Amtsgericht Kleve Beschluss, 02. Okt. 2014 - 22 XIV 42/13 B
Tenor
Wird der Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der
Haft zurückgewiesen.
1
Gegen den Betroffene wurde in einem einstweiligen Anordnungsverfahren gem. § 427 FamFG mit Beschluss vom 04.10.2013 (Amtsgericht xxx, Az. 22 XIV 36/13 -B) Sicherungshaft bis zum 08.11.2013 angeordnet. Der Betroffene wurde im gegenständlichen Hauptverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts xxx vom 06.11.2013 für die Dauer bis zum 02.01.2014 zur Sicherung der Zurückschiebung in Haft genommen.
2Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene am 06.11.2013 Beschwerde ein, die durch Beschluss des Landgerichts Kleve vom 11.11.2013 zurückgewiesen wurde.
3Mit Schriftsatz vom 10.12.2013 legte die Prozessbevollmächtigte des Betroffenen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein, die mit Schriftsatz vom 30.12.2013 zurückgenommen wurde. Mit Schriftsatz vom 13.12.2013 beantragte die Prozessbevollmächtigte zudem die Aufhebung der Haft und die Feststellung, dass der Betroffenen durch den Beschluss des Amtsgerichtes in seinen Rechten verletzt ist.
4Nachdem der Antragsteller am 12.12.2013 die Verlängerung der Sicherungshaft beantragt hat, verwies das Amtsgericht Kleve, das Verfahren über die Fortdauer der Sicherungshaft an das Amtsgericht xxx (AG xxx, Az. 11 XIV 104/13 -B). Das Amtsgericht xxx wies den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Sicherungshaft durch Beschluss vom 19.12.2013 zurück. Eine dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos.
5Ausweislich der Mitteilung der Haftanstalt xxx an das Amtsgericht xxx (Bl. 65 a d. A. Amtsgericht xxx Az. 11 XIV 104/13 -B) wurde der Betroffene am 30.12.2013 aus der Haft entlassen.
6Am 25.07.2014 stellte die Prozessbevollmächtigte bei dem Amtsgericht xxx erneut den Antrag, die Haft aufzuheben. Der Schriftsatz wurde an das Amtsgericht xxx weitergeleitet. Das Amtsgericht xxx übersandte die Akte an das hiesige Gericht zur Entscheidung über den Feststellungsantrag zuück.
7II.
8Soweit der Betroffene den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft unbedingt und nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrages bei Gericht am 13.12.2013 beschränkt hat, ist der Antrag bereits aufgrund der formellen Rechtskraft der Haftanordnung unzulässig. Das Beschwerdeverfahren des Betroffenen war durch Beschluss des Landgerichts xxx vom 11.11.2013 abgeschlossen. Die formelle Rechtskraft der Haftanordnung hat allerdings zur Folge, dass die Rechtswidrigkeit in dem Haftaufhebungsverfahren erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht festgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2012 – V ZB 115/12 –, juris).
9Soweit sich der Antrag auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung für den Zeitraum vom 13.12 – 30.12.2013 bezieht ist der Antrag unbegründet. Gegenstand der der Überprüfung des Feststellungsverfahrens ist, ob der Betroffenen im Zeitraum zwischen der Anordnung der Sicherungshaft und der Haftentlassung am 30.12.2013 in seinen Rechten verletzt worden ist. Eine solche Rechtsverletzung ist nicht zu erkennen.
10Der Haftantrag des Antragstellers genügt den Voraussetzungen. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 06.11.2013 verwiesen. Auch kann der Betroffene nicht damit durchdringen, dass das Gericht das vorausgegangene Verfahren (Az. 22 XIV 36/13 -B) bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt hätte. Die erstmalige (vorläufige) Anordnung der Sicherungshaft erfolgte entsprechend dem Antrag des Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren, da es dem Antragsteller im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung am 04.10.2013 mangels der Möglichkeit einer vorherigen Rückfrage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht möglich war den konkreten Ablauf des Zurückschiebungsverfahrens samt der Zuständigkeit des Zielstaates im Haftantrag zu benennen. Diesen Anforderungen ist der Antragsteller mit seinem Antrag vom 25.10.2013 nachgekommen.
