Amtsgericht Saarburg Urteil, 10. Feb. 2016 - 5a C 392/15

ECLI:ECLI:DE:AGSAARB:2016:0210.5AC392.15.0A
bei uns veröffentlicht am10.02.2016

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Dachrinne seines Hausanwesens B. Straße 63 in K. von der Dachrinne vom Hausanwesen der Kläger in der B. Straße 61 in K. zu trennen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren von dem Beklagten die Trennung seiner Dachrinne von der Dachrinne der Kläger und den Anschluss an ein eigenes Fallrohr des Beklagten.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Hausanwesens B. Straße 61 in K., der Beklagte ist Eigentümer des benachbarten, unmittelbar an das Haus der Kläger angebauten Hausanwesens B. Straße 63. Der Beklagte hatte das Haus B. Straße 63 im April 1998 von dem Voreigentümer, dem Zeugen W., gekauft. Die Kläger hatten das Haus B. Straße 61 im Jahr 2002 von der Erbengemeinschaft nach den verstorbenen Voreigentümern, den Eltern der Klägerin zu 1), gekauft. Die Klägerin zu 1) war zu 1/4 an der Erbengemeinschaft beteiligt.

3

Als es vor dem Jahr 1998 aufgrund eines Defekts des im Mauerwerk verlaufenden Regenfallrohrs zu einem Wasserschaden im Haus B. Straße 63 kam, gestatteten die Voreigentümer, die Eltern der Klägerin zu 1), dem Zeuge W., seine Dachrinne im Frontbereich des Hauses an das Regenfallrohr des Hausanwesens B. Straße 61 anzuschließen. Die Verbindung der beiden Dachrinnen und des Fallrohrs erfolgte über ein zum Eigentum des Hauses B. Straße 61 gehörendes T - Stück. Der Anschluss der Dachrinne des Beklagten an das T - Stück ist undicht.

4

Mit Schreiben vom 21.07.2015 forderten die Kläger den Beklagten auf, binnen vier Wochen die Verbindung der Dachrinne zu trennen und an sein eigenes Fallrohr anzuschließen. Ein am 27.10.2015 durchgeführter Sühneversuch vor dem Schiedsmann blieb erfolglos.

5

Am 21.11.2015 versuchte ein Freund des Beklagten am Fallrohr Abdichtungsarbeiten mit Silikon vorzunehmen. Auf Wunsch der Kläger nahm er von diesen Arbeiten Abstand.

6

Die Kläger tragen vor,
die Dachrinne des Beklagten werde nicht gereinigt, so dass es bereits zweimal zu Verstopfungen des Fallrohrs gekommen sei. Aufgrund der Undichtigkeit des Anschlusses werde bei Regenfällen die Hausfront der Kläger durchnässt und es bestünde erhöhte Glatteisgefahr.

7

Die Kläger trugen zunächst vor, sie hätten dem Beklagten gestattet, eine Verbindung beider Dachrinnen herzustellen, wobei der Rückbau unverzüglich erfolgen sollte. Der Beklagte sei vom Voreigentümer auf diesen Umstand hingewiesen worden und auf die Tatsache, dass im Anwesen B. Straße 63 ein eigenes Fallrohr in der Hauswand eingebaut ist. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärten die Kläger, der Anschluss der Dachrinne des Beklagten an das Regenfallrohr der Kläger sei durch die Voreigentümer erfolgt. Inwieweit und in welcher Form eine Vereinbarung zwischen den Voreigentümern getroffen worden sei, wüssten sie nicht.

8

Die Kläger beantragen,

9

den Beklagten zu verurteilen, die Dachrinne seines Hausanwesens B. Straße 63 in K. von der Dachrinne vom Hausanwesen der Kläger in der B. Straße 61 in K. zu trennen und an sein eigenes Fallrohr anzuschließen.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte trägt vor,
er reinige seine Dachrinne regelmäßig. Verstopfungen des Fallrohrs seien ihm nicht bekannt. Inwieweit ein funktionsfähiges Fallrohr in seinem Hausanwesen vorhanden sei, sei ihm nicht bekannt. Die Trennung der Regenrinnen würde unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen, da hierfür die komplette Dämmung abzureißen, das Fallrohr gesucht und ggf. repariert werden müsste, sowie die Straße und der Gehweg aufzureißen wären.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist begründet.

14

Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Trennung der Dachrinne des Beklagten vom Fallrohr der Kläger gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu.

15

Die Kläger sind nicht zur Duldung der durch den Anschluss der Dachrinne des Beklagten an die Dachrinne der Kläger erfolgten Eigentumsbeeinträchtigung gemäß § 26 Nachbargesetz für Rheinland Pfalz (im folgenden: LNachbarG) verpflichtet, § 1004 Abs. 2 BGB.

