Amtsgericht Essen Beschluss, 27. Aug. 2014 - 106 F 62/14
Tenor
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, an den Antragsteller folgende Beträge zu zahlen:
1. rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 01.11.2013 bis 28.02.2014 in Höhe von 720,- €
sowie
2. ab dem 01.03.12014 laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von jeweils 100% des Mindestunterhalts der ersten bzw. zweiten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, abzüglich der nach § 2 Absatz 2 UVG anzurechnenden Leistungen in Höhe des für ein erstes Kind zu zahlendes Kindergeldes, mithin derzeit monatlich 180,- €.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
Der Verfahrenswert wird auf 2.700,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antragsteller leistet laufend Unterhaltsvorschuss für das Kind K, geboren am ***. In der vom Standesamt Essen ausgestellten Geburtsurkunde sowie in der von beiden Elternteilen unterschriebenen Anmeldung zur Eheschließung ist dieses Kind als eheliches Kind des Antragsgegners und der Kindesmutter angegeben. Die Heirat erfolgt am 22.01.2007, die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Essen – Aktenzeichen: ### – am 11.01.2012 geschieden.
3Darin wurde die alleinige Sorge der Kindesmutter übertragen.
4Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner sei der Vater des Kindes, bei seinem Bestreiten handele es sich um eine reine Schutzbehauptung. Dieser sei bereits mit Schreiben vom 19.01.2010, zugestellt am 28.01.2010, über den Antrag auf Unterhaltsvorschuss und den Anspruchsübergang informiert worden.
5Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
6wie erkannt.
7Der Antragsgegner beantragt,
8diesen Antrag abzuweisen.
9Er bestreitet, der Kindesvater zu sein. Die Kindesmutter habe – was unstreitig ist – ihn wegen häuslicher Gewalt an ihrem damaligen Wohnsitz auf Mallorca bei der Polizei angezeigt, weswegen er in Haft genommen und ein Annäherungsverbot erlassen worden sei. Nach ihrem Auszug und seiner Rückkehr in die Wohnung habe er feststellen müssen, dass die Kindesmutter sämtliche Unterlagen, auch die Geburtsurkunde von K und Bargeld in Höhe von 40.000,- € u. a. mitgenommen habe. Ihm sei unerklärlich, warum er in der Geburtsurkunde eingetragen sei. Er hält die Anmeldung zur Eheschließung vom 22.01.2007 nicht für aussagekräftig, weil dort handschriftliche Änderungen vorgenommen seien. Er bestreite, dort mit seinem Vornamen „S“ unterschrieben zu haben. Dies tue er generell nicht. Er sei nicht leistungsfähig. Er sei selbstständig und seit Februar 2014 aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig krank.
10Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen.
11Der Antrag ist begründet.
12Das Kind K hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Kindesunterhalt aus § 1601 BGB, der nach dem UVG auf den Antragsteller übergegangen ist. Soweit der Antragsgegner bestreitet, der Kindesvater zu sein, ist dies nicht substantiiert. Diesem erstmaligen Bestreiten zehn Jahre nach der Geburt des Kindes steht vielmehr das eigene Verhalten des Antragsgegners entgegen. Der Antragsgegner hat zehn Jahre lang intensiv die Rechte des Vaters geltend gemacht. Als die Kindesmutter mit dem Kind von Mallorca gegen den Willen des Vaters nach Deutschland gezogen ist, hat er gegen sie in Spanien Anzeige wegen Kindesentführung erstattet und nach eigenen Angaben eine Suche durch Staatsanwaltschaft und Polizei veranlasst. Um seinen Wunsch nach Umgang mit dem Kind umzusetzen, ist er mehrfach nach Deutschland gekommen. Seither hat er sie nach der Trennung in Absprache mit der Mutter besucht, was aber aufgrund eines Streites der Kindeseltern vorzeitig endete.
13Ein weiteres Mal ist er unangemeldet an der Schule erschienen, um – so seine Einlassung – sich nach der Entwicklung des Kindes zu erkundigen. Im Scheidungsverfahren war weiterhin völlig unstreitig, dass K sein Kind ist. Der Antragsgegner hat anwaltlich vertreten dem Sorgerechtsantrag der Kindesmutter widersprochen und erneut Umgang geltend gemacht. Insoweit wurde Einvernehmen erzielt, dass ein Umgang über den Großvater mütterlicherseits angebahnt werden sollte.
14Nichts anderes folgt auch aus der Anmeldung zur Eheschließung. Gemeinsam mit der Kindesmutter hat der Antragsgegner unstreitig K als eigenes durch die spätere Eheschließung eheliches Kind eintragen lassen und die Anmeldung auch unterschrieben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er auch mit seinem Vornamen oder mit seinem Nachnamen unterschrieben hat. Entscheidend ist seine eigene Erklärung, dass es sich bei K um sein eigenes Kind handelt.
15Nichts anderes ergibt sich daraus, dass zwischendurch unklar war, ob das Kind einen Doppelnamen führt oder nur den Nachnamen M. Der Nachname ändert nichts an der Vaterschaft, im Übrigen haben der Antragsgegner und die Kindesmutter im Scheidungstermin erklärt, weshalb in der deutschen Geburtsurkunde nur der Name „M“ steht.
16Der Antragsgegner hat nicht substantiiert dargelegt, leistungsunfähig zu sein. Er muss sich nach § 1603 Abs. 2 BGB so behandeln lassen, als ob er das nötige Nettoeinkommen zur Zahlung von monatlich 180,- € zur Verfügung hätte. Nach dieser Vorschrift obliegen dem Unterhaltspflichtigen derart intensive Erwerbsbemühungen, dass diese einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entsprechen. Dazu zählt auch die Obliegenheit, bei einer eventuellen Erkrankung diese intensiv und umgehend therapieren zu lassen.
17Der Antragsgegner hat bereits nicht näher dargelegt, inwiefern er erkrankt ist und therapiert wird. Der pauschale Hinweis auf eine psychologische Behandlung und ein ärztliches Attest mit dem globalen Hinweis, der Antragsgegner sei arbeitsunfähig, genügen dazu nicht.
18Angesichts der Vorkenntnisse des Antragsgegners im handwerklichen Bereich ist er nach der Erfahrung des Gerichts auch als gegebenenfalls ungelernte Kraft in der Lage, monatlich wenigstens 1.200,- € zu verdienen.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
20Rechtsbehelfsbelehrung:
21Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
22Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Essen eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
23Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
24Gegen diesen Beschluss wurde beim OLG Hamm Beschwerde eingelegt. Dortiges Aktenzeichen: II-9 UF 196/14.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Essen Beschluss, 27. Aug. 2014 - 106 F 62/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Essen Beschluss, 27. Aug. 2014 - 106 F 62/14
Referenzen - Gesetze
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.