Amtsgericht Ratingen Beschluss, 01. Juli 2014 - 5 F 39/13
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Unterhalt ab Rechtskraft der Ehescheidung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Verfahrenswert: 3516 EUR (293 EUR × 12)
1
Gründe:
2Die Beteiligten haben die Ehe geschlossen am 04.07.1996. Aus ihrer Ehe sind 3 gemeinsame Kinder hervorgegangen, geboren am 00.00.1995, 00.00.1996 und 00.00.2001. Seit der Trennung werden sie vom Antrag von der Antragstellerin alleine in ihrem Haushalt versorgt und betreut.
3Die Beteiligten leben getrennt seit 13.03.2010. Ihre Ehe wurde geschieden durch Beschluss vom 08.01.2013, rechtskräftig seit 16.04.2013.
4Der Antragsgegner ist aus dem gemeinsamen ehelichen Haus Ende Juni 2010 ausgezogen. Der Antragstellerin wurde anlässlich der Scheidung das gemeinsame eheliche Haus zusammen mit den gemeinsamen Kindern zugewiesen bis Dezember 2015.
5Seit Juni 2012 lebt auch der Partner und der Antragstellerin in dem den Beteiligten gemeinsam gehörenden ehelichen Haus.
6Die Beteiligten geben den Marktmietwert für das eheliche Haus übereinstimmend mit 1500 EUR monatlich aus. Die Antragstellerin trägt die monatlichen Belastungen für das eheliche Haus allein in Form von Zins und Tilgungsleistungen in Höhe von monatlich 1270,12 EUR. Sie zahlt außerdem die Grundsteuer i.H.v. 20,37 EUR monatlich und die Wohngebäudeversicherung mit monatlich 16,380 EUR.
7Die Antragstellerin war ursprünglich tätig Fernsehjournalistin. Mit der Geburt des 1. Kindes hat sie Erziehungszeiten in Höhe von insgesamt 6 Jahren des Oktober 2004 in Anspruch genommen. Im Mai 2003 begann sie eine Ausbildung als Heilpraktikerin und Psychotherapeutin. Die Ausbildung wurde abgeschlossen im November 2006. Zum 01.01.2007 hat die Antragstellerin sich mit einer eigenen Praxis selbstständig gemacht. Sie trägt hierzu vor, dass sie inzwischen 2/3 einer Vollzeittätigkeit in dieser Praxis tätig sei einschließlich ihrer Lehrtätigkeit an der Heilpraktikerschule.
8Ihr Einkommen behauptet die Antragstellerin mit durchschnittlich 580 EUR monatlich, berechnet nach dem durchschnittlichen Einkünften in den Jahren 2010-2012. Neuere Einkommensunterlagen lägen hier nicht vor. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ihr nicht der volle Marktmietwert für das Bewohnen des ehelichen Hauses zuzurechnen sei sondern lediglich ein angemessener Betrag von monatlich 1000 EUR. Die monatlich von ihr getragenen Belastungen bringt sie lediglich zur Hälfte von ihrem Einkommen in Abzug, den anderen hälftigen Betrag berücksichtigt sie bei der Berechnung des Einkommens des Antragsgegners. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner in einem anderen Verfahren auf einen Ausgleich dieser Belastungen in Anspruch. Ein Mahnbescheid, gegen den der Antragsgegner Einspruch eingelegt hat, liegt bereits vor.
9Die Antragstellerin macht in 1. Linie Betreuungsunterhalt geltend, da der jüngste Sohn noch ihrer Betreuung bedarf. Sie verweist auf das anhängige familiengerichtliche Verfahren nach § 1666 BGB. Im übrigen macht sie Aufstockungsunterhalt geltend. Sie trägt das Einkommen des Antragsgegners aus seiner Tätigkeit als Zeitungsjournalist mit monatlich 3641,97 EUR zuzüglich 25 EUR Zinseinkünfte vor.
10Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ihr fiktive Einkünfte nicht zugerechnet werden könnten, da sie ihrer Erwerbsverpflichtung unter Berücksichtigung der Betreuungsbedürftigkeit des erst elfjährigen Sohnes in vollem Umfang nachkomme.
11Die Antragstellerin beantragt,
12den Antragsgegner zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft des Scheidungsurteils eine monatlich im Voraus fällige Unterhaltsrente, fällig zum Monatsersten i.H.v. 293 EUR zu bezahlen.
13Der Antragsgegner beantragt,
14den Antrag zurückzuweisen.
15Er ist der Auffassung, dass die Unterhaltsansprüche verwirkt seien, da der Lebensgefährte der Antragstellerin, der bereits seit Sommer 2010 ihr Partner sei, seit Juni 2012 das eheliche Haus mit bewohne.
16Die Antragstellerin habe ihre Einkünfte nicht genügend dargelegt. Diese könnten nicht berechnet werden.