11Soweit die Prozessbevollmächtigte des Betroffenen bemängelt, dass sich aus dem Protokoll ergebe, dass dem Betroffenen lediglich der wesentliche Inhalt der Antragsschrift übersetzt worden ist, ergibt sich daraus nicht die Unzulässigkeit des Beschlusses. Nach der von der Prozessbevollmächtigten zitierten Entscheidung reicht allein nicht aus, dass der Haftrichter sich darauf beschränkt, den Inhalt des Haftantrages mündlich vorzutragen. Daneben ist erforderlich, dass dem Betroffenen der schriftliche Haftantrag ausgehändigt wird (vgl.BGH, Beschluss vom 14. Juni 2012 – V ZB 284/11 –, juris). Insoweit reicht es aus, dem Betroffenen den wesentlichen Inhalt des Haftantrages mündlich vorzutragen, soweit der Antrag dem Betroffenen zusätzlich übergeben wird. Diesen Anforderungen wurde vorliegend genüge getan. Darüber hinaus wurde der Haftantrag – auch wenn es sich nicht aus dem Protokoll ergibt – vollständig übersetzt. Dies ist gängige Praxis des erkennenden Gerichtes.
12Auch entspricht der Haftantrag hinsichtlich des erteilten Einvernehmens der Staatsanwaltschaft den formalen Anforderungen. Der Antragsteller hat unter Nennung der unterrichteten Staatsanwältin hinreichend vorgetragen, dass das erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft für den konkreten Fall eingeholt worden ist. Damit war dem Betroffenen eine Prüfung möglich, ob das Einvernehmen erteilt worden ist.
13Entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Betroffenen ist der Beschluss auch nach §§ 38, 41 FamFG wirksam erlassen worden. Neben der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle kann der Beschluss auch durch Verlesen der Beschlussformel in Anwesenheit der Beteiligten erlassen werden. Dies ist vorliegend ausweislich des Protokolls geschehen. Soweit der Erlass durch Verlesen der Beschlussformel erfolgt, ist das Datum des Erlasses auf der Urschrift des Beschlusses nicht notwendig, da sich das maßgebliche Datum den Akten entnehmen lässt (vgl. § 41 Abs. 2 S. 2 FamFG). Dem Erlassvermerk kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu, er ist keine Erlassvoraussetzung (Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 38, Rn. 30).
14Soweit die Prozessbevollmächtigte des Betroffenen schließlich einwendet, dass die Unterbringung des Betroffenen in der Vollzugsanstalt in xxx nicht in einer geeigneten Haftanstalt durchgeführt worden ist, kann sie damit nicht durchdringen. Das Gericht ist trotz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2014 (Az. V ZB 137/14 –, juris) nach wie vor der Auffassung, dass sich aus dem Wortlaut des § 62 a AufenthG ergibt, dass sich die Vorschrift auf die Situation in den jeweiligen Bundesländern in der Bundesrepublik Deutschland bezieht. Da in Nordrhein-Westfalen keine speziellen Einrichtungen für Abschiebhäftlinge vorhanden sind und in xxx eine getrennte Unterbringung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen erfolgt, war der Vollzug in der Einrichtung xxx in dem Zeitraum vom 13.12 – 30.12.2013 zulässig.
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Urteil einreichenAmtsgericht Kleve Beschluss, 02. Okt. 2014 - 22 XIV 42/13 B zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.
