Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein Beschluss, 04. Aug. 2014 - 3d IN 182/14 Sp

ECLI:ECLI:DE:AGLUDWI:2014:0804.3DIN182.14SP.0A
04.08.2014

1. Der Antrag vom 06.05.2014 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die Anordnungen aus dem Beschluss vom 30.06.2014 werden aufgehoben.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.159,39 €.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, eine Sozialversicherungsträgerin, hat am 06.05.2014 einen Fremdantrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt. Grundlage waren rückständige Abgaben zur Sozialversicherung für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.04.2014 (Beitragsmonate 06/13-10/13 und 12/13-04/14).

2

Bereits am 28.05.2013 hatte die Antragstellerin einen solchen Antrag gestellt, den sie auf rückständige Abgaben zur Sozialversicherung für den Zeitraum 01.07.2012 bis 30.04.2013 gestützt hatte. Mit Schreiben vom 21.08.2013 hatte dort die Antragstellerin mitgeteilt, die rückständigen Beitragsforderungen seien vollständig beglichen und der Antrag werde für erledigt erklärt. In der Folge ist es in jenem Verfahren zu einer übereinstimmenden Erledigungserklärung gekommen.

3

Nach Anhörung des Schuldners hat das Gericht mit Beschluss vom 30.06.2014 einen Sachverständigen u.a. zur Ermittlung der Tatsachen bestellt, die dem Gericht den Schluss auf das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes ermöglichen.

4

Mit Schreiben vom 02.07.2014 erklärte die Antragstellerin, dass die rückständigen Beitragsforderungen vollständig beglichen worden seien und die Fortsetzung des Verfahrens begehrt werde.

5

Mit Verfügung vom 11.07.2014 hat das Gericht die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass es an einer Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrunds mangelt und der Antrag derzeit unzulässig ist. Weiterhin hat das Gericht den Sachverständigen um Stellungnahme gebeten, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Insolvenzgrundes bereits festgestellt werden konnten.

II.

6

Der Antrag ist unzulässig.

7

Die Antragstellerin hat entgegen § 14 Abs. 1 S. 1 InsO keinen Insolvenzgrund glaubhaft gemacht.

8

Zwar war der Insolvenzantrag ursprünglich zulässig, durch die Begleichung der Forderung ist er aber unzulässig geworden.

9

Trotz der Neuregelung des § 14 Abs. 1 S. 2 InsO verbleibt es bei der gesetzlichen Beweis- und Darlegungslast. Für die Annahme einer sekundären Darlegungslast des Schuldners oder einer Amtsermittlungspflicht des Gerichts besteht kein Raum (vgl. BGH, NJW 2013, 2119 – Besprechung: Beth, ZInsO 2013, 1680; LG Berlin, ZInsO 2014, 1349, 1350; AG Ludwigshafen, Verbraucherinsolvenz aktuell 2012, 48 – verfügbar über Juris; AG Wuppertal, ZIP 2012, 1090; Beth, NZI 2012, 1 m.w.N.).

10

Die (isolierte) ursprüngliche Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist lediglich ein Indiz, dass für sich alleine nicht ausreicht, um von einer fortbestehenden Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Die Antragstellerin muss mithin weitere Indiztatsachen vortragen. Insoweit wird von ihr auch nichts Unmögliches verlangt. In der Zwischenzeit sind beispielsweise die Beiträge für die Monate 05/14-07/14 fällig geworden. Wenn diese nicht – oder nur verspätet – vom Schuldner beglichen worden wären, könnte dies Anlass zu einer anderen Bewertung geben. Alternativ könnte die Antragstellerin auch eine Auskunft beim zentralen Vollstreckungsgericht oder ähnliches vorlegen (vgl. AG Ludwigshafen, ZInsO 2013, 514). Und schließlich hätte die Antragstellerin den im Jahr 2013 gestellten Insolvenzantrag nicht für erledigt erklären müssen. Dort waren zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung bereits die hier gegenständlichen Beiträge für die Monate 06/13 und 07/13 fällig geworden.

11

Weiterhin sind keine Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gerichtsbekannt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes feststellen können (Auskunft vom 23.07.2014, Bl. 26 d.A.).

12

Der Schuldner muss demgegenüber nicht die Aufnahme von Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger glaubhaft machen. Im vorliegenden Fall stützt sich der Insolvenzantrag lediglich auf die ursprünglich nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge, die von dem Schuldner vollumfänglich beglichen worden sind. Es gibt keinen Erfahrungssatz dergestalt, dass bei Vorhandensein rückständiger Sozialversicherungsbeiträge per se noch andere Gläubiger mit fälligen Forderungen vorhanden sind (Beth, ZInsO 2013, 1680, 1682; vgl. auch: LG Berlin, ZInsO 2014, 1349, 1350).

13

Dem steht auch nicht die von der Antragstellerin zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, ZInsO 2013, 1087) entgegen. Im dort entschiedenen Fall stützte sich der Anscheinsbeweis einer Zahlungsunfähigkeit auf rückständige Beiträge für 16 Monate, im vorliegenden Antrag hingegen lediglich auf die Nichtzahlung von Beiträgen für 10 Monate, wobei diese von einem Monat ordnungsgemäßer Zahlung unterbrochen waren. Die Indizwirkung durch die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen war daher im vorliegenden Fall ohnehin von Anfang an schwächer. Darüber hinaus hat der Schuldner offenbar die fälligen Beiträge für die drei letzten Monate 05/14 bis 07/14 gezahlt.

14

Aufgrund der vollständigen Zahlung steht nunmehr die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs fest, insbesondere wenn mit der Gesetzesbegründung strenge Anforderungen an die Prüfung des Fortbestands des Eröffnungsgrundes gestellt werden (BT-Drucks. 17/3030, S. 42).

15

Die getroffenen Anordnungen im Beschluss vom 30.06.2014 müssen vollumfänglich aufgehoben werden, weil ihr Bedürfnis entfallen ist.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO.

17

Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach § 58 Abs. 2 GKG.

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


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Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


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Insolvenzordnung - InsO | § 14 Antrag eines Gläubigers


(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 58 Insolvenzverfahren


(1) Die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens werden nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedi

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(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens werden nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, werden nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrags angesetzt. Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist von den bei der Fortführung erzielten Einnahmen nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben ergibt. Dies gilt auch, wenn nur Teile des Unternehmens fortgeführt werden.

(2) Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag nach dem Betrag seiner Forderung, wenn jedoch der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, nach diesem Wert erhoben.

(3) Bei der Beschwerde des Schuldners oder des ausländischen Insolvenzverwalters gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse gilt Absatz 1. Bei der Beschwerde eines Gläubigers gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags gilt Absatz 2.

(4) Im Verfahren über einen Antrag nach Artikel 36 Absatz 7 Satz 2 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Mehrbetrag, den der Gläubiger bei der Verteilung anstrebt.

(5) Im Verfahren über Anträge nach Artikel 36 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Betrag der Forderung des Gläubigers.

(6) Im Verfahren über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102c § 26 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gegen die Entscheidung über die Kosten des Gruppen-Koordinationsverfahrens bestimmt sich der Wert nach der Höhe der Kosten.