Amtsgericht Köln Urteil, 24. Okt. 2016 - 142 C 482/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1.) bis 3.) jeweils 250,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 7/20 und die Beklagte zu 13/20.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die jeweils andere Seite zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages geleistet hat.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Kläger nehmen die Beklagte, ein deutsches Luftfahrtunternehmen, auf Ausgleichszahlungen nach der EU-Verordnung Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen vom 11.2.2004 (im Folgenden: FluggastVO) in Anspruch.
3Die Kläger buchten bei der Beklagten unter der Buchungsnummer ZC5NOR Flüge von Tunis über Frankfurt nach Stuttgart am 05.09.2015. Geplant war der Abflug mit LH 1323 in Tunis für 12.30 Uhr mit Ankunft in Frankfurt um 16:00 Uhr. Der Weiterflug mit LH 132 sollte in Frankfurt um 16:50 erfolgen. Die Ankunft in Stuttgart war für 17:30 Uhr geplant. Der Flug LH 1323 erreichte Frankfurt mit einer Verspätung von 9 Minuten um 16:59 Uhr. Die Kläger mussten in Frankfurt von Halle B Gate 23A zu Halle A Gate 36 um den Anschlussflug zu erreichen, wobei sie eine Pass- und Sicherheitskontrolle zu passieren hatten. Sie erreichten das Gate für den Anschlussflug um 16:50 Uhr. Das Boarding war um 16:44 Uhr beendet worden. Die Kläger verpassten den Flug nach Stuttgart. Die Beklagte buchte die Kläger auf den späteren Flug LH 136 nach Stuttgart um. Die Kläger wurden dann jedoch mit der Bahn von Frankfurt nach Stuttgart transportiert. Stuttgart erreichten sie um 21:08 Uhr mit einer Verspätung gegenüber der geplanten Ankunft von 3 Stunden und 38 Minuten.
4Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen nach der Rechtsprechung des EuGH zur grossen Verspätung wegen der über dreistündigen Ankunftsverspätung eine Ausgleichszahlung nach Art. 5, 7 FluggastVO in Höhe von jeweils 400,00 Euro zustehe. Die Kläger behaupten, dass die Beklagte sie bereits umgebucht habe, bevor sie das Gate für den Flug nach Stuttgart erreichten.
5Die Kläger beantragen,
6die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger je 400,00 Euro, insgesamt 1.200,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.09.2015 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte behauptet, die Kläger hätten trotz der Verspätung des Fluges ihren Anschlussflug in Frankfurt noch erreichen können. Sie behauptet, dass der Umstieg in Frankfurt in wenigen Minuten via Shuttlebus / Skyline möglich gewesen sei. Auch ständen an den Sicherheitskontrollen Fast Lanes zur bevorzugten Kontrolle zur Verfügung. Die Entfernung zwischen den Halle B und Gate 36 betrage 800 bis 900 Meter und sei bei gehöriger Eile in 5 Minuten zurückzulegen.
10Das Gericht hat in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.07.2016 den Kläger zu 1.) gemäss § 141 ZPO persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der Sitzung vom 04.07.2016 Bl. 59 ff. d.A. Bezug genommen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist überwiegend begründet.
14Den Klägern steht wegen der mehr als dreistündigen Verspätung am Endziel ihrer Flugreise von Tunis über Frankfurt nach Stuttgart gegen die Beklagte jeweils ein Ausgleichsanspruch nach Art. 5, 7 Abs. 1 lit. a) FluggastVO in Höhe von 250,00 Euro zu.
15I.
16Der Anspruch der Kläger ergibt sich allerdings nicht bereits aufgrund eines Falles der unberechtigten Nichtbeförderung nach Art. 4 FluggastVO, weil die Beklagte die Kläger auf einen späteren Flug nach Stuttgart umbuchte.
17Nach Art. 4 Abs. 3 FluggastVO steht einem Fluggast auch dann ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastVO zu, wenn ihm seitens des ausführenden Luftfahrtunternehmen die Beförderung gegen ihren Willen verweigert wird, ohne dass vertretbare Gründe nach Art. 2 lit j) FluggastVO vorliegen. Zwar ist dafür aufgrund des Verweiseses in Art. 2 lit j) auf Art. 3 Abs. 2 FluggastVO grundsätzlich erforderlich, dass sich der Fluggast rechtzeitig am Flugsteig einfindet. Indes bedarf es der Voraussetzung des rechtzeitigen Einfindens nicht, wenn bereits zuvor feststeht, dass sich das ausführende Luftfahrtunternehmen weigert, den Fluggast zu befördern. Dies ist der Fall, wenn das Luftfahrtunternehmen den Fluggast bereits vor dem Check-In oder dem Boarding umbucht, ohne dass der Fluggast davon weiß und die Gelegenheit bekommt, sich zu einer beabsichtigten Umbuchung zu äussern. Der bereits umgebuchte Fluggast ist aber genauso schutzbedürftig. Denn es macht für die ihm entstehenden Unannehmlichkeiten, die durch die Ausgleichszahlung kompensiert werden sollen, keinen Unterschied, ob ihm die Nichtbeförderung erst bei Check-In/Boarding verweigert wird oder seine Beförderung bereits im Vorfeld - ohne dass er davon weiß - nicht mehr vorgesehen ist (BGH NJW 2015, 2181 ff). Darlegungs- und beweisbelastet für eine verweigerte Beförderung ist der Fluggast. Er muss daher auch beweisen, dass es zu einer der Nichtbeförderung gleichstehenden, vorweggenommenen Umbuchung kam. In Hinblick auf anspruchsbegründende Tatsachen, die sich dem Wahrnehmungsbereich des Fluggastes entziehen, trifft das Luftfahrtunternehmen allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Sie muss für den Fall, dass es eine Umbuchung gab, Einblick gewähren, wann sie diese durchführte, um dem Fluggast Gelegenheit zu geben, hierauf gestützt konkrete Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen, dass die Umbuchung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als eine Abfertigung bzw. ein Boarding noch möglich war.