17Ihm stünde gegenüber der Antragstellerin eine Nutzungsentschädigung in Höhe des tatsächlichen Marktmietwertes i.H.v. 1500 EUR abzüglich der Belastungen zu, wobei Tilgungsleistungen keine Berücksichtigung finden könnten ab Rechtskraft der Ehescheidung. Der Antragsgegner beabsichtigt, diese Nutzungsentschädigung an anderer Stelle geltend zu machen und gegenüber dem von der Antragstellerin geltend gemachten Ausgleichsanspruch für die Kosten der Immobilie aufzurechnen.
18Die Antragstellerin könne ohne weiteres einer Ganztagsbeschäftigung nachgehen. Der jüngste Sohn sei nicht mehr betreuungsbedürftig, er besuche seit Sommer 2012 das Gymnasium, an dem Ganztagsbetreuung möglich sei.
19Bei seinem Einkommen seien die Darlehensbelastung für die Küche im Zeitraum September 2010 bis August 2013 in Höhe von monatlich 80 EUR und für ein weiter aufgenommenes Darlehen für die Steuernachzahlung aus dem Jahre 2009 ab März 2012 in Höhe von monatlich 257,30 EUR zu berücksichtigen.
20Der Antrag der Antragstellerin ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen. Der Antragstellerin steht ab Rechtskraft der Ehescheidung kein Unterhaltsanspruch mehr gegenüber dem Antragsgegner zu.
21Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom heutigen Tage zum Trennungsunterhalt – 5 F 172/10 – bezüglich der Unerhaltsansprüche ab 01.06.2012. Diese Ausführungen gelten auch ab Rechtskraft der Ehescheidung (16.04.2013) fort.
22Hinzu kommt, dass die Beteiligten inzwischen zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung bereits seit mehr als 3 Jahren getrennt leben. Das jüngste Kind der Beteiligten E war zu dieser Zeit bereits 11 Jahre alt. Es besucht das Gymnasium. Die weiteren Kinder der Beteiligten waren 17 und 16 Jahre alt. Das älteste Kind ist zwischenzeitlich volljährig.
23Die beiden älteren Kinder bedürfen unstreitig keiner besonderen Betreuung mehr durch die Antragstellerin, die es rechtfertigen würde, Betreuungsunterhalt noch geltend zu machen. Auch die Betreuung des jüngeren Kindes E hindert die Antragstellerin nicht daran, zumindest ab April 2013 einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. In einem Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung vor dem Amtsgericht Ratingen - 5 F 72/14 - wurde zwar bekannt, dass der Sohn der Beteiligten E erhebliche Schulprobleme hat und offenbar im der Familie nicht genügend Unterstützung findet. Diese Probleme beruhen aber in 1. Linie darauf, dass die beteiligten Kindeseltern in einer dem Kindeswohl nicht zuträglichen Weise miteinander umgehen und die Kindesmutter den zusätzlichen Unterstützungsbedarf des Sohnes unterschätzt. Im Verfahren wurde deutlich, dass E einen unabhängigen Dritten benötigt, mit dem er seine Probleme in der Schule und auch mit den Eltern erörtern kann und auf diese Weise Entlastung finden kann. Insoweit kann er mit den Eltern kein vertrauensvolles Gespräch führen, da diese E instrumentalisieren. Dabei ist es nicht notwendig, dass die Antragstellerin E in einem größeren Umfang zuhause betreut. Notwendig ist lediglich, dass sie ihm eine vertrauensvolle Beziehung bietet, in der E seine Probleme besprechen kann. Offensichtlich leidet E, der bei der Trennung der Eltern erst 8 Jahre gewesen ist, unter der Trennung der Eltern.
24Dies ändert aber nichts daran, dass der 11 jährige E nicht mehr in größerem Umfang betreuungsbedürftig ist und einer Vollzeittätigkeit seiner Mutter nicht im Wege steht.
25Das Gericht geht auch davon aus, dass die Antragstellerin tatsächlich inzwischen ihrer Tätigkeit als selbstständiger Heilpraktikerin in einem größeren Umfang nachgeht als bisher. So hat sie im vorliegenden Verfahren vorgetragen, dass sie inzwischen 2/3 einer vollzeitigen Tätigkeit als Heilpraktikerin tätig ist. Im gleichzeitig anhängigen Verfahren auf Trennungsunterhalt - Az. 5 11 172/10-hatte die Antragstellerin dagegen noch vorgetragen, lediglich eine halbschichtige Tätigkeit zu verfolgen.
26Da die Antragstellerin keinerlei Unterlagen für das Jahr 2013 vorgelegt hat, und die Antragstellerin weiterhin gehalten ist, wegen des Alters der Kinder inzwischen einer vollzeitigen Tätigkeit nachzugehen, wären nunmehr fiktiv Einkünfte aus einer Vollzeittätigkeit mit einem Stundenlohn von 15 EUR berücksichtigen.
