Amtsgericht Recklinghausen Urteil, 03. Feb. 2016 - 12 C 299/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Räumung einer an die Beklagten vermieteten Wohnung. Die Beklagten mieteten mit Mietvertrag vom 17.07.2012 von der Klägerin eine Wohnung, die unter der Anschrift M-Str. in 45659 Recklinghausen im Dachgeschoss gelegen ist. Die Erdgeschosswohnung in der streitgegenständlichen Immobilie ist an die Eltern der Klägerin vermietet, der Vater der Klägerin ist 92 Jahre, die Mutter 78 Jahre alt. Die Mutter der Klägerin kocht und versorgt den Vater der Klägerin nach Kräften. Ein Pflegedienst oder Essen auf Rädern ist indes nicht beauftragt. Der Vater der Klägerin fuhr noch im Jahr 2015 Pkw, im Sommer 2015 traf die Beklagte zu 1) die Eltern der Klägerin beim Einkaufen. Mit Schreiben vom 27.05.2015 (Bl. 5 der Gerichtsakte) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31.08.2015. In der Kündigung heißt es, dass die Wohnung aufgrund des hohen Alters der Eltern der Klägerin zum Zwecke der Gewährleistung der Betreuung benötigt wird. Mit Schreiben vom 31.08.2015 widersprachen die Beklagten der Kündigung. In der Zeit vom 20.11.2015 bis zum 26.11.2015 befand sich die Mutter der Klägerin in stationärer Krankenhausbehandlung. Während dieser Zeit hielt sich die Klägerin durchgehend bei ihrem Vater auf und betreute diesen.
3Die Klägerin behauptet, sie beabsichtige, gemeinsam mit ihrem Sohn in die von den Beklagten bewohnte Wohnung einzuziehen, um sich um ihre Eltern zu kümmern. Sie fahre auch jetzt schon fast jeden Tag zu ihren Eltern, um mit ihnen gängige Termine wie z.B. Arztbesuche, Friseurbesuche, Einkauf oder Friedhofsbesuche wahrzunehmen. Seit zweieinhalb Jahren habe sie unbezahlten Urlaub und seitdem ohnehin jeden Montag und Donnerstag ihre Eltern besucht oder sie zu sich geholt, um mit ihnen Ausflüge zu machen.
4Ihr Vater könne nicht mehr alleine gelassen werden, da sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe. Auf die Arztberichte des Herrn N. vom 28.11.2013 (Bl. 51 f. der Gerichtsakte) und 04.01.2016 (Bl. 5 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen im Dachgeschoss des Hauses M-Str. in 45659 Recklinghausen innegehaltene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einem Bad und einem Bodenraum zu räumen und geräumt an sie herauszugeben.
7Die Beklagten beantragen,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagten sind der Auffassung, die Kündigung sei rechtsmissbräuchlich und behaupten dazu, dass in dem streitgegenständlichen Haus eine weitere Wohnung leer stehe, welche als Alternativwohnung in Betracht komme.
10Die Klägerin bestreitet die Möglichkeit, Räumlichkeiten im Souterrain als Wohnung nutzen zu können. Es handele sich vielmehr um zwei ehemals von ihrem Großvater als Büro genutzte Räume, die keine volle Geschosshöhe aufweisen. Vorgelagert vor den Büroräumen gebe es eine Toilette, ein komplett eingerichtetes Badezimmer existiere indes ebenso wenig wie eine Küche.
11Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015 (Blatt 54 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung gegen die Beklagten aus § 546 BGB, da das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht durch eine Kündigung der Klägerin vom 27.05.2015 erloschen ist.
15Die Klägerin hat keine hinreichenden Umstände dargelegt, aus welchen sich ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergibt. Sie hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, die Wohnung für sich oder ihren Sohn zu benötigen. Im Rahmen einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist ein konkreter Sachverhalt anzugeben, auf den das Interesse der Person zur Erlangung der Wohnung gestützt wird und das den Mieter erkennen lässt, ob vernünftige und nachvollziehbare Gründe vorliegen (Hannappel in BeckOK, BGB, § 573 Rn. 129). Solche Gründe hat die Klägerin - auch auf den gerichtlichen Hinweis vom 16.12.2015 hin - nicht vorgetragen.
