Amtsgericht Magdeburg Beschluss, 19. Dez. 2013 - 5 Gs 276 Js 30855/13 (2020/13) (b), 5 Gs 2020/13 (b)

ECLI:ECLI:DE:AGMAGDE:2013:1219.5GS276JS30855.13.0A
bei uns veröffentlicht am19.12.2013

Tenor

In dem Ermittlungsverfahren gegen

...

wohnhaft...

Verteidiger:

...

wegen Steuerhinterziehung

wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Magdeburg vom 29.11.2013, Geschäftsnummer 5 Gs 276 Js 30855/13 (2020/13 (b)), aufgehoben.

Gründe

1

Das Gericht beraumte zunächst für den 12.12.2013 Haftprüfungstermin auf Antrag der Verteidigung an. Im Termin erklärte der Verteidiger, noch keine Akteneinsicht erhalten zu haben. Aus der Akte (Blatt 163) ergibt sich, dass die Akteneinsicht in elektronischer Form an den Verteidiger verfügt wurde. Nachforschungen in der Staatsanwaltschaft ergaben, dass die Verfügung zur Akteneinsicht in elektronischer Form am 09.12.2013 ausgeführt worden ist. Bei dem Verteidiger war die Akteneinsicht aber offenbar bis zum Haftprüfungstermin nicht eingegangen. Daraufhin wurde der Haftprüfungstermin vertagt auf den 19.12.2013. Auch in dem heutigen Termin erklärt der Verteidiger anwaltlich, dass die Akteneinsicht noch nicht gewährt sei. Ihm sei zwar eine CD übersandt worden. Das Passwort zur Öffnung der CD habe er jedoch nicht erhalten. Auch auf ein Erinnerungsschreiben an die Staatsanwaltschaft, welches er am 16.12.2013 per Fax abgesandt habe, sei das Passwort bei ihm bis heute nicht eingegangen.

2

Akteneinsicht war von dem Verteidiger rechtzeitig beantragt worden.

3

Der Grundsatz eines fairen rechtstaatlichen Verfahrens und der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehörs gebietet es, dem Verteidiger eines inhaftierten Beschuldigten Einsicht zumindest in die Aktenbestandteile zu geben, auf welche der Haftbefehl gestützt ist. Zur Gewährung von Akteneinsicht ist im vorbereitenden Verfahren gemäß § 147 Abs. 5 StPO die Staatsanwaltschaft befugt.

4

Aufgrund des oben genannten Grundsatzes kann der Haftbefehl gegen einen Beschuldigten und die einen Haftbefehl aufrechterhaltenden Entscheidungen des Gerichts im Haftprüfungsverfahren nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die dem Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger vorher bekannt waren, so dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf eine gerichtliche Haftentscheidung effektiv einwirken zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.07.1994, NStZ 1994 S. 551 ff.; OLG Köln, NStZ 2002, S. 659).

5

Die Akteneinsicht muss dem Verteidiger rechtzeitig gewährt werden, so dass diesem ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um sich mit dem Akteninhalt vertraut zu machen, um die Verteidigung in Straf- und Ermittlungsverfahren mit seinem Mandanten besprechen zu können. Es kommt indes nicht darauf an, aus welchen nicht nicht vom Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger zu vertretenden Gründen dem Verteidiger die Akteneinsicht nicht rechtzeitig vor dem Termin zur Verfügung standen. Allein die Tatsache, dass dem Beschuldigten eine effektive Verteidigung im Ermittlungsverfahren vor der gerichtlichen Haftentscheidung mangels Akteneinsicht seines Verteidigers nicht möglich ist, gebietet die Aufhebung des Haftbefehles.

6

Vorliegend wurde der Haftprüfungstermin gerade wegen der offenbar fehlgeschlagenen Akteneinsicht vor dem recht zeitnah anberaumten Haftprüfungstermin versagt. Das war der Staatsanwaltschaft bekannt. Nachdem die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger auch bis zum heutigen Termin im Ergebnis die Akteneinsicht nicht gewährt hat, war daher der Haftbefehl aufzuheben.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Magdeburg Beschluss, 19. Dez. 2013 - 5 Gs 276 Js 30855/13 (2020/13) (b), 5 Gs 2020/13 (b)

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Magdeburg Beschluss, 19. Dez. 2013 - 5 Gs 276 Js 30855/13 (2020/13) (b), 5 Gs 2020/13 (b)

Referenzen - Gesetze

Amtsgericht Magdeburg Beschluss, 19. Dez. 2013 - 5 Gs 276 Js 30855/13 (2020/13) (b), 5 Gs 2020/13 (b) zitiert 1 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 147 Akteneinsichtsrecht, Besichtigungsrecht; Auskunftsrecht des Beschuldigten


(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. (2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht

Referenzen

(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

(7) (weggefallen)