18Danach lässt sich vorliegend keine verweigerte Nichtbeförderung feststellen. Es ist zwar unstreitig, dass die Beklagte ohne dass die Kläger dies wussten eine Umbuchung auf den Flug LH 136 nach Stuttgart vornahm, allerdings hat die Beklagte auf die Behauptung der Kläger, die Umbuchung sei bereits vor dem Abschluss des Boarding für den gebuchten Flug LH 132 erfolgt, substantiiert vorgetragen, dass die Umbuchung erst nach dem geplanten Abflugzeitpunkt für Flug LH 132 um 16:50 Uhr erfolgte. Jedenfalls für die Klägerin zu 3.) hat sie einen entsprechenden Buchu8ngsausdruck vorgelegt, aus dem sich als Zeitpunkt der Umbuchung 16:51 Uhr Ortszeit (14:51 UTC) ergibt. Zu diesem Zeitpunkt war Flug LH 132 bereits abgeflogen. Soweit die Kläger vortragen, dass die Umbuchung der Kläger zu 1.) und 2.) gleichwohl früher erfolgt sein kann, ist dies zwar zutreffend, indes haben die Kläger zu 1.) und 2.) keinen Beweis dafür angetreten, dass die Umbuchung durch die Beklagte abweichend von der Umbuchung für die Klägerin zu 3.) zu einem früheren Zeitpunkt, insbesondere vor dem Abschluss des Boarding um 16:44 Uhr erfolgte. Ein solcher Beweisantritt wäre den Klägern auch möglich gewesen, etwa durch den Antrag entsprechende im Besitz der Beklagten befindliche Unterlagen vorzulegen (§§ 421 ff. ZPO). Dementsprechend sind die Kläger für eine unberechtigte Nichtbeförderung beweisfällig geblieben.
19Die Kläger haben aber nach Art. 5, 7 Abs. 1 lit. b) FluggastVO einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gegen die Beklagte, da sie Stuttgart, das Endziel ihrer bei der Beklagten gebuchten und von ihr auch ausgeführten Flugreise, am 05.09.2015 erst mit einer über dreistündigen Verspätung erreichten.
20Die Art. 5, 7 FluggastVO sind auf den vorliegenden Fall der verspäteten Ankunft am Endziel Stuttgart anwendbar und die Voraussetzungen
21Die Vorschriften der Art. 5 und 7 FluggastVO finden auch auf Fälle Anwendung, in denen ein Flug zwar nicht nach dem Wortlaut der Verordnung „annulliert“ wurde, wohl aber so verspätet war, dass der Fluggast sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht, sog. große Verspätung (EuGH, „Sturgeon“, Rs. C-402/07 und C-432/07, Urteil v. 19.11.2009). Der EuGH hat die Notwendigkeit eines Ausgleichsanspruchs aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitet, da die mit einem irreversiblen Zeitverlust von mehr als drei Stunden verbundenen Unannehmlichkeiten für den Fluggast denen gleichstehen, die entstanden wären, wäre der Flug annulliert worden (EuGH, „Airfrance ./. Folkerts“, Rs. C-11/11, Urteil v. 26.2.2013). Weiter hat der EuGH festgestellt, dass dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen selbst dann eine Ausgleichszahlung zusteht, wenn zwar die Verspätung zum Zeitpunkt des Abfluges unterhalb der in Art. 6 FluggastVO festgelegten Grenzen ( je nach Entfernung 2, 3 oder 4 Stunden) liegt, das Endziel jedoch erst mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreicht wird, denn die Ausgleichszahlung hängt nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 FluggastVO aufgeführten Voraussetzungen ab (EuGH, „Airfrance./. Folkerts“, Rs. C-11/11, Urteil v. 26.2.2013 NJW 2013, 1291; siehe auch BGH, X ZR 127/11, Urteil v. 7.5.2013, NJW-RR 2013, 1065) Dies gilt nach der o.g. Rechtsprechung des EuGH jedenfalls bei solchen Flugreisen, bei denen zwischen einem Zubringerflug und dem Anschlussflug von vornherein durch das beide Flüge ausführende Luftfahrtunternehmen ein Zusammenhang hergestellt wurde, der zu einer gewissen Abhängigkeit zwischen den beiden Flügen bei der Planung derselben führt. Abzustellen ist bei solchen Flugkombinationen dann nur darauf, ob es am Endziel zu einer über dreistündigen Verspätung kam ( Art. 2 lit. h) FluggastVO). Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen einer über dreistündigen Verspätung bei einem Flug mit Anschlussflug am Endziel ist der Fluggast. Indes muss er nach Massgabe der Rechtsprechung des EuGH nicht darlegen, worauf die Verspätung am Endziel beruhte. Entgegen einer offenbar von dem LG Köln vertretenen Ansicht (LG Köln, Beschluss vom 10.08.2015 - 11 S 106/15 ) muss der Fluggast zur Schlüssigkeit des Anspruches auf Ausgleichszahlung nicht dazu vortragen, worauf die Verspätung am Endziel beruhte und was hierfür ursächlich war. Zur Schlüssigkeit des Anspruches auf Ausgleichszahlung gehört nur der Vortrag, dass der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist (Art. 3 FluggastVO), insbesondere der Fluggast bei Antritt der Flugreise im Besitz einer bestätigten Buchung ist, sich rechtzeitig zur Abfertigung einfindet und eine Nichtbeförderung, Annullierung oder grosse Verspätung vorliegt. Die Frage nach der Kausalität stellt sich nach der Systematik der FluggastVO erst im Rahmen einer etwaigen Exkulpation des Luftfahrtunternehmens. Das ausführende Luftfahrtunternehmen ist nach der Konzeption der FluggastVO darlegungs- und beweisbelastet, dass es für die eingetretene Verspätung keine Verantwortung trägt, sie ihr also nicht zuzurechnen ist.
