche Rechtsfrage nicht bereits durch den Bundesgerichtshof beantwortet ist. Das ist hier aber der Fall. Der Senat hat in den - insoweit tragenden - Gründen seines Beschlusses vom 11. Oktober 2000 klargestellt, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von einem engen Unterbringungsbegriff ausgeht (BGHZ 145, 297, 300 f. = FamRZ 2001, 149; bestätigend Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 147 ff. = FamRZ 2006, 615, 616 ff.). Entscheidendes Kriterium für eine freiheitsentziehende Unterbringung sei die nicht nur kurzfristige Beschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten Lebensraum. Sie sei (nur) gegeben , wenn der Betroffene gegen seinen Willen oder in einem Zustand der Willenlosigkeit in einem räumlich begrenzten Bereich eines geschlossenen Krankenhauses , einer anderen geschlossenen Einrichtung oder dem abgeschlossenen Teil einer solchen Einrichtung festgehalten, sein Aufenthalt ständig überwacht und die Kontaktnahme mit anderen Personen außerhalb des Bereichs eingeschränkt werde.
17
c) Das vorlegende Oberlandesgericht geht demgegenüber von einem weiten Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung aus, der sich von dem engen Unterbringungsbegriff, wie ihn der Senat in seinem Beschluss vom 11. Oktober 2000 entwickelt hat (Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 300 f. = FamRZ 2001, 149; bestätigend Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 147 ff. = FamRZ 2006, 615, 616 ff.), unterscheidet und auf die dort genannten Kriterien verzichtet. Da diese Kriterien nach der im Beschluss vom 11. Oktober 2000 niedergelegten Auffassung des Senats generell erfüllt sein müssen, damit von einer freiheitsentziehenden Unterbringung ausgegangen werden kann, weicht das vom Oberlandesgericht vertretene weitergehende Begriffsverständnis von dieser Entscheidung ab. Diese Abweichung von der Senatsrechtsprechung begründet eine Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG, der das Oberlandesgericht - somit im Ergebnis zutreffend - Rechnung getragen hat.
18
2. Aufgrund der zulässigen Vorlage entscheidet der Bundesgerichtshof anstelle des vorlegenden Oberlandesgerichts. Im Hauptsacheverfahren ist die sofortige weitere Beschwerde im wesentlichen zulässig und auch begründet. Im einstweiligen Anordnungsverfahren hat die sofortige weitere Beschwerde in vollem Umfang Erfolg.
19
a) Der Senat hält daran fest, dass § 1906 Abs. 1 BGB von einem engen Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung ausgeht und nur solche Maßnahmen erfasst, die die persönliche Bewegungsfreiheit des Betroffenen nicht nur kurzfristig auf einen bestimmten räumlichen Lebensbereich begrenzen. Andere Unterbringungsmaßnahmen sind nicht nach § 1906 Abs. 1 BGB genehmigungsfähig.
20
aa) Dabei wird nicht verkannt, dass dieser enge Unterbringungsbegriff nicht nur für die Genehmigungsfähigkeit und -bedürftigkeit der Unterbringung als solcher von Bedeutung ist. Er erweist sich vielmehr auch für die Reichweite der Zulässigkeit medizinischer Zwangsbehandlungen als maßgebend.
21
Wie der Senat dargelegt hat (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 300 ff. = FamRZ 2001, 149 ff. und BGHZ 166, 141, 148 ff. = FamRZ 2006, 615, 616 ff.), darf der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB) zwar für diesen in medizinische Behandlungen einwilligen, wenn der Betroffene selbst zu einer solchen Einwilligung nicht in der Lage, insbesondere nicht einsichts- oder steuerungsfähig ist. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage , ob der Betreuer auch befugt ist, den einer solchen medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen durch Zwang zu überwinden. Allein aus den Vertretungsvorschriften der §§ 1901, 1902 BGB kann der Betreuer eine solche Zwangsbefugnis nicht herleiten, weil diese Vorschriften für sich genommen keine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß der vom Betreuten unter Zwang zu duldenden Behandlung ermöglichen. Dies wäre jedoch notwendig, da der Betreuer gegenüber dem Betroffenen ein öffentliches Amt wahrnimmt und Zwangsmaßnahmen des Betreuers , mit denen der Widerstand des Betroffenen gegen Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit und Freiheit überwunden werden soll, einer Rechtsgrundlage durch ein formelles Gesetz bedürfen (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 2 GG).
22
Eine solche Rechtsgrundlage bietet allerdings § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, der eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betroffenen - mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts - zulässt, solange sie zum Wohl des Betroffen erforderlich ist, weil eine Untersuchung des Gesundheitszustandes , eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, diese Maßnahme ohne die freiheitsentziehende Unterbringung nicht durchgeführt werden kann und der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung - d.h. recht verstanden: der Untersuchung, der Heilbehandlung oder des ärztlichen Eingriffs - nicht zu erkennen oder nach dieser Erkenntnis zu handeln vermag. Da eine medizinische Maßnahme nur dann als im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB notwendig angesehen werden kann, wenn sie rechtlich zulässig ist, kann der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur dann freiheitsentziehend untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden darf. Sähe man die zwangsweise Überwindung eines der Behandlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer freiheitsentziehenden Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von vornherein auf die - seltenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der medizinischen Maßnahme bejaht oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungseinsicht keinen dieser Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen manifestiert , in denen er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsieht. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann deshalb sinnvoll nur dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt hat und deretwegen der Betroffene - mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts - vom Betreuer freiheitsentziehend untergebracht werden darf, unabhängig von seinem möglicherweise entgegenstehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden hat (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 151 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.).
