Amtsgericht Saarburg Urteil, 21. Okt. 2015 - 5a C 229/15

ECLI:ECLI:DE:AGSAARB:2015:1021.5AC229.15.0A
bei uns veröffentlicht am21.10.2015

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, zusammen mit dem Kläger die Kündigung des mit den Mietern A.S. und A.R. über die Wohnung R. Straße 21a, Parterre, in K., geschlossenen Mietvertrages wegen Eigenbedarfs zu erklären.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zustimmung zu einer gemeinsam zu erklärenden Eigenbedarfskündigung.

2

Die Parteien sind getrennt lebende Ehegatten und Miteigentümer u.a. der an die Mieter A.S. und A.R. seit dem 15.06.2012 zu einem monatlichen Kaltmietzins in Höhe von 340,00 € vermieteten 56 m² großen Wohnung im Erdgeschoss der R. Straße 21a in K. gelegenen Wohnung. Die Mieteinnahmen aus der Vermietung der im Haus Nummer 21a gelegenen Wohnungen dienen der Rückführung des durch die Parteien gemeinsam aufgenommenen Hausfinanzierungskredits.

3

Weiterhin sind die Parteien Miteigentümer des Hauses R. Straße 28, das ehemals von den Parteien gemeinsam bewohnt wurde, mittlerweile von der Beklagten allein. Der Kläger wohnt aufgrund einer von der Beklagten erwirkten Gewaltschutzverfügung seit April 2015 in einer Ferienwohnung. Das Haus R. Straße 21 steht im Eigentum der Tochter der Parteien und wird von dieser und ihrer Familie bewohnt. Den Parteien steht an diesem Haus ein Nießbrauchsrecht sowie die Verwaltung und Vermietung zu. Im Rahmen zweier Gewaltschutzverfahren vor dem Amtsgericht Saarburg zwischen den Parteien sowie zwischen dem Kläger und der gemeinsamen Tochter sowie dem Schwiegersohn, haben die jeweiligen Parteien sich auf ein Näherungs- und Kontaktverbot des Klägers geeinigt, Az. 3b F 95/15 und 3b F 96/15.

4

Die vom Kläger gegenüber den Mietern ausgesprochene Kündigung haben diese mit Schreiben vom 18.06.2015 wegen fehlender Zustimmung der Beklagten zurückgewiesen. Die Parteien führten Verhandlungen über die Aufteilung des gemeinsamen Immobilienvermögens, die jedoch scheiterten. Der Kläger schlug vor, Haus Nr. 21a dem gemeinsamen Sohn zu übertragen. Mit Schreiben vom 28.04.2015 teilte der Kläger der Beklagten mit: „Ich möchte vielleicht auch gerne Haus 21a verkaufen.“

5

Der Kläger erklärte sich bereit, für die Nutzung der Wohnung die hälftige Miete zu übernehmen, soweit die Beklagte für die Nutzung der gemeinsamen Immobilie Nummer 28 ebenfalls ein anteiliges Nutzungsentgelt zahlt. Alternativ schlägt er vor, dass beide Parteien auf die Zahlung eines Nutzungsentgeltes gegenseitig verzichten.

6

Die Beklagte befürchtet im Fall des Einzugs des Klägers in die streitgegenständliche Wohnung (psychische) Beeinträchtigungen der im benachbarten Haus wohnenden gemeinsamen Tochter.

7

Der Kläger trägt vor,
er sei auf die Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung angewiesen, da es ihm nicht zumutbar sei bis zu einer möglichen Teilungsversteigerung in der Ferienwohnung zu verbleiben, für die er monatlich 500,00 € Miete zahle. Eine vergleichbare Wohnung könne er in Konz nicht finden. Die Parteien erwirtschafteten aus der Vermietung monatliche Überschüsse in Höhe von mindestens 600,00 €. Er sei bereit die gesamte Miete zu zahlen.

8

Der Kläger beantragt,

9

die Beklagte zu verurteilen, zusammen mit dem Kläger die Kündigung des mit den Mietern A.S. und A.R. über die Wohnung R. Straße 21 a, Parterre, in K., geschlossenen Mietvertrages wegen Eigenbedarfs zu erklären.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte trägt vor,
es läge eine unzulässige Vorratskündigung vor, da nicht absehbar sei, dass der Kläger die Wohnung selber nutzen wolle, da er ggf. das Anwesen Nummer 28 erwerben wolle und seine Ankündigungen hinsichtlich der Nutzung und Aufteilung der Nummer 21a wechselhaft seien. Der Mietüberschuss betrage monatlich 300,00 €. Sie könne wirtschaftlich die Hälfte der ausfallenden Mieteinnahmen im Fall einer Kündigung nicht übernehmen.