16Die Klägerin hat insbesondere nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, die Wohnung für sich oder ihren Sohn zu benötigen. Soweit sie behauptet, ihr Vater sei auf Hilfe anderer angewiesen, so ergibt sich daraus nicht ohne weiteres die Notwendigkeit des Einzugs der Klägerin in die streitgegenständliche Wohnung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2015 erklärt hat, dass ihre Mutter jeden Tag koche und ihren Vater nach Kräften versorge. Weiter spricht die Tatsache, dass weder Pflegedienst noch Essen auf Rädern als Unterstützung der Mutter installiert ist gegen die Annahme, dass die Klägerin die Wohnung zur Unterstützung ihrer Eltern benötigt. Auch aus den in Bezug genommenen Arztberichten ergibt sich die pauschal behauptete Erforderlichkeit der Betreuung ihrer Eltern durch die Klägerin nicht. Die Klägerin hat weder Umstände vorgetragen, welche aktuell zu begründen vermögen, dass über die Unterstützung durch ihre Mutter hinaus ihre Anwesenheit im Haus geboten ist noch dargestellt, welcher Art die beabsichtigte Unterstützung sein soll. Sofern sie erklärt hat, Arztbesuche und Friseurtermine sowie Einkäufe mit ihren Eltern gemeinsam wahrzunehmen oder mit diesen Ausflüge zu machen, so reicht dies nicht aus. Das gilt umso mehr, als die Klägerin im selben Postleitzahlengebiet wohnt wie ihre Eltern.
17Darüber hinaus fehlt es an der Darlegung eines zeitlich engen Zusammenhangs der Absicht zur Selbstnutzung mit der Kündigung. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die Betreuungsgewährleistung insbesondere für den Fall erforderlich sei, dass ihre Mutter noch einmal ausfalle und ein Krankenhausaufenthalt erforderlich werde. Dass dies unmittelbar bevorstehend oder absehbar sei, behauptet sie indes nicht. Auch aus dem eingereichten Arztbericht ergibt sich lediglich, dass langfristig die häusliche Umgebung an die Erkrankungen der Eltern der Klägerin angepasst werden müsse. Die Absicht zur Selbstnutzung oder Überlassung muss jedoch in einem zeitlich engen Zusammenhang mit der Kündigung stehen (Blank in Schmidt-Futterer § 573 Rn. 65), ein noch unbestimmtes Interesse einer möglichen weiteren Nutzung reicht nicht aus. Vielmehr muss sich der Nutzungswunsch soweit verdichtet haben, dass ein konkretes Interesse einer alsbaldigen Eigennutzung besteht (BGH, Urteil vom 23.9. 2015, VIII ZR 297/14). Sogenannte „Vorratskündigungen“ sind indes unzulässig (Blank a.a.O.).
18Zudem ergibt sich auch aus dem Vorbringen der Klägerin selbst, dass der behauptete Grund für diesen Eigenbedarf bereits zum Zeitpunkt der Vermietung vorgelegen hat bzw. vorhersehbar war. Zwar steht dies der Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht grundsätzlich entgegen, jedoch muss ein Vermieter bei der Anmietung den Mieter über diese Umstände aufklären (Weidenkaff in Palandt, § 573 Rn. 30). Dies ist unstreitig nicht erfolgt. Dem Vortrag der Beklagten, dass seit dem Einzug der Beklagten keine Veränderungen des Gesundheitszustandes der Eltern der Klägerin eingetreten seien, ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
19Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
20Der Streitwert wird auf 3.831,48 EUR festgesetzt.
21Rechtsbehelfsbelehrung:
22A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
231. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
242. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
25Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bochum, Westring 8, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
26Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.
27Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
28Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
29B) Gegen die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG ist die Beschwerde an das Amtsgericht Recklinghausen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung bei dem Amtsgericht Recklinghausen, Reitzensteinstr. 17, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
30Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Recklinghausen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Recklinghausen, Reitzensteinstr. 17, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
31Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses in Bonn mit 15 Wohnungen. Mit Vertrag vom 28. Januar 1987 vermietete sie den Beklagten zu 1 und 2 eine Dreizimmerwohnung im dritten Obergeschoss sowie mit weiterem Vertrag vom 18. März 1988 zusätzlich eine 21 qm große separate Mansardenwohnung , in der mittlerweile der erwachsene Sohn der Beklagten zu 1 und 2 wohnt. Die monatliche Miete beläuft sich für beide Wohnungen auf insgesamt 460,62 € zuzüglich Nebenkosten. In§ 18 des Mietvertrags über die Mansarde ist vereinbart: "Das Mietverhältnis ist seitens der Vermieterin nur gleichzeitig mit dem Mietverhältnis für die Wohnung im 3. OG links kündbar, wobei sich die Kündigungsfrist nach dem älteren Mietverhältnis richtet."
- 2
- Beide Mietverträge wurden im Auftrag der Klägerin mit Schreiben vom 28. März 2012 zum 30. Juni 2013 gekündigt. Zur Begründung ist im Kündigungsschreiben ausgeführt, dass die Klägerin in die Wohnung in der dritten Etage selbst einziehen wolle und die Mansarde - nach einem geplanten Umbau - als Teil einer für die Tochter vorgesehenen Maisonettewohnung benötigt würde.
- 3
- Da die Beklagten nicht auszogen, wurde die für die Tochter vorgesehene Wohnung zunächst ohne Einbeziehung der Mansarde umgebaut. Die Wohnfläche der neuen Wohnung, in die die Tochter der Klägerin im August 2013 mit ihrem Ehemann und zwei Kindern eingezogen ist, beträgt 197 qm. Die Tochter möchte die Mansarde nach wie vor mit ihrer Wohnung verbinden und dort ein Gästezimmer kombiniert mit einem weiteren Arbeitszimmer einrichten.
- 4
- Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
- 7
- Nach dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung stehe für die Kammer fest, dass die Klägerin einen Nutzungs- bzw. Überlassungswillen im Hinblick auf beide Wohnungen der Beklagten habe. Aus der individualvertraglichen Verknüpfung, die die Parteien zwischen beiden Mietverträgen hergestellt hätten, ergebe sich, dass die Kündigung nur wirksam sei, wenn der geltend gemachte Eigenbedarf an allen Räumen beider Wohnungen bestehe. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, die Klägerin habe sowohl den Wunsch, die Mansarde für den Ausbau der Maisonnettewohnung der Tochter zu nutzen als auch ihren Eigenbedarf an der Wohnung der Beklagten im dritten Obergeschoss bewiesen. Das Amtsgericht habe nach der Anhörung der Klägerin einen ernsthaften Nutzungswunsch verneint, weil die Klägerin nicht plausibel begründet habe, warum nicht eine andere Wohnung als die von den Beklagten bewohnte in demselben Objekt und mit denselben Eigenschaften in Betracht gekommen sei. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass die Klägerin keinen ernsthaften Eigennutzungswunsch habe, halte rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 8
- Die Klägerin habe bei ihrer Anhörung nachvollziehbar ausgeführt, dass sie von dem angemieteten Objekt, in dem sie jetzt lebe, zurück in ihr Eigentum ziehen wolle. Es sei auch ohne weiteres plausibel, dass die Klägerin in ihr Haus ziehen wolle, in das jetzt auch die Tochter mit ihrer Familie gezogen sei. Es sei ebenfalls nachvollziehbar, dass die Klägerin behauptet habe, besser auf die Enkelkinder aufpassen zu können, wenn sie vor Ort sei. Dass die Klägerin angegeben habe, die Wohnung der Beklagten im dritten Obergeschoss deswegen zur Deckung ihres Eigenbedarfs ausgesucht zu haben, weil es die Koppelung mit der Mansarde gebe, stehe der Behauptung der Klägerin, in die Wohnung der Beklagten im dritten Obergeschoss einziehen zu wollen, nicht entgegen. Es handele sich dabei lediglich um ein zusätzliches Motiv, das die Klägerin bewogen haben möge, gerade die Wohnung, die die Beklagten gemietet hätten, für die Realisierung ihres Eigenbedarfswunsches auszuwählen.