(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2011 Sicherungshaft bis zum 16. Januar 2012 gegen den Betroffenen angeordnet. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Beteiligte zu 2 als von dem Betroffenen benannte Vertrauensperson beantragt, die Haft aufzuheben und festzustellen, dass sie ab dem 12. Januar 2012 rechtswidrig ist. Das Amtsgericht hat das Schreiben als Beschwerde gegen die Haftanordnung angesehen, dieser nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht vorgelegt , das die Beschwerde als unzulässig verworfen hat. Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach der Entlassung des Betroffenen am 13. Januar 2012 die Rechtswidrigkeit der Haft am 12. und 13. Januar 2012 feststellen lassen will.
II.
- 2
- Das Beschwerdegericht legt das Schreiben vom 12. Januar 2012 als Beschwerde gegen die Haftanordnung aus, die nicht innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden und damit als unzulässig zu verwerfen sei.
III.
- 3
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Beteiligte zu 2 beschwerdebefugt, weil der Betroffene ihn als Vertrauensperson benannt hat (§ 429 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG). Er war, wie es gemäß § 429 Abs. 2 FamFG erforderlich ist, bereits im ersten Rechtszug beteiligt, weil er den Haftaufhebungsantrag vor dem Amtsgericht gestellt hat.
- 4
- 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hat das Schreiben vom 12. Januar 2012 zu Unrecht als (unzulässige) Beschwerde gegen die Haftanordnung angesehen. Der Antrag war ausdrücklich als Haftaufhebungsantrag bezeichnet und damit offenkundig auf § 426 Abs. 2 FamFG gestützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ändert der Eintritt der formellen Rechtskraft der Haftanordnung nichts daran, dass während des Haftvollzugs jederzeit ein solcher Antrag gestellt werden kann. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass neue Umstände eingetreten sind; der Antrag kann auch - wie hier - darauf gestützt werden, dass die Haft von vornherein nicht hätte an- geordnet werden dürfen (näher Senat, Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 214/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 318/10, Rn. 16, juris; Beschluss vom 15. Dezember 2011 - V ZB 302/10, juris Rn. 13).
IV.
- 5
- Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben.
- 6
- 1. Sie ist nicht aus anderen Gründen richtig; denn der Antrag ist zulässig. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Haftaufhebungsantrags kann nach der Erledigung durch die Haftentlassung gemäß § 62 Abs. 1 FamFG mit dem Ziel weiter verfolgt werden, die Rechtsverletzung des Betroffenen festzustellen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200 Rn. 7 f.; vom 15. Dezember 2011 - V ZB 302/10, juris Rn. 12). Die formelle Rechtskraft der Haftanordnung hat allerdings zur Folge, dass die Rechtswidrigkeit in dem Haftaufhebungsverfahren erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht festgestellt werden kann (Senat, Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 214/10, juris Rn. 15; Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 318/10, juris Rn. 16). Dem hat der Beteiligte zu 2 Rechnung getragen, indem er den Feststellungsantrag auf die Inhaftierung am 12. und 13. Januar 2012 beschränkt hat.
- 7
- 2. Weil das Amtsgericht bislang nur eine Abhilfeentscheidung hinsichtlich der Haftanordnung getroffen hat, sieht der Senat ausnahmsweise die Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs als geboten an (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG), das sich mit dem Antrag des Beteiligten zu 2 in der Sache auch unter Berücksichtigung der Rechtsbeschwerdebegründung zu befassen hat. Stresemann Roth Brückner Weinland Kazele
AG Geldern, Entscheidung vom 17.10.2011 - 29 XIV 58/11 B -
LG Kleve, Entscheidung vom 06.06.2012 - 4 T 129/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Freien und Hansestadt Hamburg auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht Hamburg hat auf Antrag der Beteiligten zu 2 vom 21. November 2011 mit Beschluss vom 22. November 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung längstens bis sechs Wochen nach Ende der gegen ihn vollstreckten Untersuchungshaft angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit einem Beschluss vom 20. Dezember 2011 zurückgewiesen, der in zwei unterschiedlichen Fassungen zur Versendung gekommen ist. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach Aussetzung der Haft durch den Senat mit dem Antrag , die Rechtswidrigkeit der angeordneten Haft und der Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht festzustellen.