23
bb) Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Vormundschaftsgericht genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig ist, darf freilich nicht - wie in der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 30. August 2007 geschehen - gefolgert werden, dass eine freiheitsentziehende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer konsentiert und nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden darf, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig ist, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchführt werden kann. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlangt nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig ist. Die freiheitsentziehende Unterbringung muss vielmehr auch ihrerseits - und zwar tatsächlich - erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden kann. Sie ist in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich - also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" - entzieht. Umgekehrt begründet die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu brechen, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen - also etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetzt , sich ihr aber nicht räumlich entzieht. Die gegenteilige Argumentation würde dazu führen, bereits aus der Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung die Zulässigkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung herzuleiten. Ein solches - offenbar der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 30. August 2007 zugrunde liegendes - Verständnis ist mit dem Wortlaut der Regelung, der die Zulässigkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung an ein doppeltes Notwendigkeitskriterium knüpft (die Unterbringung muss erforderlich sein, weil eine medizinische Maßnahme notwendig ist und ohne die Unterbringung faktisch nicht durchgeführt werden kann), nicht vereinbar. Es widerspricht auch dem Schutzzweck der Norm, die eine freiheitsentziehende Unterbringung keineswegs immer schon dann eröffnen will, wenn diese - etwa mangels jeder "Weglaufgefahr" - unnötig ist und lediglich die rechtlichen "Rahmenbedingungen" für eine notwendige Zwangsbehandlung schaffen soll.
24
cc) Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts, das den Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung über den vom Senat gezogenen Rahmen hinaus ausweitet. Eine solche Ausweitung kann schon begrifflich nicht überzeugen. Zum einen ist nicht ohne weiteres ersichtlich und vom Oberlandesgericht auch nicht näher ausge- führt, worin ein von außen - sei es vom Betreuer, vom Klinikpersonal oder vom Gericht - auf den Betroffenen ausgeübter "Druck" bestehen soll, der den Betroffenen aufgrund seiner psychischen Verfassung bewegen könnte, eine offene Klinik nicht mehr zu verlassen, "obwohl er sich gegen seinen Willen dort befindet" und einem Verlassen der Klinik weder tatsächliche Hemmnisse noch psychische Drohmittel entgegengesetzt werden. Dies gilt um so mehr, als nach dem Verständnis des vorlegenden Oberlandesgerichts ein Betroffener auch dann mit freiheitsentziehender Wirkung untergebracht sein soll, wenn er sich in einem Bereich (im vorliegenden Fall: in der Sozialtherapeutischen Wohnstätte) aufhält, den er als sein Zuhause ansieht und den er jederzeit verlassen kann, sofern er auch dort zur Medikamenteneinnahme gezwungen werden müsse. Dies macht deutlich, dass bei einem derart weitgehenden Begriffsverständnis bereits die erzwungene Einnahme von (im vorliegenden Fall zudem heimlich verabreichten) Medikamenten rechtlich als eine freiheitsentziehende Unterbringung angesehen wird, und zwar losgelöst von der Frage, wo sich diese Zwangsbehandlung vollzieht und ob der Betroffene sie überhaupt bemerkt. Eine derart extensive Auslegung ist mit dem Wortlaut des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vereinbar und wird vom Zweck dieser Vorschrift auch nicht gedeckt. Sie erklärt sich aus dem Bemühen, den Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auszuweiten, um auf diese Weise der Zulässigkeit einer Zwangsmedikation Betroffener in deren wohlverstandenem Eigeninteresse größeren Raum zu schaffen. Indes ist eine solche Vorgehensweise methodisch nicht akzeptabel und als Eingriff in die durch Gesetzesvorbehalt gesicherten Grundrechte des Betroffenen auch verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar.
25
dd) Der Senat verkennt nicht, dass die von ihm vertretene enge Auslegung des Begriffs der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung zu einer Begrenzung der Möglichkeit führt, einen Betroffenen gegen seinen Willen einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Das beruht auf dem Umstand, dass das Gesetz dem Betreuer außerhalb einer freiheitsentziehenden Unterbringung keine Zwangsbefugnisse an die Hand gibt, die es ihm ermöglichen könnten, seine Einwilligung in eine notwendige medizinische Behandlung des Betroffenen auch gegen dessen Willen durchzusetzen. Aus § 70 g Abs. 5 Satz 2 FGG, demzufolge Gewalt nur bei Zuführung zur Unterbringung und nur bei ausdrücklicher Anordnung durch das Gericht angewandt werden darf, ist - im Gegenteil - der gesetzgeberische Wille zu schließen, dass der Betreuer in anderen Fällen keinen Zwang zur Überwindung körperlichen Widerstands des Betroffenen anwenden darf. Das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen außerhalb einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung kann in der Tat dazu führen, dass ein Betroffener aufgrund des Unterbleibens einer von ihm verweigerten medizinischen Maßnahme einen erneuten Krankheitsschub erleidet und dann möglicherweise für längere Zeit untergebracht werden muss, oder dass er in sonstiger Weise erheblichen Schaden nimmt. Der Senat hat bereits früher auf diese Problematik aufmerksam gemacht (Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152). Der Gesetzgeber hat es gleichwohl bei der bestehenden Regelung belassen. Dies müssen die Gerichte respektieren.