- 9
- Die Kündigung der Klägerin sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt rechtsmissbräuchlich, dass sie eine in Betracht kommende Alternativwohnung etwa einen Monat vor der Kündigung anderweit vermietet habe. Denn es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin bereits bei Abschluss des neuen Mietvertrags über die Erdgeschosswohnung am 29. Februar 2012 bewusst gewesen sei, dass sie den Beklagten kurze Zeit später wegen Eigenbedarfs kündigen werde. Die von der Kammer vernommenen Zeugen K. und J. hätten bekundet, dass sich das Gespräch mit den Beklagten am 21. Februar 2012 auf die Mansarde beschränkt habe; die Wohnung der Beklagten in der dritten Etage oder eine Eigenbedarfskündigung seien nicht Thema des Gesprächs gewesen. Dies hätten auch die Beklagten in ihrer Anhörung bestätigt.
II.
- 10
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Räumungsanspruch der Klägerin aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB nicht bejaht werden. Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung, dass der von der Klägerin geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich bestehe, einen unzutreffenden Maßstab angelegt und wesentliche Umstände außer Betracht gelassen.
- 11
- 1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung der Klägerin allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil sie entgegen § 573 Abs. 3 BGB nicht ausreichend begründet worden wäre. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BTDrucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 2 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Eine solche Konkretisierung ermöglicht es dem Mieter , der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten, denn eine Auswechselung des Kündigungsgrundes ist dem Vermieter verwehrt.
- 12
- Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (Senatsurteil vom 30. April 2014 - VIII ZR 284/13, NJW 2014, 2102 Rn. 7 mwN). Diese Angaben enthält das Kündigungsschreiben der Klägerin. Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es keiner Erläuterung, wie viele Arbeitszimmer die Familie benötigte.
- 13
- 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin nur kündigen durfte, wenn bezüglich beider Wohnungen Eigenbedarf bestand. Denn bei Abschluss des Mietvertrags über die Mansarde haben die Parteien in § 18 eine Kündigung der Beklagten davon abhängig gemacht, dass auch die weitere Wohnung gekündigt wird. Diese Kündigungsbeschränkung ist dahin auszulegen, dass eine Kündigung nur zulässig ist, wenn der Kündigungsgrund (Eigenbedarf) sich auf beide Wohnungen bezieht.
- 14
- 3. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Eigenbedarf der Klägerin bezüglich der Mansarde bejaht. Denn die Klägerin wollte diese Räume ihrer Tochter zur Verfügung stellen, damit sie mit einer weiteren Wohnung in der vierten Etage und Räumen im Dachgeschoss zu einer Maisonnettewohnung umgebaut werden konnten. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Eigenbedarf auch nicht innerhalb der Kündigungsfrist dadurch entfallen , dass der Umbau zunächst ohne die von den Beklagten nicht geräumte Mansarde vorgenommen wurde und die Umbaupläne dahin geändert wurden, dass das Treppenhaus innerhalb der Wohnung anderweit realisiert wurde und die Mansarde nunmehr mittels eines Mauerdurchbruchs für ein Arbeitsund /oder Gästezimmer mit der Maisonnettewohnung verbunden werden soll.
- 15
- 4. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision die Würdigung des Berufungsgerichts zur Frage rechtsmissbräuchlichen Verhaltens.
- 16
- a) Insbesondere hat das Berufungsgericht einen "weit überhöhten" Bedarf (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. März 2015 - VIII ZR 166/14, NJW 2015, 1590 Rn. 15 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) im Hinblick auf den großzügigen Zuschnitt der Wohnung der Tochter rechtsfehlerfrei verneint.
- 17
- b) Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Klägerin die Wohnung im Erdgeschoss zum 1. März 2012 neu vermietet hat, ohne sie zuvor den Beklagten anzubieten. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin im Zeitpunkt der Neuvermietung der Erdgeschosswohnung eine Kündigung des Mietverhältnis- ses mit den Beklagten zu 1 und 2 noch nicht in Betracht gezogen, so dass auch kein Anlass bestand, diese Wohnung den Beklagten anzubieten.