22Danach ist der Anspruch der Kläger auf eine Ausgleichszahlung dem Grunde nach gegeben. Unstreitig beruhten die Flüge der Kläger von Tunis nach Frankfurt und Frankfurt nach Stuttgart am 05.09.2015 auf einer einheitlichen Buchung bei der Beklagten, wurden die einzelnen Flüge durch die Beklagte planerisch zu einer Einheit zusammengefasst und auch von der Beklagten ausgeführt. Unstreitig ist weiter, dass die Kläger ihr Endziel Stuttgart mit einer über dreistündigen Verspätung erreichten.
23Die Beklagte ist für die verspätete Ankunft der Kläger am Endziel Stuttgart verantwortlich. Sie hat keine aussergewöhnlichen Umstände nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO dargelegt, aus denen sich im konkreten Fall eine Befreiung von der Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichszahlung ergibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass die Verspätung darauf zurückzuführen ist, dass die Kläger trotz ausreichender Umstiegszeit aufgrund eigenen Verschuldens sich in Frankfurt nicht rechtzeitig zum Boarding des Anschlussfluges einfanden.
24Nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO entfällt die Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung, bzw. die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Als Ausnahmeregelung von dem Grundsatz, dass Fluggäste bei einer großen Verspätung eines Fluges Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, ist Art. 5 Abs. 3 FluggastVO grundsätzlich eng auszulegen. Außergewöhnliche Umstände sind daher nur solche Risiken, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, „Wallentin-Hermann“, Rs. C-549/07, Urteil v. 22.12.2008; jüngst EuGH, Rs. C-257/14, Urteil v. 17.9.2015). Tatsächlich unbeherrschbar sind nur die Vorkommnisse, auf deren Eintritt das Luftfahrtunternehmen keinen Einfluss hat, die also gewissermaßen „von außen“ auf die Durchführung des Fluges einwirken. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit den in den Erwägungsgründen 14 und 15 FluggastVO aufgezählten Umständen: aus den dortigen Beispielsfällen – politische Instabilität, Wetterbedingungen, Streiks, Entscheidungen der Flugsicherheitsbehörde etc. – folgt, dass ein außergewöhnlicher Umstand stets außerhalb der Verantwortungs- und Risikosphäre des ausführenden Luftfahrtunternehmens angesiedelt ist. Zu den genannten Fällen sind - auch wenn dies in den Erwägungsgründen keine Erwähnung gefunden hat - auch die Fälle zu rechnen, in denen der Fluggast selbst dafür verantwortlich ist, dass es zu einer Verspätung kam. Auch bei einem Eigenverschulden des Fluggastes handelt es sich um einen ausserhalb des normalen Flugbetriebes liegenden von dem Luftfahrtunternehmen nicht beeinflussbares Geschehen. Kommt es daher zu einer Verspätung am Endziel einer aus Zubringer- und Anschlussflug zusammengesetzten Flugreise, weil der Fluggast trotz ausreichender Umstiegszeit den Anschlussflug nicht erreichte - etwa weil er trödelt, sich trotz ausreichender Informationen verläuft oder trotz ausreichender Hinweise die Boardingzeiten nicht einhält, liegt ebenfalls ein aussergewöhnlicher Umstand vor, der das Luftfahrtunternehmen entlastet. Darlegungs - und beweisbelastet für das Vorliegen eines aussergewöhnlichen Umstandes ist das Luftfahrtunternehmen. Allerdings spricht nach Auffassung der erkennenden Abteilung des Gerichtes der Beweis des ersten Anscheins für ein Eigenverschulden des Fluggastes, wenn das Luftfahrtunternehmen darlegt und beweist, dass der Zubringerflug planmässig landete, die vorgesehene Umstiegszeit dem Fluggast zur Verfügung stand, diese gleich oder über der Minimum Connecting Time des jeweiligen Flughafens lag (MCT), d.h. der von dem Flughafen garantierten (Mindest-)Zeit, in der ein Umstieg möglich ist und der Fluggast gleichwohl nicht rechtzeitig zum Boarding des Anschlussfluges erschien. Denn in diesem Fall kann sich das Luftfahrtunternehmen darauf berufen, dass typischerweise unter normalen Umständen innerhalb dieses vom Flughafen garantierten Zeitfensters ein Umstieg möglich ist. Dies gilt auch dann noch, wenn zwar der Zubringerflug verspätet landet, gleichwohl aber die Umstiegszeit noch grösser oder gleich der MCT ist. Dabei ist allerdings weiter zu berücksichtigen, dass die MCT nur den Zeitraum zwischen On Block (Ankunft Parkposition) und Off Block (Verlassen Parkposition) bezeichnet, während es für die tatsächliche Umstiegszeit auf die Zeit zwischen Verlassen des Zubringerfluges (Öffnen der Türen) und Ende des Boarding ankommt. Ein Anscheinsbeweis