Amtsgericht Siegen Urteil, 22. Mai 2015 - 14 C 2200/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.053,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Mietwagenkosten aus der Rechnung der XY GmbH & Co.KG vom 28.08.2014 in Höhe von 1.816,53 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9 % und die Beklagte zu 91 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger macht Zahlungsansprüche und einen Freistellungsanspruch aus einem Verkehrsunfallereignis vom 31.07.2014 in Freudenberg geltend.
3Der Kläger beantragt,
4- 5
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.053,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2014 zu zahlen,
- 6
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 40,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2014 zu zahlen,
- 7
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn, den Kläger, von den Mietwagenkosten aus der Rechnung der X2 GmbH & Co. KG vom 28.08.2014 in Höhe von 2.104,04 Euro freizustellen,
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an die X2 GmbH & Co. KG auf die Rechnung vom 28.08.2014, Rechnungs-Nr.: 50046997 zum Mietvertrag mit der Nr.: 44195 für den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.104,04 € zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
12Die Klage ist ganz überwiegend begründet, im Übrigen unbegründet.
13Der Kläger hat durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigenbüros xxx vom 31.07.2014 hinreichend substantiiert dargetan, dass bezüglich seines verunfallten Fahrzeugs der Wiederbeschaffungsaufwand 6.850,00 Euro beträgt. Die Ermittlung des Restwertes begegnet auch keinen Bedenken. Der Sachverständige hat drei konkrete Restwertangebote für das Fahrzeug eingeholt und sodann den konkreten Restwert nachvollziehbar festgestellt.
14Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargetan, dass er das Gutachten des Sachverständigen xxx vom 31.07.2014 bereits am 05.08.2014 per E-Mail an die Beklagte übersandt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte noch ein Restwertangebot vorlegen würde, hatte der Kläger nicht. Die Beklagte hätte in diesem Fall spätestens im Schreiben vom 05.08.2014 an den Kläger darauf hinweisen müssen, dass dieser mit einer etwaigen Inzahlungnahme des verunfallten Fahrzeuges so lange warten soll, bis ein von ihr, der Beklagten, eingeholtes Restwertangebot vorliegt. Eine solche Vorankündigung der Beklagten hat es jedoch zu keinem Zeitpunkt gegeben; vielmehr hat die Beklagte ohne weitere Vorankündigung erst am 14.08.2014 ein Restwertangebot vorgelegt.
15Es liegt in der Dispositionsfreiheit des Unfallgeschädigten, wenn dieser nach Einholung eines Gutachtens das verunfallte Fahrzeug zu dem im Gutachten ermittelten Restwert in Zahlung gibt und wie vorliegend ein Ersatzfahrzeug anschafft. Der Kläger hätte das verunfallte Fahrzeug zuvor der Beklagten nicht zur Verwertung anbieten müssen und musste dieser auch nicht Gelegenheit geben, ein höheres Restwertangebot vorzulegen. Liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, darf der Geschädigte grundsätzlich den vom Sachverständigen in seinem Gutachten ermittelten Restwert für die Abrechnung des Schadens in Ansatz bringen. Der Geschädigte darf sich auf die Sachkunde des Sachverständigen verlassen. Er ist gerade nicht dazu verpflichtet, vor der Veräußerung des Unfallfahrzeuges vorab mit dem Schädiger oder seinem Haftpflichtversicherer über seine Konditionen der Verwertung Rücksprache zu halten. Auch im Internet hat er ohne weitere Veranlassung nicht von sich aus eigene Nachforschungen anzustellen.
16Im Übrigen konnte der Kläger nach Abschluss des Kaufvertrages mit der X2 GmbH & Co. KG vom 06.08.2014 das höhere Restwertangebot der Beklagten nicht mehr annehmen.
17Der Kläger hat auch hinreichend substantiiert dargetan, dass ausweislich der Rechnung der X2 GmbH & Co. KG vom 11.08.2014 eine Zulassungspauschale von 48,49 Euro und verauslagte Gebühren beim Straßenverkehrsamt in Höhe von 42,30 Euro angefallen sind. Der im Zusammenhang mit der Zulassung für das Autohaus entstehende Aufwand muss berücksichtigt werden, und das Gericht sieht die diesbezüglich angefallenen Kosten als angemessen an.
18Hinsichtlich der geltend gemachten Mietwagenkosten war der Kläger aktivlegitimiert. Zwar ist der Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten laut Abtretungserklärung vom 31.07.2014 abgetreten worden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass ausweislich dieser Erklärung der Kläger selbst für die Geltendmachung und Durchsetzung dieses Anspruchs gegenüber der Beklagten zu sorgen hat.
19Das Gericht hält vorliegend den Ersatz von Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 2.491,53 Euro für erforderlich und angemessen.
20Im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwandes kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist nicht gehalten, umfangreiche Ermittlungen und Preisvergleiche anzustellen, um auf diese Weise den günstigsten Anbieter von Mietfahrzeugen zu ermitteln und von diesem ein Ersatzfahrzeug anzumieten.
21Das Gericht legt den Berechnungen die Schwacke-Liste 2003 unter Berücksichtigung der Preissteigerung zugrunde, die gegenüber den Schwacke-Listen ab 2006 zur Wiedererhebung des Fraunhofer-Instituts die am besten geeignete Vergleichsgrundlage darstellt. Die Schwacke-Liste 2003 bietet den Vorteil, dass die Liste zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, zu dem die Mietwagenunternehmen – im Gegensatz zum Zeitpunkt der Erhebung der Schwacke-Liste 2006 – noch keine Kenntnis von der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ersatzfähigkeit des Unfallersatztarifes haben konnten. Dies spricht dafür, dass die Angaben der Mietwagenunternehmen – trotz nicht anonymisierter Abfrage – nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausgerichtet waren und damit die real geforderten Preise besser abgebildet werden.
22Im vorliegenden Fall ergeben sich damit folgende Beträge:
234 x Wochen-Tarif (Gruppe 5 Schwacke Mietpreisspiegel 2003; = 1.480,00 €)
24zuzüglich 1 x Tages-Tarif (Gruppe 5 Schwacke Mietpreisspiegel 2003; = 82,00 €)
25abzüglich 16 % Mehrwertsteuer (= 215,45 €)
26zuzüglich 16,5 % Inflationsausgleich (= 222,18 €)
27zuzüglich Haftungsbegrenzung (= 524,99 €)
28zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer (= 397,81 €)
29demgemäß erforderliche / zu erstattende Mietwagenkosten: 2.491,53 €.
30Auch die Kosten für die Haftungsbegrenzung sind als adäquate Schadensfolge erstattungsfähig. Unabhängig von der Frage, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug selbst voll- oder teilkaskoversichert war, besteht jedenfalls ein schutzwürdiges Interesse des Klägers, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeuges nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und somit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge.
31Vorliegend hat der Kläger sich keinen pauschalen Abzug in Höhe von 10 % für ersparte Eigenaufwendungen anrechnen zu lassen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das verunfallte Fahrzeug ein Kombi war und der Kläger – was zwischen den Parteien unstreitig ist – lediglich eine Limousine angemietet hat.
32Die zuerkannten Zinsansprüche beruhen auf § 288 Abs. 1 BGB.
33Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
34Rechtsbehelfsbelehrung:
35Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
36a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
37b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
38Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Siegen, Berliner T2, 57072 Siegen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
39Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Siegen zu begründen.
40Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Siegen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
41Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen - Gesetze
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
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die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.