- 18
- Die weitere Frage, ob die Verletzung einer etwaigen Anbietpflicht die Eigenbedarfskündigung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt, wie der Senat in der Vergangenheit angenommen hat (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 2010 - VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 14 f.) oder ob eine derartige Pflichtverletzung nur zu Schadensersatzansprüchen führt, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung.
- 19
- Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht hätte die Klägerin zur Frage der Kenntnis informatorisch anhören müssen, zeigt sie nicht auf, dass die Beklagten eine entsprechende, vom Berufungsgericht übergangene Anregung geäußert hätten.
- 20
- c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung der Klägerin auch nicht im Hinblick darauf rechtmissbräuchlich, dass die Beklagten damals ihren todkranken, inzwischen verstorbenen Sohn in der Wohnung betreuten; hierbei handelte es sich vielmehr um Umstände, die ein Verlangen nach einer (ggf. zeitweisen) Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 BGB hätten rechtfertigen können.
- 21
- 5. Nicht zu beanstanden ist ferner die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der von der Klägerin angegebene Wunsch, selbst in die Wohnung der Beklagten im dritten Obergeschoss einzuziehen, um dort - entsprechend dem Wunsch ihrer Tochter - einfacher auf die Enkelkinder aufpassen zu können, auf nachvollziehbaren, vernünftigen Gründen beruht.
- 22
- 6. Das Berufungsgericht hat aber bei der Würdigung der Ernsthaftigkeit des von der Klägerin angegebenen Nutzungswunsches einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Denn für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht ein noch unbestimmtes Interesse einer möglichen späteren Nutzung (so genannte Vorratskündigung) nicht aus; vielmehr muss sich der Nutzungswunsch so weit "verdichtet" haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht. Die Umstände, die dies im Steitfall objektiv zweifelhaft erscheinen ließen, hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO außer Betracht gelassen.
- 23
- a) Das Amtsgericht hat seine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Umzugswunsches der Klägerin damit begründet, dass die Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung den Eigenbedarf nur "zaghaft" vorgebracht habe; sie habe auch nicht angeben können, dass sie sich überhaupt Gedanken darüber gemacht habe, warum sie von mehreren Dreizimmerwohnungen in dem Anwesen die Wohnung der Beklagten als ihre künftige Wohnung gewählt habe. Dies hat das Amtsgericht - in lebensnaher Würdigung - dazu veranlasst, an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches der Klägerin zu zweifeln. Denn die Annahme, dass sich ein Vermieter, der - wie die Klägerin - Eigentümer eines Hauses mit 15 Wohnungen ist und bisher in einem Einfamilienhaus wohnt, sich vor einem Umzug im Seniorenalter nicht im Einzelnen überlegt, welche Anforderungen er an den neuen Lebensmittelpunkt stellt und welche der ihm gehörenden Wohnungen nach Größe, Lage und Zuschnitt für seine eigenen Zwecke am besten geeignet ist, ist lebensfremd.
- 24
- Zwar hat das Berufungsgericht richtig gesehen, dass das Motiv, über einen erklärten Eigennutzungswunsch an der Dreizimmerwohnung auch die Mansarde für die Tochter zurück zu erhalten, die Möglichkeit, dass die Klägerin tatsächlich in die Dreizimmerwohnung der Beklagten einziehen will, nicht ausschließt. Es ist auch denkbar, dass die Klägerin unter mehreren im Wesentlichen gleich geeigneten Wohnungen im Interesse ihrer Tochter die Wohnung der Beklagten gerade deshalb ausgewählt hat, weil die Mansarde nur gemeinsam mit der Dreizimmerwohnung gekündigt werden konnte. Dass sich die Klägerin aber, wie das Amtsgericht aufgrund der wortkargen Angaben der Klägerin zu ihrem Eigennutzungswunsch nachvollziehbar angenommen hat, über ihre Wünsche und die Eignung der Wohnung der Beklagten für ihre Bedürfnisse keine näheren Gedanken gemacht hat, ist ein Umstand, der die erforderliche Ernsthaftigkeit und Konkretisierung des angegebenen Nutzungswunsches zumindest in Frage stellt. Denn ein noch unbestimmter, vager Nutzungswusch kann eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht rechtfertigen.