kann daher nur dann angenommen werden, wenn die MCT auch noch unter Abzug der Zeiten bis Öffnung der Türen und der Zeiten ab Boarding gewahrt ist. Ist der Beweis des ersten Anscheines gegeben ist es Sache des Fluggastes darzulegen und zu beweisen, dass die Gründe, die zu seiner verspäteten Ankunft am anderen Gate führen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen zuzurechnen sind. Liegt aber die tatsächlich verbliebene Umstiegszeit unter der MCT oder verspätet sich der Zubringerflug so, dass für den Umstieg weniger Zeit als die MCT zur Verfügung stand, so entspricht es nicht mehr einem typischen Geschehensablauf, dass der Fluggast den Anschlussflug hätte erreichen müssen, vielmehr trägt nun das Luftfahrtunternehmen die Darlegungs- und Beweislast, dass der Fluggast in der konkreten Situation den Anschlussflug gleichwohl noch hätte erreichen können. Dabei ist auch von Bedeutung, welche Hinweise und Informationen dem Fluggast in der konkreten Situation zur Verfügung standen bzw. welche Massnahmen von dem Luftfahrtunternehmen ergriffen wurden, um den Fluggast noch das Erreichen des Anschlussfluges zu ermöglichen. Denn ein Eigenverschulden des Fluggastes liegt auch dann vor, wenn er ihm von dem Luftfahrtunternehmen zur Verfügung gestellte Hilfen nicht in Anspruch nimmt.
25Dies zugrundelegend kann sich die Beklagte vorliegend auf keinen Anscheinsbeweis berufen und hat sie auch nicht substantiiert dargelegt, dass die Kläger den Anschlussflug nach Stuttgart noch hätten erreichen können, also ein Fall des Eigenverschuldens auf Seiten der Kläger vorliegt. Unstreitig war der Zubringerflug der Kläger in Frankfurt um 16:09 Uhr On Block. Weiter ist unstreitig, dass die MCT in Frankfurt 45 Minuten beträgt. Schliesslich ist unstreitig, dass das Boarding für den Anschlussflug am 05.09.2015 um 16:44 Uhr endete. Zu dem Zeitpunkt des Türenöffnens hat sich die Beklagte nicht geäussert. Selbst wenn man vorliegend On block mit dem Zeitpunkt des Türenöffnens gleichsetzen wollte, wäre die MCT im vorliegenden Fall unterschritten, da nur noch 35 Minuten statt 45 Minuten für den Umstieg zur Verfügung standen. Die Beklagte kann sich daher nicht auf einen von den Klägern zu widerlegenden Anscheinsbeweis berufen, dass die Kläger den Anschlussflug hätten erreichen müssen. Dass aber die Kläger am 05.09.2015 um 16:09 Uhr in 35 Minuten von Halle B Gate 23A zu Halle A Gate 36 hätte kommen müssen, hat die Beklagte bereits nicht substantiiert dargelegt. Soweit sie zu den Wegstrecken vorträgt handelt es sich zum einen um keinen Vortrag den streitgegenständlichen Umstieg betreffend sondern nur um allgemeine Angaben, zum anderen erweist sich der Vortrag aber auch als unvollständig. Für die Strecke von Halle A Gate 13 bis Gate 36 gibt sie bei schneller Fortbewegung 5 Minuten an (Bl. 37 d.A.). Angaben für die Strecke von Halle B Gate 23 A bis Halle A (Bl. 36 d.A.) macht die Beklagte hingegen nicht. Sie berücksichtigt bei ihrer allgemeinen Berechnung auch nicht, dass die Kläger, da aus einem Nicht Schengen Staat einreisend noch eine Pass- und Sicherheitskontrolle durchlaufen mussten. Welche Zeit diese Kontrollen durchschnittlich in Anspruch nehmen, wird genausowenig vorgetragen wie dargelegt wird, wie sich der Andrang an den Kontrollen und der hierbei entstehenden Zeitverlust konkret am 05.09.2015 darstellte. Unabhängig davon, dass die Beklagte damit ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht genügte, hat auch die Anhörung des Klägers zu 1.) nach § 141 ZPO gezeigt, dass die tatsächlich vorhandene Umstiegszeit trotz gehöriger Eile nicht ausreichte, um den Anschluss zu erreichen. Der Kläger zu 1.) hat bekundet, dass die Kläger in dem Flug von Tunis in der 15. Reihe saßen und es etwas dauerte bis man den Zubringerflug verliess. Wie lange genau hat der Kläger zu 1.) nicht sagen können. Er hat den Zeitraum auf vier bis fünf Minuten geschätzt. An der Passkontrolle gab es nach der Erinnerung des Klägers zu 1.) keine lange Wartezeit, vielleicht 3 bis 4 Minuten. An der Sicherheitskontrolle sei viel los gewesen. Diesen Zeitraum hat der Kläger zu 1.) auf 10 bis 15 Minuten geschätzt. Danach legte man einen "Vollsprint" mit der Klägerin zu 3.) hin und war um 16:50 Uhr am anderen Gate gewesen. Nach diesen Angaben nahmen bereits das Verlassen des Flugzeuges und die Pass- und Sicherheitskontrolle ca. 17 bis 24 Minuten in Anspruch. Berücksichtigt man jetzt noch, dass es sich bei 16:09 Uhr nur um die On Block Zeit handelt und berücksichtigt man