26
b) Aus der dargelegten Auffassung des Senats ergibt sich für die Entscheidung der vorliegenden Verfahren:
27
aa) Der im Hauptsacheverfahren ergangene Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2007 und die Entscheidung des Landgerichts vom 21. September 2007, mit der die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen wird - 2 T 848/07 -, können nicht bestehen bleiben.
28
Diese Entscheidungen sind allerdings nicht, wie vom Oberlandesgericht erwogen, wirkungslos und nur klarstellend aufzuheben, weil der Betroffene sich inzwischen nicht mehr in der Psychiatrischen Klinik, sondern in der Sozialtherapeutischen Wohnstätte in N. aufhält, die er als sein Zuhause ansieht und die er nach Belieben verlassen kann. Richtig ist zwar, dass mit der - auch vorzeitigen - Beendigung einer vormundschaftsgerichtlich genehmigten Unterbringung die Genehmigung gegenstandlos wird und ein Beschwerdeverfahren, mit dem der Betroffene sich gegen die Genehmigung seiner Unterbringung wendet, damit an sich in der Hauptsache erledigt ist. Richtig ist ferner, dass in solchen Fällen der die freiheitsentziehende Unterbringung genehmigende Beschluss gleichwohl im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden kann, wenn ihm seine Wirkungslosigkeit nicht zu entnehmen ist und er vielmehr nach seinem Inhalt den Anschein erweckt, als wirke er bis zum Ablauf der in ihm genannten Unterbringungsdauer weiter (BayObLG FamRZ 1995, 1296). Nach diesen Grundsätzen könnten die vorliegend angefochtenen Entscheidungen aber nur dann mit der Rückkehr des Betroffenen in die Wohnstätte gegenstandlos geworden sein, wenn die genehmigte Unterbringung überhaupt vollzogen worden wäre; denn nur in diesem Falle hätte sich die erteilte Genehmigung mit der Beendigung des Vollzugs der Unterbringung "verbraucht" und wäre für eine erneute Unterbringung eine erneute Genehmigung vonnöten. Das ist indes nicht der Fall. Die angefochtenen Entscheidungen genehmigen zwar eine freiheitsentziehende Unterbringung des Betroffenen. Der Betroffene ist jedoch aufgrund dieser Entscheidungen zu keinem Zeitpunkt freiheitsentziehend untergebracht worden: In der Psychiatrischen Klinik hielt er sich in einer offenen Abteilung auf; auch sein Aufenthalt in der Sozialtherapeutischen Wohnstätte in N., in welcher er sich inzwischen wieder befindet, erfüllt nicht die Kriterien, die der Senat für eine freiheitsentziehende Unterbringung aufgestellt hat. Die angefochtenen Entscheidungen sind deshalb nach wie vor wirksam und ermöglichen es, den Betroffenen jederzeit, und zwar längstens bis zum 30. August 2008, erneut und nunmehr tatsächlich "geschlossen" unterzubringen.
29
Die angefochtenen Entscheidungen sind jedoch rechtsfehlerhaft, weil sie in § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB keine Grundlage finden. Nach dem vom Amtsgericht in Bezug genommenen Sachverständigengutachten ist die Unterbringung des Betroffenen in einem geschlossenen Klinikbereich nicht erforderlich. Dieser Auffassung ist auch das Amtsgericht, nach dessen Begründung die Unterbringung des Betroffenen "zumindest im Moment offen vollzogen werden" könne und eine geschlossene Unterbringung offenbar nur angeordnet werden sollte, um eine Zwangsmedikation des Betroffenen rechtlich zu ermöglichen. Damit sind die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erfüllt. Eine etwaige , in Zukunft notwendig werdende Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung der Klinik oder Wohnstätte rechtfertigt diese Entscheidungen nicht; die Genehmigung einer Unterbringung "auf Vorrat" ist dem geltenden Recht fremd.
30
Die Entscheidung des Landgerichts ist deshalb aufzuheben, die Entscheidung des Amtsgerichts abzuändern und der Antrag der Betreuerin, die geschlossene Unterbringung zu genehmigen, zurückzuweisen.
31
bb) Soweit die Verfahrenspflegerin des Betroffenen mit ihrer gegen die vorgenannte Entscheidung des Landgerichts gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde zusätzlich die Feststellung begehrt, dass die "Genehmigung der geschlossenen Unterbringung in der Zeit vom 4. September 2007 bis in die jüngste Vergangenheit rechtswidrig war", ist ihr Antrag mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig und ihre sofortige weitere Beschwerde insoweit zu verwerfen.
32
Grundsätzlich ist ein Rechtsschutzinteresse nur zu bejahen, solange der Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel daran noch etwas zu ändern vermag. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzzieles kann allerdings ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Insofern entfällt das Rechtschutzinteresse nicht, wohl aber ändert sich der - nunmehr auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtete - Verfahrensgegenstand. Ein solches trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse kommt in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe in Betracht, so namentlich bei Eingriffen in das Recht auf Freiheit der Person; es kann auch aus dem diskriminierenden Charakter einer Maßnahme folgen (BVerfG NJW 1997, 2163 und NJW 2002, 206; vgl. zum Ganzen auch Keidel/Kahl Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 19 Rdn. 86 m.w.N.).
