Amtsgericht Konstanz Beschluss, 03. Juli 2007 - UR II 91/07

03.07.2007

Tenor

Der Antrag auf Erteilung nachträglicher Beratungshilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

 
Das Gericht hat vor der Erteilung eines Beratungshilfescheines u.a. zu prüfen, ob dem Rechtsuchenden nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtssuchenden zuzumuten ist und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist, § 1 Absatz 1 Nr. 2 und Nr. 3. und ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beratungshilfe gegeben sind.
I.
Die nachträgliche Antragstellung ist hier unzulässig ( Kreppel, Rpfleger 1986, 86;LG Hannover, NJW -RR 2000, 1370 ; NdsRpfl 2000,293; AG Hannover NdsRpfl 1999, 293 ; AG Konstanz UR II 131/05 ; AG Konstanz vom 20.10.2006 - UR II 231/06 - unter juris-; FamRZ 2001, 558; AG Bad Kissingen, Beschluss vom 27.03.2000; Klein, JurBüro 2001,172ff; AG Minden, Urteil vom 13.12.1983, AnwBl. 1984, 516 ; AG St. Wendel, Beschl. 23.08.2001, Rpfleger 2001, 602 f.; AG Bad Oeynhausen, (richterl.) Beschl. 19.03.2004, 2 II 36/04 (BH), 2 II 98/04 (BH), 23.04.2004, 2 II 59/04 (BH); AG Konstanz, (richterl.) Beschl. 09.02.2006, UR II 500/05 ; AG Rahden 2 II 240/06 (BH), 09.11.06 und 2 II 244/06 (BH), 10.11.06 .).
Das Gericht hält an seiner ständigen, richterlichen Rechtsprechung ( zuletzt 11.04.2007 unter juris ) wonach eine nachträgliche Beratungshilfe dann nicht mehr erfolgen kann, wenn entsprechender Antrag auf Beratungshilfe nicht vor der ersten Tätigkeit datiert ist.
Voraussetzung der nachträglichen Antragstellung ist, dass der Rechtsanwalt um die Gewährung von „Beratungshilfe“ ersucht wurde und Beratungshilfe gewährt hat, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung ergibt. Hier ist mit dem Begriff nachträglich gemeint, dass der Antrag auf Beratungshilfe gestellt werden kann, nachdem "der Rechtsanwalt den Rechtsuchenden auf Grund dessen Angaben Beratungshilfe gewährt hat " (vgl.BT-Druck. 8/3695, 8). Beratungshilfe in diesem Sinne ist nicht etwa gleich zu setzen mit jeglicher beratenden anwaltlichen Tätigkeit, sondern nach der Gesetzessystematik insbesondere wegen des Bestandteils -hilfe im Begriff Beratungshilfe als anwaltliche Tätigkeit zu den wirtschaftlichen Bedingungen des Beratungshilfegesetzes zu verstehen. Das Gesetz hat auch keinen Automatismus geschaffen, nach dem Rechtsuchende mit geringerem Einkommen ausschließlich im Wege der BerH beraten werden können. Auch kann der Rechtsuchende durchaus gute Gründe dafür haben, selbst beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BerHG ein Mandatsverhältnis über die „regulären“ Gebührensätze begründen zu wollen. (Derleder, MDR 81, 448ff.)
Sinn der Beratungshilfe ist es auch nicht, ein bestehendes Risiko des Rechtsanwaltes dahingehend zu minimieren, dass erst dann über die Beratungshilfe abgerechnet wird, wenn sich herausstellt, dass der Mandant nicht mehr zahlungsfähig oder gar zahlungswillig ist. (Amtsgericht St. Wendel Rechtspfleger 2001, 603; AG Konstanz Beschluss vom 27.05.2005 - UR II 230/05-.; AG Braunschweig JurBüro 87, 609.) Das Kosten- bzw. Vollstreckungsrisiko trifft d. Bevollmächtigte(n) wie in anderen Fällen, in denen die Tätigkeit außerhalb eines Beratungshilfemandats stattgefunden hat. (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, PKH/BerH, 4. A., Rdn 936) Im übrigen würde auch die nach § 7 BerHG erforderliche Versicherung ( Bestandteil des schriftlichen Antrages ) , wonach noch keine Beratungshilfe gewährt worden sein darf, ad absurdum geführt werden. Der Rechtssuchende müsste also gegenüber dem Rechtsanwalt, der für ihn bereits tätig geworden ist und dessen bereits erbrachte Tätigkeit er als Beratungshilfe nachträglich gewertet haben will, zugleich erklären, dass noch keine Beratungshilfe gewährt worden sei. Auch hier zeigt sich in der gesetzgeberischen Konzeption deutlich, dass Tätigkeiten vor Antragstellung nicht von der Beratungshilfe erfasst werden. Folgerichtig ist bereits aus Gründen der Rechtsklarheit auch bei nachträglicher Antragstellung entsprechender Antrag vor erster Tätigkeit zu unterzeichnen. Nur dadurch ist die geforderte Eindeutigkeit des Beratungshilfemandats gewährleistet und glaubhaft zu machen.
Bei nachträglicher Antragsteller trägt der Rechtsanwalt das Kostenrisiko. Auf das Gebührenrisiko des Rechtsanwaltes wird vielerorts hingewiesen. (Bt-Drs. 8/3695 zu § 7; AG Witzenhausen Rpfleger 1989, 290; Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG § 7 Rn 4; Feuerich/Braun, BRAO , 4.Auflage zu § 49a Rn.11f; Klinge § 7 Rn.2; Mümmler in Anm. zu JurBüro 1987, 609; OLG Hamm JurBüro 1984, 1746; LG Paderborn 5 T 92/86; AG Bamberg JurBüro 1982, 71; Schaich AnwBl 1981, 3; Krahmer ZfSH 1980, 300; Nöcker Rpfleger 1981, 3; Finger MDR 1982, 361; Klein JurBüro 2001, 172; Eckert FamRZ 2001, 536.)
II.
Beratungshilfe wird nur außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und in Strafsachen nur in Form eines Rates bewilligt.
Für einen mündlichen oder schriftlichen Rat , für eine Auskunft sieht das Gesetz nach RVG VV 2501 ( seit 02.07.2006) eine Festgebühr von 30 Euro vor. Durch die Ratsgebühr ist auch eine Akteneinsicht abgegolten. (LG Braunschweig Nds. Rpflg 86,198) Bei einem bloßen Rat fallen zudem in aller Regel keine Auslagen sowie keine Telekommunikationspauschale an. (AG Koblenz FamRZ 2004, 1806) Bereits der Ansatz der Aktenversendungspauschale ist umstritten ( Fotokopiekosten sind eindeutig abzulehnen ).
III.
Die Beratungshilfe setzt nach ( absolut ) h. M. voraus, dass der Bürger unmittelbar um Beratungshilfe nachgesucht hat. Hat der Rechtsuchende Vertretungsauftrag gegeben und ist der Anwalt im Verfahren tätig geworden, scheidet Beratungshilfe aus. (Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG, zu § 1 Rn.9.) Die Vorlage einer Vertretungsvollmacht z.B. im Strafverfahren spricht für die beabsichtigte Vertretung im Verfahren und schließt deshalb Beratungshilfe aus. (Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG, zu § 1 Rn.9.; LG Braunschweig v. 08.01.84 - 8 T 501/84.) Dies gilt auch rückwirkend, denn neben den Verteidigergebühren kann es keinen Anspruch auf Beratungshilfegebühren geben ( was die Geschäftsgebühr betrifft ). (Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG, zu § 1 Rn.9.)
10 
Beratungshilfe ist hier kein Auffangtatbestand, wenn dem Antrag auf Pflichtverteidigung nicht entsprochen wurde bzw. nicht über diesen entschieden wurde.
IV.
11 
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG dürfen keine anderweitigen Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, welche dem Rechtsuchenden zuzumuten sind. Aufgrund der Subsidiarität der Beratungshilfe gegenüber anderen zumutbaren Auskunftsmöglichkeiten kann der Rechtsuchende im Einzelfall nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG auch auf die Beratung durch andere Stellen verwiesen werden.
12 
Bei diesem Sachverhalt bestünde weiter beispielsweise die Möglichkeit der Inanspruchnahme der kostenlosen Rechtsberatung durch den Anwaltsverein Konstanz. Hierbei bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG, dass Beratungshilfe nicht gewährt wird, sofern anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist. Da aber die kostenlose Rechtsberatung durch Rechtsanwälte beim Landgericht Konstanz (jeden 1. Mittwoch im Monat durch den Anwaltsverein) eine andere Möglichkeit i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG darstellt, ist diese grundsätzlich der Beratungshilfe vorzuziehen. (AG Waldshut-Tiengen, AGS 1999, 189.)
13 
Der Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe war zurückzuweisen, da die Unzulässigkeit der Antragstellung nicht geheilt werden kann.