weiter die Zeit für die Strecke zwischen den Gates von denen die Teilstrecke in Halle A bereits bei Eile 5 Minuten in Anspruch nahm, ist es nachvollziehbar und schlüssig, dass die zur Verfügung stehenden 35 Minuten nicht ausreichten. Soweit die Beklagte sich schließlich darauf beruft, die Umstiegszeit habe durch die Benutzung von "Fast Lanes" beschleunigt werden können, ist nicht dargelegt, dass diese Möglichkeit den Klägern vorab mit entsprechenden Handlungsanweisungen bekanntgegeben wurde noch ist dargelegt, dass diese Möglichkeit auch konkret am 05.09.2015 bestand. Der Kläger zu 1.) hat in seiner Anhörung bekundet, dass er von dieser Möglichkeit zum damaligen Zeitpunkt nichts wusste. An der Sicherheitskontrolle wurde ihm trotz Hinweises auf den Anschluss erklärt, dass er sich anstellen muss. Dass den Klägern die Informationen des Flughafens Frankfurt zu dem System der Fast Lanes (Bl. 27 d.A.) seitens der Beklagten bekannt gemacht wurden, ist nicht dargelegt. Soweit aber die Beklagte - wie in dem Schriftsatz vom 10.08.2016 dargelegt - keine Möglichkeit sieht Fluggäste bei Unterschreiten der MCT schneller zu ihren Anschlussflügen zu bringen, trägt sie das Risiko, dass Fluggästen wegen des Verpassens des Anschlusses und einer hieraus resultierenden großen Verspätung Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach Art. 5,7 FluggastVO zustehen; denn sie ist diejenige, die die Umstiegszeiten bei der Verbindung von Zubringer- und Anschlussflug plant. Diese Planung hat neben der reinen von den Fluggästen beim Umstieg zurückzulegenden Strecke auch die Zeiten zu berücksichtigen, die im normalen Flugbetrieb Pass- und Sicherheitskontrollen an dem jeweiligen Flughafen in Anspruch nehmen.
26Liegt somit kein aussergewöhnlicher Umstand gemäss Art. 5 Abs. 3 FluggastVO in Gestalt eines Eigenverschuldens der Kläger vor und ist es der Beklagten zuzurechnen, dass die Kläger den Anschlussflug verpassten, ist die Rechtsfolge, dass jedem der Kläger ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zusteht. Der Anspruch besteht aber nur in Höhe von jeweils 250,00 Euro gemäss Art. 7 Abs. 1 lit a) FluggastVO, da die Entfernung nach der Methode der Großkreisentfernung zwischen Tunis und Stuttgart 1.332,03 km beträgt. Entgegen der Ansicht der Kläger kann nicht auf die Summe der Entfernungen zwischen Tunis und Frankfurt (1.482,78 km) und Frankfurt nach Stuttgart (152,71 km), insgesamt 1.635,49 km abgestellt werden.
27Nach Art. 7 Abs. 4 FluggastVO werden die Entfernungen in Art. 7, nach denen sich die Höhe der Ausgleichszahlung bestimmt nach der Methode der Großkreisentfernung bestimmt. Eine Begriffsbestimmung der Entfernung enthält die FluggastVO nicht. Die Großkreisentfernung beschreibt die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf einer Kugeloberfläche (Orthodrom). In der Luftfahrt ist dies der Startpunkt und der Zielpunkt. Übertragen auf die Begrifflichkeit der FluggastVO sind dies der Abflugsort und das Endziel. Letzteres ist in Art. 2 lit. h) FluggastVO definiert als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges. Damit ist hinreichend deutlich, dass es bei der Berechnung der Strecken im Zusammenhang mit Anschlussflügen nicht auf die Umsteigeorte ankommt. Die zwischendurch zurückgelegten Strecken bleiben nach der FluggastVO unbeachtlich, es gilt nur die kürzeste Verbindung zwischen Beginn und Ende der Flugreise. Eine durch Addition der Einzelstrecken erfolgte Erhöhung der Ausgleichszahlung ist auch nicht mit Sinn und Zweck der Ausgleichszahlung in Einklang zu bringen. Ausgeglichen werden sollen die Unannehmlichkeiten, die mit dem durch Verspätungen einhergehenden Zeitverlust. Die Staffelung der Ausgleichszahlung nach Entfernung erfolgte nicht, weil man annahm dass längere Flugstrecken höhere Zeitverluste nach sich ziehen, sondern weil man annahm, dass für längere Flugstrecken höhere Preise zu entrichten sind. Die Höhe der Ausgleichszahlung soll in einem angemessenen Verhältnis zu einem höheren Preisniveau bei längeren Flugstrecken stehen. Dieser Gesichtspunkt trifft bei der Buchung einer aus Zubringer- und Anschlussflug bestehenden Flugreise oft nicht zu. Solche Flüge sind oft günstiger als Direktflüge. Wollte man nun eine Addition zulassen, würde in einer nicht unerheblichen Anzahl von Flugreisen der von der FluggastVO gerade nicht bezweckte Effekt eintreten, dass der günstigere Flug eine höhere Ausgleichszahlung nach sich zieht (LG Landshut, Urteil vom 16.12.2015 - 13 S 2291/15 - zitiert nach juris).
