Amtsgericht München Beschluss, 18. Mai 2016 - 551 F 7061/12 RE

18.05.2016

Gericht

Amtsgericht München

Tenor

1. ...

wird als Vormund entlassen.

2. Als neue gemeinschaftliche Vormünder werden ausgewählt:

...

3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,- € festgesetzt.

4. Kosten werden nicht erhoben und nicht erstattet.

Gründe

Der bisherige Vormund ist auf Antrag zu entlassen, da zwei andere als Vormund geeignete Personen vorhanden sind und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht.

Die als neue Vormünder ausgewählten Personen sind zur Führung der Vormundschaft geeignet.

In seiner Stellungnahme vom 10.11.2015 hat das Stadtjugendamt M. (SBH O.) die ausgewählten Vormünder für geeignet erklärt.

Die Bestellung mehrerer Vormünder beruht auf § 1775 S. 1 BGB analog. Gem. § 1775 S. 2 BGB soll für den Mündel grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden, sofern nicht besondere Gründe für die Bestellung mehrerer Vormünder vorliegen. Besondere Gründe für das Erfordernis der Bestellung mehrerer Vormünder liegen in hiesigem Fall nicht vor, beide ausgewählten Vormünder könnten die Vormundschaft auch alleine ausüben. Gemäß § 1775 S. 1 BGB kann das Familiengericht jedoch ein Ehepaar gemeinschaftlich zu Vormündern bestellen (ohne dass es hierfür besonderer Gründe bedarf). Die ausgewählten Vormünder, ... haben am 22.04.2005 zu Urkunde URNr. ... der Notarin ... eine Lebenspartnerschaft begründet, die im Lebenspartnerschaftsregister unter Nummer ... eingetragen wurde. Nach Ansicht des Gerichts liegt in der Vorschrift des § 1775 S. 1 BGB eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften (im Vergleich zu Ehepartnern). Nach der Entscheidung des BVerfG vom 19.02.2013, 1 BvL 1/11, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, „indem § 9 Abs. 7 LPartG die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner (Sukzessivadoption) verwehrt, wohingegen die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des Ehepartners und die Möglichkeit der Annahme eines leiblichen Kindes des eingetragenen Lebenspartners (Stiefkindadoption) eröffnet sind, werden sowohl die betroffenen Kinder als auch die betroffenen Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt (Art. 3 Abs. 1 GG)“. Der Gesetzgeber hat in Folge dessen „nachgebessert“ und § 9 Abs. 7 LPartG entsprechend abgeändert, so dass es nunmehr für gleichgeschlechtliche Lebenspartner ein Sukzessivadoptionsrecht für beide Lebenspartner gibt. Nachdem der Gesetzgeber die Sukzessivadoption zulässt ist nicht nachvollziehbar, weshalb dann eingetragene Lebenspartner nicht auch - wie Ehepaare - gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können sollten, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen. Vielmehr ist nun bei § 1775 S. 1 BGB „von einer nachträglichen Regelungslücke auszugehen und die Regelung deswegen in diesen Fällen entsprechend anzuwenden“ (s. Schulze u. a., Bürgerliches Gesetzbuch, 8. Aufl. 2014, Rz. 1). Auch das Familiengericht sieht hier eine Regelungslücke des Gesetzgebers, so dass nunmehr die Vormünder gem. § 1775 S. 1 BGB analog zu bestellen waren. Die Bestellung nur einer Pflegemutter würde im Übrigen auch dem Kindeswohl widersprechen, da ... seit Januar 2008 in seiner Pflegefamilie aufwächst und beide Pflegemütter gleichberechtigt und -wertig sich um ihn kümmern und ihn versorgen. Schon alleine deswegen wäre es diskriminierend, nach „Würfelmethode“ nur einen Vormund auszuwählen und hierdurch die andere Pflegemutter grundlos im Familienverband zurückzusetzen.

Das Mündel ... wurde persönlich angehört. Er hat in seiner heutigen Anhörung erklärt, dass er möchte, dass beide Pflegemütter für ihn Entscheidungen treffen.

Die Kindsmutter, ... konnte nicht angehört werden, da diese unbekannten Aufenthalts ist.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG, die Kostenentscheidung auf § 81 FamFG.

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Referenzen - Gesetze

Amtsgericht München Beschluss, 18. Mai 2016 - 551 F 7061/12 RE zitiert 5 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 45 Bestimmte Kindschaftssachen


(1) In einer Kindschaftssache, die 1. die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,2. das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,3. das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse

Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG | § 9 Regelungen in Bezug auf Kinder eines Lebenspartners


(1) Führt der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Lebenspartnerschaft, hat sein Lebenspartner im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. § 1629 Abs. 2

Referenzen

(1) Führt der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Lebenspartnerschaft, hat sein Lebenspartner im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. § 1629 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

(2) Bei Gefahr im Verzug ist der Lebenspartner dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der sorgeberechtigte Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(3) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(4) Die Befugnisse nach Absatz 1 bestehen nicht, wenn die Lebenspartner nicht nur vorübergehend getrennt leben.

(5) Der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein unverheiratetes Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil zusteht, und sein Lebenspartner können dem Kind, das sie in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommen haben, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt ihren Lebenspartnerschaftsnamen erteilen. § 1618 Satz 2 bis 6 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

(6) Nimmt ein Lebenspartner ein Kind allein an, ist hierfür die Einwilligung des anderen Lebenspartners erforderlich. § 1749 Absatz 1 Satz 2 und 3 sowie Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

(7) Ein Lebenspartner kann ein Kind seines Lebenspartners allein annehmen. Für diesen Fall gelten die §§ 1742, 1743 Satz 1, § 1751 Abs. 2 und 4 Satz 2, § 1754 Abs. 1 und 3, § 1755 Abs. 2, § 1756 Abs. 2, § 1757 Abs. 2 Satz 1 und § 1772 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.