II.
- 2
- Das Beschwerdegericht meint in der letztlich zu den Gerichtsakten gelangten Ausfertigung des Beschlusses, die Voraussetzung von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG läge vor. Der Betroffene sei unerlaubt eingereist und deshalb vollziehbar ausreisepflichtig. Daran ändere sein Asylantrag nichts. Die Anordnung von Abschiebungshaft sei nicht nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG unzulässig , da nicht feststehe, dass die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden könne. Die Anordnung der Haft sei auch verhältnismäßig , weil der Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen wolle. Schließlich sei auch das Beschleunigungsgebot gewahrt. Die Behörde müsse sich um Ersatzpapiere erst bemühen, wenn vorhersehbar ist, dass eine Abschiebung erforderlich werde.
III.
- 3
- Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte (Senat, Beschluss vom 25.Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 9) und auch sonst zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht in seinen Rechten verletzt worden.
- 4
- 1. Die Haft hätte nach § 417 Abs. 2 FamFG nicht angeordnet werden dürfen, weil der vorgelegte Haftantrag zur Anordnung der Sicherungshaft nicht ausreicht und weil er dem Antragsteller nicht ausgehändigt worden ist.
- 5
- a) Sicherungshaft darf nur angeordnet werden, wenn der von der beteiligten Behörde vorgelegte Haftantrag die nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG vorgeschriebene Begründung enthält und diese den gesetzlichen Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG entspricht (Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 8). Daran fehlt es hier.
- 6
- aa) Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nicht schon dann, wenn darin entsprechend § 23 FamFG "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben" werden. Vielmehr muss er sich zu allen in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten Punkten verhalten. Die dazu notwendigen Darlegungen dürfen zwar knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 f. Rn. 9). Sie müssen auf den konkreten Fall zugeschnitten sein und dürfen sich nicht in Leerformeln und Textbausteinen erschöpfen (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83). Das gilt insbesondere für die Ausführungen zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur erforderlichen Dauer der Haft. Sie müssen sich auf das Land beziehen, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, und Angaben dazu enthalten, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83). Hieran fehlt es.
- 7
- bb) Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung in die Türkei enthält der Antrag nicht. Die Begründung, die Haftdauer berücksichtige die üblichen Reisevorbereitungen, ist als universell einsetzbare Leerformel, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt, nicht ausreichend (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83). Die gebotenen (dazu: Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361, 362) konkreten Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, fehlen. Dazu reicht es nicht, dass mit dem türkischen Generalkonsulat eine Behörde des Staats genannt wird, in welchen der Betroffene abgeschoben werden sollte. Denn es wird nichts dazu ausgeführt, in welchem Zeitrahmen das Generalkonsulat üblicherweise Ersatzpapiere erteilt, wovon das gegebenenfalls abhängt und ob bereits Kontakt mit dem Konsulat aufgenommen worden ist, was die Kontaktaufnahme ergeben hat und weshalb die Beschaffung der Ersatzpapiere nicht innerhalb der angeordneten Untersuchungshaft möglich war (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318, 319 Rn. 10).
- 8
- cc) Das Versäumnis hat die beteiligte Behörde auch nicht nachgeholt, was – für die Zukunft – möglich gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 f. Rn. 8).