28II.
29Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB seit dem 16.10.2015 aufgrund der Fristsetzung in dem Anwaltsschreiben vom 08.10.2015.
30III.
31Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
32IV.
33Die Berufung wird nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zugelassen, soweit die Klage abgewiesen wurde, da die Frage der Berechnung der Entfernung bei Anschlussflügen höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
34Streitwert: 1.200,00 Euro
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
371. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
382. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
39Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
40Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
41Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
42Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Köln Urteil, 24. Okt. 2016 - 142 C 482/15
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Urteil einreichenAmtsgericht Köln Urteil, 24. Okt. 2016 - 142 C 482/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht eines Mitreisenden auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 € nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (im Folgenden: Fluggastrechteverordnung) in Anspruch.
- 2
- Die Reisenden buchten bei der Beklagten für den 20. Januar 2010 eine Flugreise von Berlin-Tegel über Madrid nach San José (Costa Rica). Der Start des von der Beklagten durchgeführten Fluges von Berlin nach Madrid erfolgte mit einer Verspätung von eineinhalb Stunden, was dazu führte, dass die Reisenden den Anschlussflug nach San José nicht mehr erreichten, weil der Einsteigevorgang bereits beendet war, als sie an dem betreffenden Ausgang ankamen. Sie wurden erst am folgenden Tag nach San José befördert.
- 3
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 FluggastrechteVO wegen der Verspätung des Zubringerflugs und des dadurch bedingten Nichterreichens des Anschlussflugs verneint. Einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreiche, stehe kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung wegen Nichtbeförderung zu; Zubringerflug und Anschlussflug seien nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich isoliert zu betrachten. Ein Anspruch wegen einer Beförderungsverweigerung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die Beklagte die Reisenden in Madrid trotz der verspäteten Ankunft noch hätte an Bord nehmen müssen. Selbst wenn sich das Flugzeug nach San José, wie die Klägerin behaupte, noch in der Parkposition am Flugsteig befunden habe, als die Reisenden den Ausgang erreichten, habe eine Beförderungsverweigerung nicht vorgelegen, da sich die Reisenden erst nach Abschluss des Einsteigevorgangs am Ausgang eingefunden hätten. Dies sei nicht mehr rechtzeitig gewesen.
- 6
- II. Diese Beurteilung hält zwar für sich genommen der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, der Klägerin stehen jedoch die geltend gemachten Ansprüche wegen der durch die Verspätung des Zubringerfluges verursachten erheblichen Verspätung bei der Ankunft am Endziel der Flugreise zu.
- 7
- 1. Die Fluggastrechteverordnung ist anwendbar, da die Reisenden auf einem Flughafen in Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von Berlin nach Madrid, angetreten haben (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO ).
- 8
- 2. Der verspätete Abflug dieses Flugs hat dazu geführt, dass die Reisenden ihr Endziel San José erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben. Dies begründet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Satz 2 FluggastrechteVO; die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c FluggastrechteVO für eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs liegen nicht vor.
- 9
- a) Wie der Unionsgerichtshof in der Rechtssache C-402/07 (Urteil vom 19. November 2009, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor) auf die Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden und die Große Kammer mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) bestätigt hat, können nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich geltend machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Auf eine weitere Vorlage des Senats hat der Unionsgerichtshof mit Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) ferner entschieden, dass dieser Anspruch nicht voraussetzt, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat. Es genügt daher, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich war, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreicht haben.
- 10
- b) Entgegen der Auffassung der Revision beruht dieses Ergebnis nicht darauf, dass die Flugreise von Berlin nach San José als ein einziger Flug anzusehen wäre. Flug im Sinne der Verordnung ist vielmehr, wie der Bundesgerichtshof im Einzelnen begründet hat, der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 12/12, NJW 2013, 682 = RRa 2013, 19; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Der Flug von Berlin nach Madrid ist mithin im Ausgangspunkt von dem (Anschluss-)Flug von Madrid nach San José zu unterscheiden. Hiervon geht auch das Urteil des Unionsgerichtshofs vom 26. Februar 2013 aus (s. nur Rn. 16, 18).
