Amtsgericht München Beschluss, 07. Okt. 2016 - 518 F 153/16

bei uns veröffentlicht am07.10.2016

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers vom 07.01.2016 wird in Ziffer 1 in Höhe eines Teilbetrages von 7.667,00 Euro (Unterhalt für den Zeitraum August 2013 mit Juni 2014) zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

Die Beteiligten streiten über Elternunterhalt.

Der Antragsgegner ist der Sohn des am ... 05.2015 verstorbenen ...

Der Antragsteller erbrachte als überörtlicher Sozialhilfeträger Sozialleistungen in Form der Pflege und Hilfe zum Lebensunterhalt des Vaters des Antragsgegners gemäß SGB II in der Zeit 01.08.2013 bis 06.05.2015.

Der Antragsgegner hat einen Bruder und eine Schwester, der Bruder des Antragsgegners ist unstreitig nicht leistungsfähig. Der Vater des Antragsgegners war verheiratet, wobei der Vater und dessen Ehefrau nicht voneinander getrennt lebten.

Mit Schreiben vom 09.09.2013 wurde der Antragsgegner durch den Antragsteller von einer Hilfegewährung durch den Antragsteller für den Vater des Antragsgegners in Kenntnis gesetzt.

Offensichtlich ist mit diesem, dem Gericht nicht vorliegenden Schreiben gleichzeitig der Antragsgegner zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert worden.

Mit Schreiben vom 22.10.2013 monierte der Antragsteller eine Auskunftserteilung durch den Antragsgegner zu dessen Einkommensverhältnissen.

Der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners meldete sich sodann telefonisch am 08.11.2013 beim Antragsteller und teilte per E-Mail am 15.11.2013 mit, dass er unter anderem vom Antragsgegner mandatiert sei. Nach nochmaliger Fristverlängerung erteilte der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners unter dem 12.02.2014 Auskunft zu den Einkommensverhältnissen des Antragsgegners.

Die Schwester des Antragsgegners erteilte unter dem 12.10.2013 Auskunft über ihre Einkommensverhältnisse.

Mit Schreiben vom 06.05.2014 nahm der Antragsteller eine Unterhaltsberechnung vor, die mit einer Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners in Höhe von 835,00 Euro/monatlich abschloss.

Der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners erhob hiergegen mit Schreiben vom 02.06.2014 Einwendungen und stellte eine eigene Unterhaltsberechnung an, die eine Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners in Höhe von 15,00 Euro aufscheinen ließ.

Mit Schreiben vom 29.06.2015 berechnete der Antragsteller den Unterhalt neu in der nun klagsweise geltend gemachten Höhe. Dieses Schreiben erreichte den Antragsgegner am 02.07.2015.

Der Antragsgegner ist verheiratet und hat zwei Töchter, eine Tochter studiert, die andere ist Schülerin. Die Ehefrau des Antragsgegners verdient in geringem Umfang, die Eheleute werden gemeinsam veranlagt. Die Familie des Antragsgegners wohnt in einem Haus, das im Miteigentum des Antragsgegners und dessen Gattin steht.

Der Antragsteller trägt vor, dass unter Berechnung des Renteneinkommens des verstorbenen Vaters und unter Einbeziehung der Einkünfte der Ehefrau des Vaters Leistungen in Höhe von 23.763,62 Euro im Zeitraum 01.08.2013 bis 06.05.2015 erbracht wurden. Er verlangt von August 2013 bis einschließlich Dezember 2014 aus übergegangenem Recht einen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 697,00 Euro und von Januar 2015 mit April 2015 monatlich 525,00 Euro von dem Antragsgegner.

Der Antragsteller führt aus, die Schwester des Antragsgegners sei nicht leistungsfähig.

Der Antragsteller beantragte - neben einer Auskunftserteilung, die im Wege einer Klageerweiterung vom 19.09.2016 geltend gemacht wurde - zuletzt:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller übergegangene Unterhaltsansprüche für Herrn ... geb. ... 10.1929, verst. ... 05.2015, in Höhe von 13.949,00 Euro zu bezahlen.

Der Antragsgegner beantragt:

Antragszurückweisung.

Er ist der Meinung, ein Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht für August 2013 sei nicht erkennbar, nachdem er erst im September 2013 von der Hilfegewährung durch den Antragsteller in Kenntnis gesetzt worden sei.