- 25
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Würdigung des Amtsgerichts, das eine Umzugsabsicht der Klägerin angesichts der von ihm dargelegten Zweifel nicht für erwiesen erachtet hat, auch nicht mit Rechtsfehlern behaftet. Das Amtsgericht hat weder einen unzutreffenden Maßstab angelegt noch ist ihm bei seiner Würdigung sonst ein Rechtsfehler unterlaufen. Vielmehr hat es seine Überzeugung maßgeblich auf den persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Klägerin und der Glaubhaftigkeit ihrer Schilderung über das Bestehen konkreten und ernsthaften Umzugswillens gestützt.
- 26
- Dass das Berufungsgericht die in der Berufungsverhandlung anwesende Klägerin selbst erneut angehört hat, ist weder dem Verhandlungsprotokoll noch den Urteilsgründen eindeutig zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht einen Zeugen jedoch erneut zu hören, wenn es von der Würdigung des erstinstanzlichen Gerichtes hierzu abweichen will (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - VIII ZR 340/98, NJW 2000, 1199 unter II2 a, Beschluss vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09, NJW 2011, 1364 Rn. 6, jeweils mwN). Für die Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO gilt nichts anderes, insbesondere, wenn es - wie hier - um den Nachweis innerer Tatsachen (Umzugsabsicht) geht, für die eine Parteianhörung regelmäßig geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363 unter II 2 a zur Parteivernehmung nach § 448 ZPO).
- 27
- b) Ferner hat sich das Berufungsgericht nicht hinreichend mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die Klägerin den von ihr vorgebrachten Entschluss , die Wohnung der Beklagten wieder selbst zu nutzen, nach den von ihm getroffenen Feststellungen erst kurz vor der am 28. März 2012 ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung gefasst haben kann.
- 28
- Bei dem Gespräch zwischen der Tochter der Klägerin und den Beklagten am 21. Februar 2012 wurde ausschließlich darüber gesprochen, ob die Beklagten zur Aufgabe der Mansarde bereit wären und stand ein Umzug der Klägerin noch nicht im Raum. Weiter hat das Berufungsgericht - wie sich aus seinen Feststelllungen zu einer Anbietpflicht bezüglich der Erdgeschosswohnung ergibt - angenommen, dass die Klägerin sogar noch am 29. Februar 2012, als sie die freigewordene Erdgeschosswohnung erneut vermietete, einen Umzug in eine ihrer Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus in Bonn noch nicht ernsthaft in Betracht gezogen hat, sondern es allenfalls aufgrund von Gesprächen mit der Tochter "für möglich gehalten haben mag, dass eine Eigenbedarfskündigung künftig hinsichtlich der Mansarde und dann auch hinsichtlich der von der Beklagten bewohnten Wohnung erforderlich werden würde".
- 29
- Nach der Lebenserfahrung erscheint es aber wenig plausibel, dass die für die persönlichen Lebensumstände der Klägerin weitreichende Entscheidung, das bisher von ihr bewohnte Einfamilienhaus und somit den bisherigen Lebensmittelpunkt in S. alsbald zugunsten der Dreizimmerwohnung der Beklagten in Bonn aufzugeben, derart kurzfristig gefasst wurde. Auch dies spricht dafür, dass der von der Klägerin vorgebrachte Nutzungswunsch, wenn nicht sogar vorgeschoben, so doch zumindest noch nicht hinreichend bestimmt und konkret gewesen ist, als sie am 28. März 2012 die Eigenbedarfskündigung ausgesprochen hat. Denn dass sich in dem kurzen Zeitraum zwischen der Vermietung der Erdgeschosswohnung und dem Ausspruch der Kündigung an wesentlichen Umständen der Entscheidungsfindung etwas geändert haben könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
- 30
- 6. Die Verfahrensrüge der Revision bezüglich der unterbliebenen Vernehmung der Nachbarin als Zeugin hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung sieht er insoweit ab (§ 564 Satz 2 ZPO).
III.
- 31
- Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dasBerufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch. Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer Kosziol
AG Bonn, Entscheidung vom 02.04.2014 - 203 C 154/13 -
LG Bonn, Entscheidung vom 13.10.2014 - 6 S 80/14 -
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.
(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.
(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.
(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.
(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.