Entscheidungsgründe

13

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zustimmung zur Eigenbedarfskündigung betreffend die vermietete Wohnung R. Straße 21 a, Parterre, in K. gemäß § 745 Abs. 2 BGB zu.

14

Gemäß § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen. Hieraus ergibt sich also ein Anspruch der Teilhaber auf Zustimmung der anderen Teilhaber zu einer bestimmten, konkret zu formulierenden Verwaltungs- und Benutzungsregelung, die dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entspricht und mit einer Klage auf Zustimmung durchgesetzt werden kann. (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 1999, 21). Was eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung oder Benutzung ist, ist Frage des Einzelfalls. Die konkreten örtlichen und sonstigen Verhältnisse und die bisherige Zweckbestimmung sind zu berücksichtigen. (vgl. Staudinger/Jan Eickelberg, 2015, § 745, Rn. 56). Weiterhin sind die Beschaffenheit des Gegenstandes, bisherige Nutzungsart und Verwaltung sowie die Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft ebenso wie die berechtigten Interessen der Minderheit, die Gebote von Treu und Glauben und der Grundsatz der Gleichbehandlung zu berücksichtigen (L. Aderhold in Erman, BGB Kommentar, § 745 BGB, 14. Auflg., Rn. 3).

15

Die vom Kläger angestrebte Wohnnutzung entspricht der bisherigen Nutzungsart der derzeit vermieteten Wohnung. Die Eigennutzung durch den Kläger anstatt durch die Mieter, führt wirtschaftlich zu keiner Veränderung für die Parteien. Soweit der Kläger bereit ist, ein Nutzungsentgelt in Höhe der bisherigen Miete von 340,00 € zu übernehmen, bleibt es für die Parteien bei den bisherigen finanziellen Einnahmen zur Rückführung des Finanzierungskredits. Soweit der Kläger die Hälfte der bisherigen Mietzahlungen in Höhe von 170,00 € an die Beklagte entsprechend ihrem Miteigentumsanteil übernimmt, genügt dieser Anteil ebenfalls zur Rückführung der Kredite, da derzeit ein Überschuss von monatlich mindestens 300,00 € erwirtschaftet wird, so dass die Beklagte keine zusätzlichen Zahlungen zu leisten hat. Zudem ist der Kläger als Mitdarlehensnehmer der Kredite auch zu deren Rückführung gegenüber dem Kreditgeber verpflichtet, im Innenverhältnis zu der Beklagten zumindest in Höhe seines Miteigentumsanteils. Die Eigennutzung der Wohnung durch den Kläger entspricht somit bei Zahlung einer entsprechenden Nutzungsentschädigung ordnungsgemäßer Verwaltung. Das Interesse der Beklagten, den Kläger räumlich von der gemeinsamen Tochter fernzuhalten, ist vorliegend kein zu berücksichtigendes berechtigtes Interesse, da es sich um ein Interesse der Tochter und nicht der Beklagten als Miteigentümerin handelt. Im Hinblick darauf, dass zumindest seit April 2015 keine weiteren Näherungs- und Kontaktversuche des Klägers gegenüber der Tochter erfolgten und aufgrund der Einigung zwischen Kläger und Tochter lediglich ein Kontakt- und Näherungsverbot besteht, nicht jedoch ein Verbot sich in einem bestimmten Umkreis zum Haus der Tochter aufzuhalten, ist ein das Eigentumsrecht des Klägers überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Tochter hieran auch nicht ersichtlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch die Beklagte eine gemeinsame Immobilie der Parteien allein nutzt, so dass dem Kläger nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung, das gleiche Recht zustehen muss. Schutzwürdige Interessen der Beklagten, den Kläger von der Nutzung seines Miteigentums auszuschließen sind somit nicht gegeben. Demgegenüber erspart der Kläger durch die Eigennutzung der Wohnung - selbst bei Zahlung der bisherigen Gesamtmiete - zumindest teilweise Mietzahlungen und verbessert seine Wohnsituation, ohne einen erneuten Umzug und eine erneute Wohnungssuche.

16

Im Ergebnis stellt somit die Kündigung der Wohnung zum Zweck der Eigennutzung durch den Kläger als Miteigentümer eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung dar.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

18

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 745 Verwaltung und Benutzung durch Beschluss


(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen. (2) Jeder Teilhab

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(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.