27Die kann die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass nicht der volle Marktmietwert sondern nur ein angemessener Mietwert Berücksichtigung finden könne. Mit der Aufnahme des neuen Partners in das eheliche Haus ist es vielmehr gerechtfertigt, dass der volle Marktmietwert berücksichtigt wird. Es war zu berücksichtigen, dass nunmehr der Wohnbedarf des Lebenspartners und der Antragstellerin selbst und auch der Wohnbedarf der 3 Kinder der Beteiligten abgedeckt ist. Der Wohnbedarf der Kinder ist zu bemessen mit jeweils rund 20 % des Tabellenunterhaltes. (Vergleiche hierzu Wendel/Staudigl, § 1 Rn. 572) Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Berücksichtigung des Marktmietwert des Wertes, den die Beteiligten hiermit übereinstimmend 1500 EUR angegeben haben, angemessen.
28Es sind sowohl Zins-als auch Tilgungsleistungen, die von der Antragstellerin unstreitig in vollem Umfang getragen werden, zu berücksichtigen, die jedoch nur zur Hälfte vom Wohnwert in Abzug zu bringen sind, da die Antragstellerin den Antragsgegner insoweit an andereer Stelle in Anspruch nimmt. Es sich um ein gemeinschaftliches Eigentum, so dass das Vermögen beider Beteiligter gleichermaßen durch die Tilgungsleistungen vermehrt wird.
29Es ergibt sich deshalb folgende Unterhaltsberechnung:
30Ehegatten/Partner
31Antragstellerin
32Berechnung des Einkommens von Antragstellerin:
33Name der Variante II: WEST1401.VUZ
34gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West),
35erster Gültigkeitstag 01. 01. 2014
36allgemeine Lohnsteuer
37Monatstabelle
38Steuerjahr 2014
39Bruttolohn:
40Stundenlohn: . . . . . . . . . . . . 15,00 Euro
41Stundenzahl: . . . . . . . . . . . . 173,9
42insgesamt: . . . . . . . . . . . 2.608,50 Euro
43LSt-Klasse 2
44Kinderfreibeträge 1,5
45Lohnsteuer: . . . . . . . . . . . -324,58 Euro
46Solidaritätszuschlag . . . . . . . . . . -2,08 Euro
47Rentenversicherung (18,9 % / 2) . . . . . . -246,50 Euro
48Arbeitslosenversicherung (3,0 % / 2) . . . . . -39,13 Euro
49Krankenversicherung: (14,6 % /2 + 0,9 %) . . . -213,90 Euro
50Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,025 %) . . . . -26,74 Euro
51––––––––––––––––––
52Nettolohn: . . . . . . . . . . . 1.755,57 Euro
53abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen -87,78 Euro
54Naturaleinkommen (Wohnwert) . . . . . . . 865,00 Euro
55(1500-1270/2 = 865)
56––––––––––––––––––
57insgesamt . . . . . . . . . . . . 2.532,79 Euro
58Antragsgegner
59Einkommen von Antragsgegner . . . . . . 3.485,50 Euro
60(3460,5+25 = 3.485,5)
61davon aus Erwerbstätigkeit 3.460,50 Euro
62abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen -150,00 Euro
63––––––––––––––––––
64insgesamt . . . . . . . . . . . . 3.335,50 Euro
65Schulden, Belastungen
66Zahlungen auf Imobiliendarlehen 635,00 Euro
67(1270/2 = 635)
68Kindesunterhalt . . . . 1.060,00 Euro
69––––––––––––––
70insgesamt: . . . . . 1.695,00 Euro
71Schulden, Belastungen . . . . . . . . -1.695,00 Euro
72––––––––––––––––––
73unterhaltsrechtliches Einkommen . . . . . 1.641,00 Euro
74anteiliges Erwerbseinkommen:
75(3460,5 - 150) * 1641/3336 . . . . . . . 1.628,00 Euro
76Wegen des geringeren Einkommens kann Antragsgegner nicht gegenüber Antragstellerin unterhaltspflichtig sein.
77Aber auch wenn man der Antragstellerin lediglich die bisher in den Jahren 2009 – 2012 erzielten Einkünfte aus ihrer selbständigen Tätigkeit weiterhin zurechnen würde, ergäbe sich kein Unterhaltsanspruch mehr, wie die Unterhaltsberechnung zum Trennungsunterhalt ab 01.06.2012, auf die Bezug genommen wird, zeigt.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG und entspricht billigem Ermessen. Es bestand kein Anlass, die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anzuordnen.
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Referenzen - Gesetze
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
- 1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, - 2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, - 3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, - 4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, - 5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, - 6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.