- 11
- Die Selbständigkeit der Flüge ändert indessen nichts daran, dass nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat und in welcher Höhe hierfür ein Ausgleich zu erbringen ist, nicht das Ziel des einzelnen Flugs, sondern der letzte Zielort oder (gleichbedeutend) das Endziel (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der Verspätung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Hiermit trägt die Verordnung dem Umstand Rechnung, dass die Annullierung oder Verspätung eines Flugs die einzelnen Fluggäste unterschiedlich stark beeinträchtigen kann, je nachdem, wie sie sich auf die Erreichung des individuel- len Endziels ihrer Flugreise auswirkt (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 15)
- 12
- c) Den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsansprüchen steht es auch nicht entgegen, dass der Anschlussflug von Madrid nach San José, dem Endziel der Flugreise, selbst nicht verspätet war.
- 13
- Zwar hat der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 gemeint, dass die Fluggastrechteverordnung "zwei unterschiedliche Fälle der Verspätung eines Flugs" betreffe (aaO Rn. 28) und aus der Definition des Endziels gefolgert, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke der in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankomme, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel , d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt werde (aaO Rn. 35). Er hat demgemäß in seiner Antwort auf die Vorlagefrage ausgeführt, dass die Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 FluggastrechteVO aufgeführten Voraussetzungen abhänge. Dies bedeutet jedoch nur, dass eine Abflugverspätung und insbesondere eine Abflugverspätung, die das in Art. 6 bezeichnete Ausmaß überschreitet, nicht notwendige Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist, und darf nicht dahin missverstanden werden, dass die Abflugverspätung den Ausgleichsanspruch nicht begründen könnte, wenn der Anschlussflug zum Endziel für sich genommen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt oder selbst nicht mit Verspätung ausgeführt worden ist. Vielmehr hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch bei Verspätung gerade für den Fall des infolge einer solchen Verspätung verpassten Anschlussflugs weiterentwickelt. Das Urteil vom 26. Februar 2013 ändert mithin nichts daran, dass Fluggäste, die auf einem Flughafen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Union einen Flug antreten, eine Ausgleichszahlung beanspruchen können, wenn der verspätete Abflug dieses Flugs zur Folge hat, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird.
- 14
- 3. Der Einwand der Revisionsbeklagten, die Auslegung der Fluggastrechteverordnung durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs sei von den der Europäischen Union zugewiesenen Kompetenzen nicht mehr gedeckt und deshalb von Verfassungs wegen nicht zu befolgen, führt zu keiner anderen Beurteilung.
- 15
- a) Zunächst stellt sich im Streitfall nicht die Frage nach den Grenzen der Zuständigkeit der Europäischen Union, die hinsichtlich der Fluggastrechteverordnung und der in ihr geregelten Rechte und Pflichten der Luftverkehrsunternehmen und der Fluggäste außer Zweifel steht. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass das Unionsrecht einen Ausgleichsanspruch für den Fall einer großen Verspätung vorsehen kann, so dass nicht in Betracht kommt, dass der Unionsgerichtshof durch die entsprechende Auslegung der Fluggastrechteverordnung in der Union nicht übertragene Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen haben könnte.
- 16
- b) Der Senat könnte daher die Fluggastrechteverordnung nicht anders auslegen, ohne dem Unionsgerichtshof die Frage der Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung mit dem Primärrecht der Europäischen Union vorzulegen. Hierzu besteht jedoch keine Veranlassung.
- 17
- In ihrem Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) hat die Große Kammer des Gerichtshofs die Gleichstellung der durch große Verspätungen betroffenen Passagiere mit den Passagieren annullierter Flüge nochmals ausführlich begründet. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii der Verordnung dem Luftverkehrsunternehmen einen gewissen Spielraum einräume, dem Fluggast eines spät annullierten Fluges eine anderweitige Beförderung anbieten zu können, ohne ihm einen Ausgleich zahlen zu müssen. Auch wenn das Luftverkehrsunternehmen die ihm eingeräumten Möglichkeiten in vollem Umfang nutze, dürfe jedoch die Gesamtdauer der angebotenen anderweitigen Beförderung die planmäßige Dauer des annullierten Fluges nicht um drei Stunden oder mehr übersteigen; bei Überschreitung dieser Grenze seien dem Fluggast zwingend Ausgleichszahlungen zu leisten. Dagegen räume keine Bestimmung der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich den Fluggästen verspäteter Flüge einen solchen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung ein, auch wenn sie ihr Endziel erst drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit und noch später erreichten. Der (primärrechtliche) Grundsatz der Gleichbehandlung verlange indessen, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht - wie hier nicht - objektiv gerechtfertigt sei (aaO Rn. 31-33).