33
Bei Anlegung dieser Maßstäbe lässt sich dem Betroffenen zwar ein rechtlich anzuerkennendes Interesse an einer Klärung der Frage, ob ihn die Genehmigung einer mit Freiheitsentziehung verbunden Unterbringung in seinen Rechten verletzt hat, nicht grundsätzlich absprechen. Ein solches Rechtschutzinteresse des Betroffenen kann sich zum einen auf die Bedeutung des genehmigten Freiheitsentzugs als eines schwerwiegenden Grundsrechtseingriffs stützen ; es kann sich aber auch aus dem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen herleiten, dessen Persönlichkeitsrecht durch eine rechtswidrige Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nachhaltig beeinträchtigt wäre. Indes ist diesem Rechtschutzinteresse bereits dadurch in vollem Umfang Rechnung getragen , dass der Senat dem Begehren der Verfahrenspflegerin, die angefochtenen Entscheidungen als rechtswidrig aufzuheben, in vollem Umfang entsprochen hat. Die Rechtswidrigkeit des die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung aussprechenden Beschlusses des Amtsgerichts und die Begründetheit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde ergibt sich bereits aus dem Tenor der vorliegenden Entscheidung des Senats. Der Umstand, dass die Voraussetzungen der Genehmigung von vornherein nicht erfüllt, die angefoch- tenen Entscheidungen also von Anfang an rechtsfehlerhaft waren, erhellt aus der vom Senat gegebenen Begründung. Ein darüber hinausgehendes Feststellungsinteresse des Betroffenen ist nicht ersichtlich.
34
cc) Die sofortige weitere Beschwerde, mit der sich die Verfahrenspflegerin gegen den im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Beschluss des Amtsgerichts vom 23. August 2003 und gegen den Beschluss des Landgerichts vom 21. September 2007 - 2 T 835/07 - wendet, mit der ihre gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen worden ist, hat uneingeschränkt Erfolg. Ihr Antrag festzustellen, dass diese beiden Beschlüsse rechtswidrig sind, ist zulässig.
35
Der Beschluss des Amtsgerichts, mit dem die geschlossene Unterbringung des Betroffenen bis längstens 20. September 2007 einstweilen genehmigt worden ist, ist durch den späteren Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2007 ersetzt worden und wäre im übrigen durch Zeitablauf gegenstandslos. Gleichwohl besteht aus den unter bb) dargelegten Gründen ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der Feststellung, dass dieser Beschluss rechtswidrig war. Diesem Interesse durfte die Verfahrenspflegerin mit der sofortigen Beschwerde nachgehen; nach deren Zurückweisung durch das Landgericht kann sie dieses Interesse mit der - zulässigen - sofortigen weiteren Beschwerde weiterverfolgen.
36
Ihr Begehren, die Rechtswidrigkeit beider Beschlüsse festzustellen, ist auch begründet. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen zu Unrecht zurückgewiesen. Denn der Beschluss des Amtsgerichts vom 23. August 2007 war aus den unter aa) genannten Gründen rechtsfehlerhaft : In diesem Beschluss nimmt das Amtsgericht - ebenso wie im späteren Hauptsacheverfahren - auf das Sachverständigengutachten Bezug, das eine geschlossene Unterbringung - auch zum Zwecke der Zwangsmedikation - für tatsächlich nicht erforderlich hält, deren Genehmigung aber zur rechtlichen Absicherung dieser Zwangsmedikation für geboten erachtet. Allein mit diesem Ziel hat offenkundig das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung des Betroffenen genehmigt. Das ist - wie dargelegt - mit § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vereinbar.
37
c) Notwendige Auslagen des Betroffenen waren, wie auch beantragt, gemäß § 13 a Abs. 2 Satz 1 FGG der Staatskasse aufzuerlegen. Soweit für den unzulässigen Feststellungsantrag der Verfahrenspflegerin Kosten angefallen sind, rechtfertigen diese keine abweichende Entscheidung.
Sprick Weber-Monecke Wagenitz Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Pirna, Entscheidung vom 30.08.2007 - XVII 28/05 -
LG Dresden, Entscheidung vom 21.09.2007 - 2 T 848/07 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 08.11.2007 - 3 W 1169/07 + 3 W 1168/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 99/12
vom
20. Juni 2012
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur
Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und
FamRZ 2011, 1927 Rn. 38) fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen
Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche
Zwangsbehandlung (Aufgabe der Senatsrechtsprechung Senatsbeschlüsse BGHZ
166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 XII ZB 185/07 - FamRZ 2008,
866 und vom 22. September 2010 XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
Deshalb darf der Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung
keine Zwangsbehandlung veranlassen.
BGH, Beschluss vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 - LG Stuttgart
AG Ludwigsburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 KostO). Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 1 begehrt als Betreuerin die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der Betroffenen.
2
Die Betroffene leidet an einer blanden Psychose bei vielfältigen sozialen Problemen und an einer Borderline Persönlichkeitsstörung. Die Betreuung wurde unter anderem für die Bereiche Bestimmung des Aufenthalts einschließlich Maßnahmen der Freiheitsbeschränkung und -entziehung sowie der Unterbringung und für die medizinische und pflegerische Betreuung und Versorgung, einschließlich der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen und Eingriffe angeordnet. Die Beteiligte zu 1 wurde zur Betreuerin bestellt. Anschließend genehmigte das Betreuungsgericht auf ihren Antrag die Unterbringung der Betroffenen auf der geschlossenen Station einer psychiatrischen Einrichtung gemäß § 1906 Abs. 1 BGB.
3
Den Antrag der Betreuerin auf betreuungsgerichtliche Genehmigung für eine Zwangsmedikation nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat das Betreuungsgericht unter Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgelehnt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betreuerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
4
Am 2. April 2012 ist die Betroffene entlassen worden.