Er hält den Antrag für unschlüssig und bestreitet die mangelnde Leistungsfähigkeit seiner Schwester. Er zieht die ordnungsgemäße Verrechnung der Einkünfte des Vaters und dessen Ehefrau in Zweifel.

Er ist der Auffassung, dass im Hinblick auf die geringen Einkünfte seiner Ehefrau unter die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Töchtern der Unterhalt falsch berechnet worden sei.

Er wendet Verwirkung ein, nachdem der Antragsteller lange Zeit nach der Gegenvorstellung seines anwaltlichen Vertreters am 02.06.2014 diese Sache nicht weiter verfolgte und erst mit am 02.07.2015 eingelangten Schreiben die Ansprüche weiter verfolgte.

Zur Ergänzung wird auf die wechselseitig bei Gericht eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie weiters auf die Niederschriften der Sitzungsprotokolle vom 03.05.2016 und 08.09.2016 Bezug genommen.

Das Verfahren ist teilweise im Sinne einer Antragsabweisung entscheidungsreif und zwar hinsichtlich der Unterhaltsansprüche von August 2013 bis einschließlich Juni 2014 (11 Monate zu je 697,00 Euro), d. h. in Höhe eines Teilbetrages von 7.667,00 Euro.

Die Ansprüche für den Zeitraum August 2013 mit Juni 2014 sind verwirkt, wobei an dieser Stelle es dahingestellt bleiben kann, ob für den Monat August 2013 ein Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht besteht, nachdem der Antragsgegner erst im September 2013 von der Hilfegewährung für den verstorbenen Vater durch den Antragsteller in Kenntnis gesetzt wurde und ob der Unterhaltsanspruch rechnerisch richtig in der geltend gemachten Höhe existiert.

Der Rechtsgedanke der Verwirkung nach den allgemeinen Grundsätzen des § 242 BGB gilt auch bei Elternunterhalt, wenn der unterhaltsberechtigte Elternteil - bzw. der Träger von Sozialleistungen, auf den Unterhaltsansprüche übergegangen sind - diesen längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Unterhaltsverpflichtete mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Elternteils -bzw. des Trägers der Sozialhilfe - sich darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird (vgl. BGH FamRZ 2004,1097). Zu beachten sind hierbei das Zeitmoment und das Umstandsmoment. Gerade bei Elternunterhalt als schwach ausgeprägten Unterhaltsanspruch sind an das Zeitmoment keine hohen Anforderungen zu stellen, so dass das Zeitmoment bereits ab ca. 1 Jahr erfüllt ist (BGH FamRZ 2010,1888; 2002,1698). Vorliegend hat der Antragsteller 13 Monate nach der Gegenvorstellung des anwaltlichen Vertreters vom 02.06.2014, in denen Einwendungen gegen die ursprüngliche Unterhaltsberechnung des Antragstellers erhoben wurden, zugewartet und erst am mit 02.07.2015 eingelangten Schreiben die Sache für den Antragsgegner erkennbar weiterverfolgt. Im Hinblick darauf, dass hier über ein Jahr vergangen ist, in dem der Antragsteller untätig geblieben ist, ist davon auszugehen, dass das Zeitmoment erfüllt ist. Im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner im Rahmen seiner eigenen Unterhaltsberechnung vom 02.04.2014 lediglich auf einen Unterhaltsbetrag von monatlich 15,00 Euro gekommen ist, ist davon auszugehen, dass vorliegend auch das Umstandsmoment erfüllt ist. Unbeschadet der Frage, ob der durch den anwaltlichen Vertreter des Antragsgegners errechnete Unterhaltsanspruch in der Höhe rechnerisch richtig ist oder nicht, konnte der Antragsgegner darauf vertrauen, dass der ursprünglich geltend gemachte Unterhalt von monatlich 835,00 Euro in dieser Höhe nicht weiter verfolgt wird, was tatsächlich schließlich auch der Fall war.

Nachdem der Antragsteller seine Unterhaltsforderungen mit Schreiben vom 29.06.2015 wieder aufgriff, ist das Gericht Auffassung, dass eine Verwirkung jedoch nur für den Zeitraum bis einschließlich Juni 2014 eingetreten ist. Aufgrund des am 02.07.2015 eingelangten Schreiben konnte der Antragsgegner nicht mehr darauf vertrauen, dass Ansprüche, die nicht mehr als ein Jahr zurückliegen, d. h. Ansprüche ab Juli 2014 verwirkt sind.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

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