Amtsgericht Heidenheim a. d. Brenz Beschluss, 09. Apr. 2003 - 2 F 271/03

bei uns veröffentlicht am09.04.2003

Tenor

1. Die Entscheidungsbefugnis über die Teilnahme an der Sprachreise vom 13.04. bis 25.04.2003 nach Eastbourne/Großbritannien wird für M auf den Vater, für A auf die Mutter übertragen.

2. Eine weitergehende Regelung wird nicht getroffen.

3. Die Kostenentscheidung folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

 
Die Eltern streiten sich darüber, ob M und A an einer Sprachreise in den Osterferien nach Großbritannien, die der Vater mit Zustimmung der Mutter gebucht hat, teilnehmen sollen. An- und Abreise nach England erfolgen dabei mit dem Flugzeug.
Bei Scheidung der Ehe der Eltern mit Urteil vom 18. Oktober 2002 – rechtskräftig seit 26. November 2002 – erfolgte keine Regelung der elterlichen Sorge (2 F 110/02 Amtsgericht – Familiengericht – H). Der gemeinsame Sohn M, geboren am 30.04.1989 wohnt beim Vater, die Tochter A, geboren am 20.12.1990 bei der Mutter.
Die Entscheidungsbefugnis darüber, ob die Kinder an der Sprachreise nach England teilnehmen oder nicht, war für A auf die Mutter, für M auf den Vater zu übertragen (§ 1628, 1697 a BGB).
Die Sprachreise nach England ist für beide Kinder eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Nachdem sich die Eltern über die Teilnahme der Kinder an der Reise nicht einigen können, hat deshalb auf Antrag das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu übertragen, nachdem mangels Regelung der elterlichen Sorge beide Elternteile gemeinsam die elterliche Sorge für beide Kinder ausüben.
Die Entscheidung des Gerichts hat sich dabei gemäß § 1697 a BGB unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten am Wohl des Kindes zu orientieren.
Prinzipiell entspricht eine Sprachreise, mit der ein Kind einverstanden ist und die es wünscht, auch dem Wohl des Kindes.
Auch ist zu berücksichtigen, dass die Mutter von A ihr Einverständnis mit einem Sprachaufenthalt der Kinder in England gegeben hat.
Auf der anderen Seite war zu berücksichtigen, dass sich Großbritannien in Koalition mit den Vereinigten Staaten von Amerika ohne ausdrückliche Billigung durch eine UN-Resolution im Krieg mit dem Irak befindet. Die Gefahr von Terroranschlägen durch Mitglieder islamistischer Gruppen an Flughäfen und in Großstädten kriegsbeteiligter Nationen ist nicht von der Hand zu weisen. Dies gilt auch für Terroranschläge auf Flugzeuge. Selbstmordanschläge auf amerikanische Soldaten im Irak hat es bereits gegeben. Terroranschläge in Israel sind an der Tagesordnung. Ein Aufruf des irakischen Diktators S H zum Heiligen Krieg ist erfolgt. Die tägliche Information im Fernsehen über das schreckliche Leid der irakischen Zivilbevölkerung trägt ebenfalls wohl nicht dazu bei, gewaltbereite Islamisten zu besänftigen. Die allgemeine Lage hat – wie aus Presseberichten ebenfalls bekannt ist – dazu geführt, dass die Fluglinien mit erheblich zurückgehenden Fluggastzahlen konfrontiert werden. Wenn unter diesen Umständen die Mutter der Meinung ist, die Kinder sollten die Flugreise nach England derzeit nicht antreten, kann nicht von einer willkürlichen Entscheidung gesprochen werden. Dazu kommt, dass A bei ihrer Anhörung bekundet hat, sie könne mit einer Absage der Sprachreise leben. Dazu kommt, dass A im Hinblick auf ihre Englischnote nicht so dringend auf die Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse angewiesen ist.
Im Hinblick auf diese Gesamtumstände ist, nachdem A ihren Lebensmittelpunkt auch bei der Mutter hat, die Entscheidung der Mutter zu akzeptieren.
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Das Familiengericht ist nicht dazu da, eine nachvollziehbar begründete, sich am Wohl des Kindes orientierende Entscheidung abzuändern.
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Das gleiche gilt für den Vater im Hinblick auf M. Wenn der Vater bei der derzeitigen Situation zu der Überzeugung gekommen ist, die Gefahr von Terroranschlägen sei nicht so groß, dass die Reise abgesagt werden müßte, ist dies zumindest für M zu akzeptieren. Hier kommt hinzu, dass die Mutter ausdrücklich die Entscheidungsbefugnis für M im Hinblick auf die Sprachreise dem Vater überlassen hat.
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Die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Sprachreise nach England wurde deshalb für A auf die Mutter, für M auf den Vater übertragen. Vom Gericht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es damit keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob die Kinder an der Sprachreise teilnehmen oder nicht.
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Diese Entscheidung müssen alleine die Eltern treffen, denen insoweit allein die Entscheidungsbefugnis für das jeweilige Kind übertragen wurde.
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Die Mutter sei noch auf folgendes hingewiesen: Das Gericht hielte es für fair und selbstverständlich, dass sie bezüglich A die Stornokosten der Reise übernimmt und ihre Einwilligung zu der Sprachreise zu einem späteren Zeitpunkt erteilt. Allerdings hält es das Gericht für nicht wahrscheinlich, dass die Gefahr von Terroranschlägen nach Beendigung des Irak-Krieges sich sofort verringern wird.
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Die Entscheidung erging ohne Anhörung der Eltern, weil diese im Hinblick auf die Kürze der Zeit nicht mehr möglich war.
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Beide Parteien sollten binnen eines Monats mitteilen, ob eine mündliche Verhandlung und eine Entscheidung in der Hauptsache noch notwendig ist.

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