B.

5
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die Genehmigung der Zwangsbehandlung zu Recht abgelehnt.

I.

6
Nach Auffassung des Landgerichts genügt § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage. Die Norm ermächtige das Betreuungsgericht nach seinem Wortlaut nur dazu, die Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung zu genehmigen, dem Betroffenen gegenüber also eine freiheitsentziehende Maßnahme anzuordnen, in deren Rahmen dann eine Heilbehandlung durchgeführt werden könne. Der Wortlaut enthalte keinerlei Hinweise auf eine Zwangsbehandlung. Für den jeweiligen Kreis der Normbetroffenen, bei denen es sich in aller Regel um schwer psychisch erkrankte und deshalb beein- trächtigte Menschen handele, ergebe sich keineswegs bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Heilbehandlung auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden könne, die Norm also etwa zur Zwangsmedikation berechtigen solle. Zudem habe der Gesetzgeber § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB bewusst nicht als Grundlage für eine Zwangsbehandlung formuliert. Er habe vielmehr trotz Problembewusstseins ausdrücklich davon abgesehen, im Betreuungsrecht eine Ermächtigung zur Zwangsbehandlung wie auch ein generelles Verbot zur Zwangsbehandlung zu regeln. Ein formelles Gesetz, das zum Grundrechtseingriff berechtige, habe er also gerade nicht geschaffen.
7
Dass die Vorschrift nach diesem Verständnis nur einen beschränkten Anwendungsbereich habe, müsse angesichts der unmissverständlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hingenommen werden. Dabei sei nicht zu verkennen, dass es zumeist dem objektiven Wohl des Betroffenen entsprechen möge, eine Behandlung durchzuführen. Die derzeitige Situation, die eine Behandlung gegen den Willen der Betroffenen trotz Behandlungsbedürftigkeit nicht zulasse, sei für alle Beteiligten unbefriedigend. Dieser Nachteil müsse angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs und des Fehlens einer klaren und bestimmten Eingriffsnorm im Sinne eines wirksamen Grundrechtsschutzes und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung hingenommen werden.
8
Die Ansicht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden für den Bereich des Betreuungsrechts nicht gelten, weil die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem enthielten, dessen Schutzniveau den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht gerecht würde, überzeuge nicht. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur ermächtigenden Norm gründeten auf der Qualität des Grundrechtseingriffs. Für den Betroffenen werde der Eingriff, der in der medizinischen Zwangsbehandlung liege, nicht dadurch weniger belastend, dass ein Betreuer zustimme. Es sei gemäß Art. 2 Abs. 2 GG dem Gesetzgeber vorbehalten , Eingriffsbereiche und deren Ziele zu formulieren, dies sei hinsichtlich einer betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung nicht erfolgt. Eine Norm, deren Wortlaut für den Kreis der Normanwender und Normbetroffenen klar ergebe, dass die Zwangsbehandlung betreuungsgerichtlich genehmigt werden könne, sei auch nicht in den übrigen Vorschriften des Betreuungsrechts zu erkennen.
9
Die Betreuerin begehre auch nicht nur die Anordnung einer Unterbringung an sich. Die freiheitsentziehende Maßnahme sei bereits durch den Beschluss des Amtsgerichts aufgrund § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgt. Der Antrag der Betreuerin auf Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verfolge vielmehr den Zweck, die von der Betroffenen verweigerte medikamentöse Behandlung zwangsweise gegen ihren Willen durchzusetzen. Eine solche Zwangsbehandlung sei aber - wie vorstehend ausgeführt - nicht möglich. Eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, bei der die Heilbehandlung - aus welchen Gründen auch immer - nicht durchgeführt werde oder werden könne, dürfe jedoch nicht genehmigt werden. Wenn und soweit weiterhin die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorlägen, werde eine Unterbringung der Betroffenen auch weiterhin betreuungsgerichtlich zu genehmigen sein.

II.

10
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
11
1. Allerdings bleibt der Rechtsbeschwerde nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil die Betroffene nach den Angaben der Betreuerin bereits aus der Betreuung entlassen worden ist bzw. sie gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB wegen Selbstgefährdung untergebracht war.
12
Nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr vorliegen und eine Unterbringung nach Nr. 2 deshalb nicht in Betracht kommt, weil die gebotene medikamentöse Behandlung gegen den Willen der Betroffenen entsprechend der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts nicht durchsetzbar ist. Auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung, wonach eine betreuungsgerichtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung im Rahmen der Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB zulässig war, wäre der Antrag der Betreuerin auf Genehmigung der Zwangsmedikation jedenfalls dahin auszulegen, dass auch die übrigen Voraussetzungen einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB festzustellen und bei Vorliegen der Voraussetzungen eine entsprechende Unterbringung zu genehmigen wäre. Denn bereits der ursprüngliche Antrag der Betreuerin auf Genehmigung der Unterbringung war auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt.
13
Ausgehend von der Prämisse, dass nach der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht mehr genehmigungsfähig ist, sind die weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts allerdings konsequent , wonach eine solche Unterbringung nicht in Betracht kommt, weil die Heilbehandlung nicht durchgeführt werden kann. Deshalb kommt es für die Entscheidung der Rechtsbeschwerde maßgeblich darauf an, ob § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch unter Berücksichtigung der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Genehmigung in die Einwilligung einer mit Zwangsbehandlung verbundenen Unterbringung noch zu rechtfertigen vermag.