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Amtsgericht Konstanz Beschluss, 03. Juli 2007 - UR II 91/07 zitiert 6 §§.

Beratungshilfegesetz - BeratHiG | § 1 Voraussetzungen


(1) Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn 1. Rechts

Beratungshilfegesetz - BeratHiG | § 7 Rechtsbehelf


Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe zurückgewiesen oder durch den die Bewilligung von Amts wegen oder auf Antrag der Beratungsperson wieder aufgehoben wird, ist nur die Erinnerung statthaft.

Referenzen

(1) Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn

1.
Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können,
2.
keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist,
3.
die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 sind gegeben, wenn den Rechtsuchenden Prozeßkostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt unentgeltlich oder gegen Vereinbarung eines Erfolgshonorars beraten oder vertreten zu lassen, ist keine andere Möglichkeit der Hilfe im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2.

(3) Mutwilligkeit liegt vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen werden soll, obwohl Rechtsuchende, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Beratungshilfe beanspruchen können, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würden, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten der Rechtsuchenden sowie ihre besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.

Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe zurückgewiesen oder durch den die Bewilligung von Amts wegen oder auf Antrag der Beratungsperson wieder aufgehoben wird, ist nur die Erinnerung statthaft.

(1) Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn

1.
Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können,
2.
keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist,
3.
die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 sind gegeben, wenn den Rechtsuchenden Prozeßkostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt unentgeltlich oder gegen Vereinbarung eines Erfolgshonorars beraten oder vertreten zu lassen, ist keine andere Möglichkeit der Hilfe im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2.

(3) Mutwilligkeit liegt vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen werden soll, obwohl Rechtsuchende, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Beratungshilfe beanspruchen können, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würden, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten der Rechtsuchenden sowie ihre besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.