- 18
- Aus der - allerdings nicht maßgeblichen - Sicht des deutschen Rechts handelt es sich hierbei um eine durch das Primärrecht zusätzlich gestützte Analogie. Der Bundesgerichtshof hat es in seinem Vorlagebeschluss im Fall "Sturgeon" für möglich gehalten, dass eine erhebliche Verzögerung des Abflugs als Annullierung des Flugs anzusehen sein könne und den Ausgleichsanspruch wegen Annullierung auslöse, da eine nicht erkennbar vom Verordnungsgeber gewollte Schutzlücke aufträte, wenn auch eine erhebliche, im Vorlagefall mehr als 24 Stunden betragende Verspätung keinen Ausgleichsanspruch auslöse und es die Luftverkehrsunternehmen jedenfalls in gewissem Umfang in der Hand hätten, die Rechtsfolgen einer Annullierung durch - in der Dauer nicht begrenzte - Verschiebungen der Abflugzeit zu umgehen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - X ZR 95/06, NJW 2007, 3437 Rn. 18 ff.). Diesem Ansatz ist der Unionsgerichtshof nicht gefolgt, weil die Verordnung eine zeitliche Grenze für Verspätungen nicht bestimmt hat, hat aber gleichwohl die Rechtsfolgen einer Annullierung in angepasster Form für anwendbar erklärt. Diese methodische Differenz ist nicht geeignet, den Vorwurf einer Missachtung der Bindung des Richters an das Gesetz zu begründen. Vielmehr hat sich der Unionsgerichtshof der richterlichen Aufgabe gestellt, diejenige Lücke zu füllen, die der Verordnungstext dadurch gelassen hat, dass er einerseits auch für erheblich verspätete Flüge keinen Ausgleichsanspruch vorsieht und andererseits kein objektives, dem Einfluss des betroffenen Luftverkehrsunternehmens entzogenes Kriterium dafür formuliert, wann eine Verspätung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Verordnung wie oder als eine Annullierung angesehen werden muss. Dementsprechend sieht nunmehr auch der Vorschlag der Kommission vom 13. März 2013 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zur Änderung der Fluggastrechteverordnung (COM (2013) 130 final) vor, für große Verspätungen in Art. 6 Abs. 2 und für verpasste Anschlussflüge in einem neuen Art. 6a zeitliche Grenzen für die verzögerte Ankunft am Endziel zu bestimmen, jenseits deren ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO bestehen soll.
- 19
- Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) bei verspäteten Flügen für den Ausgleichsanspruch nur die verspätete Ankunft in den Blick nimmt. Mit der Schaffung eines von der Verordnung nicht vorgesehenen Tatbestands der Ankunftsverspätung hat dies nichts zu tun. Vielmehr entspricht es dem Regelungskonzept der Fluggastrechteverordnung, dass es bei einem erheblich verspäteten Flug für die am Abflugort zu erbringenden Unterstützungsleistungen nach den Art. 8 und 9 auf die Abflugzeit, beim Ausgleichs- anspruch aber - nicht anders als bei der Annullierung - auf die für das Maß der Beeinträchtigung maßgebliche Ankunftszeit ankommt.
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- III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, § 91 Abs. 1 ZPO.
Hoffmann Deichfuß
Vorinstanzen:
AG Wedding, Entscheidung vom 31.03.2011 - 8a C 10/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 20.09.2011 - 85 S 113/11 -
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 10.02.2015 (Az.: 121 C 258/14) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
G R Ü N D E
2Der Beschluss ergeht gem. § 522 Abs. 2 ZPO. Zur Begründung wird zunächst Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss des Gerichts vom 23.06.2015. Der auf diesen Hinweis erfolgte weitere Vortrag des Klägers vermag der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen.
3Der Kläger trägt keine neuen Tatsachen zur Frage der Kausalität der Ankunftsverspätung des streitgegenständlichen Fluges für das Verpassen des Anschlussfluges vor. Bezüglich der Behauptung, durch die elfminütige Verspätung seien die Passagiere des vom Kläger und seiner Frau genutzten Flugzeuges gemeinsam mit einem anderen Flug abgefertigt worden, dies habe zu einem erhöhten Passagieraufkommen geführt, welches dann für das Verpassen des Anschlussfluges verantwortlich gewesen sei, bleibt es bei der Einschätzung der Kammer aus dem Beschluss vom 23.06.2015. Die Behauptung ist nicht schlüssig.
4Bei einer nur elfminütigen Verspätung ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger und seine Frau bei einer pünktlichen Landung die Einreisekontrolle mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor den Fluggästen des anderen (vom Kläger gar nicht spezifizierten) Fluges erreicht hätten. Es sind verschiedene Konstellationen denkbar, die auch bei einer pünktlichen Landung des streitgegenständlichen Fluges zu einer zeitgleichen Einreise mit dem anderen Flug geführt hätten. Es ist, dies wurde im Beschluss vom 23.06.2015 bereits ausgeführt, durchaus üblich, dass mehrere Flüge gleichzeitig abgefertigt werden.
5Wie bereits im Beschluss vom 23.06.2015 dargelegt, dürfte es sich bei einer so geringen Verspätung im Wesentlichen um dasselbe Aufkommen von Passagieren gehandelt haben als bei einem pünktlichen Flug. Einen Anhaltspunkt dafür, dass der Flughafen Los Angeles üblicherweise die Passagiere der verschiedenen Flugzeuge einzeln einreisen lässt, hat der Kläger nicht vorgetragen.
6Der Kläger hat damit nicht ausreichend dargelegt, dass die Flugverspätung conditio sine qua non für die gleichzeitige Abfertigung mit einem anderen Flug war bzw. dass bei einer pünktlichen Ankunft ausschließlich „sein“ Flug die Einreisekontrolle passiert hätte und dass dies zur Folge gehabt hätte, dass er den Anschlussflug erreicht hätte. Das allgemeine Risiko, dass die Einreisekontrollen länger als veranschlagt dauern, trägt, auch dies ist im Hinweisbeschluss der Kammer bereits ausgeführt, nicht die Beklagte.
7Die Berufung war daher zurückzuweisen; eine Beweisaufnahme hatte mangels Schlüssigkeit des Klagevortrags nicht zu erfolgen.
8Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
9Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.