14
2. Diese Frage ist zu verneinen; der Senat hält an seiner Rechtsprechung insoweit nicht mehr fest.
15
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats umfasst die Befugnis des Betreuers, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betroffenen einzuwilligen, im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch das Recht, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 149 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.). Da eine medizinische Maßnahme nur dann als notwendig im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB angesehen werden könne, wenn sie rechtlich zulässig sei, könne der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden dürfe. Sähe man die zwangsweise Überwindung eines der Behandlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von vornherein auf die - eher seltenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der medizinischen Maßnahme bejahe oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungseinsicht keinen der medizinischen Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen manifestiere, er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsehe. Die Vorschrift könne daher sinnvoll nur dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt habe und derentwegen der Betroffene untergebracht werden dürfe, unabhängig von seinem möglicherweise entgegenstehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden habe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618). Allerdings müsse in der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die von dem Betroffenen zu duldende Behandlung so präzise wie möglich angegeben werden, weil sich nur aus diesen Angaben der Unterbringungszweck sowie Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der vom Betroffenen zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergäben; dazu gehörten bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 f. = FamRZ 2006, 615, 618).
16
Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Betreuungsgericht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig sei, dürfe freilich nicht gefolgert werden, dass eine freiheitsentziehende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer veranlasst werden dürfe, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig sei, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchgeführt werden könne. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlange nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig sei. Die freiheitsentziehende Unterbringung müsse vielmehr auch ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden könne. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich, also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" , entziehe. Umgekehrt begründe die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen, also etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetze , sich ihr aber nicht räumlich entziehe (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23).
17
Der Senat hat ferner entschieden, dass die Genehmigung nur zulässig sei, wenn die Zwangsmedikation erforderlich und angemessen sei. Ob dies der Fall sei, bedürfe im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer besonders sorgfältigen Prüfung (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 8). Es liege auf der Hand, dass ein noch strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen sei, wenn die Freiheitsentziehung mit einer Zwangsbehandlung des Betroffenen - deren Zulässigkeit vorausgesetzt - verbunden werden solle. Dies folge schon daraus, dass in diesem Falle nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen seien. Bei der Prüfung, ob eine - insbesondere längerfristige - Behandlung eines untergebrachten Betroffenen unter Zwang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspreche, seien an die Gewichtigkeit des ohne Behandlung drohenden Gesundheitsschadens, aber auch an die Heilungs- bzw. Besserungsprognose strengere Anforderungen zu stellen. Dies lege gerade bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine besonders kritische Prüfung des therapeutischen Nutzens einer nur unter Zwang durchgeführten Medikation nahe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 146 f. = FamRZ 2006, 615, 616).
18
Schließlich sei ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
19
b) Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig sei, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs be- stimme (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und 2011, 1927 Rn. 38). Dies gelte nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Die in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen bedürften gesetzlicher Regelungen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72). Der Gesetzgeber sei gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Die notwendige Bestimmtheit fehle zwar nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Die Betroffenen müssten jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung müsse für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden. Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehöre die Klarheit und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit der Norm. Die Anforderung an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit seien umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff sei, den eine Norm vorsehe. Dabei könne auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73).
20
Dem Eingriffscharakter einer Zwangsbehandlung stehe nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 40). Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit eines Untergebrachten ändere ebenfalls nichts daran, dass eine gegen seinen natürlichen Willen erfolgende Behandlung, die seine körperliche Integrität berühre, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstelle. Sie könne im Gegenteil dazu führen, dass der Eingriff von dem Betroffenen als besonders bedrohlich erlebt werde. Selbst die Einwilligung des Betreuers nehme daher der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42), zumal der Eingriff für den Betroffenen nicht dadurch weniger belastend sei, dass gerade ein Betreuer ihr zugestimmt habe (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
21
Der Gesetzgeber sei (allerdings) berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sei (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 49).
22
In materieller Hinsicht folge aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur eingesetzt werden dürften, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertige , Erfolg versprächen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 57). Zwangsmaßnahmen dürften ferner nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprächen. Zudem müsse der Zwangsbehandlung, soweit der Betroffene gesprächsfähig sei, der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von unzulässigem Druck unternommene Versuch vorausgegangen sein, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58).
23
Grundsätzlich sei eine Ankündigung erforderlich, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffne, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, auch wenn die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 63). Allerdings dürfe die Flexibilität der fachgerechten ärztlichen Reaktion auf individuelle Unterschiede nicht über Gebühr beeinträchtigt werden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 64), wobei die Anordnung und Überwachung einer medikamentösen Zwangsbehandlung durch einen Arzt unabdingbar seien. Es sei notwendig, die Zwangsbehandlung zu dokumentieren. Art. 2 Abs. 2 GG fordere darüber hinaus spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten Grundrechtsgefährdungen , die sich ergäben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 68). Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende versetzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit , in der er besonderen Schutz dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 69). Es seien keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, derentwegen eine Betreuerlösung von Verfassungs wegen vorzugswürdiger wäre beispielsweise gegenüber einem Richtervorbehalt oder gegenüber der Beteiligung einer anderen neutralen Stelle. Die Ausgestaltung der Art und Weise , in der sichergestellt werde, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinde, sei Sache des jeweils zuständigen Gesetzgebers (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
24
c) Nach überwiegender Auffassung in der - nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 (FamRZ 2011, 1128) veröffentlichten - Rechtsprechung und Literatur fehlt es an einer den vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für eine betreuungsrechtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung (LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris; LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris; AG Ludwigsburg Beschluss vom 18. Mai 2011 - 8 VII 257/11 - juris und FamRZ 2012, 739; AG Bremen BtPrax 2012, 85 und NJW 2012, 1090; AG Frankfurt a.M. Beschluss vom 29. Februar 2012 - 49 XVII HOF 399/12 - juris; Bienwald FPR 2012, 4, 8; Moll-Vogel FamRB 2011, 249, 250; Marschner R&P 2011, 160, 163; aA LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris; Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 236 ff., 238).