- 9
- b) Die Haftanordnung hätte auch deshalb nicht ergehen dürfen, weil der Antrag dem Betroffenen nach dem Protokoll zu Beginn der Anhörung vor dem Amtsgericht lediglich „bekanntgegeben“, aber nicht ausgehändigt worden ist. Das genügt nicht. Der Haftantrag kann dem Betroffenen zwar erst zu diesem Zeitpunkt eröffnet werden, wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu dem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16 mwN). Das bedeutet aber nicht, dass sich der Haftrichter in einem solchen Fall darauf beschränken dürfte, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Vielmehr muss dem Betroffenen in jedem Fall eine Kopie des Haftantrags ausgehändigt werden und dies in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8). Der Betroffene ist schon auf Grund der Situation zumeist nicht in der Lage, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen. Er muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können. Das bestätigt ein Blick auf § 41 Abs. 2 Satz 4 FamFG. Danach kann ein Beschluss einem Anwesenden zwar mündlich bekannt gegeben werden. Er muss ihm aber dessen ungeachtet zusätzlich schriftlich bekannt gegeben werden. Das gilt im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes auch für die Übermittlung des Antrags nach § 23 Abs. 2 FamFG und ist hier versäumt worden.
- 10
- 2. Die Aufrechterhaltung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil die beteiligte Behörde den Haftantrag nicht ergänzt hatte, es deshalb immer noch an den Haftvoraussetzungen fehlte und weil es den Betroffenen nicht selbst angehört hat, obwohl es dazu verpflichtet war.
- 11
- a) Die angeordnete Haft durfte nur aufrechterhalten werden, wenn zu diesem Zeitpunkt ein zulässiger Haftantrag vorlag. Das ist der Fall, wenn die beteiligte Behörde die fehlenden Angaben im Beschwerdeverfahren nachholt und dem Betroffenen rechtliches Gehör dazu gewährt wird (Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 f. Rn. 8). Das ist nicht geschehen.
- 12
- b) Das Beschwerdegericht durfte von der auch in einem Beschwerdeverfahren grundsätzlich erforderlichen Anhörung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28. Januar 2010 - V ZB 2/10, FGPrax 2010, 163 Rn. 7, vom 4. März 2010 – V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 153 und vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 329 Rn. 13) nicht absehen. Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist dies zwar ausnahmsweise - auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 EMRK - zulässig, wenn eine persönliche Anhörung in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 153 und vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 329 Rn. 13). Daran mangelt es aber, wenn die angegriffene Haft ohne zulässigen Haftantrag angeordnet worden ist. Das Fehlen eines zulässigen Haftantrags entzieht nicht erst der Haftanordnung die Grundlage, sondern schon der vorausgehenden Anhörung des Betroffenen durch den Haftrichter. Ohne zulässigen Haftantrag kann der Haftrichter dem Betroffenen nicht, wie geboten, Gelegenheit geben, sich zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn zu verhängenden Freiheitsentziehung sowie zu allen wesentlichen Gesichtspunkten zu äußern, auf die es für die Entscheidung über die Freiheitsentziehung ankommt (vgl. Senat , Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, NVwZ 2010, 1508, 1510 Rn.
- 13
- c) Darauf, ob die Haftanordnung auch deshalb nicht aufrechthalten werden durfte, weil die beteiligte Behörde in den ersten 18 Tagen der Untersuchungshaft nur das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft hergestellt, aber keinen Kontakt zu dem für die Erteilung von Ersatzpapieren zuständigen türkischen Generalkonsulat aufgenommen hat, kommt es nicht an.
III.
- 14
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 22.11.2011 - 219g XIV 389/11 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.12.2011 - 329 T 109/11 -
(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.
(2) Der Beschluss enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten; - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; - 3.
die Beschlussformel.
(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.
(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit
- 1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist, - 2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder - 3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.
(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:
- 1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung; - 2.
in Abstammungssachen; - 3.
in Betreuungssachen; - 4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.
(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.
(1) Der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben. Ein anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht.
(2) Anwesenden kann der Beschluss auch durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben werden. Dies ist in den Akten zu vermerken. In diesem Fall ist die Begründung des Beschlusses unverzüglich nachzuholen. Der Beschluss ist im Fall des Satzes 1 auch schriftlich bekannt zu geben.
(3) Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, ist auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, bekannt zu geben.