16

Gemäß § 26 LNachbarG muss der Eigentümer eines Grundstücks, das bereits an das Wasserversorgungs- und Entwässerungsnetz angeschlossen ist und die vorhandenen Leitungen zur Versorgung und Entwässerung beider Grundstücke ausreichen, den Anschluss eines Nachbargrundstücks dulden, wenn der Anschluss an das Wasserversorgungs- oder Entwässerungsnetz anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. § 26 LNachbarG ist auch auf die Anbringung von Entwässerungsrohrleitungen zur Ableitung des Regenwassers in den Vorfluter anwendbar (vgl. Hülbusch/Bauer/Schlick, Nachbarrecht für Rheinland - Pfalz und das Saarland, 6. Auflg., § 26, Rn. 1 m.w.N.). Zwar kann davon ausgegangen werden, dass dem Beklagten durch die Wiederherstellung des ursprünglichen Regenfallrohrs bzw. durch die Neuherstellung eines Regenfallrohrs und den Anschluss an die Kanalisation gegenüber dem bereits vorhandenen Anschluss unverhältnismäßig hohe Kosten entstünden. Bei einem Verzicht auf das Nachbargrundstück entstehen unverhältnismäßig hohe Kosten, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen den dabei entstehenden Kosten und den bei Benutzung des Nachbargrundstücks anfallenden Kosten vorliegt (vgl. Hülbusch/Bauer/Schlick, Nachbarrecht für Rheinland - Pfalz und das Saarland, 6. Auflg., § 26, Rn. 3 m.w.N.). Da durch den bestehenden Zustand keine Kosten entstehen, sind die für eine Neuinstallation entstehenden Kosten erheblich höher. Den Klägern entstehen durch die weitere Inanspruchnahme ihres Fallrohrs durch den Beklagten keine erheblichen Beeinträchtigungen. Insoweit ist vor allem die Nutzungsart des in Anspruch genommenen Nachbargrundstücks von Bedeutung. Eine gewisse Beeinträchtigung muss aus dem Gedanken des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses geduldet werden (vgl. Hülbusch/Bauer/Schlick, Nachbarrecht für Rheinland - Pfalz und das Saarland, 6. Auflg., § 26, Rn. 5 m.w.N.). Soweit es infolge der gemeinsamen Nutzung zu Verstopfungen kommt oder zu Undichtigkeiten, wird die Duldungspflicht nicht durch diese technischen Störungen aufgehoben (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 1342). Vielmehr sind technische Schwierigkeiten im Rahmen der Verpflichtung zur gemeinsamen Unterhaltung gemäß § 27 LNachbarG zu bewältigen. Jedoch ist § 26 LNachbarG vorliegend nicht anwendbar. Im Ergebnis soll durch diese Vorschrift eine Interessenabwägung der Interessen der beteiligten Nachbargrundstücke erfolgen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ursprünglich beide Grundstücke getrennte Dachentwässerungssysteme aufwiesen und an die Oberflächenentwässerungsleitungen angeschlossen waren. Der damalige Anschluss an das Fallrohr der Kläger erfolgte nicht, da die Neuherstellung eines Anschlusses an das Entwässerungssystem für das Beklagtengrundstück mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden gewesen wäre, sondern lediglich aufgrund einer zwischen den damaligen Eigentümern bestehenden und nicht gegenüber den Parteien als Sonderrechtsnachfolgendern wirkenden schuldrechtlichen Vereinbarung (ggf. Leihe), um Reparaturkosten zu vermeiden. Es bestand und besteht nach wie vor ein Anschluss des Grundstücks an das Entwässerungssystem, lediglich fehlt ein funktionierendes Regenfallrohr als Verbindungsstück zwischen der Dachrinne und dem Anschluss an die Kanalisation. Vom Sinn und Zweck des § 26 Abs. 1 Nr. 1 LNachbarG kann der „Anschluss an das Entwässerungsnetz“ zum einen nur den Übergang vom öffentlichen Kanal zum Grundstück umfassen, der bereits vorhanden ist, nicht jedoch das Verbindungsstück zwischen Dachrinne und Kanal und zudem nur den erstmaligen Anschluss, also die erstmaligen Anschlusskosten, nicht jedoch die Reparaturkosten. Die Reparatur eines Verbindungsstücks zu einem vorhandenen Anschlusses obliegt in jedem Fall dem Eigentümer unabhängig davon, welche Kosten hierfür entstehen. Die das Eigentum beschränkende Vorschrift des § 26 LNachbarG ist im Hinblick auf Art. 14 GG restriktiv auszulegen.

17

Inwieweit sich darüber hinaus ein Anspruch der Kläger auf Trennung der Dachrinne des Beklagten vom Fallrohr der Kläger aufgrund einer Vereinbarung der Voreigentümer über einen unverzüglichen Rückbau ergibt, kann offen bleiben. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger haben nicht substantiiert dargelegt, wann und mit welchem Inhalt eine solche Vereinbarung zwischen den Voreigentümern getroffen wurde und aus welchem Grund diese auch für den Beklagten als Sonderrechtsnachfolger des Voreigentümers bindend sein soll. Vielmehr haben die Kläger im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben, sie wüssten nicht, ob eine Vereinbarung über den Rückbau zwischen den Voreigentümern getroffen wurde. Einer Vernehmung des Zeugen W. bedurfte es daher nicht.

18

Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Anspruch in der Form zu, dass dieser seine Dachrinne an sein eigenes Fallrohr anschließt. In welcher Form der Beklagte mit seiner Dachrinne nach Trennung von der klägerischen Dachrinne - und somit Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigt - verfährt, obliegt nicht den Klägern.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

20

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.