25
d) Der Senat teilt im Ergebnis diese Auffassung und gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich genehmigungsfähig sind (Senatsbeschlüsse BGHZ 166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 und vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
26
Nach Auffassung des Senats sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586 - FamFG) werden den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat, nicht gerecht.
27
aa) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 mwN; s. auch LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris Rn. 19) finden die Grundrechte auch bei der im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung stattfindenden Zwangsbehandlung unmittelbar Anwendung. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 (BGHZ 166, 141, 148 = FamRZ 2006, 615, 616 f.) ausgeführt hat, gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen nichts anderes als in dem Verhältnis zwischen Vormund und Mündel. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge eine öffentliche Funktion wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann. Es verbiete sich, die Unterbringung volljähriger Geisteskranker durch den Vormund rechtlich so zu würdigen, als ob sich die Freiheitsentziehung im Rahmen privatrechtlicher Beziehung zwischen Staatsbürgern abspielte. Der Staat könne sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse (vgl. BVerfGE 10, 302, 327).
28
Richtig ist allerdings, dass das Genehmigungserfordernis des § 1906 BGB die sich aus §§ 1901, 1902 BGB ergebende Rechtsmacht des Betreuers, nicht jedoch die Freiheit des Betroffenen einschränkt (Lipp JZ 2006, 661, 663 f.). § 1906 BGB regelt also nicht den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, sondern die Kontrolle des Betreuers wegen seiner dem Grunde nach bestehenden unbeschränkten Vertretungsmacht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 83; vgl. zum Vormund BVerfGE 10, 302, 310; zum Bevollmächtigten BVerfG FamRZ 2009, 945, 947). Die sich hieran anschließende Frage, ob sich die Kontrolle des von staatlichen Gerichten bestellten Betreuers hinsichtlich der grundrechtsrelevanten Eingriffe an denselben Maßstäben messen lassen muss, die gelten, wenn der Staat die Maßnahmen, in die der Betreuer einwilligen will, selbst angeordnet hätte, ist nach Auffassung des Senats zu bejahen.
29
Das Bundesverfassungsgericht geht auch bei der Genehmigung einer - von dem Betreuer veranlassten - Unterbringung von "einem staatlichen Eingriff" aus (BVerfG FamRZ 1998, 895, 896). Zudem hat es ausgeführt, dass selbst die Einwilligung des Betreuers der (Zwangs-) Maßnahme nicht den Eingriffscharakter nehme (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42). Auch wenn sich seine Handlungsbefugnisse nach der Dogmatik des Betreuungsrechts unmittelbar aus §§ 1901, 1902 BGB ergeben (vgl. Lipp JZ 2006, 661, 663 f.), muss die gebotene staatliche Kontrolle inhaltlich den Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht für eine an den Staat adressierte Ermächtigungsgrundlage fordert. Dass die Betreuung im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, die Betreuung die mit der Menschenwürde garantierte Selbstbestimmung des Einzelnen verwirklichen soll und der Betreuer die Rechte des Betroffenen auch gegenüber dem Staat wahrzunehmen hat (Lipp JZ 2006, 661, 663), ändert nichts daran, dass jener bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Betroffenen neben der zivilrechtlichen Vertretung auch öffentliche Fürsorge ausübt.
30
bb) Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügen den Anforderungen nicht, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssen. Ebenso wenig enthalten die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem zur betreuungsrechtlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung, dessen Schutzniveau den nunmehr vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (aA Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 f.).
31
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Vorschrift so bestimmt gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73). Dem aktuell oder potentiell betroffenen Untergebrachten sowie den zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträgern , dem Betreuer, der Unterbringungseinrichtung und den behandelnden Ärzten, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz erkennbar sein (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 74).
32
Weder § 1906 BGB noch die übrigen betreuungsrechtlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften verhalten sich zur Frage der Zwangsbehandlung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb fehle, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Demgemäß hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf abgestellt, dass die Norm im Wesentlichen sinnlos wäre, wenn die von ihr vorausgesetzte Heilbehandlung nicht durchsetzbar wäre. Das ändert indes nichts daran, dass für die aktuell bzw. potentiell betroffenen Untergebrachten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz selbst nicht erkennbar sind.
33
Hinzu kommt, dass § 1906 BGB seinem Wortlaut nach unmittelbar nur die Kontrolle eines Eingriffs in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person gewährleistet, sich aber nicht zu dem in besonders intensiver Weise tangierten, von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützten Recht auf Selbstbestimmung des Betroffenen hinsichtlich seiner körperlichen Integrität (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 44) verhält.
