Amtsgericht Siegburg Urteil, 29. Feb. 2016 - 204 Ds 524/15
Tenor
Der Angeklagte wird wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der ledige Angeklagte hat angegeben, von Beruf Autohändler zu sein mit einem monatlichen Einkommen von 1.000,00 Euro. Unterhaltsverpflichtungen oblägen im nicht. Der Angeklagte ist wie folgt vorbestraft:
41999 wurde er wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt, im Jahre 2000 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, 2003 wegen Trunkenheit im Straßen-verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen, 2004 wegen gefährlicher Körper- verletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Es folgte im Jahre 2009 eine Verurteilung wegen Beihilfe zum schweren Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen zu einer Bewährungsfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die mit Wirkung zum 10.04.2013 erlassen wurde. Zuletzt wurde der Angeklagte am 30.11.2009 wegen gemeinschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt.
5II.
6In T im Bereich „F“ betreibt der Geschädigte Q in einer dort befindlichen Gewerbehalle eine Dachdeckerei. Daneben befindet sich in einem anderen Hallenbereich die Autowerkstatt des Zeugen K. Dorthin wollte der Angeklagte am 28.08.2015 gegen 15:45 Uhr in Begleitung seiner Freundin, der Zeugin O, ein Fahrzeug zur Reparatur bringen. Im Bereich nahe der beiden Hallen, hatte der Geschädigte einen Abfallcontainer aufgestellt, den ausschließlich er zu nutzen berechtigt war. Als die Zeugin O eine aus ihrem Fahrzeug stammende Abfalltüte darin entsorgen wollte, wies der Geschädigte Q dies mit übertriebener Unfreundlichkeit zurück. Hierüber kam es zu einem Verbalstreit zwischen ihm und dem Angeklagten. Als der Zeuge Q sich abwenden und den Ort des Geschehens verlassen wollte, versetzte der Angeklagte ihm zwei Faustschläge in den Gesichtsbereich. Der erste Faustschlag erfolgte von unten her gegen die rechte Seite des Kinns, woraufhin der Geschädigte zu Boden ging. Als er aufstand, versetzte ihm der Angeklagte den weiteren Schlag ins Gesicht.
7Aufgrund der beiden Schläge erlitt der Geschädigte eine Kieferwinkelfraktur rechts sowie eine Jochbeinfraktur links im Gesicht.
8III.
9Der Angeklagte hat sich wie folgt eingelassen:
10Er habe vor der geöffneten Motorhaube seines Fahrzeugs gestanden, als ein Mann von der Seite auf ihn zugekommen sei und irgendetwas von Müll gesprochen habe. Dieser sei beleidigend und aggressiv gewesen und sei ihm, dem Angeklagten, nahe gekommen. Seine Freundin, die Zeugin O, sei dazwischen gegangen. Der Mann habe daraufhin deren Hand gepackt und gezogen. Auch habe der ihn, den Angeklagten, geschlagen. Er habe sich dagegen durch einen Schlag links und rechts gewehrt. Als dann zwei bis vier Mitarbeiter des Geschädigten auf sie zugekommen seien, sei er mit seiner Freundin in Panik weggefahren
11.
12IV.
13Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen Angaben, die Erkenntnisse zu seinen Vorstrafen aus dem auszugsweise verlesenden Bundeszentralregisterauszuges. Die Feststellungen zum Tathergang beruhen im Wesentlichen auf den Bekundungen des Zeugen Q sowie aus den Angaben in der Hauptverhandlung eingeführten ärztlichen Bericht des Universitäts-Klinikums M vom 02.09.2015.
14Der Zeuge Q hat wie folgt bekundet:
15Er habe beobachtet, wie der Angeklagte mit einem Auto zu der benachbarten Werkstatt kam. Die Begleiterin des Angeklagten habe zu dem Container geschaut und etwas gesagt. Er, Q, habe den Angeklagten dann gefragt, was mit diesem Container sei. Der Angeklagte habe gesagt, er wolle Müll dort hinein werfen. Dies habe er dann untersagt. Im so entstandenen Verbalstreit habe er weggehen und sich ins Auto setzen wollen, als ihm ein Schlag seitens des Angeklagten von unten her gegen die rechte Seite des Kinns verpasst worden sei. Er sei dann zu Boden gegangen. Als er aufgestanden sei, habe er noch einen Schlag ins Gesicht bekommen. Er selbst habe zu keiner Zeit den Angeklagten geschlagen, ebenso wenig sei er dessen Begleiterin angegangen oder habe diese angefasst.