34
(2) Der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar entsprochen (so zutreffend Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237). Danach waren nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen (BGHZ 166, 141, 146 = FamRZ 2006, 615, 616). Auch wenn sich Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 1906 BGB selbst finden, weil die Unterbringung nur zulässig ist, "solange sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist", kann das allerdings im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht darüber hinweghelfen, dass das Gesetz selbst keine Ausführungen zur Zwangsbehandlung, namentlich zur Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahmen nach Art und Dauer - einschließlich der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender Kontrollen - enthält. Ebenso fehlen Regelungen dazu, dass die Zwangsbehandlung nicht mit Belastungen verbunden sein darf, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen und dass die Zwangsbehandlung nur das letzte Mittel darstellen darf, also eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos sein muss (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58). Soweit der Senat hierzu bereits Leitsätze aufgestellt hat, handelt es sich um Richterrecht. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kann das indes nicht genügen. Danach sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht. Für die näheren Anforderungen ist auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73 - s. auch LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris Rn. 13).
35
(3) Schließlich sind auch die in verfahrensrechtlicher Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen zur Zwangsbehandlung (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72) gesetzlich nicht geregelt.
36
(a) Allerdings dürfte die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, dass vor Durchführung der Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinden muss (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71), erfüllt sein.
37
Denn zum einen ist in den Fällen der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung der Betreuer eingeschaltet; grundsätzlich ist nur er befugt, die Behandlung zu veranlassen. Hinzu kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für den Fall der bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Unterbringung bekannten Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung, dass sich der genehmigende Beschluss nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch auf die Zwangsbehandlung zu erstrecken hat (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 = FamRZ 2006, 615, 618).
38
Gleiches dürfte für den Fall gelten, dass sich die Erforderlichkeit einer Zwangsmedikation bei einem bereits nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB untergebrachten Betroffenen erst im Nachhinein herausstellt. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
39
(b) Demgegenüber vermögen die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthaltenen Verfahrensvorschriften den von dem Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen an die gesetzliche Regelung der Zwangsbehandlung nicht gerecht zu werden. Sie beziehen sich jeweils nur auf die Unterbringung, nicht aber auf eine Zwangsbehandlung. In § 321 FamFG ist beispielsweise geregelt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Demgegenüber genügt gemäß § 321 Abs. 2 FamFG für eine Maßnahme nach § 312 Nr. 2 FamFG (die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB) eine ärztliche Stellungnahme. Ob vor der Genehmigung einer Zwangsbehandlung ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, oder ob insoweit auch eine ärztliche Stellungnahme ausreicht , ist gesetzlich nicht geregelt. Zwar dürfte ein Sachverständigengutachten notwendig sein, wenn die Genehmigung der Zwangsbehandlung mit der Unter- bringung einhergeht. Welche Anforderungen aber bestehen, wenn eine gesonderte Genehmigung der Zwangsbehandlung erforderlich wird, kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
40
(c) Ferner finden sich im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder Vorschriften, die - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 67, 79) - zur Dokumentation der Maßnahme verpflichten, noch enthält es Bestimmungen, wonach die Maßnahme nur auf Anordnung und unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden darf (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 79). Dass die behandelnde Klinik beide Aspekte regelmäßig aus eigenem Interesse beachten und der Arzt - berufsrechtlich - zur Dokumentation verpflichtet sein wird (so Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 238), genügt nicht, um den vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten verfahrensrechtlichen Anforderungen zu genügen.
41
(d) Ebenso fehlen konkrete Regelungen darüber, welche Behandlungsdauer eine gerichtliche Genehmigung umfassen kann und wie konkret die Genehmigung erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen auch diese wesentlichen Fragen einer gesetzlichen Regelung.
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e) Gemessen an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Regelung vermag § 1906 Abs. 4 BGB ebenso wenig die Genehmigung der Anordnung einer Zwangsbehandlung durch den Betreuer zu rechtfertigen. Wie § 1906 Abs. 1 BGB regelt auch § 1906 Abs. 4 BGB den Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 301 f. = FamRZ 2001, 149, 150). Die Regelungsmaterie geht also nicht über den in § 1906 Abs. 1 BGB geregelten Bereich hinaus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Absatz 4 ersichtlich als geringeren Eingriff angesehen, weil es für eine Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB gemäß § 321 Abs. 2 iVm § 312 Nr. 2 FamFG lediglich der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bedarf.
43
f) Nach alledem fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb darf ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.
44
3. Entgegen dem Antrag der Betreuerin kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht (aA LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris).
45
Voraussetzung hierfür ist, dass das vorlegende Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das ist hier nicht der Fall.
46
Unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts enthalten die Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Eine Auslegung des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gestalt der bisherigen Senatsrechtsprechung kommt nicht mehr in Betracht. Deshalb kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
47
Ob der Staat im Rahmen seiner ihm nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Schutzpflicht (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2011, 991 Rn. 37) verpflichtet ist, zum Wohle der Betroffenen die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln, kann dahinstehen. Art. 100 Abs. 1 GG enthält nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung des Gerichts, ein Unterlassen des Gesetzgebers als Verfassungsverstoß zur Prüfung zu stellen. Dass Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend auszulegen wäre, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls bislang nicht entschieden (offengelassen in BVerfG Beschluss vom 9. Mai 2006 - 2 BvL 4/02 - juris Rn. 22; NJW 1994, 2750, 2751; NVwZ 1984, 365 und NJW 1964, 1411).
48
4. Der Senat verkennt nicht, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt. Der Senat hat bereits hinsichtlich der Problematik einer ambulanten Zwangsbehandlung wiederholt darauf hingewiesen (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152 und vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866, 868). Dose Klinkhammer Schilling Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 26.01.2012 - 8 XVII 58/12 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.02.2012 - 2 T 35/12 -

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.