16Demgegenüber hat die Zeugin O, die Freundin des Angeklagten, wie folgt bekundet:
17Sie habe Müll im Auto gehabt und diesen in den Container bringen wollen. Als sie dort gewesen sei, sei ein Mann aggressiv und laut auf sie zugekommen. Sie habe Angst bekommen und sich in ihr Auto geflüchtet. Der Mann habe sich dann an ihren Freund, den Angeklagten, gewandt und einen Verbalstreit angefangen. Sie sei dann dazwischen gegangen, um den Streit zu schlichten. Der Mann habe dabei ihre Hand gepackt, der Angeklagte ihr helfen wollen. Der Mann habe den Angeklagten geschla-gen, der Angeklagte habe zurückgeschlagen, sie ergriffen, und sie seien mit ihrem Auto weggefahren.
18Die im Übrigen vernommenen Zeugen S2, A und K haben angegeben, zwar in der Nähe des Geschehens gewesen zu sein, sie wollten oder konnten jedoch keine Angaben zum genauen Tathergang machen.
19In der Gesamtschau folgt das Gericht den Angaben des geschädigten Zeugen Q, die durch die Feststellungen zu seinen Verletzungen gestützt werden. Die Bekundungen der Zeugin O waren dagegen unglaubhaft. Aus zu ihren Angaben konnte zunächst kein durchgängig stringenter Tathergang erkannt werden, sie listete vielmehr recht unsortiert die Einzelpunkte der Einlassung des Angeklagten auf. So war nicht klar zu verstehen, wie einerseits der Zeuge Q sie gepackt und weggezerrt, andererseits eher mehr oder weniger zugleich auf den Angeklagten eingeschlagen haben soll. Zudem widerspricht die Schilderung des Tathergangs seitens der Zeugin eklatant jeglicher Lebenserfahrung. Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen muskellösen, großgewachsenen und durchtrainiertem Mann mit einem eher abweisend und einschüchternd wirkenden Wesenszug. Dem gegenüber ist der Geschädigte von so kleiner und schmächtiger Statur, dass ein aggressives Verhalten gegenüber einer derartig körperlich überlegenen Person wie dem Angeklagten völlig unwahrscheinlich ist. Das Gericht ist daher überzeugt, dass der Angeklagte seitens des Geschädigten jedenfalls nicht körperlich angegriffen wurde, sondern dessen offenbar höchst unfreundliche und schroffe Zurückweisung wegen der Nutzung des Containers als unangemessen und beleidigend empfand und daher zugeschlagen hat.
20Darüber hinaus dürfte auch für den unterstellten Fall, dass der Geschädigte den Angeklagten tatsächlich körperlich angegangen sein sollte, aufgrund der eklatanten Unterschiedlichkeit der Körperstaturen die dann vom Angeklagten gewählte „Abwehr-methode“ bei weitem nicht angemessen gewesen sein, um gemäß § 32 StGB gerechtfertigt zu sein. Gerade im Hinblick auf die körperliche Überlegenheit des Angeklagten hätte es ausgereicht, den vermeintlichen oder tatsächlichen Angreifer Q wegzuschubsen oder wegzuziehen, keinesfalls hätte er mit einer solchen Wucht zuschlagen dürfen, dass sofort mehrfache Gesichtsfrakturen bei seinem Opfer entstehen.
21Die Verletzungen sind aus den Angaben in der Hauptverhandlung vom 17.02.2016 verlesenen Bericht der Uni-Klinik M geschildert. Darin wurde mitgeteilt, dass die Kieferwinkelfraktur rechts sowie eine nicht dislozierte Jochbeinfraktur links diagnostiziert worden seien.
22V.
23Der Angeklagte hat sich damit der Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Q schuldig gemacht. Bei der Strafzumessung wurde der Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB, mithin Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, zugrunde gelegt. Wesentlich für das Strafmaß war, dass der Angeklagte dem Geschädigten aus völlig nichtigem Grunde erhebliche Gesichtsverletzungen zugefügt hatte. Strafschärfend wurde auch berücksichtigt, dass der Angeklagte mehrfach vorbestraft ist. Strafmildernd viel ins Gewicht, dass der Geschädigte durch unfreundliches und höchstabweisendes Verhalten nicht unerheblich zur Eskalation der Situation beige-tragen hat. In der Gesamtschau war daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten tat- und schuldangemessen.
24Da die letzten Verurteilungen des Angeklagten bereits geraume Zeit zurück liegen, insbesondere die verhängte Freiheitsstrafe nach Ablauf der einmal verlängerten Bewährungszeit erlassen worden ist, besteht derzeit hinreichend Anlass zu der Ver- mutung, dass er sich künftig straffrei führen wird. Die Vollstreckung der Freiheits- strafe konnte deshalb zur Bewährung ausgesetzt werden.
25VI.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
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(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.